Beiträge von finsbury

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    Original von Zefira
    Ich kann dazu sagen, dass Gothelindis' Schicksal - als ich im Alter von etwa elf das Buch zum ersten Mal las - mich bewegt und gerührt hat. Amalaswinthas mutwilliger Wurf der Schere hat ihr Leben auf einen Schlag zerstört; Amalaswintha hat ihr alles genommen, und außer Eutharich, den sie nicht behalten durfte, hat nie jemand Mitgefühl für sie empfunden. Mir hat sie einerseits leid getan, andererseits empfand ich eine gewissen Achtung vor ihr. Mit ihreer kompromisslosen Rachsucht, die sogar Theodahad Angst einflößt, ist sie letztlich kaum weniger standhaft als die gotischen Helden, nur ist ihr Heldentum fehlgeleitet.


    Da würde ich dir zustimmen, gerade im Kontrast zu dem geldgierigen Opportunisten Theodahad wirkt das so! Gothelindis hat durchaus antike Größe: ich könnte sie mir gut als Titelgestalt einer griechischen Tragödie, wie z.B. Medea, vorstellen.

    Nun bin ich auch über Kapitel 60 hinaus: Es geht bei mir langsam, weil der Roman für mich Erstlektüre ist und wir außerdem im Moment renovieren, da fall ich abends ins Bett und komm kaum mehr zum Lesen.
    Aber nun zum Roman: Die Handlung bleibt spannend und immer mehr wichtige Personen kommen ums Leben: Theodahad, seine Frau, Miriam, Valerias Vater ... .
    Cethegus fährt eine interessante Doppelstrategie gegen Goten, Kirche und Byzantiner.
    Witichis als neuer König ist eine makellose Lichtgestalt und trifft kluge politische Entscheidungen.
    Übrigens durchaus modern, dass Dahn immer wieder die Schauplätze wechselt, bevor ein Erzählabschnitt zu Ende geführt ist.

    Entschuldigung,


    ich habe mich um mindestens 50 Seiten verzählt, hab jetzt aber alles mit dem Gutenberg-Text abgeglichen.


    Bin also noch mitten drin im zweiten Abschnitt und möchte jetzt auch mal was Lobendes schreiben:


    Das Ende von Amalaswintha könnte auch ein Jussi Adler Olsen nicht dramatischer gestalten. Die Szene hat mich wirklich sehr an diesen Krimiautor erinnert. Das gesuchte technische Setting (mit den Mitteln der damaligen Zeit), die psychologische Motivierung Gothelindis und das beobachete Opfer im verschlossenen Raum, das ist allererste Thrillersahne und für das 19. Jahrhundert durchaus modern, wenn auch nicht singulär.


    Wie du, Teresa , im nächsten Abschnitt schreibst, rührt Gothelindis Schicksal schon und wirft einen weiteren negativen Schein auf Amalaswintha, die ihren doch ziemlich folgenreichen und gemeinen Anschlag auf ihre damalige Rivalin anscheinend vergessen/verdrängt hat und für vernachlässigbar hält.


    Im Tod darf sie dennoch noch einmal Größe gewinnen und Gothelindis darf uns wieder von Gesicht und Charakter her hässlich erscheinen.

    Diese dreißig Kapitel habe ich nun auch hinter mir. Das Ganze entwickelt sich zu einem riesigen Intrigenspiel, in das immer mehr Personen eingreifen, nun auch der byzantinische Kaiser Justinian, seine Gattin, ihr Gesandter Petros, Theodahad und Gotelindis.


    Dagegen stehen die Lichtgestalten Mataswintha (ganz "Weib": bloß Liebe und Heim, keine Politik, kein Machtstreben) und Totila sowie aber auch der verzichtende Ziehsohn von Cethegus, Julius, diesem kontrastiv gegenübergestellt.


    Interessant, dass die Bösen häufig, nicht immer, auch äußerlich missraten sind: Ich glaube nicht, dass dies aus Quellen überliefert ist (vielleicht mit Ausnahme Justinians und Theodoras, wobei ersterer meiner Meinung nach durchaus differenziert dargestellt wurde, zumindest in der einleitenden Vorstellung, als die Handlung nach Byzanz wechselt). Eine ziemlich holzschnittartige Methode.
    Die historischen Fakten scheinen aber weiter im Groben richtig dargestellt und spannend ist die Story allemal.

    Nun habe ich die ersten dreißig Kapitel hinter mir.


    Das kontrastive Schreiben scheint den ganzen Roman zu durchziehen, wieder sehr auffällig bei der Szene auf Herzog Witichis Landgut mit seiner fleißigen Frau Rauthgundis, die ihr Haus und ihren Hof sauberer hält als es je römische Sklaven könnten - die schwäbische Kehrwoche lässt grüßen - und die zu grundehrlich und den "Welschen" zu feind ist, als dass sie es am Hof in Ravenna aushielte. Kurz danach beobachten wir junge Römer, die sich bei einer Orgie um den intriganten Cethegus scharen und halt- und gewissenlos ihrer Sinneslust frönen. Auch im Kleinen liebt Dahn die Schwarz-Weißmalerei, wenn er die römischen Sklaven auf Witichis Landgut die Tiere quälen lässt, während die guten Goten zuerst die Tiere versorgen und erst dann an sich denken.


    Tja, warum les ich das weiter? Weil Dahn andererseits ein ungeheures, detailgenaues Bild einer Zeit schafft, über die es auch heute noch kaum historische Romane gibt. Allein das oben erwähnte Gelage ist so aufwändig geschildert, dass man meint, mit an der Tafel zu sitzen. Überhaupt sind die Römer in dem Roman bisher die interessanteren Personen, weil sie nicht idealisiert werden.


    Übrigens gönnt er sich einige dichterische Freiheiten, obwohl er diese Epoche genauestens studiert hat.
    Ich lese parallel zum Roman jene von Dahns historischen Schriften, die sich auf die gleiche Epoche beziehen.
    Auch darin erkennt man den voreingenommenen Germanenfreund, aber er ist auch ein gründlicher Quellenkenner und gibt diese durchaus so wieder, dass man die Ereignisse von mehreren Seiten sieht.
    Zu den dichterischen Freiheiten:
    Athalarich ist laut Dahn zum Zeitpunkt des Todes seines Großvaters deutlich jünger als die Romanfigur, erst acht Jahre. Aber das passte natürlich nicht für die ergreifende Kamilla-Geschichte.
    Auch ist es nicht Athalarich, der wieder stärker die Goten an den Hof holt, sondern diese trotzen Amalaswhinta ab, dass ihr Sohn, den sie zuvor stark "römerisierend" erzogen hatte, nun mit jungen Goten umgeben wird. "Diese aber verderben den Jüngling alsbald mit allerlei Ausschweifung und hetzen ihn gegen die Mutter auf, ihr die Herrschaft zu entreißen."
    Im Roman wird daraus eine Phalanx von altehrwürdigen und erfahrenen Goten, die den jungen König beraten.


    Ansonsten stimmt aber das Dargestellte bisher, soweit ich es ermitteln konnte, mit den historischen Ereignissen meist überein.

    Hallo,


    seit dem 4. lese ich auch in dem Roman, komme jetzt zu meiner ersten Stellungnahme.


    Teresa , Maikäfer hat ganz Recht, du wirst uns hier wohl viele wichtige Hintergrundeindrücke vermitteln können.


    Tja, am Anfang habe ich mich doch ein bisschen schwer getan mit der Lektüre. In den ersten Kapiteln tauchte bei mir ständig der Gedanke auf, wie gut den Nazis diese deutsch- bzw. germanisch-tümelnden Darstellungen in ihr Konzept passten. Der edle Hildebrand, die vier stolzen Recken um ihn herum, die große Leistung Theoderichs für die Römer, deren großer Kultur er Tribut zollt und die er so zivilisiert behandelt, schließlich die kontrastiven Kapitel 3 und 4, die die Verschwörung von Römern zeigte, die entweder undurchsichtig (in diesem Kapitel gilt das noch für Cethegus) oder machtgeil und intrigant wie Silverus sowie moralisch angefressen und hasserfüllt wie Rusticiana sind. Das ist schon eine ziemlich heftige Schwarz-Weiß-Malerei, die sich auch in der Sterbeszene Theoderichs fortsetzt.
    Nun scheint aber mit der Handlung um Rusticiana und ihre Tochter Kamilla ein differenzierteres Schreiben einzusetzen. (Das gilt aber auch schon für die Vorstellung von Amalaswintha - die Schilderung von Frauencharakteren scheint Dahn besser zu liegen). Natürlich haben wir weiterhin Cethegus, von dem wir jetzt erfahren, dass sein Streben nach dem Titel des Imperators das lange von ihm selbst verkannte Lebensziel ist und er alles diesem unterordnet, aber die beiden Frauen sind differenzierter gezeichnet und man ahnt einige Verwicklungen bei Hofe, wenn Kamilla jetzt als Köder für Athalarich dort hinreist.


    Diese Szene übrigens auf dem Landgut, das der König für seine heimliche Liebe umgestaltet, erinnert mich doch sehr an einige Fortsetzungsromane für die "Gartenlaube", d i e literarische Trivialzeitschrift der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
    Nun erwarte ich gespannt die folgenden Ereignisse in Ravenna.

    1988 las ich den Roman und war damals ganz überrascht, was für ein gutes Stück Literatur das ist. Ich hatte, wie viele andere auch, das Vorurteil, dass es bei Bukowski eben nur ums Saufen und Ficken ginge. Aber der Roman zeigt, dass das nur eine außen stehendes Merkmal ist. In den 90ern las ich noch die "Aufzeichnungen eines Außenseiters" und "Kaputt in Hollywood", beides ebenfalls sehr lesenswert.


    Danke, Voltaire , dass du an diesen wichtigen Autor erinnerst!

    Danke für deine nette Wieder-Begrüßung, @ maikaefer!


    Ich freue mich inzwischen, wenn zwischen all den Neuererscheinungen - auch mal ein älteres Werk gemeinsam gelesen wird. Danach muss man in den Foren inzwischen sehr suchen.
    Übrigens habe ich auch Dahns historisches Werk über die Völkerwanderung im Bücherregal und will versuchen, beide parallel zu lesen.

    Hallo,


    auch ich habe das Buch zu Beginn dieses Jahres gelesen und - wie bisher jedes Buch von Seth - genossen, wobei dieses mich auch betroffen gemacht hat.
    Neben der schönen und wie du @ Lesterschwein, so schön schreibst "leisen Lebensgeschichte" haben mich besonders die Passagen über das Schicksal von Hennys Familie ergriffen sowie Seths Kommentare über Deutschland und Israel nachdenklich gemacht. Es ist sehr interessant, diese Zusammenhänge einmal aus der Sicht eines Außenestehenden, in diesem Falle eines Angloinders beleuchtet zu bekommen.
    Für mich ein Buch, das es auch immer wieder zu verschenken lohnt.


    HG
    finbury

    Hallo zusammen,
    nach mindestens zwei Jahren habe ich das Buch nun endlich durch und bin vom ersten Teil, "Wissen" durchaus angetan. Man frischt vieles auf und erfährt manches neu und das auf unterhaltsame Art und Weise.
    Den zweiten Teil "Können" fand ich zum Teil abgeschmackt: Themen, worüber man am besten nicht redet und HInweise, wie man am besten blendet, haben vielleicht in einem Lebenshilfemagazin etwas zu suchen, passen aber in dieses ansonsten sehr seriöse Werk nicht rein.
    Insgesamt aber sehr lesenswert.


    HG
    finsbury

    Hallo Darcy und alle,


    deine Stellungnahme finde ich sehr passend. Die reißerische Werbung wird dem Buch wirklich nicht gerecht. Ich fand die Auflösung sehr überraschend. Aber im Nachinein muss ich sagen, dass der Plot sorgfältig gestrickt war und es keine toten Handlungsfäden gab.
    Gut hat mir auch gefallen, dass der Held sich nicht absichtlich in idiotische Situationen stürzt, sondern entweder aus nachvollziehbarer Motivation oder von langer Hand her vorbereitetem Zufall.
    Die Ausführungen zum weiteren Lebensweg des Helden fand ich ein wenig widersprüchlich, aber vielleicht habe ich da nicht genau genug gelesen.


    HG
    finsbury

    Hallo zusammen,


    vor vielen Jahren habe ich von Oates "Bellefleur" gelesen, ein sehr spannendes Familienepos, das gekonnt mit Elementen des Kolportageromans spielt.
    Außerdem liegen noch "Wir waren die Mulvaneys" und "Die Schwestern von Bloodsmoor" bei mir auf Halde. Vielleicht kennt die jemand anderes von euch?!
    J.C.Oates ist laut Sekundärliteratur auch dafür bekannt, dass sie ständig ihren Stil wechselt bzw. mit Stilen spielt, so dass man sich wohl nicht sicher sein kann, dass man das nächste Buch genauso gern hat wie das davor.


    HG
    finsbury

    Zitat

    Original von imandra777
    Nun bin ich meinem ersten Roman der vor allem mit Harriet spielt "Mord in mageren Zeiten". Find ihn aber im gegensatz zu den vorherigen aufgezählten recht langweilg.


    ansonsten nur empfehlenswert!!!


    Hallo Imandra,


    was ist denn das für ein Roman? Diesen deutschen Titel kenne ich gar nicht?!
    Der chronologisch erste Roman mit Harriet hat m.E. den deutschen Titel
    "Starkes Gift" (Strong poison), den finde ich ziemlich spannend.
    Dann kommt sie noch vor in "Zur fraglichen Stunde", "Aufruhr in Oxford" (Gaudy night), "Hochzeit kommt vor dem Fall" und ich glaube auch in "Diskrete Zeugen" (Clouds of witness).
    Was passiert denn in deinem Roman?


    HG
    finsbury

    Zitat

    Original von Wolke
    Hallo finsbury,
    geh doch bitte mal auf dein Profil und dann auf "Favoriten". Dort kannst du alle bis jetzt abonnierten Themen wieder abbestellen. Wenn du gar keine Benachrichtigungen mehr haben möchtest, mußt du es außerdem im Profil einstellen. Falls du damit Probleme hast, melde dich doch einfach noch einmal über das Kontaktformular :-)


    Hallo Wolke,


    herzlichen Dank für den Tipp. :knuddel
    Ich wusste nicht, dass man in diesem Forum so die Benachrichtigungen zu einem Thema einstellt.
    Aber natürlich möchte ich weiterhin zu anderen Themen benachrichtigt werden. :-]Nur zu diesem ..., siehe oben!


    Hoffentlich fruchtet es jetzt, sonst melde ich mich nochmal unter dem Kontaktformular.


    HG finsbury

    Hallo,


    wie schaffe ich es, dass ich zu diesem Thread keine Emailbenachrichtigungen mehr bekomme?
    Ich habe schon vor ein paar Tagen einen Beitrag geschrieben und unten das Häkchen bei Benachrichtigungen weggemacht. Aber es hat nicht geholfen.
    Hier wird so viel geschrieben, dass mein Posteingang immer ganz voll ist.



    HG
    finsbury :-(

    Zitat

    Original von Flöt
    Und in den Startlöchern steht: Tom Sharpe - Puppenmord. Erstanden für 10 Cent auf einem Trödel!


    Das ist absolute Klasse, sofern du nicht Berufsschullehrer bist: Wünsch dir ganz viel Spaß dabei!


    HG
    finsbury