Beiträge von Desdemona

    Über den Autor:


    Jean-Paul Sartre (* 21. Juni 1905 in Paris; † 15. April 1980 in Paris; vollständiger Name Jean-Paul Charles Aymard Sartre) war ein französischer Schriftsteller und Philosoph. Der politisch engagierte Verfasser zahlreicher Romane, Erzählungen, Dramen, Essays und philosophischer Werke gilt als der bedeutendste und repräsentativste französische Intellektuelle des 20. Jahrhunderts.


    Weitere Informationen:
    Jean-Paul Sartre - Porträt bei dieterwunderlich.de
    Jean-Paul Sartre - Biographie bei whoswho.de
    Jean-Paul Sartre - Eintrag bei philolex.de



    Klappentext:


    Meine Personen stellen sich die Frage, die auf der ganzen Welt so viele Menschen meiner Generation gequält hat: "Wie würde ich mich bei Folter verhalten?" (Jean-Paul Sartre)



    Eigene Meinung:


    Vier Männer, eine Frau, Angehörige der französischen Résistance. Ein Dorf sollte angegriffen, von französischen Kollaborateuren befreit werden. Es lief schief; das Dorf wurde zerstört, die Einwohner getötet, sie gefangen genommen. Sie erwartet die Folter, der darauf folgende Tod. Einige wesentliche Frage dieses Stücks: Wie gehe ich damit zu wissen, dass ich sterben werde? Wie gehe ich damit, dass ich gefoltert, geschlagen, misshandelt werde? Wie gehe ich mit eigenen Scham um, mit meinen Schuldgefühlen? Inwiefern bin ich Opfer? Bin nicht auch Täter? Welche Verantwortung übernehme ich für mein Handeln, für meine Taten und rechtfertigen meine Ideale, mein guter Wille die Knechtschaft durch Feinde zu beenden, auch auf Kosten von Menschenleben?


    Francois, der Jüngste, gerade einmal 15 Jahre alt, verwehrt sich gegen die eigene Schuld und weist Mittäterschaft bei der Ermordung der Dorfbewohner von sich; er sieht sich als ein Befehlsempfänger, als ein Mann der Tat. Er handelte nicht nach seinem Gewissen, seinen Idealen oder politischen Vorstellungen; Heroik, der Gedanke der Freiheit, von freien Entscheidungen - all das ist ihm vollkommen fremd.


    Zitat

    Original von: Jean-Paul Sartre - Tote ohne Begräbnis, 29.Auflage März 2006, S.20
    "Habt ihr mich denn gewarnt, als ich zu euch kam? Ihr habt mir gesagt: Die Résistance braucht Männer. Ihr habt mir nicht gesagt, dass sie Helden braucht. Ich bin kein Held, ich nicht, ich bin kein Held! Ich bin kein Held! Ich habe gemacht, was man mir gesagt hat. Ich habe Flugblätter verteilt und Waffen befördert, und ihr sagtet, dass ich immer guter Laune war. Aber niemand hat mich darüber aufgeklärt, was mich am Ende erwartet. Ich schwöre euch, dass ich nie wusste, auf was ich mich eingelassen habe."


    Wie gehe ich mit dem Wissen um, was ich habe? Kann ich die Schmerzen ertragen, kann ich damit umgehen zu schweigen, es mit mir geschehen zu lassen, mich nicht zu wehren, mich von mir selbst abzuwenden? Wie kann ich mich darauf "vorbereiten"? Gehe ich im Kreis, träume und schlafe ich, weine, rede darüber, schweige, weil ich es doch nicht ändern kann? Und wie ertrage ich es andere Mitglieder der Gruppe schreiend, um Gnade flehend, weinend zu hören?
    Diese Versuchsanordnung Sartres ist ein gespanntes Feld mit Personen, die darüber nachdenken müssen und sollen, inwiefern sie verantwortlich sind für ihr eigenes Tun und Handeln; die Verantwortung weg zu schieben, mich auf das Befehlsverhältnis zwischen Anführer und Mitglied zu berufen, einfach nur zu schweigen - all das führt zu Spannungen, nicht nur mit der eigenen Persönlichkeit. Nicht zuletzt ist das Stück auch eine existenzialistische Versuchsanordnung. Sartre sagt: "Der Mensch ist nichts anderes als sein Entwurf, er existiert nur in dem Maße, in welchem er sich verwirklicht, er ist also nichts anderes als die Gesamtheit seiner Handlungen, nichts anderes als sein Leben." Und weiter: "Die Existenz geht der Essenz voraus. [...] In der Tat, alles ist erlaubt, wenn Gott nicht existiert, und demzufolge ist der Mensch verlassen, da er weder in sich noch außerhalb seiner eine Möglichkeit findet, sich anzuklammern. Vor allem findet er keine Entschuldigungen. Geht tatsächlich die Existenz der Essenz voraus, so kann man nie durch Bezugnahme auf eine gegebene oder feststehende menschliche Natur Erklärungen geben; anders gesagt, es gibt keine Vorausbestimmungen mehr, der Mensch ist frei, der Mensch ist Freiheit."


    Die Frage also ist, wie nutze ich diese Freiheit? Und: bin ich immer noch frei, selbst wenn ich in unfreien Verhältnissen mich befinde? Inwiefern schließt meine Freiheit aus, Entscheidungen gegen den Willen anderer zu treffen? Gibt es überhaupt eine Freiheit der Entscheidungen und Handlungen?


    Sartre untersucht das Interaktionsverhältnis der Figuren, lässt die unterschiedlichen Meinungen aufeinander prallen; die die Figuren formulieren sehr deutlich ihre Meinungsansätze, sehr deutlich ihre Einstellungen und sind auch nicht davor gefeit falsche, in dem Moment voreilige Entscheidungen zu treffen, die dass Leben anderer zerstören, ja vernichten können. Und doch ist die Frage, ob und wie sich Menschen unter schwierigen Verhältnissen verändern; wie sehr sich die Folter auf den Geist auswirkt, wie sehr sie entmenschlicht. Die Situation eskaliert, als der Anführer der Résistance-Gruppierung zu Ihnen gesperrt wird.
    Verrät man ihn, um das eigene Leben zu schützen? Wie viel wert ist das eigene Leben, im Gegensatz zu Familienmitgliedern, Freunden, Bekannten? Ist das eigene Leben noch wert gelebt zu werden, wenn man es durch falsche Entscheidungen zerstört? Sartres Philosophie geht von einer vollkommenen Negierung eines moralischen gültigen Wertesystems aus - "Gott ist tot.", proklamierte Nietzsche - Sartre negiert also die Existenz eines moralisch-guten, wichtigen Daseins eines Menschen; der Mensch ist nicht Teil einer Welt, er erschafft sie sich. So auch die Gründe seiner Existenz, so es denn welche gibt.


    Die Gruppe entscheidet sich für ihre Ideale und gegen feste Bande, sei es Familie oder Freude. Dem Anführer, eigentlich Unbeteiligter der Gesamtsituation bemerkt:


    Zitat

    Original von: Jean-Paul Sartre - Tote ohne Begräbnis, 29.Auflage März 2006, S.61
    "Was ist bloß aus euch geworden? Warum seid ihr nicht mit den anderen umgekommen? Mir graust vor euch."


    Die Folter als Grenzsituation hat zu einer charakterlichen Entwicklung aller geführt, positiv, meistens eher zum negativen. Die Entwicklungen sind schleichend, später daran direkt bemerkbar. Der Leser hält die gesamte Zeit die Luft an; das Spannungsverhältnis ist so spürbar, dass man sich als Teil der Geschichte, als Beobachter der Situation fühlt. Die Frage, ob man die Handlung der Figuren moralisch verurteilen kann, stellt sich nicht, führt Sartre doch genau darüber die Argumentation: Darf ich als Außenstehender eine Entscheidungen, die aus Moral oder Unmoral heraus, getroffen wurde, anzweifeln? Habe ich dieses Recht als Leser, als Mensch?


    Viele Fragen bleiben offen, das Ende verstört um so mehr. das Stück führt dazu über die eigenen moralischen Maßstäbe, die eigenen Vorstellungen nachzudenken. In einem Nachwort wird extra betont, der Ort und auch die Zeit der Handlung seien unwichtig - ebenso hätte es in China, den USA, Afghanistan oder Indien passieren können. Oder tatsächlich kommt man nicht umhin an moderne Beispiele zu denken - siehe Abu Ghraib, Guantanamo,... .
    Dieses Drama ist sprachlich klar, direkt, schnörkellos, ohne viele Details, pointiert und macht einfach nur sprachlos. Es regt zum Nachdenken an, es lässt einen nicht los, die Entwicklung der Figuren ist rasant, die Fragen, die sie sich stellen, auch modern, immer noch (traurigerweise) sehr aktuell. Der Leser wird ständig mit der Frage "Und du?", wenn auch nie direkt, konfrontiert. Man lernt etwas, nicht nur über sich selbst.
    Das Stück ist kein "Lesevergnügen" - es hat keinen unterhaltenden Aspekt, es will aufrütteln. Und das schafft es, nicht zuletzt durch die spannungsgeladene Handlung und die handwerklich gute Sprache.

    Zitat

    Ich denke das Problem ist, wenn die jede These die nicht 100% sicher belegt ist (und was ist das schon wirklich in der Geschichte) von allen Seiten beleuchten wollten, würden die 45 Minuten pro Folge absolut nicht ausreichen. Immerhin hab ich gestern gelernt was eigentlich hinter dem Begriff "Prager Fenstersturz" steht.


    Es geht mir nicht um eine Kontroversendiskussion, ob das Mergel'sche Weltbild ein anderes als das von Jürgen Kocka ist. Oder aber, die Erwähnung dessen, dass der Prager Fenstersturz von 1618 nicht der erste und auch nicht der letzte Fenstersturz, lat. Defenestration, gewesen ist; sondern darum, dass sie sämtliche Mythen und Legenden unreflektiert wiedergeben, Quellen nicht aufgrund ihrer Intention untersuchen, jede Kritik an den von ihn vorgestellten Persönlichkeiten gar nicht erst aufkommen lassen.
    So wird in der Dokumentation "Wallenstein und der 30-jährige Krieg" erwähnt, die zwei Statthalter Prags Jaroslav Borsita Graf von Martinitz und Wilhelm Slavata seien aus dem Fenster geworfen worden, haben sich aber nicht ernsthaft verletzt, weil sie auf einen Misthaufen gelandet wären. Der "Prager Misthaufen" ist im übrigen ebenso eine Legende wie die Aussagen Luthers am Ende des Wormser Reichstages: "Hier stehe ich und kann nicht anders! Gott helfe mir, Amen!"


    Es geht mir nicht um aktuelle Kontroversen in der Wissenschaft, wie z.B. die Diskussion darüber, ob Wallenstein wirklich zu den größten Feldherren des 30-jährigen Krieges zu zählen ist, sondern um eine historisch nicht akkurate Darstellung eines Themenbereiches - zudem wäre es wohl kein Aufwand zu sagen "Man sagte, sie landeten auf einen Mishaufen, auch wenn sie das die beiden Statthalter in ihren eigenen Aussagen dementieren." ;-)


    Natürlich ist jede Quelle mit einer gewissen Vorsicht zu genießen und man wird mit Bestimmtheit keine endgültige Aussage treffen können; nur, das Vergleichen von Quellen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellungsweise, verbunden mit einer gründlichen Untersuchung der Intention des Autors, ist das Handwerkszeug, was eigentlich zu einer solchen Dokumentation gehören würde, und da wäre es sehr leicht gefallen für den 2./3. Prager Fenstersturz als Beispiel die Aussagen der beiden Herren zu nennen mit der Frage: Welches Interesse sollten diese haben die grausame, an ihnen begangene Tat zu verharmlosen?


    Mir missfällt es, wenn mithilfe von Anschaulichkeit, einer guten Aufmachung, versucht wird eine schlechte Recherche zu verbergen bzw. eine einseitige Geschichtsdarstellung abzuliefern, die nicht nur falsch oder kontextuell falsch wirkend ist.


    Edit: magali war schneller.

    Ich habe mir bisher die jeweiligen Folgen angesehen und sehe mich wieder einmal bestätigt, dass Fernsehdokumentationen über historische Themen nur sehr populärwissenschaftlich und eher oberflächlich behandelt werden, zum Großteil. Die Aufmachung mag modern, durch die Darstellung mit Laien für die meisten anschaulicher sein, verhilft aber nicht gerade dazu, dass die Darstellung der Themata akkurat und korrekt ist.


    Ich verweise nur als ein Beispiel darauf, dass z.B. bei der Dokumentation über Martin Luther und den berühmten "Thesenanschlag" dieser als historische Tatsache bezeichnet wurde (Ich verweise einmal auf diesen Link), auch die Aussagen Kaiser Karls am Grabe Luthers ("Ich führe Krieg mit den Lebenden und nicht mit den Toten.") oder aber das Verbrennen der Exkommunikation (durch ihn persönlich) sind historisch nicht korrekt dargestellt; geradezu unkritisch geht man mit dem Quellenmaterial um, bezieht sich auf Gemälde und Darstellungen, ohne auf den Verfasser bzw. Künstler und dessen Intention einzugehen. Es wird nicht auf Genauigkeit der Darstellung wert gelegt, auch nicht die in der Geschichtswissenschaft stattfindenden Kontroversen zu diskutieren oder aber zumindest eine zumindest an der Faktenbasis orientierte Darstellung der Themata zu bringen.


    Vielleicht bin ich das falsche Zielpublikum (ich studiere schließlich Geschichte), aber wenn man sich es zur Aufgabe für eine Fernsehdokumentation macht die "deutsche Geschichte" (auch, wenn ich diese Bezeichnung, vor allem für die Geschehnisse vor 1871 etwas seltsam anmutend finde; zumal der Begriff "deutsch" für meine Begriffe nur unzureichend diskutiert wird...) darzustellen, für den Zuschauer zugänglich zu machen, dann sollte man zumindest auf eine doch akkurate Geschichtsschreibung achten und nicht jedes, in der Wissenschaft schon hinterfragtes, historisch unbelegtes (wenn nicht gar falsches, einseitig dargestelltes) und vor allem klischeebeladenes Wissen nutzen.

    Über den Autor:


    Bertolt Brecht (auch Bert Brecht; gebürtig Eugen Berthold Friedrich Brecht; * 10. Februar 1898 in Augsburg; † 14. August 1956 in Berlin) wird als einflussreichster deutscher Dramatiker und Lyriker des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Er ist auch international für seine Werke angesehen und ausgezeichnet worden. Brecht gilt als Begründer des epischen Theaters bzw. „dialektischen Theaters“, obgleich dieser Begriff bereits zuvor von Erwin Piscator ins Leben gerufen worden ist. Brecht soll sich (gegenüber Walter Benjamin) als "Kommunist" bezeichnet haben.


    Weitere Informationen:
    Bertolt Brecht - Eintrag bei Wikipedia.org
    Bertolt Brecht - Kurzbiografie und Erläuterungen zu den Hauptwerken: Dreigroschenoper, Leben des Galilei, Mutter Courage, Herr Puntila und sein Knecht Matti, Der gute Mensch von Sezuan, Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui, Der kaukasische Kreidekreis
    Bertolt Brecht - Kurzbiografie in der Encyclopaedia Britannica (Engl.)
    Bertolt Brecht - Aufsätze von Elfriede Jelinek



    Klappentext:


    Das Stück "Die Gewehre der Frau Carrar" ist 1937 entstanden; es wurde im selben Jahr in Paris mit Helene Weigel als Frau Carrar aufgeführt. Es gehört zu den unverschlüsselt politischen Theaterarbeiten Brechts und antwortete, wie der Autor im zweiten Band der Malik-Ausgabe (1938) in einer Anmerkung notiert hat, auf frühe Konstellationen und Erfahrungen des Spanischen Bürgerkriegs.



    Eigene Meinung:


    April 1937, in einem andalusischen Fischerdorf. Faschistische Francotruppen rücken in Spanien weiter voran. Frau Teressa Carrar, Witwe eines im Aufstand getöteten Mannes, Mutter zweier im jugendlichen Alter sich befindender Söhne, Juan und José. Beide wollen gegen die faschistischen Truppen, gegen "Francos Generäle" kämpfen, beide wollen in den Krieg ziehen. Verweigert wird es ihnen durch die Mutter, die die benötigten Waffen, die Gewehre versteckt hat. Dahinter steckt kein politisches Statement, eher der Wunsch nicht noch mehr Familienmitglieder zu verlieren.


    Zitat

    Original von: "Die Gewehre der Frau Carrar, Suhrkamp, 1.Auflage 1980, S.11""Warum sollte ich für die Generäle sein? Ich bin dagegen, daß Blut vergoßen wird."


    Das Theaterstück ist durchweg dialogisch aufgebaut und zunächst ein pazifistisches Bekenntnis Frau Carrars; Gewalt erzeuge nur Gegengewalt. "Verteidigung des Vaterlandes", "Pflichterfüllung gegenüber der Gesellschaft" und "Treue und Pflichterfüllung", "Obrigkeitshörigkeit" - gegenüber all diesen Begriffen verwehrt sie sich, konnotiert den Krieg als etwas Negatives, Schlechtes. Familienzusammenhalt, Liebe gegenüber den eigenen Kindern und die Verteidigung der Familie - das sind ihre Leitideale, die sie gegenüber jeder Einmischung von Außen verteidigt.


    Zitat

    Original von: "Die Gewehre der Frau Carrar, Suhrkamp, 1.Auflage 1980, S.45""Ich will nicht das meine Kinder Soldaten werden. Sie sind kein Schlachtvieh."


    Gegenüber allen Vorwürfen anderer Parteien, vertreten durch einzelne Figuren, verteidigt sie sich vehement - ob es nun gegen den eigenen Bruder ist, Vertreter der Arbeiterbevölkerung, eigentlich nur auf der Suche nach den Gewehren des verstorbenen Schwagers, gegenüber, sogar mit Padre Francisco, Vertreter der Kirche, der Kriegswaisen umsorgt, gegenüber Frau Perez, Vertreterin der älteren Generation, hat schon eine Tochter verloren und versucht auf dem Verständnis-Weg für den Kriegseinsatz zu werben. In all diesen Argumentationen bleibt Frau Carrar stehts logisch, stehts moralisch überlegen und hinterlässt den Eindruck einer starken, energischen Persönlichkeit, die zwar für, aber nicht mit ihren Söhnen handelt. Erst, als das Schreckliche passiert, verändert sich ihre Meinung: Juan, auf der offenen See fischen, wird von vorbeifahrenden Franquisten getötet; glatter Lungendurchschuss, wie bei seinem Vater.


    Gegen wen und für wen soll Frau Carrar nun noch ihre, für sie offensichtlich ad absurdum gefürten Ideale, aufrecht erhalten? Frau Carrar bleibt ein guter Charakter, Moral und Tugend liegen in ihr, die Liebe und Verteidigung zur und der Familie bleiben ihr oberstes Gebot. Und doch, auch "das Gute" kommt nicht ohne Waffen aus oder ist zumindest nicht davor gefeit von bösen Überraschungen getroffen zu werden. Der Kampf zwischen "Gut" und "Böse" bekommt eine neue Bedeutung, hat doch Frau Carrar in besten Absichten gehandelt, im besten Wissen und mit Gewissen. Man könnte natürlich argumentieren, dass dies ein literarischer Topos ist, gerade gute Figuren, deren Einstellungen und Meinungen sehr fest sind, von bösen Schicksalsschlägen getroffen werden, um ihnen neue Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen.


    Brecht selbst bezeichnet das Theaterstück als "aristotelische (Einfühlungs-)Dramatik"; die Sprache bleibt sehr direkt, sher klar. Die Diskussionen bewegen sich immer auf einem verständlichen, nachvollziehbaren Niveau, bleiben nie oberflächlich und gehen doch nie tief genug, dass man die dort dargestellten Vertreter näher kennen lernt. Sie sind und bleiben Vertreter einer gewissen Denkrichtung, einer Ideologie. Einzig und allein Frau Carrar bekommt Konturen, ein Gesicht, einen Charakter, auch wenn sie im Theaterstück selbst nur als "Die Mutter" bezeichnet wird.


    Dieses Stück hat mich noch sehr lange begleitet, in mir viele Fragen aufgeworfen, viele Kontroversen ausgelöst. Ich habe ein gewisses idelogisches Problem, wünsche ich doch guten Menschen, dass ihre gute Ansicht belohnt und nicht auch noch bestraft wird. Der Schutzwille der eigenen Familie gegenüber ist für mich nicht negativ konnotiert, er wird es allerdings im Stück selbst. Das Hergeben der eigenen Söhne für höhere Ziele erscheint mir, vielleicht gerade als Frau und zudem in diesen eher "friedlichen" Zeiten, als etwas Unerhörtes, Trauriges, geradezu Unmögliches.
    Diese Kontroverse dürfte beabsichtig sein und insofern hat das Stück seinen Sinn und Zweck erfüllt.


    Das ist vielleicht nicht das beste Theaterstück von Bertolt Brecht, aber doch ein sehr starkes, aussagekräftiges, zum Nachdenken anregendes.
    Brecht honoriert noch einmal die Leistungen des Stückes, aber auch dieser seiner zweiten Ehefrau als Darstellerin der Teresa Carar, aufgeführt zunächst im Pariser Exil:


    Zitat

    Und dann noch Pan’s Labyrinth. Ich weiss der wird von so vielen hoch gelobt aber ich fand den einfach nur grausam!


    Darf ich fragen, warum?


    Wenn man mich nach einen schlechten Film fragen würde, käme ich in die Bedrängnis, dass wir noch dazu hunderte anderer Beispiele einfallen. Zum Beispiel "Gelegenheit macht Liebe" - Damals war ich zarte zwei Wochen mit dem besten Mann der Welt zusammen und ich kam auf die grandiose Idee eine romantische Komödie zu schauen. Diesen Entschluss habe ich sehr schnell bereut - Brachialhumor, vorhersehbare Handlung, schlechte Schauspieler und ein so lächerliches Drehbuch, wie ich es selten bei einem Film erlebt habe. Ich bin im Kino eingeschlafen, so nach 60 Minuten, und kurz vor Filmende wieder aufgewacht...
    Andere 'Glanzbeispiele' wären "Troja" und "Alexander", genauso wie "Star Wars Episode 3" (Episode 2 hat mir gerade aufgrund von Hayden Christansen gut gefallen) und sämtliche "American Pie"-Filme.

    Über den Autor:


    Alina Bronsky kam 1978 in der russischen Industriestadt Jekaterinburg zur Welt. Sie ist Tochter eines Physikers und einer Astronomin. Sie wuchs auf der asiatischen Seite des Ural-Gebirges sowie in Marburg und Darmstadt auf. Nach Abbruch ihres Medizinstudiums arbeitete sie als Werbetexterin und Zeitungsredakteurin. Sie lebt in Frankfurt. "Scherbenpark" ist ihr erster Roman.


    Weitere Informationen:
    Eintrag bei perlentaucher.de - mit Leseprobe
    Kurzporträt und Interview bei Kiepenheuer & Witsch
    Hompage zu "Scherbenpark"


    Eigene Meinung:


    "Fürchte diejenigen, die sich schwach fühlen. [...] Denn es kann sein, dass sie sich eines Tages stark fühlen wollen und du dich nie wieder davon erholen wirst."


    Sascha ist 17; die Mutter tot, erschossen vom eigenen Stiefvater. Sie lebt zusammen mit der devoten Großtante Maria, ebenso aus Russland, aus Nowosibirsk, die Deutschkenntnisse ihrerseits mangelhaft, isoliert lebend, ohne viele Perspektiven, einzig für die Kinder, für Sascha, Alissa und Anton lebt sie. Sascha dagegen besucht ein katholisches Gymnasium, hat sehr gute Zeugnisse, spricht fließend Deutsch und hat die besten Chancen, beste Perspektiven auf ein Studium oder eine Ausbildung. Dennoch hat sie nur zwei Ziele: Ihrer Mutter ein Buch zu schreiben und Vadim zu töten. Vadim, der Prügelnde, der schlechte Ehemann, schlechte Vater, Mörder ihrer Mutter und dessen neuen Lebensgefährten. Ihr Leben hat er zerstört, nehmen will sie ihm seines. Minutiös geht sie die möglichen Tötungsmethoden durch: Vergiften? Erschlagen? Erstechen? Es bleibt alles ein reines Gedankenspiel, ein Ausleben von Trauer und Hass; Vergebung oder Verzeihung sind für sie keine in Frage kommenden Alternativen.
    Geradezu schnoddrig ist der Ton in "Scherbenpark", geradezu gewaltgeladen und trotz der doch sehr heiklen und dramatischen Situation, in der die Protagonistin lebt, sarkastisch, beinahe zynisch. Direkt, ohne viel Umschweife, schmissig und altklug reagiert das Mädchen auf seine Umwelt. Die Traurigkeit, die Melancholie sind ein ständiger, aber nicht offenkundig immer genannter Faktor in Saschas Leben. Sie sucht sich ihren Platz in der Welt, in einer Welt der Plattenbausiedlung Solitär, in der gebrochene Existenzen, Russlanddeutsche, die auch nach zehn Jahren weder Deutsch noch mehr ihre Muttersprache Russisch sprechen können, leben. Arbeitslos, ohne viele Perspektiven oder Jobchancen, sind Alkoholismus, Drogen, Missbrauch und Misshandlung ständige Erscheinungen in der Siedlung am Rande von Frankfurt. Und doch bleibt dies nur der Rahmen. Alina Bronsky beschreibt hier weniger eine Milieustudie, als vielmehr die Entwicklung einer Jugendlichen zur jungen Frau, die selbstbewusst und verantwortungsvoll Entscheidungen zu treffen versucht, allein, ohne fremde Hilfe, ohne familiären Beistand.


    Der Roman erscheint witzig, geradezu humorvoll. Die Sprache bleibt, trotz oder sogar wahrscheinlich aufgrund des Milieus in dem Alexandra lebt, direkt, klar, ohne Verschönerungen oder Schnörkel. Im jugendlichen Jargon lässt sie den Leser als stillen Beobachter, nicht zuletzt als Teilhaber, ihre Verbrechen, Taten und Gedanken miterleben. "16-Mal sei das Wort "ich" auf einer Seite vorhanden", beschwert sich David Hugendick in einer ZEIT-Rezension (Link) und man wünscht sich bei Zeiten nicht hinschauen zu müssen, einmal Distanz wahren zu können, die Protagonisten einmal von außen, nicht nur von ihnen betrachten zu können bzw. vielleicht sogar eine andere Perspektive kennen zu lernen, einen anderen Blick nicht nur auf das Geschehen sondern auch auf Sascha selbst.
    Und doch bleibt einem die Figur der Sascha immer sympathisch, immer verständlich in ihren Arten zu handeln und mit ihrer Umwelt zu agieren; sie ist direkt, intelligent, sehr offen und freundlich, aber auch altklug und in gewissen Punkten sehr grausam. Eine Figur mit Ecken und Kanten bleibt Sascha immer und es gelingt der Autorin so, dass die Figur nicht ein Konstrukt bleibt, sondern der Leser sie, ohne großartige Beschreibungen ihrerseits über ihr Äußeres zu erhalten, sehr gut imaginieren und vorstellen kann.


    Die Frage, die beim Lesen immer wieder redundant auftaucht, ist, welches Genre dieser Roman angehören will. Als Milieustudie bedient er sich vieler Klischees, ohne wirklich viele Perspektiven zu offenbaren wirkt das Bild zu allgemein, zu Schwarz-Weiß; Alina Bronsky durchkreuzt, durchmischt die Klischees einer gewaltbereiten, alkoholkranken, arbeitslosen russischen Gemeinde mit einer zur Pazifismus und Unterwürfigkeit neigenden, deutschen Gesellschaft, bricht diese immer wieder auf - Dies wirkt sehr bemüht, sehr mechanisch, ohne viele Details oder Emotionen. Menschliche Schicksale werden nur selten ins Blickfeld des Lesers geführt, und wenn geschieht dies immer durch das negative Auffallen dieser Persönlichkeiten.
    Als Liebesroman, also Sascha im Dreiecksverhältnis zu Volker und Felix, ist dieses Debut auch nicht gut kategorisiert worden, schließlich hat die Protagonistin eine gewisse Affinität sich stark über Sex zu definieren, in diesem Themenbereich, bzw. wenig bis gar nicht emotional zu reagieren. Mag dies auch Maske sein, so wirkt sie eher berechnend, unterkühlt, emotionslos, ohne viel Zeit verbrauchen zu wollen für einen schönen Moment. Aber vielleicht ist gerade diese Emotionslosigkeit auch nur ein Produkt dessen, dass sie, bei der Beobachtung der Ehe ihrer Mutter, eine zu naive, zu liebevolle Einstellung gegenüber dem Mann dazu führt, schluss endlich verraten und verletzt zu werden.
    Also doch ein Entwicklungsroman, meiner Ansicht nach. Sascha entdeckt ein Leben außerhalb des "Solitärs", außerhalb ihres Horizonts, welcher durch einen rauen Alltag geprägt ist. Dabei lernt sie nicht nur die Liebe kenne, auch welche Schwierigkeiten ein Leben mit sich bringen kann, welche Kraft notwendig ist seinen eigenen Weg zu finden und diesen auch zu leben.


    Die Geschichte dessen, dass Alina Bronsky das Manuskript unaufgefordert eingeschickt und beim Verlag Kiepenheuer & Witsch sofort einen Vertrag erhalten hat, mag eine stark übertrieben Darstellung der Ereignisse sein (Aussagen dazu im Buchmesse-Podcast des Literaturcafes) und doch erscheint es bei diesem wirklich starken Debut nicht unwahrscheinlich. Die Sprache bleibt klar, immer direkt, immer auf einem gewissen, sehr jugendlichem Niveau, was das Buch und somit auch die Hauptfigur sehr sympathisch machen.
    Mag auch die Liebesgeschichte für einige Leser daneben, unpassend und am Ende konstruiert erscheinen, so ist sie doch eine lebendig beschriebene Station auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Dennoch, zugegebenermaßen, sind Szenen der Zärtlichkeit sehr harsch, sehr rau, sehr distanziert beschrieben, geradezu emotionslos und unbeteiligt wirkt Sascha, nicht nur beim Akt selbst, sondern auch dann wenn es um die Beschreibung ihrer Gefühle geht.


    Trotzdem, ein gelungenes, interessantes Debut von einer Autorin, von der ich hoffe mehr zu hören.

    Über den Autor:


    Jenny Erpenbeck wurde 1967 in eine Berliner Schriftstellerdynastie geboren. Ihre Großmutter Hedda Zinna schrieb Romane, ihr Großvater Fritz Erpenbeck war Krimiautor und gründete die Zeitschrift `Theater der Zeit`. Ihr Vater John Erpenbeck ist ein bekannter Physiker, Philosoph, Psychologe und Romanautor, und ihre Mutter Doris Kilias arbeitet als Übersetzerin. Nach einer Buchbinderlehre und Tätigkeiten als Requisiteuse und Ankleiderin an der Staatsoper Berlin studierte Jenny Erpenbeck in Berlin Theaterwissenschaften und Musiktheaterregie, u.a. bei Peter Konwitschny, Ruth Berghaus, Werner Herzog und Heiner Müller. Seit 1991 arbeitete sie zunächst als Regieassistentin und inszenierte danach Aufführungen für Oper und Musiktheater in Berlin und Graz. Sie lebt als freie Autorin und Regisseurin in Berlin.


    Weitere Informationen:
    Jenny Erpenbeck - Eintrag in der Wikipedia
    Jenny Erpenbeck - Eintrag bei perlentaucher.de
    Jenny Erpenbeck - Eintrag im Literaturport Berlin / Brandenburg



    Klappentext:


    Ein Stück Land und ein Haus an einem märkischen See: Zwölf Lebensgeschichten, durch den Ort miteinander verwoben und aneinander gespiegelt. Alle zusammen bilden eine Art kollektives literarisches Gedächtnis des letzten Jahrhunderts.


    "Jenny Erpenbeck hat einen Roman von enormer
    poetischer Kraft geschrieben. Sie erzählt von den kleinen
    Geschichten eines unscheinbares Ortes und spiegelt
    darin - ergreifend und faßbar - die große Geschichte."

    (Neue Zürcher Zeitung)



    Eigene Meinung:


    "Wo der neue Mensch anfangen soll, kann er nur aus dem alten wachsen."


    Ein Haus, errichtet in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, ist der Schauplatz von Erpenbecks Jahrhundert-Gemälde. Wir verfolgen und erleben die wenigen Besitzer dieses Hauses, lesen von Freude, von kindlichen Wünschen, von natürlicher Schönheit, aber auch von Trauer, Verfolgung, Tod. Der Gärtner, stumm und ohne viel Charakter, ist die einzige Konstante in dem Roman und im Leben des Hauses; er pflegt und bewässert das Stück Land, den Garten, kümmert sich um Arbeiten am und im Haus, je nach den Wünschen des Besitzers. Er besitzt keine Meinung, keine Gefühle, seine Gedanken und Ansichten werden nur bzw. mit Hilfe der Pflanzen und Tiere beschrieben; er wird geradezu charakterlos, blutleer, wie ein Gegenstand der zum Haus dazu gehört, egal zu welcher Zeit. Das Haus ist seine Heimat. Wie auch das der anderen elf Personen, Familien, Lebewesen. Unwichtig, ob sie sich auf der Durchreise, als Besetzer, als Inhaber, als kurzzeitige Nutzer betrachten, die Geschichte des Hauses ist immer mit ihnen verwoben, egal ob durch Geheimnisse, die erste gemeinsame Liebesnacht, eine geführte Ehe oder aber als Ort von Tod, Trauer, Besetzung und Angst.


    Das Haus ist gemütlich und schön, schrecklich und hässlich zugleich. Es ist Heimat, bzw. dient als Ort der "Heimsuchung", als Station auf vielen Lebenswegen, wo sie auch enden mögen. Egal, ob diese in der Gaskammer in Auschwitz enden oder aber im Altersheim. Egal, ob es als Selbstmord endet oder aber in dem Verlust einer geliebten Freundin. Dieses seltsame Haus mit den farbigen Fensterläden aus Milchglas im ersten Stock, mit dem Geheimversteck im hinteren Teil des Schranks, mit dem Bootshaus und den dazugehörigen linoleumgrünen Handtüchern bleibt immer der Rahmen der Handlung, wenn auch nicht immer präsent. Wie ein stiller Beobachter verfolgt man die Geschichten der Familie. Die des Architekten, der das Grundstück seiner Nachbarn kauft, die dieses finanzielle Hilfe benötigen, um auszuwandern. Die der kleinen Doris, ein Kind, gerade noch versteckt in einer Wohnung, die schließlich als "Untermensch" erschossen wird. Die der Zurückgekehrten, die schweigt, wenn Unrecht geschieht, aus Depression und Angst noch einmal Verachtung und Schmerz erfahren zu müssen.


    Trotz fast durchgängiger Namenslosigkeit der Figuren sind diese fassbar, ja geradezu offen und persönlich zu entdecken für den Leser. Man hat das Gefühl bei ihnen zu sein in den schwierigsten Stunden, in den schönsten Stunden genauso wie in den bedrückensten Stunden. Dieses Haus und somit auch der Roman entwickeln eine Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann. Dabei bleibt der Roman nicht bei einer Abfolge der Geschichten. Erpenbeck verwebt, dröselt auf, verbindet, überschichtet und stapelt sogar über- und nebeneinander die Geschichten der Figuren; somit erscheint dieser doch episodenhaft wirkende Roman als ein Porträt, ein Puzzle, welches nicht nur eine Abbildung der Verhältnisse, sondern auch der Perspektiven ist. Der Rotarmist, stationiert in Berlin, noch jung, unerfahren, gerade erst aufgestiegen, der die hilflos wirkende, etwas verrückte Hausbesitzerin in den Kriegszeiten des Jahres 1945 vergewaltigt; und daneben eben diese Frau, die nie wieder von diesem Erlebnis loskommen wird - beide sprechen über das Geschehen, dröseln es auf, werten ab und fühlen sich beide als Schuldige und Unschuldige einer Generation und der zeitlichen Umstände.


    Jenny Erpenbeck bleibt dabei in Sprache immer dicht am Geschehen, beinahe tiefenpsychologisch analysiert sie die Figuren, spielt mit ihnen, lässt sie sprechen und das mit einer poetischen Kraft, mit einem epischen Fluss, der einen nicht loslässt. Nicht nur mit den Figuren, auch mit der Sprach spielt sie. Mehrmals werden Sprach- und Stilebenen gewechselt - Szenenähnliche Elemente des Theaters eingeführt, Regieanweisungen wie in einem Drama eingearbeitet, genauso wie Gesprächsfetzen und Briefsegmente.


    Kritisierbar wäre, dass die Haltung der Autorin zu ihren Figuren sehr unterkühlt ist, schließlich verschwinden diese meist nach kurzer Zeit wieder, ohne Rücksicht auf deren "Leben" werden sie entsorgt, so sie denn ihre Rolle erfüllt haben. Doch wenn man bedenkt, dass dies die Geschichte eines Hauses, verwoben mit den Familien, nicht unbedingt immer um die Familien, sich handelt, wirkt diese "Versuchsanordnung" künstlerisch sehr stark, sehr lebendig und vor allem auch authentisch. Scheitern tut Erpenbeck nur, wenn sich um die Beschreibung intimster Momente handelt - die Vergewaltigung der Hausbesitzerin im Zweiten Weltkrieg wirkt geradezu plump, abstoßend, geradezu sprachlich ordinär. Die Liebe an sich scheint ihr nur Mittel zum Zweck, selten geht sie auf das Gefühl der Personen in diesen Momenten ein. Sie beschreibt sehr emotional das Innenleben der Figuren, wagt sich dabei aber nicht an Szenen heran, die auch für den Leser unangenehm sein können - vielleicht ist es eine starke Distanz, die sie mit der sprachlichen Veränderung in diesen Szenen erreichen möchte, allerdings wirkt das zu kalt, mit zu viel Distanz, mit zu viel Härte. Im entscheidenden Augenblick fühlen diese Figuren meistens nichts, bleiben Konstrukte in der Handlung, weniger handelnde Charaktere.


    Und doch bleibt von diesem Roman sehr viel Positives: Erpenbecks Sprache erweist sich als poetisch stark, kraftvoll und einfach wunderschön zu lesen. Sie weiß es, Geschichten miteinander zu verweben, Geschichten überhaupt zu erzählen und ihren Figuren einen Hintergrund zu geben, der den Leser dazu bringt mit ihm zu leben, zu lachen, zu weinen, zu trauern. Die meiste Zeit sind diese Figuren Begleiter, keine reinen Konstrukte der menschlichen Phantasie trotz ihrer Flüchtigkeit innerhalb der Handlung. Filigran arbeitet die Autorin Zeitebenen mit ein, ohne auf zeitliche Zusammenhänge direkt hinzuweisen. Es liest sich nicht wie ein Abfolge historischer Daten und der damit verbundenen Figuren, sondern wie eine Figur bzw. ein Lebewesen in dem Umfeld, zeitlich und lokal, agiert, wie es reagiert und denkt. Mittelpunkt dabei bleibt das Haus an einem märkischen See in Mecklemburg-Vorpommern.
    Ein sehr angenehm zu lesender, stilistisch sehr starker Roman.

    Über den Autor:


    Michael Köhlmeier, geboren 1949, wuchs in Hohenems/Vorarlberg auf, wo er auch heute lebt. Für sein Werk wurde der österreichische Bestsellerautor unter anderem mit dem Manes-Sperber-Preis, dem Anton-Wildgans-Preis und dem Grimmelshausen-Preis ausgezeichnet.


    Mehr Informationen:
    Michael Köhlmeier - Eintrag in der Wikipedia
    Michael Köhlmeier - Eintrag bei perlentaucher.de
    Michael Köhlmeier - Interview zu "Abendland" mit der FAZ



    Klappentext:


    "Ich befand mich in einer Situation, in der alles
    wesentlich war, weil ich alles um mich herum
    wahrnahm, als wäre es zum letzten Mal."


    Michael Köhlmeier kann, was viele nicht können: in einer ganz kleinen Geschichte eine ganz große erzählen.



    Meine Meinung:


    Zwei Männer gehen am Rhein spazieren. Der eine Schriftsteller, der andere Lektor.
    Sie sehen einen Hund, der im Eis einbricht; der Lektor, Dr. Beer, versucht die Feuerwehr zu verständigen, während der Schriftsteller sich aufs Eis wagt, den Hund festhält, ihn zum Leben ermutigt.
    Diese scheinbare "alltägliche" Beschreibung eines Wochenendausfluges, eines Spaziergangs im kalten Winter eines unbenannten Jahres, wird zum Dialog des Autors. Nicht zuletzt über die Literatur, über Musik und Philosophie wird die eigentliche Thematik angesprochen: den Verlust der Tochter des Protagonisten, nämlich Köhlmeier selbst. Paula ist gestorben bei einem Spaziergang; ihre Freundin erlitt nur leichte Verletzungen, sie starb. Und doch, nach wie vor ist sie ein präsenter Teil dieser Familie; weder Monika, die Frau und Mutter, noch Michael, Vater und Ehemann, können sie gehen lassen. Ihr Zimmer, nach wie vor ihr Refugium, ihre Bilder, Erinnerungen an sie werden lebendig gehalten, wiederholt, geradezu akribisch eingearbeitet. Köhlmeier sieht sich nicht in Stande über den Tod seines Kindes hinweg zu kommen; er versucht über sie zu sprechen, direkt und persönlich mit Dr. Beer, schafft es aber nicht die schrecklichen Ereignisse wiederzubeleben. Sein Weg führt immer über die Literatur, in der er fiktive Gesprächssituationen skizziert:


    "Wie kann ich über den Tod unserer Tochter schreiben?"
    "Willst du denn darüber schreiben?"
    "Das möchte ich, ja."
    "Ich denke, ich weiß, wo das Problem liegt. Du bist dir nicht sicher, ob du Literatur machen willst oder bloße Erinnerung, hab ich recht?"
    "Ich will, dass sie bei mir ist. Und ich habe die Hoffnung, dass sie näher bei mir ist, wenn ich über sie schreibe."


    Köhlmeier bewahrt bei aller Nähe zur eigenen Erinnerung, zur eigenen Historie immer wieder eine reflektierende Distanz zum Leser. Er will nicht sentimentalisieren, dramatisieren, schon gar kein Mitleid erzeugen. Seine einzige Möglichkeit der Verarbeitung der Themata sieht er in der Literatur, in der Musik, nicht in der Ruhe des Schlafes oder der Entspannung. Gefühle werden nicht oder nur selten direkt angesprochen und ausgedrückt, mehr wird über Autoren und Romane als Symbole dieser Emotionen gesprochen. So z.B. zieht er einen Vergleich zum Protagonisten des Grillparzer'schen Romans "Der Traum ein Leben" Rustan, der vom Sklaven Zanga dazu verleitet wird, in seiner Naivität, seine Träume von Abenteuer und Ferne zu verwirklichen; Köhlmeier erkennt die Aussichtslosigkeit seiner Träume, so er sich doch danach sehnt von seiner Tochter zu träumen, um ihre Nähe noch einmal genießen zu können. Die Literatur ist für ihn Lebenselixier, Mittel für Distanz und näher zum Thema zugleich. So sinniert er:


    "Ich glaube an die Literatur, (...), sonst hätte ich mein Leben verfehlt..."


    Abgesehen von den offensichtlichen literarischen Beispielen, veranschaulicht er dieses gewählte literarische Leben durch zahlreiche Metaphoriken und Symbole: Der schwarze Hund, altes mythisches Symbol für den Tod (Man denke an den Höllenhund Cerberus); Dantes Inferno, der Zöllner, der den Weg bereitet (Dante Aligheris "Commedia"), Lears Narr, als welcher sich Dr. Beer sieht (Shakespeares "König Lear").


    Köhlmeier nährt sich auf vielen Wegen dem Thema Tod, der Verarbeitung und Verdrängung dieses Themas. Natürlich könnte er den Hund loslassen, weder kann er den Tod, dem Sterben dieses Tieres zusehen noch kann er verarbeiten, warum er diesem armen, vielleicht sogar undankbar wirkenden Tier helfen. Er schafft eine reflektierende Distanz zum Leser, arbeitet nur sehr indirekt dieses Thema aus und setzt die Pointe erst kurz vor Tore Schluss. Auf mich wirkt das zu distanziert, zu unpersönlich. Mehrmals wechselt er die Perspektive, sieht sich selbst nicht im Stande klar über Paula zu sprechen und schafft so eine unüberwindbare Distanz zum Leser. Das Alltägliche nimmt stark Überhand, Unwesentliches wird nicht vom Wesentlichen getrennt. Man verliert sich in Details, in den Gedanken Köhlmeiers; sein Anliegen mit diesen Werk begründet er nicht, stellt er nicht dar, veranschaulicht er nicht. Er zieht sich am Ende zurück vom Leser, lässt ihn alleine, versteht nicht ganz worauf er hinaus will. Zu viele Fragen bleiben ungeklärt, zu viele Gedanken und Gefühle unausgesprochen.


    "Eigentlich entzieht sich dieses Buch jeder Bewertung. Doch viele Leser dürften es desinteressiert zur Seite legen, bevor sich der tragische Hintergrund enthüllt.", mit diesen Worten hat die BÜCHER in ihrer vorletzten Ausgabe die Bewertung von zwei (von fünf) Sternen begründet. Ich möchte mich zu einem gewissen Teil dieser Meinung anschließen, wenn auch mit der Einschränkung, dass der Autor sehr wohl einen Stil hat, der einen fesselt. Schnörkellos, mit vielen gedanklichen Ideen, vielen interessanten Gesprächssituationen, auch ein paar ironischen Bemerkungen hält er das Interesse des Lesers, erst ab Seite 50, spätestens 60 fragt man sich, auf was er eigentlich hinaus will.
    Sprachlich bleibt das Buch sehr ruhig, sehr flüssig, unaufdringlich und erhaben. Er belässt sehr viel (zu viel) Platz für offene Gedanken und Gefühle, nimmt sich aber sehr stark raus aus der Geschichte. Das Ganze wirkt so fast ein wenig unemotional emotional - Man spürt die starke Melancholie, die große Traurigkeit, weiß sie aber nicht einzuordnen. Man spürt sehr viel Trauer, sehr viel Anspannung im Protagonisten Köhlmeier, weiß dies aber bis zur letzten Seite nicht einzuordnen; er bezieht zu selten Stellung, zu selten sieht man den Menschen Köhlmeier, nicht das Konstrukt Köhlmeier als Protagonisten eines Romans.


    Der Roman, vielleicht sogar eher Novelle, bleibt er ruhig, unaufgeregt, im festen Rahmen.
    "Ganz nett" war mein Kommentar nach der Lektüre, dabei ist es im Zuge des Diskutierens und Rezensierens des Romans auch geblieben.

    Zitat

    Original von buchratte
    ich weiß gar nicht was ihr habt...
    wäre er daheim geblieben... und hätte sich über das bescheuerte TV Programm beschwert hätte ihm doch keiner zugehört... so geht er an die Öffentlichkeit und verkündet seine Meinung laut... und gerade weil man eine andere Reaktion erwartet hat, hat das Gesagte somit mehr Wirkung...wieviele Leute sich jetzt aufregen...und diesem Thema Aufmerksamkeit schenken... das wäre anders wahrscheinlich gar nicht möglich.
    und Fakt ist und bleibt.. da hat er ja recht... im Fernsehen läuft nur Schrott. Hallo die Sache mit DSDS ...gehts noch?! Ist die Menschheit wirklich so verblödet?
    Zeichnen wirklich Sendungen wie "Germanys Next Topmodel", "Popstars", "DSDS", "Big Brother" etc. unsere Gesellschaft aus? Erschreckend :yikes


    Ich kann es mir nicht verkneifen: Was sagt es über eine Gesellschaft aus, dass seit ca. acht Monaten "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste ist? ;-)

    Mal ein paar Fakten zur österreichischen Nationalratswahl:


    In Österreich leben 8,3 Millionen Menschen.
    Von diesen 8,3 Millionen Menschen sind 6 332 921 wahlberechtigt.
    Abgegeben wurden 4 990 947 Stimmen, insgesamt haben also 78,81 % der wahlberechtigten Bevölkerung gewählt. Davon sind 2,08 % (103 643 Stimmen) ungültige Stimmen, also wird das Ergebnis aus 4 887 304 Stimmen gewertet.


    Die SPÖ erhält 29,26 % der Stimmen.
    Die ÖVP erhält 25,98 % der Stimmen.
    Die Grünen erhalten 10,43 % der Stimmen.
    Die FPÖ erhält 17,53 % der Stimmen.
    Das BZÖ erhält 10,70 % der Stimmen.


    (Der Rest der Parteien (LIF, Liste Fritz Dinkhauser, Liste Stark, Die Christen, KPÖ, Rettet Österreich, Liste Klement, Die Linke, Tierrechtspartei, Linke) kamen auf Stimmanteile zwischen 0,01 - 2,09 %)


    Für die FPÖ haben sich somit 857 028 Wählerinnen und Wähler entschieden, für das BZÖ 522 933, sprechen wir also von insgesamt 1 397 961 Wählerinnen und Wählern, die sich für eine rechts (-poplistische, -rechtsradikale) Parteien entschieden haben. Im Vergleich dazu: Die SPÖ hat 1 430 202 Stimmen erhalten, steht also im direkter Konkurrenz, sollte so etwas zu Stande kommen, zu einem "Rechtsbündnis" beider Parteien.


    Für mich haben das BZÖ und auch die FPÖ die "Sorgen" der meisten Menschen eher angesprochen, als es die ÖVP als Beispiel jemals könnte. Natürlich mit dem beliebten Ausländerthema (Der Fall der Schengengrenzen hat nicht nur die Burgenländer leicht erbost...), natürlich mit dem Teuerungsthema, natürlich mit dem Pensionistenthema, natürlich mit dem Zuschussthema. Es geht hier doch nicht um Werte in einem Wahlkampf, es geht darum, wer den Menschen Chancen und Möglichkeiten bietet, allein durch seine Präsenz zu überzeugen, dass derjenige in der Lage dazu ist Probleme anzupacken, in die Hände zu spucken und etwas zu bewegen.


    Die große Koalition hat in den letzten 18 Monaten für die meisten bewiesen, dass sie mit den bisherigen Vertretern nichts leisten können außer Kasperltheater und Zankerei. Große Themen, wie die EU wurden wenig bis gar nicht diskutiert, nicht angesprochen, auch nicht als Diskussionsthemen angeregt. Man schlich sich um die Themen, sagte, man "müsse zur EU halten", aber es war für die wenigsten Menschen greifbar, warum man das tun sollte, wo sie doch für meisten Menschen nichts Positives hatte.


    Diese Regierung hatte nichts Fassbares und hat auch nicht mit großer Professionalität geglänzt (Thema z.B. war Gusenbauers Aussage darüber, dass nach 16 Uhr niemand mehr im Parlament anzutreffen sei) und schon gar nicht mit fundierten Sachthemen; Haider dagegen war in jeder Spielunke anzutreffen, bei jedem Dorffestl immer mit Bierkrug in der Hand dabei und hat dabei die Jugend genauso angesprochen wie die älteren Leute, vor allem die Bauern.


    Keineswegs verteidige ich diesen Rechtsdruck, ganz im Gegenteil. Ich sehe das als deutliches Zeichen für "Uns stinkts!" - Erinnert mich, ohne das ganze verballhornen zu wollen, an einen kleinen Hund, der laut kläfft, um überhaupt ernst genommen zu werden. Das sind nur ein paar Ideen, dieses "Phänomen" zu erklären.

    Und wieder ein Forum zur Selbstvermarktung und Selbstdarstellung gefunden... :rolleyes


    ARD und ZDF haben, was das Programm betrifft, stark abgebaut. RTL / RTL2 / SuperRTL waren noch nie Garanten für Bildungsfernsehen, genauso wenig wie Atze Schröder oder Thomas Gottschalk für ihre intelligente Art des Humors bekannt sind. Sendungen wie "Die Ausreißer" oder "Frauentausch" sind nur dazu gedacht die voyeuristische Lust mancher Menschen daran zu stillen, über die Erziehung / das Aussehen / die Bildung etc.pp anderer Menschen zu lachen, sich zu belustigen bzw. zumindest dafür sich 30 Minuten lang besser zu fühlen als "der asoziale Abschaum aus den Berliner Plattenbauten" (wie sich einige Jugendliche selbst in der RTL-"Doku" "Die Super-Nanny" bezeichnet haben). "Wetten, dass..." ist zu einer reinen Werbeshow geworden - Für Filme, Parfums und schlechte Bücher- und Erfolgskonzepte. Aber, das sind Dinge, die nicht erst seit gestern bekannt sind, sondern schon lange fester Bestandteil der deutschen Fernsehlandschaft sind; in diesem Sinne empfinde ich seinen Protest als den berühmten Sturm ins Wasserglas.

    Ein tragischer Todesfall für Familie und Freunde.


    Welche politische Meinung er vertreten hat, inwiefern der ORF seit heute Vormittag sein politisches Leben beweihräuchert und die Köpfe der größten Parteien sich überschlagen vor Tränen und Beileidsbekundungen, interessiert mich eigentlich wenig.


    Mein eigentlich Interesse gilt, inwieweit diese politische Lücke geschlossen werden kann. Formel hat Gerhard Dörfler die Geschäfte übernommen, Heinz-Christian Strache hat nun die Chance einen Zusammenschluss der beiden Rechtsparteien (FPÖ + BZÖ) zu erwirken, ohne viel Paroli befürchten zu müssen. Das BZÖ war stark Haider-fokussiert - Er war ein Politiker, der sich immer in die Nähe seiner Wähler begeben hat, egal welchen Alters. Das hatte wenig mit seiner politischen Einstellung als eher mit seinem charismatischen, sehr offenen Auftreten zu tun. Er hatte die Fähigkeit Menschen anzusprechen, sie mitzureißen, sie auch sachlich, taktisch klug zu überzeugen.
    Ich glaube und denke, dass mit ihm ein großer Sympathieträger der Partei verschwunden ist, was sich sehr schnell auswirken wird - ein gewisser Herr Dörfler oder auch ein Herr Petzner besitzen weder die Fähigkeiten noch das "Gesicht" eines Jörg Haider.


    Um es auf den Punkt zu bringen: Ich kann privat nicht um einen Menschen trauern, den ich weder persönlich noch emotional verbunden bin.
    Ob ich politisch um ihn traure? Nein, keineswegs.

    Zitat

    Zitat aus der Leseprobe
    Muss das wirklich sein? Also, wer hier von Klischee spricht, der untertreibt maßlos.


    Meines Erachtens hat die Autorin mit diesem Satz ihr Machtwerk sogar selbst sehr gut zusammengefasst. Wobei ich mich immer wieder folgendes frage: Warum bezeichnet man sein eigenes Werk als Satire? Nur, weil es aus der eigenen subjetiven Meinung heraus humorvoll und witzig ist? Wird ein Text zur Satire, weil man mit den (immer gleichen) Klischees und Phrasen, um sich wirft, um ein Phänomen zu verballhornen, was man schon in x-beliebigen Reisereportagen kleinerer Tageszeitungen besser gelesen hat oder aber, weil der Autor keine Ahnung von Genres und Textarten hat?


    Nun gut, das Phänomen eines deutschen Pauschalurlaubers mit Sandalen, Socken und Bierbauch mit der dazu gehörigen solariumbraunen Blondine an der Seite wurde schon oftmals bearbeitet, aber es ist eine Sache sich darüber zu belustigen, eine andere Menschen dieses Schlages zu beleidigen, obwohl man mit diesen nachweißlich sein Geld verdient hat (Ich schätze, der oder die Autorin hat in einem Hotel gearbeitet oder in einem Reisebüro): "gehirnlosen Monster" und "Terrorist" sind keine lustigen, witzigen, humorvollen Beschreibungen von Menschen sondern meines Erachtens nur Beleidigungen von einer arroganten, überheblichen Persönlichkeit.


    Die Leseprobe erweckte zumindest bei mir keine Lust dieses Machtwerk zu kaufen so wie im übrigen 95% des gesamten BoD-Topfens.


    ... Warum glauben Menschen eigentlich nur, weil sie jetzt den selbst geschrieben Quark irgendwo publizieren können, dass sie sich in eine Riege mit Autoren stellen können, die bei großen oder zumindest kleinen renommierten Verlagen veröffentlicht haben? Wenn ich mir diese Leseprobe nämlich anschaue, dann denke ich mir, ist die Möglichkeit sehr gering gewesen, das dieser Text bei einem Verleger wie Rowohlt oder auch Goldmann usw. publiziert hätte werden können. Warum nehmen sich diese Menschen sich das nicht zu Herzen? Nicht jeder ist ein verwertbarer Autor, nur weil er die Worte "Ich bin gut!" 1000-Mal bei BoD abdrucken lassen kann...

    Geradezu tröstlich sei seine Vorstellung eines Himmels, in dem der Delinquent auf fünf Personen trifft, die ihn Lektionen erteilen, Aufgaben und Fragen mitgeben, damit er durch Selbsterkenntnis, Buße und Gebet den Seelenfrieden findet, so erläuterten mehrere Rezensenten des 2003 erschienen Romans. Seelenfrieden, Gebet und Reue, Ruhe und Stille, Frieden nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit seiner Vergangenheit, seiner Familie, mit Gott. Der Protagonist Eddie, 83-jährig bei einem Unfall verstorben, hat eine bewegte Vergangenheit - Kriegsheimkehrer, Probleme mit dem Status gegenüber dem Vater und dem eigenen Bruder, Ehemann einer später todkranken Frau. Wiedergutmachung will er leisten in seinem Leben, und so arbeitet er in der Position, in der auch schon sein Vater gearbeitet hat. Was er sich gewünscht hätte?
    Nicht in dem Vergnügungspark arbeiten zu müssen, in dem sein Vater gearbeitet hat. Einen Sohn. Keine Vergangenheit wie die seine zu haben. Und doch scheint das die Lektion zu sein, die er im Himmel lernen soll, dirigiert durch fünf Personen, mit deren Leben er unweigerlich verbunden ist. Kennen muss er diese Personen nicht, eine Verknüpfung besteht dennoch mit ihnen. Warum? Der Autor formuliert es so: Nur im Kollektiv ist der Mensch ein überlebensfähiges, glückliches Wesen. Ergo, nur in der Gemeinschaft anderer Menschen fühlen wir uns geborgen und glücklich. Unsere Entscheidungen, egal ob alleine getroffen oder in der Gruppe, sind der Grundstein für Entscheidungen der kommenden Generationen. So schließt sich der (Teufels-)Kreis.


    Dieser Gedanke soll tröstlich wirken und doch... bleibt es eine Frage der Ideologie, der eigenen Werte und Ideale das Albom'sche Bild des Himmels anzuerkennen. Opferbereitschaft, Selbstlosigkeit und gemeinsames Gebet, gemeinsamer Glaube sind die Schlagworte, an die der Autor als Werte einer Gemeinschaft appelliert. Vielleicht zu unchristlich, vielleicht aber auch zu egoistisch schätze ich mich ein dieses Bild anzuerkennen. Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit fordert der Autor für ein höheres Ziel - nur welches soll das sein? Ist es ein Ideal wert alles aufzugeben? Ist es eine Gemeinschaft wert den eigenen Individualismus aufzugeben, eigene Wünsche und Ideen abzulegen, wenn sie nicht mit den Leitideen einer Gruppe kombinierbar sind? Was geschieht mit Menschen, die nicht bereit sind Opfer zu bringen?
    Das Buch wirkt wie ein beliebiger Ratgeber oder aber ein Katechismus - Finde eine Aufgabe im Leben, damit du zur Gesellschaft etwas beiträgst! Du musst vergeben können, um Frieden zu finden! Es gibt nur zwei passende Arten der Liebe auf Erden, und dass ist die Liebe zu einer Frau und zu Gott!
    Was ist mit Menschen, die an ihnen begangenes Leid (Misshandlung, Missbrauch, psychische Gewalt) nicht vergeben können? Was ist mit Menschen, die keine Aufgabe im Leben finden oder vielleicht eine haben, die nicht als solche von der Gesellschaft anerkannt ist? Was ist mit Menschen, die nicht glauben können oder wollen?


    Ein ganzer Fragenkatalog hat sich für mich bei der Lektüre ergeben und vor allem die Frage nach dem Sinn einer Belehrung nach dem Tod? Welchen Erfolg bringt es dem bereits verstorbenen Protagonisten die wahren Hintergründe zu kennen? Zu verstehen, warum "sein Gestern" so und nicht anders verlaufen ist? Er hat kaum eine Chance der Veränderung, es sei denn der geneigte Leser glaubt an die Reinkarnation. Und von daher hat für mich dieser Himmel nicht etwas tröstliches, sondern eher hoffnungsloses. Ich kann das Geschehene nicht verändern, werde aber noch einmal mit den vielleicht besten Situationen meines Lebens konfrontiert, die ich so nicht mehr verändern, verbessern oder neu konzeptionieren kann. Dieser Lernprozess der Wahrheit mag zwar hilfreich für das eigene Seelenheil mancher Menschen sein, für mich hat er etwas sehr Grausames, sehr Hartes, sehr Boshaftes.


    Allerdings habe ich nicht nur ein ideologisches Problem mit diesem Roman, sondern auch ein stilistisches. Beim Einstieg dachte ich, der Autor bzw. der Protagonist redet mit einem Kind, dem er die Welt erklären will. Der Ton wirkt geradezu belehrend, schulmeisterlich und man fühlt sich permanent Gedanken ausgesetzt, die weder vom Protagonisten noch vom Leser hinterfragt noch beschrieben werden wollen bzw. dürfen bzw. können. Die Atmosphäre ist geradezu starr und dicht; wenige Beschreibungen finden sich in der Geschichte. Wir befinden uns auf fremden Terrain und werden vom Autor eigentlich eiskalt stehen gelassen - ein paar Farbspiele, ein paar kurze Umschreibungen und mehr wird hier nicht geboten, was noch einmal den Eindruck verstärkt, dass hier eine Ideenlehre vertreten werden soll, bei der die Geschichte um Eddie nur den dürftigen Rahmen geben soll.


    Der Roman wirkt auf mich sehr hart, sehr belehrend, der Protagonist dazu geradezu blutleer und kalt, so als wären die Figuren an sich nur Spielfiguren, um die Ideologie um Glauben und Selbsterkenntnis zur Findung des Seelenheils des Autoren zu verdeutlichen. Hat sich zwar flüssig und schnell lesen lassen, allerdings wirken die Ideen zum einen fragwürdig, zum anderen ist die schriftstellerische Aufbereitung insgesamt wenig überzeugend. Bei Phrasendrescherei ist es geblieben.

    Die Hunde haben die Schuld. Beim Spaziergang durch den Park des Buckingham Palace entdeckt die Queen einen “Bücherwagen” der örtlichen Bibliothek. Pflichtbewusst wie sie ist, ohne den Bibliothekar beschämen zu wollen, leiht sie sich ein Buch aus. Queen Elizabeth stellt sehr schnell fest, dass sie es mit sehr zäher, trockener Kost zu tun hat, bringt das Buch zwar gelesen, aber nicht genossen, zurück. So geschehen auch mit der zweiten und dritten Lektüre. Bis Norman, ein Küchenjunge, Fan von Autoren der homosexuellen Szene, sie langsam an das “richtige”, nämlich unterhaltende, spannungsreiche und neue “Lesen” heranbringt. Die Erfahrung, dass Bücher einen vollkommen andere Welten eröffnen, vollkommen neue Charaktere erschließen lassen, macht sie bei der Lektüre von Kilvert und Carol, genauso wie bei Wilde und McEwan. Langsam entwickelt sie Empathie für ihre Mitmenschen, entwickelt eigene Gedanken zu dem Gelesenen, notiert sich Szenen, Sequenzen, Zitate, versieht sie mit eigenen Notizen, Kommentaren und Fragen. Geradezu obsessiv beschäftigt sie sich mit ihrem neuen Hobby - Die Paradekutsche verspätet sich regelmäßig, ihre Kleidung gebraucht sie mehrmals, auf Spaziergängen mit den Hunden ist sie kaum mehr anzutreffen und wenn nur mit Buch in der Handtasche oder in den Händen. Gespräche mit Ministern anderer Länder laufen nicht mehr nach geltenden Konventionen ab; nicht mehr das Wetter oder die Anfahrt ist das Thema zwanglosen Smalltalks, sondern Lieblingslektüren, Skandalautoren und Buch-Neuerscheinungen. Logischerweise bleibt diese Obsession, dieses Hobby nicht ohne Befürworter oder Feinde. Gerade im engsten Beraterkreis brodelt es, bricht die Queen doch palastinterne Regeln und Maßnahmen, die nicht nur ihr sondern auch ihren Mitmenschen das Leben erleichtern sollen. Und auch ihr neuer Lesegehilfe, Norman, ist kein gern gesehener Gast. Und doch setzt sie sich durch, über alle Schranken hinweg, bricht aus gegebenen Regeln aus, auf ihre Art und Weise, ohne Aufsehen zu erregen. Dies tut sie erst, als in ihr ein Plan reift nicht nur zu lesen, sondern durch dieses Lesen auch etwas voranzutreiben, fortzuschreiten, etwas zu verändern.


    “Ein großes Lesevergnügen” prophezeite Frau Heidenreich und das war es auch wirklich. Mit viel schwarzem Humor, immer einen Augenzwinkern beim Schreiben, liest sich diese kleine Hommage an das Lesen sehr flüssig, sehr locker und vor allem sehr witzig. Man kommt nicht umhin zu lachen, wenn Frau Königin den französischen Präsidenten nicht wie vorgesehen nach der Anreise fragt, sondern was er von einem Skandalautor des 19.Jahrhunderts weiß. Man fiebert mit, wenn Norman aus dem Umfeld der Queen “entfernt” wird, ausgestoßen aus dem Kreis der Dienerschaft, die alles andere als Vorteile in der Lektüre ihrer Königlichen Hoheit sehen. Und hält schließlich den Atem an, wenn sie am Ende das verkündet, was aus ihrem Lesen und Schaffen resultiert.


    Eine spannende, viel zu kurze Lektüre eines so guten, humorvollen Buches, welches einen mit viel Vergnügen einen Nachmittag lang begleitet. Witzig, kurzweilig, einfach eine kleine, wunderbare Geschichte aus dem Hause der Windsors.

    Über den Autor:


    Jay Basu ist der Sohn eines indischen Vaters und einer polnischen Mutter mit russischen und deutschen Vorfahren. Er hat in Cambridge studiert und lebt in London. Sein erster Roman "Die Sterne können warten" wurde (nach Verlagsangaben) ein internationaler Bucherfolg.


    Weitere Informationen:
    Buchwurm.info
    Random House (Englisch)



    Klappentext:


    Nachts schleicht Gracian sich auf eine Lichtung im Wald, um die Sterne zu beobachten, und riskiert damit täglich sein Leben. In einer wunderschönen, zugleich klaren und lyrischen Sprache erzählt Jay Basu vom Überlebenskampf einer Familie.


    "Poetisch und Kraftvoll"
    (Allegra)


    "Jay Basu schreibt mit einer Wahrhaftigkeit,
    die zu Herzen geht."

    (Publishers Weekly)


    "Danke, Jay Basu. Endlich ein Roman, der
    tiefsinnig, aber nicht hochgestochen ist.
    Ein Buch, das man bis zur letzten Zeile nicht
    mehr aus der Hand legt."

    (AMICA)



    Meine Meinung:


    Gracian liebt die Sterne. Heimlich schleicht er sich bei Nacht und Nebel aus dem haus, um von einer einsamen kleinen Waldlichtung aus, nach einem alten Lexikon, Sternbilder zu finden, sie zuzuordnen, sie zu zählen, sie zu betrachten. Sie sind für ihn ferne Objekte; streifen vorbei, gehen vorbei, werden nicht in ihren Handlungen gestört, behindert oder verraten. Sie leben nicht gefährlich, Gracian tut es. Er verstößt gegen jede Vorsichtsmaßnahme in diesen unruhigen Zeiten. Malénkovize, ein fiktives Dorf in Oberschlesien, steht unter deutscher Besatzung. Wir schreiben das Jahr 1940. Irgendwie wird man schon durch die Besatzungszeit kommen, sagen sich Mutter, Schwester und deren Ehemann. Sie alle stehen hilflos den Entwicklungen gegenüber, halten sich zurück, stehen hilflos daneben und agieren doch nicht als blinde Mitläufer eines falschen Systems.
    Der Vater - tot. Die Mutter - das Bindeglied dieser Familie, immer besorgt, immer dabei ihre Familie zu versorgen und zu ernähren, mit absoluter Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft lebt sie für ihre Familie. Ihre Kinder - Francziska, die zu ihren Geschwistern hält, selbst zu Pawel. Pawel, der große Bruder, ein ewiger Rebell, der sich den Partisanen anschließt, und dafür wird bezahlen müssen. Und Gracian. Gracian, der mit 15 in den Minen des Ortes arbeitet, um den Unterhalt der Familie zu sichern, dessen einziges Hobby die Sterne sind.


    Wie ein kleines Panorama fokussiert der Autor die Geschichte des besetzten Oberschlesiens um diese Familie. Hin und her gerissen zwischen den Kulturen, zwischen den Traditionen und Bräuchen. Weder sind sie Polen, schon gar keine Deutschen aber auch keine Schlesier - Schlesien existiert nicht mehr. In diesem Zeitraum der Identitätssuche steht die Brüder-Beziehung zwischen Pawel und Gracian für den unterschiedlichen Entscheidungsgang eines Volkes. Rebellion oder Fatalismus? Aufstehen oder Buckeln, um die Familie zu erhalten? Eine starke Dramatik, eine Melancholie und Düsternis liegt von Anfang an über dieser Familie und dieser Geschichte, die atmosphärisch sehr beklemmend auf den Leser wirkt. Eine große Traurigkeit, viel Pessimismus und Fatalismus liegt in dieser Geschichte, genauso wie wenig Hoffnung auf Veränderung, Optimismus oder Freude. Es sind nur kleine Momente, die einen Lichtblick (im wahrsten Sinne des Wortes darstellen), nämlich wenn Gracian die Sterne anblickt, die Sternbilder erkennt, und damit auch die Ruhe und Trauer des Waldes, der an sein Elternhaus grenzt.


    Atmosphärisch sehr dicht, handwerklich geschliffen und klar ist dieser Roman nach meiner Auffassung nicht. Zu sehr verliert sich der Autor in Beschreibungen, zu sehr erscheint er mit Nebensächlichkeiten, Alltagsgeschichten beschäftigt. Er kommt nicht zum Punkt, setzt wenige Akzente. Zumal die Auswahl der Situationen, die er detailgetreu darstellt, sehr wahllos und willkürlich erscheint. Er beschreibt das Schließen eines Fensters, das Schälen eines Apfels, aber nicht die (wahrscheinlich) sehr erdrückenden, dunklen Erfahrungen des Minenarbeiters Gracian. Er dokumentiert das Stillen eines Kindes, beschreibt das Haus der Familie, aber nicht die Schönheit und Traurigkeit des Waldes. Szenen, die für den Fortgang der Geschichte so wichtig wären, werden in einem Satz abgehandelt, während unwichtige Situationen wahllos, lang und vor allem langatmig geschildert werden. Die Geschichte tritt so auf der Stelle, kommt nicht richtig voran und erst auf Seite 120 von 190 kommt so etwas wie Spannung auf. Das wirkt zäh, langsam, langatmig, geradezu langweilig auf den Leser.


    Allerdings wohnt diesem Buch auch eine Schönheit inne; die Geschichte an sich weiß zu begeistern und es gelingt dem Autor, diesen Endkonflikt in Gracian so fühlbar zu machen, dass kaum einer sich dieser Magie des Momentes entziehen kann. Man fiebert mit, man findet sogar ein Lächeln am Ende des Werkes in seinem Gesicht, weil die Lösung und somit das Ende des Werkes wirklich gut umschrieben wurde, und so verständlich, dass einem die Nackenhaare aufstellt.


    Und dennoch braucht der Autor zu lang für den Einstieg, zu lange verliert er sich in unwichtigen Details. Nur dem Leser, der nicht nach 30/40 Seiten aufgibt, wird sich schluss endlich eine schöne, magische Welt erschließen.

    Zitat

    Schon mal Angst gehabt, dass sich in eine sehr private E-Mail ein klitzekleiner Fehler einschleicht - und plötzlich ein völlig Fremder die Nachricht bekommt? Emmi Rothner passiert das genaue Gegenteil. Eigentlich will sie nur ein Zeitschriftenabo kündigen. Doch durch einen Tippfehler landet die E-Mail bei Leo Leike, und zwischen den beiden entflammt ein zunächst zaghafter, mit der Zeit immer leidenschaftlicher Onlineflirt.


    Quelle: kulturnews.de


    Dieser Klappentext liest sich wie ein Geheimrezept für einen guten Roman, der alles enthält, was frau/mann sich wünscht: Spannung, Unterhaltung, eine innovative Liebesgeschichte, ganz modern im E-Mail-Format. Es klingt nach einem gemütlichen Lesenachmittag mit einer Tasse Tee und Keksen; danach, sein Herz für einige Stunden zu verlieren und es zufrieden gestellt nach der Lektüre wieder zu finden. Voll Erwartung schlug ich das Buch auf, freute mich auf den in vielen Rezensionen beschworenen „liebevoll gezeichneten, authentischen Figuren“… und hatte am Ende das Gefühl das Buch nicht lieben, sondern verbrennen zu müssen.


    Diese so liebevoll gezeichneten Charaktere sind das, was ich als hohl bezeichnen würde. Nicht nur von der Art des Beschreibens her, allein für ihren Intelligenzquotienten wäre das das passende Adjektiv.
    Emmi Rothner, eine Frau, die offensichtlich unter starken Minderwertigkeitskomplexen leidet, unter dem Drang immer wieder in ihrer Schönheit von anderen Männern bestätigt zu werden, versucht sich von einem aufgezwungenen Abo zu befreien und verschickt eine mehr als unfreundliche und unhöfliche Mail an den Kundenservice. Realistischerweise landet genau diese E-Mail bei einem Mann, Leo Leike, gerade von der Partnerin verlassen, hoch intellektuell und offensichtlich beziehungsunfähig,was sich im Laufe der Handlung als absolut nachvollziehbar erweist.
    Auf 300 Seiten spielen die beiden Charaktere „Mensch-ärger-dich-nicht“. Zwei erwachsene Menschen, die sich mögen, aber sich nicht treffen. Zwei erwachsene Menschen, die sich mögen, verlieben, sich belügen bleiben nicht nachvollziehbarer weise immer bei der Höflichkeitsformel „Sie“. Sie wollen sich spüren, lieben, sogar miteinander schlafen… ohne sich zu kennen, sich gesehen zu haben, sich gespürt zu haben.
    Und so bleibt der Inhalt von 300 Seiten ziemlich leer. Es ist ein Kreiselspiel – Immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. An dieser gähnenden Langeweile kann auch die Reaktion des Ehemannes von Emmi nichts ändern, kommt sie doch einigermaßen konstruiert vor, einigermaßen unrealistisch. Es erscheint dem Leser, als wäre dem armen Autor nicht eingefallen, wie er die „spannungsgeladene Atmosphäre“ in einen Höhepunkt verwandeln kann… so entschied er sich für eine typische Szene aus den „Bergarzt“-Romanen, die schon dort eher in den Bereich des klischeehaften gehören und hier als neue, innovative Idee ein Revivel feiern.


    Meine Frage ist, ob der Autor solch hohle Figuren geplant hatte oder aber die Figuren einfach nur so wirken, weil die Handlung auch eher arm ist? Man erfährt nichts über die Figuren, über ihr Innenleben, ihr Denken. Sie erfahren keine Weiterentwicklung, keine offensive Veränderung. Sie drehen sich im Kreis, um es mal zusammenzufassen: Emmi zickt ihn ähnlich eines pubertierenden Teenagers an, er antwortet nicht wie ein Freund oder Bekannter, sondern wie ein Lehrer, ein älterer Herr - „Benehmen sie sich nicht so!“ und schon hat man wiederum das Gefühl, dass entweder die Charaktere extrem dämlich sind, um es salopp zu formulieren, oder aber der Autor sie in eine schnelle Aktion-Reaktion-Spirale bringen wollte, um Spannung aufzubauen, was meiner Ansicht nicht nur ziemlich misslang, sondern auch der Geschichte die gesamte Ernsthaftigkeit, den gesamten Realismus nimmt.


    Was bleibt?
    Ein Frauenroman, ähnlich einem Nackenbeißer mit klischeehafter Handlung, steifen, emotionslosen Charakteren und einer blutleeren Geschichte, die sich neben dem „Bergdoktor“ einreihen kann. Nichts ist übrig geblieben von einem „schönen Lesenachmittag“…