Beiträge von Kristin

    Von der Sehnsucht und der Flüchtigkeit des Glücks. Die Odyssee eines Kochs und seines Sohns durch New Hampshire und halb Amerika, ausgelöst durch eine tragische Verwechslung. Die Geschichte einer großen Liebe und vieler kleiner.1954 in einem Flößer- und Holzfällercamp in den Wäldern von New Hampshire: Der 12-jährige Danny verwechselt im Dunkeln die Geliebte des Dorfpolizisten mit einem Bären, mit tödlichen Folgen. Der Junge muss mit seinem Vater Dominic, dem Koch des Camps, fliehen - zuerst nach Boston und von dort weiter nach Vermont und Iowa und schließlich nach Kanada, verfolgt von einem Rächer, der auch nach Jahrzehnten nicht vergisst. Jedes Mal steht Dominic in einer neuen Küche und muss aus fremden Zutaten etwas zaubern: ein neues Gericht, eine neue Identität, eine neue Existenz für sich und seinen Sohn. Doch das Leben von Danny und Dominic bleibt eine Achterbahnfahrt, mit höchstem Glück und tiefstem Schmerz, mit bedrohlichen ebenso wie mit liebenswerten Weggefährten. Dabei sehnen sich die beiden nur danach, endlich zur Ruhe, irgendwo anzukommen.

    Meinung


    Als ich an jenem Morgen aufwachte, war es noch ziemlich früh. Der Sommer hatte gerade erst angefangen, und von meinem Platz im Schlafsack konnte ich aus dem Fenster sehen. Der Himmel war klar, blau, beinahe wolkenlos. Mein Blick fiel auf das Polaroid, das ich über mir an die Wand gepinnt hatte. Es zeigte meine Tante und mich an einem Fluss, sie trägt einen Badeanzug.


    Obwohl Charley erst fünfzehn ist, überrumpelt ihn das Leben auf höchst unschöne Weise. Noch während sein Vater lebt, ist er größtenteils auf sich gestellt, der Vater kümmert sich nicht all zu viel, lässt den Jungen bisweilen tagelang ohne Essen allein, treibt sich mit Frauen herum und bringt sie mit nach Hause. Viel Liebe hat er für seinen Sohn nicht übrig. Und doch ist es herzzerreißend, wie Charley reagiert und wie er sich fühlt, nachdem sein Vater gestorben ist. Und das Leben wird noch rauer für den Jungen, er verlässt das Haus, versteckt sich vor der Polizei und findet Arbeit, indem er sich älter schwindelt. Er ist angewiesen auf die Barmherzigkeit der Mitmenschen, die ihn zu oft im Stich lassen, er ist der Armut und der Gewalt ausgeliefert, die ihn immer wieder unvermittelt trifft.
    Als Lean on Pete verkauft werden soll, haut er mit ihm ab und macht sich auf eine abenteuerliche Reise. Er hat kaum Geld, er hat ein geklautes Auto und ein geklautes Pferd, das er innigst liebt. Und es läuft gar nicht gut für ihn. Doch Charley bleibt bei all dem eine liebenswerte Figur, die man in den Arm nehmen will, beschützen will.
    Willy Vlautin schreibt auf einfache Weise und doch überaus bewegend, er schafft dem Leser allein durch die Beschreibung von Charleys Handeln Zugang zu seinen Gefühlen, seinen Träumen, Sorgen und Nöten, ohne das Innerste preis zu geben.
    Lean on Pete ist kein leichtes Buch, es ist traurig und dunkel, es ist mitreißend und voller Gefühl. Es ist hoffnungsvoll und schön, zum Niederknien schön.


    Lean on Pete ist mein erstes Buch von Willy Vlautin, aber bestimmt nicht das letzte.

    Meinung


    Ich wohne mit meinem Vater Ray Nickel in diesem niedrigen Ziegelbungalow draußen am Highway 12. Blaue Fensterläden, braune Tür, ein kaputtes Fenster – nichts Besonderes. Allerdings verschwinden immer mehr Möbel. Das macht die Sache spannend.


    Es verschwinden nicht nur Möbel, es verschwinden auch zuerst Nomis Schwester und später die Mutter.
    Nomi begehrt auf, gegen die Regeln der Sekte, gegen die Regeln in der Schule, gegen Sitte und Moral. Sie kifft, sie hat einen Freund, sie hört Schallplatten – doch nichts nimmt ihr die Einsamkeit, die sich über das Haus, den Ort und Nomis Leben gelegt haben. Es ist, als hätte es Mutter und Schwester niemals gegeben, es wird geschwiegen, und auch beim Vater findet Nomi keinen Halt, es ist auch, als wäre er schon lange weg.
    Überhaupt ist Nomi in dem Buch viel allein, und doch macht sie ihr Ding, wie so schön man sagt.
    Die Autorin, selbst in einer Mennonitengemeinde aufgewachsen, gibt einen genauen Einblick in das Leben der Mennonitengemeinde in East Village und hinterlässt beim Leser eine Art klaustrophobisches Gefühl. Man fühlt sich eingesperrt, genau wie Nomi, die davon träumt, eines Tages ihre Schwester und Mutter wieder zu finden.
    Man möchte Nomi mitnehmen, sie herausholen aus dieser furchtbaren Welt, dem ein Ende bereiten – und doch kommt man nicht umhin, Nomis Durchhaltevermögen zu bewundern.
    Miriam Toews Figuren sind vielfältig, man mag sie oder man verteufelt sie, aber man empfindet etwas für sie. Und vor allem für Nomi, mit der man liebt, lacht und leidet. Bisweilen ist die Handlung humorvoll, doch oft bleibt einem auch das Lachen im Hals stecken und man schüttelt den Kopf, über den ganzen Unfug.

    Morgan Callan Rogers – Rubinrotes Herz, Eisblaue See


    Verlag: Mareverlag
    HC: 427 Seiten
    OT: Red Ruby Heart in a Cold Blue Sea
    Übersetzer: Claudia Feldmann


    Inhalt


    Ein Fischerdorf an der Küste Maines, am nordöstlichsten Zipfel der USA. Dicht an dicht schmiegen die Häuser sich an die Granitfelsen. Florine lebt geborgen bei ihren Eltern und ihrer Großmutter inmitten der Gemeinschaft der Familien, die hier seit Generationen auf Hummerfang gehen. Die kleinen Reibereien zwischen ihrer lebenshungrigen Mutter Carlie und dem bodenständigen Vater können das Leben der Elfjährigen nicht ernsthaft erschüttern. Bis Carlie eines Tages spurlos verschwindet. Alle Nachforschungen scheinen ins Leere zu laufen. Die Frage, ob ihre Mutter Opfer eines Verbrechens wurde oder freiwillig ging, wird Florine in den folgenden Jahren ständig begleiten. Und sie muss mit der Zumutung fertig werden, dass das Leben um sie herum trotzdem weitergeht: Ihr Vater bandelt wieder mit seiner Jugendliebe an, ihre Großmutter altert zusehends, und ihr bester Freund hat nur noch Augen für seine neue Freundin. Doch Florine lässt sich nicht beirren und gibt das Warten auf die Rückkehr der Mutter nicht auf. Schlagfertig und mit einem ganz eigenen Humor erzählt sie davon, was es heißt, sich treu zu bleiben und sein Glück zu finden.


    Autor


    Morgan Callan Rogers, Jahrgang 1052, geboren und aufgewachsen im Bundesstaat Maine, umgeben von Stränden, Schiffswerften und Fischerdörfern, hat ihr Herz an diese Gegend verloren und lebt noch heute in der Hafenstadt Portland. Sie studierte Anglistik und veröffentlichte mehrere Essays und Erzählungen.


    Meinung


    Nachdem wir um ein Haar ein Sommerhaus abgefackelt hätten, wurde beschlossen, dass meine Freunde und ich uns bis zum Schulbeginn im September nicht mehr sehen durften. Es war Juli 1963, ich war elf Jahre alt, und Carlie, meine Mutter nahm mich unter ihre Fittiche.


    Da geht das Leben für Florine noch seinen gewohnten Gang, sie darf zwar ihre Freunde nicht sehen und die Tage vergehen im alltäglichen Einerlei, doch alles ist noch so, wie es eben ist. Dann aber unternimmt Florines Mutter Carlie eine Kurzreise, von der sie nicht zurückkehrt. Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war.
    Für Florine, die an ihrer Mutter hängt, geht eine Welt unter, und ihr Dasein wird zum Kampf. Ein Kampf gegen das Vergessen, gegen das Einfach -So-Weitermachen, gegen das Schwinden der Hoffnung.
    Feinfühlig, aber niemals kitschig erzählt die Autorin vom langsamen Erwachsenwerden Florines, von der Zeit, die sich Pubertät nennt, und weder für Florine noch für ihre Familie und Freunde leicht ist, und von Leuten, die sehr wohl ihre Ecken und Kanten haben und doch nie aufhören, für Florine da zu sein.
    Das Buch handelt vom ständigen Aufbegehren und der ersten Liebe, vom Zusammenhalt und Zusammenbruch, von Freundschaft und von Tod – große Themen, die die Autorin wunderbar meistert, die sie so mitreißend und voller Spannung erzählt, dass man das Buch nur ungern aus der Hand legt.

    Miriam Toews – Kleinstadtknatsch


    Verlag: Berliner Taschenbuch Verlag
    TB: 270 Seiten
    OT: A Boy of Good Breeding
    Übersetzer: Christiane Buchner


    Inhalt


    Hosea Funk, der Bürgermeister des kleinen Städtchens Algren, fiebert dem Besuch des Premierministers entgegen. Der kommt aber nur dann, wenn Algren wirklich die kleinste Stadt Kanadas ist. Dafür sind genau 1500 Einwohner nötig, nicht mehr und nicht weniger. Hosea denkt scharf nach: Bekommt nicht Veronica Epp bald Drillinge??! Dann ließe sich doch der Aussiedlerhof an der Stadtgrenze ausgemeinden. Hosea kämpft nach Kräften für die 1500, aber natürlich kommt ihm das Leben immer wieder dazwischen.


    Autor


    Miriam Toews wurde 1964 in Steinbach geboren, einer Mennonitengemeinde in der kanadischen Provinz Manitoba. Sie studierte Geisteswissenschaften und Journalismus und lebt heute als Journalistin und Autorin in Winnipeg.


    Meinung


    Algren war die kleinste Stadt Kanadas. Das ist kein Witz. Kleinste Stadt Kanadas, so stand es auf der großen, altmodischen Werbetafel vor der Stadt. Knute hatte extra auf den offiziellen Verwaltungsseiten im Telefonbuch nachgelesen: Ab fünfzehnhundert Einwohnern sprach man von einer Stadt.. Und genau so viele hatte Algren. Einer weniger, und es hätte als Dorf, einer mehr, und es hätte als x-beliebige Kleinstadt gegolten, als eine unter vielen. Die kleinste zu sein, das hob Algren aus der Masse heraus.


    Neben Hosea Funk, dem Bürgermeister, geht es auch um die vierundzwanzigjährige Knute, die nach Hause zurückkehrt, nachdem ihr Vater einen Herzinfarkt erlitten hat. Knute kommt nicht allein, sie bringt ihre kleine Tochter Summer Feelin mit. Zu Hause passt Knute auf ihren Vater auf, der nun eine Depression hat und manchmal verwirrt ist. Doch Dori, Knutes Mutter, schickt Knute bald los, um sich Arbeit zu suchen, und die findet Knute bei Hosea. Er lässt sie Briefe schreiben, das Telefon überwachen, lauter Kleinigkeiten, nichts besonders, denn Hosea hat unheimlich viel zu tun, er muss seine Einwohner überwachen, rennt von einem Haus zum anderen und jeden Tag ins Krankenhaus, um zu sehen, ob sich die Einwohnerzahl von 1500 hält. Er rechnet und überlegt, gemeindet aus und wieder ein – und die Frau, die er liebt und die zu ihm ziehen möchte, darf nicht, weil sonst die Einwohnerzahl zu hoch wird. Knute trifft in ihrem Heimatort nicht nur auf Summer Feelins andere Oma, Mähdrescher-Sue, die sich ständig bis zur Besinnungslosigkeit besäuft, sie begegnet auch Max, ihrer großen Liebe und Summer Feelins Vater.
    Wie das alles zusammen hängt, wie die Leute miteinander auskommen, wie sie Beziehungen aufbauen und beenden, und wie sie zu dem wurden, was sie jetzt sind, wird auf wunderbare, witzige Weise von Miriam Toews erzählt. Eigentlich passiert nicht viel in dem Buch, das voller Poesie und Humor steckt, und doch passiert ständig etwas, lauter kleine Alltäglichkeiten, die zu lesen unheimlich viel Spaß machen.
    Durch die eingeschobenen Rückblicke auf die Vergangenheit der Leute erfährt der Leser nicht nur, weshalb Hosea Funk unbedingt möchte, dass Algren die kleinste Stadt ist, warum sich Mähdrescher Sue ständig betrinkt und Knute und Max sich auf so komplizierte Weise annähern, er erlebt auch das Miteinander und Gegeneinander in einer kanadischen Kleinstadt, und die Sorgen und Freuden der einzelnen Figuren.

    1. Was liest Du gerade?
    Jess Jochimsen: Bellboy oder ich schulde Paul einen Sommer


    2. Welches Buch hat Dich zuletzt stark beeindruckt?
    Willy Vlautin: Lean on Pete


    3. Sammelst Du irgendetwas?
    Bücher


    4. Schreibst Du Widmungen in Bücher?
    Nein


    5. Schreibst Du Deinen Namen in Deine Bücher?
    Nein


    6. Welches Buch hast Du doppelt?
    Ein paar Bücher von Zola


    7. Von wem würdest Du Dir gern was vorlesen lassen
    Rainer Strecker und T.C. Boyle


    8. Sitzt Du im Kino lieber am Rand oder in der Mitte?
    Am Rand


    9. Welche ist Deine liebste Romanfigur?
    Ned Rise aus Wassermusik von T.C. Boyle
    Thebes aus Die Fliegenden Traumans von Miriam Toews


    10. Nach welchem System ordnest Du Deine Bücher daheim?
    Keins


    11. Lesen: vor dem ins Bett gehen oder nach dem Aufstehen?
    Immer und zu jeder Zeit


    12. Welches Buch würdest Du Deinem größten Feind schenken?
    Keins, meinem Feind sollte der Genuss eines Buches nicht vergönnt werden


    13. Hardcover oder Paperback?
    HC


    14. Zeitung aus Papier oder im Netz?
    Papier


    15. Von welchem Buch bist Du zum ersten Mal so richtig gefesselt worden?
    Victor Hugo "Die Elenden" und Zola "Nana"


    16. Deine liebste Literaturverfilmung?
    Gottes Werk und Teufels Beitrag


    17. Tägliche oder wöchentliche Pflichtlektüre?
    so viel wie möglich


    18. Bevorzugte Urlaubslektüre?
    Querbeet


    19. Bester Romantitel ever?
    Vom Atmen unter Wasser - weil er so viel aussagt


    20. Welches Buch sollte jeder Mensch gelesen haben?
    T.C.Boyle: Wassermusik