Beiträge von Samia

    Hier auch meine Rezi!


    Frostige Faszination!
    Durch die Leseprobe konnte man leicht erkennen das dies ein Buch werden würde mit einer Protagonistin über die sich die Welt leicht streiten könnte. Normalerweise rümpfe ich die Nase wenn es um einen Krimi geht aber gerade diese Tatsache hat das Buch für mich so faszinierend wirken lassen.
    Die Protagonistin ist eine ehemalige Ermittlerin die durch einen „Berufsunfall“ an den Rollstuhl gebunden ist. Von Anfang an wird dem Leser signalisiert, das es sich hierbei um eine Frau handelt die Mitmenschen gegenüber eher kühl, abweisend und auch gefühllos und mürrisch erscheint, was von ihr durchaus beabsichtigt wird. Sie verabscheut es durch ihr Handicap mitleidige Blicke auf sich zuziehen und sich auch noch helfen lassen zu müssen. Bitten tut sie grundsätzlich nur in Ausnahmefällen. Aber durch die „Finse-Katastrophe“ wie dieses Ereignis später genannt wird, ändert sich auch dieses Verhalten, stockend und langsam, aber es verändert sich. Hilfe ist bitter nötig, nicht nur für sie, sondern auch für alle andern unfreiwilligen Hotelgäste.


    Der Kriminalroman lebt von außergewöhnlichen und sehr skurrilen Charakteren die sich herrlich miteinander verbinden und sprichwörtlich ein Netz weben. Sei dabei der kleinwüchsige Dr. Streng, der verschlossen-mürrische und häufig offen anklagende Jugendliche Adrian oder die undurchsichtige Geistlichen-Gemeinschaft zu nennen.
    Der spezielle Charakter der Hauptperson Hanne, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, nähert sich auf mitreißende Weise ebenso seltsamen Menschen, die sich selber anziehen, aber auch abstoßen, gegenseitig Aufmerksamkeit einheimsen oder einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen.


    Eine Gruppe, in einer Extremsituation, auf sich alleine gestellt. Schnell taucht die Frage auf, wer nun eigentlich das Sagen hat. Demokratie? Gruppenbildung? Ausgrenzung? Schon hier wirkt das Buch kritisierend und zugleich verwirrend. Passend dazu befinden sich Ausländer, verschleierte und „farbige“ Menschen unter den Gästen.


    Häufig tauchen in kurzen aber (in)-gehaltvollen Dialogen aktuelle Themen auf, wie al-Quaida oder die allgemeine Terrorpolitik in den USA.
    Durch lustige, ernste, groteske oder einfach erschreckende Aussagen gerät der Leser in einen Strudel von Lachen und Stirnrunzeln.


    Da die Protagonistin selber eine erfahren Frau ist, an deren Gedanken man nicht nur die Behinderung erkennt, sondern auch einfach die Tatsache das sie „gelebt hat“ erscheinen viele Situationen anders als man es als Außenstehender erwartet hätte. Selbst von Zweifeln geplagt und an alte Vorurteile denkend kann der Leser auch eintauchen in philosophisch-religiöse Fragen. Um nur ein Beispiel anzubringen:
    „Was bedeutet es, ein guter Mensch zu sein? Ist man einer, wenn man Gutes tut? Oder ist es, da wir Menschen nun einmal mit einem ungeheurem Egoismus ausgestattet sind, eher eine Frage der Fähigkeit, unsere Mängel einzusehen und unsere Fehler zu bedauern?“


    Anne Holt gelingt es mit Feingefühl und Gespür für den wirklich richtigen Moment Witz, Ironie aber auch Verzweiflung, Wut und Ernsthaftigkeit genau abzuwiegen und dem Leser das zu präsentieren wonach er gerade zwischen den Zeilen anfängt zu suchen.
    Immer noch faszinierend finde ich die Figur der Hanne, die ich kaum so beschrieben kann wie ich sie erlebt habe.
    Das einzige was ich zu kritisieren habe, sind die Vorrausdeutungen. Sätze wie "Aber das alles wusste ich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht". Ab und an, habe ich über diesen Sätzen die Augen gerollt, obwohl es eine doch recht ausgefallene Art und Weise ist, solche Geschehnisse zu beschreiben.


    Wer mit einem ab und an recht frostigem aber mitreißendem Haupt-Charakter umgehen kann, und sich auch einmal in eine andere Art des „Miterlebens“ hineinfühlen möchte, für den ist dieses Buch ein muss!

    Ich konnte es auch bereits lesen:


    Tierisches Genie!
    Eine Ratte, geboren im Keller einer Buchhandlung aber keineswegs eine Hausratte....
    Eine Leseratte.
    Durch und durch hingerissen von Literatur, fängt er an die Welt durch Bücher kennen zu lernen und sich zu erklären.


    Ereignisse verbindet er mit Aussprüchen seiner Bücher, die er erst anknabberte und dann, als es ihm zu schade um dieselbigen wurde, nur noch mit den Augen verschlang.


    Eine Sucht und ein Drang entwickeln sich. Nachts verschlingt er die Klassiker und tagsüber sitzt er auf seinem Aussichtspunkt und beobachtet das geschäftliche Treiben in der Buchhandlung. „[Dieser] diente [ihm] als Fenster zur Menschenwelt,[sein] erstes Fenster“.


    Er wird älter und plötzlich stehen die Bücher in Konkurrenz mit dem Nachtleben und den „Hübschen“ im „Rialto“. Doch nie nimmt er Abstand von seiner geschriebenen Welt.


    Er träumt sich hinein in die Geschichten, fängt selbst an zu dichten und zu träumen.


    Doch was soll er anfangen mit seinem Wissen? Mit einer simplen und äußerst niedlichen Botschaft in Zeichensprache begibt er sich auf die Suche nach Verständnis und Erwiderung.


    Verjagt und geschlagen, hungrig und kraftlos wird er aufgelesen... von einem Schriftsteller.


    Mit diesem und den Abenteuern welche die kleine Ratte Firmin mit ihm erlebt endet nach rund 200 Seiten die Geschichte.



    Der Schreibstil Sam Savage lädt das ganze Buch über zum Schmunzeln und Auflachen ein. Ihm gelangt es eine äußerst sympathische, lesewütige Ratte zu kreieren die den Leser selber in ihren Bann zieht. Selbstkritisch, ironisch, charmant und sehr witzig beschreibt der Rattenjunge sein Leben aus dem „Zeitfenster“ und klappt sein Fernrohr aus.


    An vielen Stellen wird der Rezipient direkt angesprochen, in einer offenen und kritischen Weise mit der Firmin sich und sein Leben eigenständig in Witze packt und dabei dennoch Stoff zum Nachdenken und vereinzelt auch zum „traurig-sein“ bietet.


    Etwas kritisch habe ich das jähe Ende anzumerken. Als ich umblätterte war ich davon überzeugt die Geschichte müsste noch weiter gehen. Die lag vielleicht auch an meiner Begeisterung gegenüber dem Buch selber. Ich wollte noch mehr „Firmin“. Dennoch ist das offene Ende sehr gut gewählt. Es endet auf typisch „firminer“ Art.


    Die Aufmachung des Buches passt perfekt. Die ausgefransten Seiten und auch die Gestaltung des Umschlages lassen sofort wieder an den Keller der Buchhandlung und an den Geruch alter Bücher denken.


    Mit dem vorne anzutreffenden Gedicht konnte ich erst einmal nichts anfangen. Nach der Lektüre jedoch, erkennt man die Parallelen zu Firmin, und damit ist der Rück- bzw. Vorbezug wieder gegeben.


    Das Buch ist äußerst lesenwert, vor allem für wahre Bücherratten. Die häufigen Bezüge zur Weltliteratur, bekannten Schriftstellern und ihren Werken erfordert dennoch das Wissen eines erfahrenen Lesers um alle Witze und Parodien zu verstehen, was mir Gott sei Dank meistens gelang.