Beiträge von ueberbuecher

    Hallo Ihr Lieben!


    Anbei meine persönliche Buchkritik zu "Aus der Welt":


    Barbara Vine – Aus der Welt


    Die junge schwedische Krankenschwester Kerstin Kvist wird angeheuert, um auf dem alten Landsitz der Familie Cosway die Pflege des kranken John Cosway zu übernehmen.
    Der scheinbar verhältnismäßig leichte Nebenverdienst entpuppt sich jedoch im Laufe der Zeit als absoluter Horrortrip in das Herz eines maroden alten Gemäuers, so dunkel und abgründig wie die Herzen und Seelen seiner Bewohner.


    Fast könnte man meinen, der Staub und die fahle Hülle der Vergangenheit hätten sich über die Menschen gelegt, die in stiller Abgeschiedenheit hinter den alten Mauern ihr Dasein fristen.
    Die Familie, mit der Shashtin (so die korrekte schwedische Aussprache des Namens „Kerstin“) konfrontiert wird, besteht aus vier Erwachsenen. Da hätten wir zunächst den schizophrenen Sohn John, der mittels Testament zum Eigentümer von Lydstep Old Hall gemacht worden ist. Da er aber aufgrund seiner Krankheit überhaupt nicht in der Lage ist, irgendwelchen Pflichten nachzukommen, wird das Vermögen von Treuhändern verwaltet. Täglich wird er mittels starker Medikamente ruhiggestellt, die vom zwielichtigen Hausarzt der Familie verordnet werden.
    Seine Mutter, Julia Cosway, ist nach dem Tod des Vaters alleiniges Familienoberhaupt, aufgrund der testamentarischen Verfügungen sind ihr jedoch ziemlich die Hände gebunden. Zu gerne würde sie sich ihres Sohnes entledigen mittels Verfrachtung in eine psychiatrische Anstalt, wenn da nur nicht die korsettartigen Einengungen der Verfügung wären...
    Ein Übermaß an Zuneigung für ihre Familienmitglieder gehört jedenfalls nicht zu ihren vorherrschenden Wesenszügen.
    Die vier Töchter Ida, Ella, Winifred und Zorah sind so unterschiedlich, wie Geschwister nur sein können. Ida, die ihrer Mutter sklavisch Ergebene, geht ganz auf in ihrer selbstgewählten Rolle als biederes Hausmütterchen, die sich freiwillig jegliche Hausarbeit an Land zieht. Winifred, die (zunächst) ebenso biedere Tochter, deren höchstes Glück im weiteren Verlauf der Geschichte die Hochzeit mit dem farblosen Dorfpfarrer zu sein scheint. Ella, die krampfhaft an ihrem erfolglosen Cateringdienst festhält, damit wenigstens ein paar Zusatzeinnahmen die maue Finanzlage aufbessern. Denn das Geld, welches der Familie zur Verfügung steht, kommt von der exzentrischen Zorah, der steinreichen Witwe, die ihrer Familie bei jeder Gelegenheit ihre finanzielle Abhängigkeit unter die Nase reibt und ganz im Gegensatz zu den grauen, schattenartigen Gestalten von Lydstep Old Hall ein exzentrisches Jetset-Leben führt.


    Der geneigte Leser wird unwiderruflich Parallelen zu Shirley Jacksons „Wir haben schon immer im Schloß gelebt“ erkennen, denn auch hier seziert die Autorin (mithilfe der jungen schwedischen Krankenschwester) lustvoll eine parasitär-dysfunktionale Mikrogesellschaft.


    Das Netz der Abgründigkeiten, welches dieses alte, lepröse Herrenhaus mitsamt seiner ungastlichen Bewohner eingesponnen hat, entwirrt sich nur langsam, aber es lohnt sich für Leser, die bereit sind, ein wenig Geduld aufzubringen. Ich jedenfalls hatte einen Heidenspaß daran, wie die Geschehnisse sich auf die finale Katastrophe zubewegen.

    Zitat

    Original von NeKleeneMaid
    Anfangs ist es jedoch etwas verworren mit den Figuren und in welchen Zusammenhang sie stehen, aber ich denke, dass legt sich bald.


    Hm, nein, ich finde nicht, dass die Verwirrung im weiteren Verlauf grossartig abnimmt, man muss eigentlich über die ganze Distanz sehr aufmerksam bleiben. Es wäre vielleicht sinnvoll, ein Personenregister anzulegen (würde ich bei nochmaligem Lesen selber auch machen). Dennoch, ein wirklich tolles Buch!

    "Aus der Welt" habe ich bei Zweitausendeins als flammneues, eingeschweißtes, gebundenes Buch für (ich meine es waren) 7,95 EURO erstanden. Das alleine hebt natürlich schon die Stimmung :lache


    Nach den ersten drei Kapiteln muss ich sagen, dass mir die Stimmung und die diversen Andeutungen bisher sehr gefallen, von Langeweile oder Abbruchgefahr kann zumindest bisher keine Rede sein.


    Wenn ich es ausgelesen habe, bin ich gerne bereit, eine Buchkritik für die Buechereulen zu verfassen :wave

    Ich bin gerade bei der "Blume von Utah" und ich muss auch sagen, mir wären weitere Exkursionen mit Holmes und Watson in London lieber gewesen. Fairerweise muss ich Sir Arthur Conan Doyle aber zugestehen, daß mir das Schicksal des kleinen Mädchens und ihres Gefährten doch ziemlich nahe gegangen ist...

    Zitat

    Original von Clare
    [Ich denke, das hängt vielleicht damit zusammen, dass Holmes keine Freunde hat. Er kreist um sich selbst und seine eigene Genialität, aber auf dem Gipfel ist es halt zuweilen recht einsam. Mit Watson scheint alles zu passen. Er erträgt Sherlocks Launen, hat eine gewisse Bewunderung für ihn und ist das ausgleichende Element.
    Es ist, als ob Watson eine Lücke füllt, die auf ihn gewartet hat.


    Klasse Gedanke, Clare! Ich denke, da liegst Du genau richtig. :wave

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    Original von Suzann
    ..
    Ziemlich frech fand ich es allerdings von Sherlock ungefragt in die Annonce den Namen von Watson reinzusetzen... er könnte doch damit seinen Mitbewohner gefährden. Tja, und dann kam die alte Dame die gar keine ist...wie soll die aus der Kutsche gesprungen sein?


    Dazu passt auch die Szene, in der er den Hund vergiftet, um seine Theorie zu beweisen. Auch wenn es sich um ein altersschwaches Tier gehandelt hat, finde ich das wirklich heftig.


    Die Stelle mit der Ringübergabe erscheint mir ein bisschen schwach. Sollte die "alte Frau" sich wirklich so leicht täuschen lassen und es gelingen, einen ähnlichen Ring ihr unterzujubeln? Möglicherweise ist das Gewicht des falschen Ringes auch different vom Original?

    Zitat

    Original von Lese-rina


    Zum anderen verwunderte mich das deutsche Rache an der Wand. Das Holmes aus der Schrift herleitet, es hätte kein Deutscher geschrieben, fand ich schon arg spekulativ. Also bin ich sehr gespannt, wie das reinpasst.


    Das wirft natürlich auch ein denkbar schlechtes Licht auf die beiden Polizisten. Das mutet ja schon reichlich naiv und auch etwas ungebildet an, anstelle des deutschen Wortes "Rache" (gut, das kann man nicht als englische Allgemeinbildung ansehen, schon gar nicht zur damaligen Zeit) aus den Lettern an der Wand eine unbekannte Schöne namens "Rachel" zu konstruieren.


    :wave

    Die latente Überheblichkeit von Sherlock Holmes erinnert mich an den heutzutage im Tatort sehr präsenten Karl-Friedrich Börne :-)


    Pathologe und Bulle auf der einen, Detektiv und Doktor auf der anderen Seite. Ob das wohl Zufall ist? :gruebel


    Immer wieder schön sind natürlich die logischen Herleitungen von Sherlock Holmes.

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    Original von Lili_Morinstal
    ch brauch eine kleine Übersetzungshilfe bei Sherlock Holmes - his limits


    1. Knowledge of Literature. - Nil
    2. Knowledge of Philosophy - Nil


    Was heißt Nil?


    Kommt das aus dem Lateinischen, "nihil" - nichts?


    Ich habe die englische Version und das erste Kapitel durch. Für zukünftige Leserunden bleibe ich aus Zeitgründen dann aber doch besser bei einer deutschen Version:)


    Interessant zu lesen, wie es mit den beiden begonnen hat. In späteren Werken sind sie ja in der Regel eher als älter beschrieben und eingespielt wie ein altes Ehepaar.

    Gehört nicht zum Thema, aber ich sehe gerade, daß Faraday "Geisterstunde" von Peter Straub liest...vielleicht das Beste, was ich aus dem Horrorgenre kenne, es hat mich so gepackt, daß ich es zweimal gelesen habe und sogar bereit wäre, es ein weiteres Mal zu lesen :)

    Zitat

    Original von DraperDoyle
    Kam hier eigentlich mal der Aspekt der Haltbarkeit zur Rede?
    Aus eigener Erfahrung muss ich sagen, dass sowohl frühe CDs, als auch alte VHS-Kassetten nach 15 Jahren nicht mehr abspielbar sind.
    Und das wird mit ebooks, wie auch immer sie gespeichert werden, auch passieren. Es mag ja sein, dass ich so manches Buch, das ich vor zwanzig Jahren gelesen habe, heute unbesehen wegschmeißen würde, aber ich habe so manche, teilweise auch dreißig Jahre alte Schätzchen, die ich nicht missen wollte. Wie gut, dass die im Regal stehen und lediglich einmal im Jahr abgestaubt werden müssen.
    Ich hätte keine Lust, regelmäßige Sicherungs- und Umkopierungs-Sessions zu veranstalten, nur um meine Bibliothek zu erhalten :pille


    Ich muss sagen, das ist ein interessanter Aspekt, so hatte ich persönlich das noch gar nicht gesehen, aber da könntest du durchaus recht haben.
    :gruebel

    Liebe Lili,


    das kann ich gerne machen, aber...


    Du würdest fürchterlich enttäuscht sein, weil


    das Buch keinen Papiereinband hat und schlicht schwarz ist (bis auf die Altersflecken). Der Titel ist nur auf dem Rücken in fast verblasstem Rot zu erkennen und das Papier ist minderwertig (glaube ich zumindest).


    Und dafür habe ich seinerzeit ca. 15,- DM bezahlt, weil innendrin eine Widmung angeblich aus dem Jahre 1943 drin steht, die ich überhaupt nicht richtig lesen kann.


    Das will ich Eurem ästhetischen Empfinden nicht zumuten :grin


    Ich zitiere hier redator ganz bewusst komplett, weil ich bis auf wenige Kleinigkeiten (wie z. B. dem Regen) alles genauso stehen lassen möchte, denne es entspricht im Wesentlichen auch meinem Innersten. Auch ich bin mittlerweile an einem Punkt, wo ich mich zumindest auf das Gedankenspiel einlasse, mir vielleicht irgendwann einmal einen Reader zukommen zu lassen, nicht als Ersatz - niemals als Ersatz! - aber vielleicht als Ergänzung und hin und wieder praktische Alternative. Aber dieses Gefühl aufgeben, echte Seiten zu berühren, den Duft eines Buches zu atmen, es zu fühlen, darin real zu blättern etc. ...
    Nein, das wird niemals passieren.


    Ich kann Dich sehr gut verstehen, redator!


    :knuddel1