ZitatVoltaire:Meine Meinung:
Ein faszinierendes Buch, ein Buch viel zu schade um vergessen zu werden. Ein sprachakrobatisches Meisterwerk, angereichert mit leiser Ironie, immer sensibel im Ausdruck, manchmal schien ihm ein Proust oder auch ein Kafka über die Schulter geschaut zu haben. „Die Zimtläden“ ist sicher ein Buch das aus der Art schlägt. Ein literarischer Leckerbissen, ein Klassiker auf dem Weg zeitlos zu werden. Ein Buch mit einer ganz speziellen Tiefe, ein Buch das auch zum Denken anregt und das den Leser so ganz in seinen Bann ziehen kann. Immer wieder staunt der Leser über das gewaltige Sprachvermögen des Autors. Gerade dadurch schafft der Autor eine ganz besondere, eine wirklich begeisternde Atmosphäre.
Ich muss dir uneingeschränkt beipflichten. Es ist wirklich ein sprachliches Feuerwerk an bildhaften Um- und Beschreibungen. manche Sätze bzw. Passagen habe ich dreimal gelesen, um sie so richtig auf der "Zunge" zergehen zu lassen.
Wahllos herausgegriffene Beispiele: "Die Silhouette der mit nackten Baumruten behaarten Hügel hob sich wie wohlige Seufzer gen Himmel."
"Die Tage waren vor Kälte und Langeweile hart geworden wie Brotlaibe vom Vorjahr. Man schnitt sie mit stumpfem Messern an, ohne Appetit, faul und schläfrig.“
„Wie ein Schwimmer mit dem Wasser kämpfte er mit den Federbetten, er drückte und knetete sie mit dem Körper wie Teig in einem riesigen Backtrog, in den er hineingefallen war, erwachte dann im Morgengrauen, keuchend, schweißüberströmt, ans Ufer des Deckenhaufens geworfen, den er in heftigen nächtlichen Ringkämpfen nicht hatte bezwingen können.“
Allerdings musste ich mich hin und wieder zwingen, weiterzulesen, denn Schulz übertreibt es fast ein bisschen. Einige Begriffe tauchen ständig wieder auf, manchmal dreimal auf einer Seite, sodass ich den Eindruck hatte, ihm wären noch neuere Ausdrücke ausgegangen. Das bringt dann jedoch auch Abstand zum Gelesenen wie ein Bremsklotz.
Was mir noch aufgefallen ist, sind einige Parallelen zu E.T.A. Hoffmann.
- Schon allein die ausufernde Phantasie nahe des Wahnsinns (den Schulz auch öfter erwähnt)
- In „Der goldne Topf“ sitzt der Protagonist in einem Glas auf einem Regal; bei Schulz ist es der Vater, der auf Schränken und der Gardinenstange hockt
- Im gleichen Werk von Hoffmann verwandelt sich der Archivarius Lindhorst in einen Vogel und fliegt weg: in den „Zimtläden“ ist es wiederum der Vater, der mit Vögeln zu tun hat und sich in der Kinderfantasie in einen Geier verwandelt hat; auch Kinder, die er beim Spielen beobachtet, fliegen als Vögel in den Himmel
- In Hoffmanns „Der Sandmann“ hat der Protagonist eine „Augen“-Phobie und wird deshalb wahnsinnig; bei Schulz spielen auch Augen (und Fensterscheiben) immer wieder eine große Rolle im Zusammenhang mit dem verrückten Vater
- Des Weiteren sind für Hoffmann Spiegel Gegenstände, die psychisches Unwohlsein hervorrufen; in Schulz’ Buch tauchen sie ebenfalls öfter auf, sprechen miteinander, werfen sich Blicke zu oder:„[...]und er ging resigniert zur Tür, langsam, mit gesenktem Kopf – während sich einer, mit für immer abgewandtem Rücken, gemächlich in die entgegensetzte Richtung entfernte – in die Tiefe des Spiegels – durch eine leere Flucht von Zimmern, die es nicht gab.“ Das erinnert mich an Hoffmanns „Das öde Haus“
- Auch die Schneiderpuppe, die den Vater zu seinem wirren Traktat anregt, lässt mich an Hoffmanns Olimpia denken.
Ich glaube, das wäre nahezu eine Doktorarbeit, wenn man diese Parallelen noch intensiver nachprüfen wollte. Irgendwie passt das alles ins selbe Schema, obwohl Hoffmanns Texte ja 100 Jahre älter sind.
Das soll aber der Faszination über Bruno Schulz’ Werk keinen Abbruch tun. Ich wollte, ich könnte so schreiben