Hallo Dyke,
danke für deine wirklich sehr genaue Analyse! Es ist wunderbar, wie du die Story aufgedröselt und ausgebreitet hast, so dass man sie gut überblicken kann.
Du hast auch ein paar Stellen entdeckt, die natürlich der Dramaturgie gestundet sind, eben kleine Kniffe, um eine Figur anzutreiben bzw. die Story aufzuheizen. Ein paar der Fragen kann ich beantworten. Der Reihe nach.
Also, erstmal zum Täter des 4. Bombenanschlags: Das ist Lisa, die Zinkowsky vermeintlich gewarnt und ihn in das Internetcafé gelockt hat, in dem der Server steht, mit dem Zinkowsky die Mails abgefangen und manipuliert hat. Nur: In dem Server war ein Sprengsatz platziert, um im Notfall das Ding zu zerstören. Also zerstört sie das Ding, wenn Zinkowsky an den Server geht, so wie sie es ihm zuvor gesagt hat.
Der 6. Anschlag ist von ihr geplant, so wie du es beschreibst, nur nimmt dann der 5. Anschlag die geplante Wirkung vorweg. Nur: Lisas Plan läuft schon, als es zum 5. Anschlag kommt, Rasin ist dabei, die Bombe zu bauen. Es gibt die Bombe also, und sie wird versteckt (Lisa sagt sich: sicher ist sicher, wer weiß, ob ich die Bombe noch brauche). Und sie braucht sie, weil sie fürchtet, Kaskan wird sie verraten (was er ja auch getan hätte, hätte sie die Bombe nicht gezündet).
Trosche ist tatsächlich eine Blindspur, um die Profis unter den Lesern aufs Glatteis zu führen, die in jeder harmlosen Figur gleich einen ganz Bösen vermuten (ist ein Trick aus Drehbuch-Zeiten - funktioniert fast immer. Haussner bekommt dafür - als Entschudligung von mir - im nächsten Teil eine Rolle und auf längere Sicht eine größere Geschichte mit Selig).
Der größte, zurecht zu kritisierende Knackpunkt ist die Dimension, in der Lisa ihre Aktion startet. Warum hat sie die große Nummer (Bombenattentat) gewählt und nicht die kleine Aktion (z.B. Erschießen, oder Autounfall, o.ä.) , um Kaskans Tochter zu töten? Warum sucht sie sich einen Mittäter? Dass sie Zinkowsky braucht, um das alles zu schaffen, scheint mir klar zu sein, nur er hatte die technischen Fähigkeiten dazu (ist eigentlich klar, wie sie ihn erpresst hat? Wird nur mit einem Satz gesagt und vorher nur ganz dezent angedeutet ...) Aus Lisas Motivation heraus kann ich diese Frage nicht beantworten, nur mit dramaturgischen Gründen: ohne Anschlag kein Buch ...
An dieser Stelle ein kleines Geheimnis aus der Autorenwerkstatt: Ich wusste während des Schreibens lange nicht, dass Lisa der Täter ist. Echt. Ist mir erst während der Arbeit gekommen, und zwar erst weit nach der Hälfte. Der Gedanke hat mich so fasziniert, dass ich das Buch daraufhin rücküberprüft und umgebaut habe ... den Anschlag gab es da aber schon - und den wollte ich natürlich nicht aufgeben. Also habe ich ein wenig gedrückt und gebogen ... (Glaubt mir, die Logik in dieser Geschichte herzustellen, war eine Schweinearbeit, wenn ich das mal so unprosaisch sagen darf ...) Dass ich es geschafft habe, diese verzwickte Geschichte bis zum Schluss zu bringen, das wundert mich heute noch - das war ein Ritt über den Bodensee! Ist zum Glück gutgegangen, und das Eis unter der Story knackt auch nur wenig.
Ach ja, deine Interpretation zum Konflikt Seligs ist völlig richtig: Er wird erwachsen, er vollzieht einen Schritt, den er eigentlich schon vor Jahren hätte tun müssen.
Nochmals Kompliment für deine genaue Sicht auf den Stoff!
Herzliche Grüße - Markus