Nun habe ich die ersten dreißig Kapitel hinter mir.
Das kontrastive Schreiben scheint den ganzen Roman zu durchziehen, wieder sehr auffällig bei der Szene auf Herzog Witichis Landgut mit seiner fleißigen Frau Rauthgundis, die ihr Haus und ihren Hof sauberer hält als es je römische Sklaven könnten - die schwäbische Kehrwoche lässt grüßen - und die zu grundehrlich und den "Welschen" zu feind ist, als dass sie es am Hof in Ravenna aushielte. Kurz danach beobachten wir junge Römer, die sich bei einer Orgie um den intriganten Cethegus scharen und halt- und gewissenlos ihrer Sinneslust frönen. Auch im Kleinen liebt Dahn die Schwarz-Weißmalerei, wenn er die römischen Sklaven auf Witichis Landgut die Tiere quälen lässt, während die guten Goten zuerst die Tiere versorgen und erst dann an sich denken.
Tja, warum les ich das weiter? Weil Dahn andererseits ein ungeheures, detailgenaues Bild einer Zeit schafft, über die es auch heute noch kaum historische Romane gibt. Allein das oben erwähnte Gelage ist so aufwändig geschildert, dass man meint, mit an der Tafel zu sitzen. Überhaupt sind die Römer in dem Roman bisher die interessanteren Personen, weil sie nicht idealisiert werden.
Übrigens gönnt er sich einige dichterische Freiheiten, obwohl er diese Epoche genauestens studiert hat.
Ich lese parallel zum Roman jene von Dahns historischen Schriften, die sich auf die gleiche Epoche beziehen.
Auch darin erkennt man den voreingenommenen Germanenfreund, aber er ist auch ein gründlicher Quellenkenner und gibt diese durchaus so wieder, dass man die Ereignisse von mehreren Seiten sieht.
Zu den dichterischen Freiheiten:
Athalarich ist laut Dahn zum Zeitpunkt des Todes seines Großvaters deutlich jünger als die Romanfigur, erst acht Jahre. Aber das passte natürlich nicht für die ergreifende Kamilla-Geschichte.
Auch ist es nicht Athalarich, der wieder stärker die Goten an den Hof holt, sondern diese trotzen Amalaswhinta ab, dass ihr Sohn, den sie zuvor stark "römerisierend" erzogen hatte, nun mit jungen Goten umgeben wird. "Diese aber verderben den Jüngling alsbald mit allerlei Ausschweifung und hetzen ihn gegen die Mutter auf, ihr die Herrschaft zu entreißen."
Im Roman wird daraus eine Phalanx von altehrwürdigen und erfahrenen Goten, die den jungen König beraten.
Ansonsten stimmt aber das Dargestellte bisher, soweit ich es ermitteln konnte, mit den historischen Ereignissen meist überein.