Aus der Reihe Biographische Passionen des Claassen Verlags.
Hinterer Bucheinband
"Er war Schriftsteller, Verleger und schärfster Kritiker seiner Zeit - und zugleich ein Mann, der letztlich am Widerspruch zwischen sozialer Konvention und erotischem Begehren scheiterte: Charles Dickens."
Autorin
"Jane Smiley, eine der erfolgreichsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart, zeichnet ein erfrischendes unprätentiöses Porträt des großen englischen Schriftstellers, dessen Romane wie Ein Weihnachtslied bis heute zu den Klassikern zählen."
Ein wenig mehr findet sich in Wikipedia --> http://de.wikipedia.org/wiki/Jane_Smiley
Rezension
Wer schon immer einmal wissen wollte, wie eine erfolgreiche Schriftstellerin (Jane Smiley ist Pulitzer-Preis-Trägerin) über einen noch erfolgreicheren Schriftsteller schreibt, hat hier die Gelegenheit dazu. Jane Smiley schlägt mit ihrer großen Schreiberfahrung und dem gebündelten Repertoire ihres Schreibhandwerks zu, um neben Charles Dickens literarischer Arbeit vor allem sein Privatleben zu sezieren. Jedes seiner Werke wird aus verschiedenen Perspektiven analysiert, wobei Jane Smiley den Schwerpunkt auf Dickens persönliche Entwicklung in Bezug auf seine Werke legt. Dabei zeigt sie viele lohnenswerte Einblicke in die Arbeit eines Schriftstellers auf, die eben nur ein(e) anderer(e) Schriftsteller(in) wirklich nachvollziehen bzw. rekonstruieren kann.
Verführt durch die Schreibkunst der Autorin, nur geschmälert durch die holprige Übersetzung, verfiel ich gelegentlich in den Zustand, alles das zu glauben, was ich da las, so als hätte Jane Smiley (geb. 1949) eine Zeitzeugin Dickens sein können. Derart verwirrt stellte ich mir die Frage, welche Quellen Jane Smiley bei ihrer Recherche wohl heran gezogen hat. Beispielsweise als sich mir der Eindruck aufdrängte, sie wäre persönlich im Saal dabei gewesen, wenn Charles Dickens eine seiner Lesungen zelebrierte. War sie aber nicht. An einem Satz auf Seite 137, wo sie über Charles Dickens Frau Catherine schreibt, lässt sich gut aufzeigen, wovon ich spreche:
"Die Energiereserven, über die Charles frei verfügen konnte, selbst wenn er krank war, hatte Catherine nicht."
Muss sich da nicht der Eindruck einstellen, Jane Smiley könnte Catherine und Charles Dickens vertraute Freundin gewesen sein und hätte über persönliche Erfahrung mit beiden verfügt? Mich jedenfalls hat diese Nähe mehr als einmal wenn nicht gestört, dann zumindest irritiert. Dazu kommen gelegentlich getroffene absolute Aussagen, mit denen ich wenig anfangen konnte, wie die auf Seite 51, wo Smiley schreibt:
"Vollkommen neu war jedoch, dass ein Autor alleine vom Verkauf seiner Werke lebte und darin war Dickens Vorreiter und Beispiel."
Wenn das stimmte, wie bewertete man dann beispielsweise Thomas de Quincey, der bereits vor Dickens - nachdem er sein Erbe aufgebraucht hatte - alleine vom Schreiben lebte. Zwar nicht so erfolgreich wie Dickens, aber immerhin davon lebte, wenn man dessen Biographie glauben schenken darf.
Störend fielen mir beim Lesen die häufigen bidirektionalen zeitlichen Sprünge auf, welche das Verständnis erschwerten. Ein Beispiel: Ab Seite 31 beschreibt sie die Zeit von 1839 beginnend rückwärts ins Jahr 1837. Auf der Seite 43 springt sie dann vor ins Jahr 1840, damit sie ab Seite 53 über die Zeit von 1824 - 1836 schreiben kann. Nicht selten brachte mich das aus dem Lesefluss heraus. Auch hätten der Biographie mehr biographische Daten gut getan, denn Jane Smiley ging recht sparsam mit genauen Datierungen um. Stattdessen verwendete sie gerne unscharfe Begriffe wie "Im Jahr 1810" oder "im Sommer 1841" usw. Und dies an Stellen, wo man leicht hätte eindeutigere Daten nennen können, da sie sich auf Geburtstage oder andere wichtige Ereignisse bezieht.
Vermisst habe ich neben einem Register auch eine tabellarische Zusammenstellung der wichtigsten Daten und Ereignisse, weshalb sich dieses Werk nicht zum schnellen Nachschlagen eignet.
Fazit
Biographien kann man besser machen, aber auch viel schlechter. Ich jedenfalls habe Charles Dickens zum ersten Mal so gesehen, wie er wohl auf seine Zeitgenossen gewirkt haben muss und gebe 7 von 10 Punkten.
Mit lieben Grüßen
Dieter Ziegler