'Fantasy' als solches ist ja ein weites Genre. Da gibt es viele Unterteilungen, und Harry Potter hat mit dem Herrn der Ringe soviel zu tun wie Steven Kings 'Friedhof der Kuscheltiere' mit Dan Browns 'Sakrileg' (die auch beide unter 'Thriller' laufen).
Ich versuche mich mal in einer Gliederung:
Kinder- und Jugend-Fantasy
... wo sich z.B. Harry Potter einordnet oder - um mal einen Klassiker zu nennen - die unendliche Geschichte. Oder wenn wir noch weiter zurück gehen, kennt noch jemand den Zauberer der Smaragdenstadt?
Das ist die Welt der sprechenden Einhörner und Hexenbesen und sonstiger zauberhafter magischer Wesen.
Hier finden sich Welten zum Entspannen und Abtauchen, und obwohl dort auch echte Bösewichte ihr Unwesen treiben, wird das Gute am Ende doch immer gerettet. Auf brutale Gewaltdarstellungen verzichtet man hier, und auch auf wirklich komplizierte zwischenmenschliche Konflikte.
Obwohl ich nicht gerade ein Harry Potter Fan bin, kann ich die Faszination, die von dieser Art Fantasy ausgeht, schon irgendwie verstehen. Das sind Märchen für Teenager und Erwachsene, und sie sind wie ein Schlüsselloch, das den Blick auf eine wundervolle, magische Welt eröffnet - in der die Farben satter sind und die Düfte süßer und Gefühle groß und selbstloser als in der Wirklichkeit.
Epische Fantasy
Kennzeichen:
- erstreckt sich meist über mehrere Bände, von denen keiner unter 600 Seiten ist 
- das Schicksal der Akteure ist eingebunden in eine größere Rahmenhandlung, infolge derer mindestens mehrere Königreiche oder gar die ganze Welt in Flammen aufgehen, dem Untergang entgegendriften und auch durch einen einzelnen Helden nicht mehr zu retten sind
- umspannt häufig mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte der Handlung. Urvater ist der Herr der Ringe, moderne Beispiele sind Das Lied von Eis und Feuer, oder Das Spiel der Götter, oder Das Rad der Zeit.
Epische Fantasy ist - nun ja, episch. Sie liest sich oft ein bißchen wie ein historischer Roman über die Kreuzzüge. Zahllose Protagonisten tummeln sich in dem Universum, das der Autor meist mit bewundernswerter Genauigkeit erschaffen hat. Bei epischer Fantasy geht es - anders als im oben bezeichneten Subgenre - auch um Glaubwürdigkeit. Es soll sich nicht wie ein Märchen anfühlen, sondern wie düstere Geschichte. Auch da gibt es manchmal Drachen und Ungeheuer und magisch begabte Wesen, aber die sind meistens logisch erklärt (soweit sich das logisch erklären läßt).
Und was fasziniert daran so?
Nun, wenn man sich erstmal in den Einstieg reingequält hat, will man irgendwann unbedingt wissen, wie es weitergeht mit den Protagonisten in ihrer düsteren Welt, die einem so ans Herz gewachsen sind.
Und ja - auch hier ein bißchen Weltflucht. Aber nicht mehr als bei einem historischen Roman ;-).
Heroische Fantasy
Der Urahn heroischer Fantasy ist wahrscheinlich Conan der Barbar. Heroische Fantasy spielt meist - wie epische Fantasy - in einem möglichst glaubwürdig angelegten Universum, oft sehr düster. Aber es geht hier um das Schicksal eines einzelnen Helden, die größeren Ereignisse dahinter sind nur Kulisse.
Wären wir im Film, dann würde die Kamera schwelgen in der Großaufnahme blutbespritzter muskulöser Arme, die sich noch fester um die Kehle des Gegners drücken oder in wilden actionreichen Schlachten, in denen der Held im dicksten Getümmel den gegnerischen General erlegt.
Hier geht es um Sexappeal und Action und auch ein Stück weit (oft tragisches) Einzelschicksal. Die Protagonisten sind schön und stark und geben reichlich Identifizierungspotential. Und genau darum geht es hier ![:-]](https://www.buechereule.de/images/smilies/pleased.gif)
Das sind so die großen klassischen Subgenres. Und dann gibt es noch mehr:
- die ironische Spielart (in extremster Ausprägung in den Scheibenwelt-Romanen, bei denen sich die ganze Fantasy-Welt aufs Heftigste selbst auf den Arm nimmt)
- den Fantasy-Reiseroman - da geht ein Held meist auf Entdeckungsreise, und die Faszination ergibt sich daraus, ihn als Leser auf seiner Suche zu begleiten und mit ihm nie gesehene fremde Ufer zu erkunden (Die fernen Königreiche ist ein absolut fantastischer Vertreter dieser Spielart)
- Dark Fantasy - Dämonen, Hexen, Vampire und mehr oder weniger viel Sex ;-). Dark Fantasy verläßt das fast obligatorische mittelalter-artige Standard-Setting und spielt oft in der Moderne, jedoch mit übernatürlichen Elementen
Bestimmt hab ich noch was vergessen, aber zumindest sollte es einen Überblick geben. Die Gründe für die Faszination sind also ganz verschieden.
Aus Sicht des Schriftstellers kann ich nur sagen: Fantasy ist einfach eine tolle Spielwiese. Man kann Welten erfinden, man kann seine Helden so schön, häßlich, wahnsinnig, verzweifelt oder göttlich formen, wie man will, ohne sich Realitätsferne vorwerfen lassen zu müssen.
Fantasy ist eine wunderbare Projektionsfläche für alle Arten von Fantasien (deshalb wohl auch der Name), und es setzt - im Gegensatz zu anderen Genres - kaum Grenzen.
Man spart sich eine Menge Recherchearbeit.
Und schließlich kann man die Regeln jedes anderen Genres beliebig auf Fantasy abbilden - nur eben mit den besagten zusätzlichen Freiheiten. Horror, Liebesgeschichte, Who done it Krimi, Actionthriller, Kriegsdrama - geht alles.
Schöne Grüße,
andrea