Rezension
Als Tochter eines Oberstaatsanwalts ist Lilas Karriere schon bis ins kleinste Detail durchdacht. Allerdings nicht von ihr selbst, denn die rotzfreche Lila, die aus Prinzip gegen alles ist, was ihre Eltern ihr vorgeben, hat andere Pläne: Statt wie erwartet ihr Jurastudium in Bielefeld anzutreten, bleibt sie auf dem Weg in ihr neues Zuhause einfach im Zug sitzen, fährt weiter bis nach Bochum und kommt dort bei Privatdetektiv Danner unter.
Während dessen gutmütiger Vermieter Molle Lila auch gleich einen Job als Kellnerin in seiner Wirtschaft anbietet, ist Ben Danner ein selbstverliebter, eigenbrötlerischer Macho, der Lila so schnell wie möglich wieder vor die Tür setzen will, um ungestört seinen aktuellen Fall ad acta legen zu können.
Als Sportlehrer getarnt versucht er zu klären, ob die 16jährige Eva sich tatsächlich selbst das Leben genommen hat oder ob jemand anderes für ihren Sturz aus dem 5. Stock des Schulturms verantwortlich war. Da er jedoch immer mehr auf der Stelle tritt, schleust er Lila als Schülerin in die ehemalige Klasse des toten Mädchens ein, wo sie ihren Mitschülern und besonders Evas Freundeskreis auf den Zahn fühlen soll.
Lila scheint in ihrem Element…
«Der 13. Brief» ist der erste Roman von Lucie Klassen (mittlerweile Flebbe) und hat sogleich den Friedrich-Glauser-Preis 2oo9 in der Sparte ‚Debüt’ eingeheimst. So ganz überzeugen konnte mich die Geschichte dennoch nicht.
Die Ausgangsposition – Lila undercover in der Schule – bietet zwar durchaus Raum für einen interessanten Plot und die dort angesiedelten Szenen vermitteln einen guten Eindruck der mittlerweile doch recht gewöhnungsbedürftigen Situation an unseren Schulen. Leider werden aufmerksame Leser aber nicht darum herumkommen festzustellen, dass auf dem Weg dahin die Grenzen der Realität und vor allem die des rechtlich Möglichen sehr weit ausgedehnt bis überschritten werden. Überhaupt gibt es einige Ungereimtheiten, die – sofern man darauf achtet – das Lesevergnügen deutlich trüben.
Auch zu den nicht immer nachvollziehbar handelnden Figuren findet man nicht gleich einen Draht. Vor allem Lilas rebellische Art wirkt zunächst aufgesetzt und eher wie der berühmte Sturm im Wasserglas. Mit der Zeit jedoch erfährt man mehr über sie und ihre Vergangenheit und ihr Charakter erhält mehr Tiefe. Auch wenn sie am Ende leider etwas zu sehr zur Superheldin mutiert und es eher unglaubwürdig ist, dass sie ohne weiteres sowohl als 16- als auch als 26Jährige durchgeht.
Letztlich hat mich auch der Ausgang des Kriminalfalls kaum überrascht. Größtenteils wurden meine recht frühen Vermutungen auch bestätigt.
Und trotzdem bin ich nicht abgeneigt, die kommende Fortsetzung zu lesen. Warum? Zum Teil aufgrund des flapsigen, humorvollen Erzählstils, aber auch – ja, trotz der anfänglichen Kritik – weil ich gerne wissen möchte, wie es mit Lila, Danner und Molle weitergeht. Der erste Fall des neuen Ermittlerduos ist zwar abgeschlossen, es bleiben aber dennoch genügend Fragen für die mindestens vier weiteren geplanten Teile offen.
FAZIT: Ein etwas holpriger Auftakt zu einer Reihe, der trotz der Mängel ein ordentliches Erzählpotential erkennen lässt.
Wertung: 2/5