Ein Dorf am Ende der Welt. Stille, Schweigen, beredetes Schweigen.
Kein einziger Laut eines nicht menschlichen Wesens dringt durch diese Stille. Keinen Vogel sieht man kreisen, keine Kuh wiederkäuen; man hört kein Pferd wiehern, keinen Hund bellen. Auf dem Feld sieht man keinen Ochsen vor dem Pflug, keine milchgebende Kuh im Stall; nicht einmal Ameisen oder anderes Ungeziefer kreucht und fleucht durch Ställe, Scheunen und Haushalte.
In diesem Dorf lebt kein einziges Tier. Nur die Menschen, die sich ihrem Schicksal ergeben haben und darüber schweigen, wie es dazu kam. Sie erzählen nicht, und wenn sie es wollen, werden sie zum Schweigen gebracht. Dass diese Lebewesen existieren, wissen die Kinder nur die Lehrerin Emanuela, die ihnen Tierlaute beibringt oder aber vom (ehemaligen) Fischer Almon, der gut und gerne und mit viel Traurigkeit von seinem getreuen Hund Sito erzählt, der zusammen mit allen anderen Tieren in einer Novembernacht verschwand.
Nur Mati und Maya, sie haben ein Geheimnis. Sie haben einen Fisch gesehen. Vielleicht nur ein Sonnenstrahl, der sich auf dem Fluss spiegelte? Was auch immer zutrifft, sie beide zieht es in den Wald, um das Schweigen der Dorfbewohner zu brechen, um herauszufinden, warum selbst Reisende diesen Ort meiden, warum die Tiere einfach so verschwanden.
Dieses Buch ist eine Reise. Eine Reise, von Vergangenheit zur Gegenwart in die Zukunft, die von diesen beiden Kindern getragen wird. Erinnern und Vergessen sind ihre ständigen Begleiter. Die Bewohner des Dorfes verweigern sich beharrlich die Wahrheit zu sagen, ja, überhaupt darüber zu sprechen. Sie verweigern sich der Realität bzw. irgendeiner Form der Aufarbeitung von Traumata aus der Vergangenheit. Veränderungen sind ihnen zuwider, sie leben ihr Leben, sie sterben, wissend oder unwissend. Amos Oz hat diese Verdrängungsmechanismen in diesem Märchen gut herausgearbeitet in einer leichten, sehr direkten und verständlichen Sprache. Schnörkellos, ohne viel zu beschreiben agieren seine Figuren, die er leider nur unzureichend beschreibt. Maya und Mati werden auf den ca. hundert Seiten eher als emotionslose, denn als emotionale, liebende, hassende Figuren dargestellt.
Das Geheimnis, und die damit verbundene Botschaft, die letztendlich hinter dieser Geschichte stehen, werden in mehreren Szenen beleuchtet, ohne wertend zu sein, ohne zu verurteilen. Und doch mit einem Unterton, der immer wieder fragt: „Warum ist es so gelaufen? Wäre es anders verlaufen, wenn…“ usw. Umso unverständlicher ist das letzte Kapitel dieses Werkes. Ist das Märchen bisher ohne den erhobenen Zeigefinger durch eindringliche Bilder zur Botschaft gekommen, wird sie dem Leser noch einmal recht schulmeisterlich auf dem Weg gegeben (Man solle keine anderen Menschen hänseln, weil er anders ist..), in dem man den Zeigefinger hebt und, ich übertreibe, sagt: „Lieber Kinder, macht das nicht…“, was im übrigen vollkommen unnötig ist bzw. war.
Und doch, trotz dieser Schönheitsfehler, war dies ein interessantes, sehr nachdenklich machendes Büchlein, was mich noch sehr lange nach der Lektüre verfolgt hat.
Was bleibt?
Ein Märchen, eine Parabel, mit einer guten, verständlichen Botschaft, die in einer geradlinigen, direkten, schnörkellosen Sprache vermittelt wird. Einziger Fehler: Ein Leser braucht keinen Schulmeister, keinen Moralprediger, um die Nachricht dieses Werkes zu verstehen, will sagen: Das letzte Kapitel ist vollkommen deplatziert und somit unnötig.