Jetzt habe ich es auch endlich gelesen, dieses Buch, das hier in aller Munde ist
Und muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Aber von vorn:
Dark Canopy ist eine Dystopie und ein Jugendroman - einer, der allerdings vielmehr vom menschlichen Miteinander und den stillen Zwischentönen lebt, als von großem Actiongetöse. Deshalb fühlt es sich mitunter auch an wie ein Kammerspiel auf kleiner Bühne. Und man ist den jungen Protagonisten - Joy und Neel und sogar Matthial sehr nah. Wirklich unbeschreiblich nah.
Joy lebt in einer düsteren Welt, in der die Menschheit von ihrer eigenen Schöpfung unterworfen wurde - den Percents. Das sind Humanoide, dem Menschen nachempfunden, die als Supersoldaten gezüchtet wurden und die eigentlich nichts empfinden und keine Persönlichkeit haben sollten. Sie können Gerüche über die Haut wahrnehmen und sind extrem lichtempfindlich - deshalb haben sie den Himmel mit einem 'Dark Canopy' genannten Staubschirm verdunkelt, der alle Tage grau erscheinen lässt. Während etliche Menschen - zugegeben unter Repressalien - in den Städten leben, über die die Percents die Herrschaft halten, gehört Joy zu einer Gruppe von Rebellen, die ihren Unterschlupf im Niemandsland außerhalb der Stadt halten. Beim einem missglückten Befreiungsversuch für ihre beste Freundin, die in die Hand der Percents fiel, gerät sie selbst in Gefangenschaft und wird einem jungen Percent namens Neel zugeteilt, der sie für das Chivvy trainieren soll - ein alljährlicher Reifekampf, bei dem die Varlets, die Nachwuchssoldaten der Percents, die von ihnen selbst trainierten Menschen einfangen müssen und nach ihren Erfolgen in den Rängen aufsteigen.
Zu Joys Überraschung ist Neel nicht das gefühllose Monster, das sie erwartet hat. Und während sie ihm näher kommt und viel mehr über die Percents herausfindet, als sie jemals wissen wollte, stürzt sie in einen tiefen Gewissenskonflikt ...
Obwohl er ein hartes Thema beschreibt, fühlt sich Dark Canopy für mich beim Lesen vor allem zart und zerbrechlich an, wie ein Stück durchsichtiges Porzellan, das man ganz vorsichtig halten möchte. Mit einer wunderbaren, klaren und leicht verständlichen Sprache wird die Geschichte von Joy und Neel erzählt. Immer wieder überraschen wunderbare Metaphern, die viel Lebensweisheit in schöne Wortgespinste weben. Der Roman wird, von wenigen Passagen abgesehen, aus der Ich-Perspektive von Joy erzählt, und sie ist wirklich eine ganz besondere Heldin: Hart von dem Leben, in dem sie aufwuchs, impulsiv, aber nicht dumm. Dramatische Auftritte sind nicht ihr Ding. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, aber hat es auch nicht nötig, Streit um des Streits willen vom Zaun zu brechen, nur um zu beweisen, wie tough sie ist. Das macht sie sympathisch und unterscheidet sie wohltuend von anderen Heroinen, die - wären es Männer - vor lauter Testosteron kaum laufen könnten.
Sie wirkt natürlich, und ihre Reaktionen sind angemessen. Sie entwickelt ein Gespür dafür, wie weit sie gehen kann, wie stark eine Beziehung belasten.
Neel dagegen ist zuerst verschlossen, ein Buch mit sieben Siegeln, doch im Maße, da er sich Joy öffnet, kommt man ihm auch als Leser näher und begibt sich auf eine faszinierende Entdeckungsreise.
Es gibt einige Überraschungen im Verlauf der Handlung, doch auch diese werden nicht als Kracheffekt serviert, sondern sanft, aber auf nichtsdesdotrotz eindringliche Weise.
Ich bin ganz fasziniert, wie zartfühlend man eine so spannende und durchaus auch gewalttätige Geschichte erzählen kann.
Das Ende ist übrigens der grausigste Cliffhanger, den man sich überhaupt vorstellen kann.
Was bedeutet, dass ich unweigerlich sofort all meinen anderen Lesestoff beiseitelegen und mit Dark Destiny weitermachen muss.
Sollte es noch Leute geben, die dieses Buch nicht gelesen haben: Dann wird's mal höchste Zeit.