OT: Of Mice and Men
Genre: Novella
Erscheinungsdatum:1937, Covici Friede
Übersetzung: Mirjam Pressler
Erscheinungsjahr: 2001
Verlag: K.G.Saur-Verlag im Paul Zsolnay-Verlag
Eindrücke und Beobachtungen zu „Of Mice and Men“
Historischer Hintergrund
Der „schwarze Donnerstag“ – der 24.Oktober 1929 – markiert nicht nur den Beginn der Weltwirtschaftskrise, viel mehr ist hier der Startschuss für mehrere Negativentwicklungen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu suchen. Vor allem Kleinanleger verloren so binnen weniger Stunden ihr gesamtes Vermögen, die vorausgehende „Hurra-Stimmung“(2) (Sogar einer der bekanntesten Makroökonomen wie der, zu dieser Zeit an der University of Chicago, lehrende Rüdiger Dornbusch formulierte der positiven Grundstimmung entsprechende Sachverhalte, u.a.: „Der jetzige Aufschwung wird für immer andauern. Wir wollen keine Rezession, wir brauchen keine, und weil wir die Instrumente haben, diesen Aufschwung fortzusetzen, werden wir auch keine bekommen.“(3)) entwich einer „großen Depression“. 25% aller Amerikaner waren im Jahr 1932 arbeitslos gemeldet, was einer Zahl von 15 Mio. Menschen entspricht, der Durchschnittslohn sank um 60%, in der Landwirtschaft um 50% und viele Menschen waren gezwungen sich in eher limitierte, prekäre Arbeitsverhältnisse zu begeben(4), Saison- und Wanderarbeiter prägten das Bild, trotz schlechter Versorgungs- und Lebensverhältnisse.
Eindrücke und Beobachtungen
Susan Shillinglaw bezeichnet als die größste Stärke des amerikanischen Autors sein Gespür, seine Empathie die Probleme ‘einfacher Leute’ zu erkennen und ihre Ängste, Sorgen, Nöte und Wünsche zu teilen bzw. diese gekonnt zu verschriftlichen:
„Steinbeck’s greatness as a writer lies in his empathy for common people – their loneliness, joy, anger, and strengh, their connection to places, and their craving for land. […] … and they are sustained by the author’s awareness of the genuine loneliness and tragedy of dispossessed Americans.“(5)
Die Fähigkeit Handlungsabläufe zu verbinden, Charaktere auszuarbeiten mithilfe einfacher, beinahe nur in Arbeiterslang gehaltener Sprache, gelingt Steinbeck. Diese nicht konstruierte, nicht gestelzte, schnörkellose und direkte, dem Jargon von Wanderarbeitern angepasste, eher umgangssprachliche Ausdrucksweise verleiht dem Werk ein hohes Maß an Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Steinbecks wichtigste Technik ist hierbei die Vereinfachung durch Dramatisierung. Im April 1936 schreibt er an einen Agenten: „The work I am doing now […] is neither a novel nor a play but it is a kind of playable novel. Written in novel form but so scened that it can be played as it stands.“(6)
Der Aufbau wird von Steinbeck selbst als stringent, zirkulär, szenisch und episodenhaft geschildert, ein roter Faden zieht sich durch die Handlung, durch Andeutungen wird ab der ersten Seite ein tragischer Ausgang des Geschehens vorausgesagt: „Ich glaube, ich hab’s von Anfang an gewusst. Ich glaub, ich hab gewusst, dass wir es nie schaffen.“(7); auch die ständigen Warnungen von George an Lennie sich nicht auf „Raufereien“ ("Hör zu, Lennie. Du versuchst ihm aus dem Weg zu gehen, ja? Sprich nicht mal mit ihm. Wenn er hier reinkommt, gehst du gleich auf die andere Seite vom Raum. Wirst du das tun, Lennie?“(8)) einzulassen bzw. das Verabreden eines Treffpunktes, falls Lennie „in Schwierigkeiten kommt“(9), sind deutliche Symptome dafür, dass der Weg, den beide Figuren so beherzt und voller Elan befolgen (den „American Dream“) sie in eine Sackgasse führen wird.
Kritisch betrachte ich dabei die vereinfachte Charakterisierung der Hauptfiguren durch den Autor. Meiner Auffassung nach ist diese stark simplifiziert und eindimensional, die Charaktere sind mehr Schablonen, mehr Teil einer schematischen Struktur in dieser Novelle; für Steinbeck im Zentrum steht die Gruppe der Außenseiter – isoliert und ausgegrenzt, aufgrund der Hautfarbe (Crooks), der körperlichen Verfassung (Crooks, Candy), des Alters (Candy), des Geisteszustandes (Lennie), des Geschlechtes (Curleys namenlose Frau). Deutlich wird deren Position innerhalb der Farmgesellschaft beim Zutreffen aller vier Charaktere in Crooks Stube. Sowohl Crooks als auch Candy, Lennie und Curleys Frau wurden von dem gemeinsamen Treffen nach Feierabend ausgeschlossen, sie als Einzige versprachlicht dabei die Gründe: „Alle Schwachen haben sie hier gelassen. […] Ich stehe hier rum und rede mit einen Haufen von Tölpel, mit einem Nigger, einem Blödmann und einem lausigen alten Schaf…“(10). Meiner Ansicht nach, ist das eine Banalisierung und Verflachung der Lebensumstände aller Figuren, es besteht kein Interesse die Gründe dafür zu hinterfragen, es besteht auch nicht die Möglichkeit für den Leser selbst die Figuren nach ihrer Position zu beurteilen, vielleicht auch durch einen stärkeren Kontrast auch zu einer alternativen Einschätzung zu kommen. Der Autor hat nur eine Möglichkeit der Interpretation gegeben und lässt dem Leser so keinen Spielraum für eigene Gedanken und Vorstellungen.
Eine intensive emotionale Verbindung kann der Leser zu Lennie und George aufbauen, sie zeigen sich im Laufe der Handlung sehr ambivalent, die einzige Konstante bleibt ihre Freundschaft zueinander. Lennie erscheint dem Leser als groß, mächtig und stark, dabei aber sehr tollpatschig, unkontrolliert und hilflos. Ob ihm die notwendige Bildung und Erziehung fehlt bzw. eine geistige Behinderung vorliegt, ist nicht erkennbar und gehört auch nicht in den Bereich des notwendigen Wissens. Diese Figur neigt nicht nur zur Gewalttätigkeit und geht Konflikten aus dem Weg, so sagt George am Ende: „Lennie hat es nicht aus Bosheit getan. […] Er hat dauernd was schlimmes angestellt, aber nie aus Bosheit.“(11) Er erscheint als sehr hilfloser Charakter, der sich nicht wehrt, eher zur Unterwürfigkeit neigt und mehr Befehlsempfänger denn eigenständig handelnde Person ist. George dagegen wirkt sehr harsch, sehr bestimmend und dominant in der Beziehung, erweckt dabei allerdings fast immer den Eindruck, dies nicht aus selbstsüchtigen Zielen heraus zu tun, sondern mehr aus Zuneigung und zum Schutz von Lennie. Er stößt oft Drohgebärden aus, schüchtert seinen Freund ein, ängstigt ihn mit der Vorstellung ihn allein zu lassen: „Mein Gott, mit dir hat man schon seine Last. […] Ich könnte es so leicht und schön haben, wenn ich dich nicht am Hals hätte. Ich könnte bequem leben und vielleicht ein Mädchen haben.“(12) Lennie reagiert fast kindlich, trotzig: „George, willst du, dass ich weggeh und dich allein lass? […] Wenn du mich nicht mehr haben willst, kann ich zu den Hügeln gehen und mir ‘ne Höhle suchen. Ich kann jederzeit fortgehen.“(13) Ob Lennie sich der Wichtigkeit bewusst ist, die er für George darstellt, ob ihm bekannt ist, dass Lennie der einzige Freund ist, der einzige Ausweg aus der, durch die Position ergebenden, Einsamkeit zu entfliehen? Möglich, viel wichtiger erscheint aber der sie verbindende Traum einer gemeinsamen Farm mit Tieren, vor allem Kaninchen, einem Feld voller Luzernen, ein sesshaftes, ruhiges, eigenes Leben also. Sie verbindet eine tiefe Freundschaft, Crooks verdeutlicht es mit den Worten: „Du hast George. Du WEIßT, dass der wiederkommen wird.“(14) und die beiden wiederholen immer wieder ihr Motto:
„Sie haben niemand auf der Welt, der sich auch nur einen Deut um sie kümmert….“
„Aber uns kann das nicht passieren.“, rief Lennie glücklich. […]
„Aber uns nicht.“, sagte er dann.
„Weil…“, sagte Lennie.
„Weil, ich hab dich…“
„Und ich hab dich.“, rief Lennie triumphierend. „Wir haben uns gegenseitig und das ist verdammt gut so.“(15)
So schließt sich der Kreis; die Geschichte beginnt am Flussufer des Salinas, wo sie das Motto zuerst erwähnen, und endet dort auch wieder. Mich als Leser lässt das sehr traurig zurück mit einem starken, melancholischem Gefühl. Man wünscht sich einen positiven Ausgang für die beiden Figuren, man wünscht ihnen, dass sie nicht am „American Way of Life“ zerbrechen und wie viele andere ihr Ziel nicht erreichen. Crooks hat dazu auch etwas gesagt:
„Ich habe Hunderte von Männern gesehn, die von der Landstraße auf die Farmen gekommen sind, mit ihrem Bündel auf dem Rücken und denselben verdammten Ideen im Kopf. Hunderte sage ich dir. Sie kommen und sie gehen und ziehen weiter und jeder verdammte Kerl von ihnen hat ein Stück Land im Kopf. Und verdammt keiner erreicht es je. Es ist wie mit dem Himmel. Jeder wünscht sich ein kleines Stückchen Land. […] Es kommt keiner in den Himmel und keiner bekommt ein Stück Land.“(16)
Für mich bleibt nach wie vor eine Botschaft die wichtigste in der Novelle, formuliert von Slim (In dem sich im übrigen wieder nur positive Eigenschaften vereinigen. Steinbeck mag für ihn kein Negativattribut finden; er wirkt damit wie ein Übermensch, ein Charakter an den niemand anderes heran kommen kann.): „Es gibt nicht viele Männer, die zusammen rumziehen. […] Ich weiß nicht warum, Vielleicht hat in dieser ganzen verdammten Welt jeder Angst vor dem anderen.“(17)
Fazit:
Die Novelle beginnt mit einer wunderschönen Landschaftsbeschreibung der Umgebung, rund um den Salinas River, atmosphärisch sehr dicht, sehr melancholisch, beinahe ein wenig pathetisch. Die beiden Hauptfiguren treten in diese Landschaft, man baut eine Beziehung zu ihnen auf, ihre Beziehung wird ambivalent und sehr detailliert geschildert. Die Charakterisierung der anderen Figuren wirkt dagegen nur schematisch, schablonenhaft, teilweise sehr eindimensional und einseitig. Sie wirken wie Spielfiguren, die dazu da sind, den strikten, sehr stringenten Aufbau voranzutreiben. „Of Mice and Men“ ist flüssig lesbar aufgrund seiner umgangsprachlichen, dem Milieu angepassten Stilistik. Die Lektüre erweist sich als kurzweilig, viele, auch historische Probleme werden angesprochen, aber nicht vertieft, um dem Leser die Möglichkeit zu bieten sich entweder noch selbst damit zu beschäftigen oder aber sich einfach auf die Rahmengeschichte zu konzentrieren. Das Buch weiß zu gefallen, noch lange nach der Lektüre lässt es einen nicht los, man wird vom Autor fast nachdenklich zurück gelassen. Ein gutes Buch.
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(1) „Banned Books Week (BBW) is an annual event celebrating the freedom to read and the importance of the First Amendment. Held during the last week of September, Banned Books Week highlights the benefits of free and open access to information while drawing attention to the harms of censorship by spotlighting actual or attempted bannings of books across the United States.“ (American Library Association)
(2) Krise. Wirtschaft. Freiheit (Teil III): America´s Great Depression – Die wahren Gründe für den Crash von 1929, Gregor Hochreiter, Institut für Wertewirtschaft, Wien, November 2006 (Onlineressource)
(3) Ebenda
(4) Wikipedia
(5) Of Mice and Men. With an introduction of Susan Shillinglaw, John Steinbeck, Penguin Books, 1994, New York, S.7f
(6) Of Mice and Men, Steinbeck, 1994, S.15f
(7) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, K.G.Saur-Verlag im Paul Zsolnay-Verlag, Wien, 2001, S.142
(8) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S. 46
(9) Ebenda
(10) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S.116ff
(11) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S.143
(12) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S.13
(13) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S.21f
(14) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S.110
(15) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S.156
(16) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S.112
(17) Von Mäusen und Menschen, John Steinbeck, S.54