Beiträge von Obelix

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    Original von IrisEs ist sicherlich im Sinne der Unternehmen, alle Lohnnebenkosten abzuschaffen.
    Ich sehe das Geld dann allerdings immer noch nicht in Arbeitsplätze hierzulande investiert, sondern bestenfalls auf dem spielbankartigen internationalen Finanzmarkt tanzen.


    Und wer füttert dann die fünfkommawasweißichwievielen Arbeitslosen und Sozialfälle?


    Iris, die Lohnnebenkosten zahlt nicht der Arbeitgeber bzw. das Unternehmen, die Lohnnebenkosten zahlt der Arbeitnehmer von seinem Bruttoentgelt! Nicht die Unternehmen würden primär von niedrigeren Lohnnebenkosten profitieren, sondern die Arbeitnehmer!


    Wenn Du einen Handwerker beauftragst, und für dessen Arbeitszeit (ohne Materialkosten etc.!) wird Dir 33 Euro pro Stunde berechnet, so bleiben dem Handwerker davon ca. 13 Euro netto in der Tasche! Bei gleichem Verdienst muß man also ca. 2,5 Stunden arbeiten, um von seinem Nettolohn einen Handwerker für eine Stunde bezahlen zu können!


    Dies ist eine Hauptursache der Arbeitslosigkeit. Wenn es gelingt, die Lohnnebenkosten zu senken, hat nicht nur jeder Arbeitende mehr Geld in der Tasche, sondern es sinkt langfristig auch die Arbeitslosigkeit mit all ihren Folgekosten.


    Die Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten (bzw. der Abgabenlast allgemein) ist keineswegs Selbstzweck, sondern zwingend notwendig, um den Teufelskreis von steigenden Arbeitskosten -> steigender Arbeitslosigkeit -> steigenden Arbeitskosten zu durchbrechen.

    Frau Vogt riet den Verbrauchern bekanntlich den Boykott von Unternehmen, die Arbeitsplätze in Deutschland abbauen, womit sie inhaltlich eine Position vertritt, die aus den USA vom national-konservativen Flügel der Republikaner bekannt ist ("Buy American": http://www.bac-america.org/ ).


    Die Ralität sieht jedoch genau umgekehrt aus: Die Verbraucher "boykottieren" Unternehmen, die in Deutschland produzieren bzw. keine Arbeitsplätze in Deutschland abbauen. Dies geschieht freilich unbewußt, die Verbraucher kaufen einfach billig: der altbekannte Mechanismus, wie der Preis Angebot und Nachfrage beeinflußt.


    Vorwerfen kann man den Verbrauchern nicht, dass sie auf den Preis achten - dann kann man aber auch nicht den Unternehmen vorwerfen, dass sie billig produzieren und deshalb Arbeitsplätze in Deutschland abbauen.


    Es sind ja nicht nur die Arbeitslosen, die bei ALDI & Co. einkaufen!


    Der Ausweg kann nur darin liegen, die Staatsquote und somit die Abgabenlast (der Bürger!) zu senken. Dies wirkt sich gleich zweifach positiv aus: die Menschen hätten mehr Geld in den Taschen, da sie weniger Steuern und Abgaben zahlen müssen. Gleichzeitig würde Arbeit in Deutschland billiger (Stichwort: Lohnnebenkosten).

    - Genußmensch
    - sehr intelligent
    - ähnlicher Humor wie ich
    - weltoffen
    - sollte guten Wein zu schätzen wissen (alleine Genießen bringt weniger als die halbe Freude)
    - beruflich erfolgreich
    - "vorzeigbar"
    - nicht prüde
    - nicht unsportlich
    - ohne Putzfimmel
    tbc


    Naja, das geht wohl über die Grundausstattung hinaus. Aber ich will ja nicht irgendwas zum Naschen...

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    Original von Demosthenes
    Was wieder die alte Frage aufwirft, wie wollt ihr das vermeiden?


    Ich will weitere Reformen ganz sicher nicht vermeiden, sondern ich hoffe darauf! Zwar habe ich das Glück, bisher nicht von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, aber ich halte die Arbeitslosigkeit in Deutschland für das dringlichste Problem, das es zu lösen gilt. In dieser Situation ist Reformverweigerung in höchstem Maße unsozial.

    Die schönste Frau von allen vermeldet soeben ihr einsetzendes Hungergefühl, und ich werde alsodann in Bälde (nach dem Aufrauchen der Cigarre) die sonnige Terasse und das Internet verlassen, um mein Coq au vin in Cidre mit caramelisierten Äpfeln zuzubereiten. Hierfür werde ich zwei Stubenkücken zerlegen, mit etwas Mehl bestäubt knusprig anbraten und mit Champignons und anderen Zutaten in einem Liter trockenen Cidres garen. Dazu gibt es in dünnen Scheiben mit Schale caramelisierte Äpfel und eine frisch aufgebackene Baguette. (Oder soll ich die frischen Drillinge nehmen?)


    Vorne weg gibt es eine klitzekleine Bloc de Foie gras mit einem Loupiac und einen Ruccola Salat.


    Den Wein zum Huhn muß ich noch auswählen...

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    Original von Iris
    Du hast doch gerade selbst geschrieben, daß es das allerrichtigste ist, sich da anzusiedeln, wo man den größten Profit macht. [...]
    Eine Reform in diesem Land erfordert erheblich mehr, als nur eine Reform des Steuerrechts.


    Richtig! Der Blick auf das Gesamte ist wichtig. Man muß dafür sorgen, dass Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mit deutschen Mitarbeitern bei hohem Lohnniveau mehr Profit machen können als anderswo.

    Zitat

    Original von Iris
    Die großen Unternehmen im Rahmen einer umfassenden Vereinfachung in die Pflicht zunehmen, wäre eine schöne Sache. Aber sorry: Geld ist ein vaterlandsloser Geselle. Ich glaube nicht daran, daß das mittlere und obere Mangement in multinationalen Konzernen, die zufällig deutschen Ursprungs sind, sich "dem deutschen Volke" irgendwie verpflichtet fühlt. Dazu ist uns Deutschen eine positive Einstellung zu unserem Land, unserer Geschichte, unserer Kultur, unserem Volk (das letzte Wort darf man ja eigentlich gar nicht ausschreiben!) und unserem Staat allzu systematisch aberzogen worden. Wir sind gewissermaßen ein Zweckverband ohne gemeinsamen Zweck.


    Iris, in anderen, wirtschaftlich erfolgreicheren Ländern zahlen Unternehmen mehr Steuern als in Deutschland. Natürlich darf man nicht die Steuersätze für Unternehmen erhöhen - das wäre ein fatales und falsches Signal. Die Steuersätze müssen vielmehr gesenkt werden, wobei gleichzeitig die Möglichkeiten, zu versteuernde Gewinne kleinzurechnen und zu verschieben, reduziert werden müssen, so dass unter dem Strich die Unternehmen mehr Steuern zahlen. Am besten müßte dies in einer umfassenden Reform des Steuerrechts eingebettet sein - Stichwort: Abschaffung der Unterscheidung in sieben verschiedene Einkommensarten.


    Du schreibst, Geld und Unternehmer verhielten sich vaterlandslos. Ich füge hinzu: auch der kleine Mann, der Verbraucher verhält sich vaterlandslos. Gekauft wird, was billiger ist (oder das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis bietet), unabhängig davon, woher es kommt. Und dagegen ist nichts einzuwenden.


    Ich habe den Vorwurf der Vaterlandslosigkeit deutscher Unternehmer, der von einigen Politikern erhoben wurde, schon immer als dümmlich erachtet. Auch ein deutsches Unternehmen muß seine Produkte am Markt verkaufen können. Was habe ich von einem vaterlandstreuen Unternehmen, dessen Produkte nicht konkurrenzfähig und deshalb unverkäuflich sind? Das Nutzen billiger Standorte, z.B. für die Produktion bestimmter Teile, macht nicht nur ökonomisch und volkswirtschaftlich Sinn, sondern es rettet und schafft auch Arbeitsplätze in Deutschland - und zwar in den Bereichen, in denen wir in Deuztschland eben besser sind als andere Standorte. Unser hoher Wohlstand beruht auf Arbeitsteilung: jeder macht das, was er am besten und effektivsten kann.


    Übrigens handeln Unternehmer in Frankreich oder den USA genauso "vaterlandslos" (Renault, PSA, GM, Boeing usw.) - das ist schlichtweg notwendig, um am Markt erfolgreich zu sein.

    Iris, die Sozialleistungen müssen gesenkt werden, so unpopulär dies ist. Hierbei geht es nicht um die Abschaffung des sozialen Netzes, sondern um ein Zurückführen der staatlichen Leistungen auf das Notwendige, um materielle Not zu verhindern. Und unter materieller Not verstehe ich hierbei nicht, wenn ich mir keine Markenklamotten, kein Handy, keine Videospiele und keine Flugreisen leisten kann.


    Hier wurden bereits Reformen durchgeführt, und diese beginnen entgegen der landläufigen Klagen in den Medien zu wirken: Aufgrund der vielgescholtenen Maßnahmen im Gesundheitssystem werden dieses Jahr die Krankenkassenbeiträge um ca. einen Prozentpunkt (also um beachtliche 7 Prozent) sinken - ohne die Reformen hätten weitere Erhöhungen angestanden, was die zunehmende Verschuldung der Krankenkassen vor zwei Jahren zeigte.


    Natürlich dürfen Einsparungen bei den Sozialleistungen nicht die einzigen Maßnahmen bleiben. Im Steuersystem könnte man viel tun. Große Konzerne zahlen trotz hoher Gewinne in Deutschland kaum Steuern! Gleichzeitig hat Deutschland für Unternehmen aber sehr hohe Steuersätze. Diese schizophrene Situation wird durch das viel zu komplizierte Steuersystem verursacht, welches großen Unternehmen unzählige "kreative" Steuersparmöglichkeiten eröffnet. Gleichzeitig schrecken aber die nominal hohen Steuersätze viele ausländische Unternehmen ab.


    In den ökonomisch so erfolgreichen USA zahlen Unternehmen sehr viel mehr Steuern als in Deutschland, obwohl die Steuersätze für Unternehmen dort viel geringer sind.


    In Deutrschland tragen die abhängig Beschäftigten, also die Arbeitnehmer, die Hauptsteuerlast. Das ist ein Mosaikstein, der die Binnennachfrage in Deutschland hemmt. Hier müssen (und können) die Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden.


    Ich bin für eine rechtsformneutrale Besteuerung. Die Unterscheidung in sieben verschiedene Einkommensarten (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständige Arbeit, nichtselbständige Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, Sonstige Einkünfte), die alle unterschiedlich besteuert werden, ist kontraproduktiv und dazu nicht gerecht.


    Ansonsten müssten die verschiedenen bürokratischen Genehmigungsverfahren pragmatischer gestaltet werden. Da könnte ich Stories erzählen, die Schildburg verblassen ließen...

    Nein, Demosthenes, das ist keine Milchmädchenrechnung sondern live erlebte Praxis.


    Ein Unternehmen will möglichst hohe Gewinne erzielen - das ist richtig und das ist auch gut so. Jeder Unternehmer, der dieses Ziel (als langfristiges Ziel!) nicht verfolgt, handelt verantwortungslos. Um Gewinne erzielen zu können, braucht das Unternehmen aber Mitarbeiter. Erst durch die Mitarbeiter kann es Gewinne erwirtschaften, Personalabbau kann auch zu Gewinnrückgang führen!


    Ein Unternehmen muß sich aber immer fragen, wo es am besten produziert, verwaltet, forscht, entwickelt - kurz: wo es am besten Mitarbeiter beschäftigt. Das ist eine Kosten-Nutzen-Frage. Viele Faktoren sprechen z.B. für Deutschland. Die Arbeitskosten sprechen für andere Länder.


    Es gibt für ein Unternehmen gute Gründe, in Deutschland Mitarbeiter zu beschäftigen, weil es damit unter dem Strich die höchsten Gewinne erwirtschaften kann!


    Unverderbliche, leicht transportierbare Commodities, die kein besonderes Know-How erfordern, werden in Billiglohnländern im Osten (Europas oder in Asien) produziert, hier kann und muß Deutschland als Standort nicht konkurriueren. In vielen anderen Bereichen sind Billiglohnländer nicht konkurrenzfähig gegen Europa. Aber hier steht Deutschland in Konkurrenz mit den anderen EU-Staaten, denn die Niederländer, Österreicher oder Spanier sind vergleichbar hoch qualifiziert, haben vergleichbare Infrastruktur, politische Stabilität, Kultur etc.


    Auch bei der Rationalisierung stellt sich immer die Kosten-Nutzen-Frage. Rationalisierung ist teuer! Je höher die Arbeitskosten, desto höher der Rationalisierungsdruck, und desto mehr Ersatz von Menschen durch technische Lösungen rechnet sich betriebswirtschaftlich. Es gibt viele Bereiche, wo ein Mensch billiger und besser ist als eine mögliche technische Lösung. Der Arbeiter erwirtschaftet hier höheren Gewinn und wird deshalb vom Unternehmen auch nicht ersetzt. (Ich hatte gerade so einen Fall, wo wir für die Herstellung komplexer reaktiver Spritzgußteile auf metallischen Trägern durchgerechnet haben, ob sich der Ersatz der Arbeiter durch eine technische Lösung lohnt - die technische Lösung wäre teurer.)


    Ich sehe es in meiner Arbeit sowohl bei Standortentscheidungen als auch bei Rationalisierungsmaßnahmen (die ich übrigens nicht treffe, sondern bei denen ich nur Informationen beizubringen habe) immer wieder: es geht hierbei um eine Kostenabwägung, bei denen die Arbeitskosten immer eine Rolle spielen.

    Tschechien ist ein durchaus historischer und korrekter Begriff.


    >>Sowohl die Bezeichnung Tschechien als auch Tschechei wurden historisch verwendet. Tschechien ist die ältere Form und bereits 1876 belegt (Österreich-Ungarn: Anlehnung an Kroatien bzw. Slawonien). Tschechei ist hingegen (außer in Teilen Preußens) erst 1918 nach Bildung der Tschechoslowakei aufgekommen - als Kontamination von Tscheche + Slowakei bzw. als Kontraktion von Tschech[oslowak]ei. Tschechei bezeichnete aber manchmal auch den Gesamtstaat Tschechoslowakei, nicht nur den westlichen Teil. Eine breitere Verwendung des Wortes Tschechei ist erst seit den 1930er Jahren festzustellen. Gleichzeitig kam der ältere Begriff Tschechien außer Gebrauch, so dass er heute von vielen als "Neukonstrukt" empfunden wird.<<


    ( http://de.wikipedia.org/wiki/Tschechien )

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    Original von Iris
    Prozentzahlen auflisten wird eigentlich nirgends als alleingültiger Nachweis zugelassen. [...] So, wie du die Zahlen präsentierst, stellen sie leider wertloses Material dar.


    Zitat

    Original von Iris
    Sagen wir es anders:
    Unsere Nachbarn und die USA finanzieren die Sozialkosten ja anders. Da wird es schwierig, Vergleiche anzustellen, denn letztendlich unterscheiden sich die anfallenden Gesamtkosten für die Allgemeinheit inzwischen tw. dramatisch in der Höhe.


    Iris, nur um ein eventuelles Mißverständnis auszuräumen: Die von mir genannten Prozentzahlen beziehen sich ausschließlich auf Deutschland und zeigen die Höhe der Sozialversicherungsabgaben (Lohnnebenkosten) über die Zeit. Ein Vergleich mit anderen Ländern ist hier gar nicht enthalten. Hiermit zeigte ich nur, dass in Deutschland noch nie die Lohnnebenkosten nachhaltig gesenkt wurden, wie dies zuvor fälschlich geschrieben wurde.


    Im Link, den ich angegeben habe, wird die absolute Höhe der durchschnittlichen Kosten einer Arbeitsstunde für verschiedene Länder verglichen. Die Höhe der Lohnnebenkosten oder Sozialkosten ist für einen Arbeitgeber nur mittelbar wichtig, ihn interessiert die absolute Höhe der Arbeitskosten - und genau diese sind auf der verlinkten Seite aufgeführt. (Eigentlich interessant sind die Lohnstückkosten.)


    Glücklicherweise sind die Lohnstückkosten nicht der einzige Faktor für eine Standortentscheidung, es gibt noch weitere wichtige Standortfaktoren. Nur deshalb können überhaupt in Deutschland so hohe Löhne gezahlt werden - und deshalb müssen wir uns nicht an den Arbeitskosten in Indien oder der Ukraine messen, sondern vielmehr an Großbritannien, Niederlande oder Frankreich.


    Du fragst: Was kann und soll man tun?


    Tatsache ist, dass die hohen Arbeitskosten, die wiederum durch sehr hohe Lohnnebenkosten von über 40% des Bruttoentgelts verursacht werden, eine Hauptursache für Arbeitslosigkeit ist. Und hier gibt es einen Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt: Hohe Kosten für Sozialleistungen verursachen hohe Arbeitskosten, hohe Arbeitskosten verursachen Arbeitslosigkeit, hohe Arbeitslosigkeit verursacht (neben Konsumzurückhaltung) höhere Sozialleistungen, gleichzeitig verringert sie die Zahl der Beitragszahler, folglich erhöhen sich die Arbeitskosten usw. usw.


    Diese Kausalkette kann man aber auch positiv sehen, da es möglich ist, sie umzukehren: Kann man die Arbeitskosten verringern und damit die Arbeitslosigkeit senken, gibt es mehr Beitragszahler und gleichzeitig weniger Ausgaben der Sozialversicherungen, folglich sinken die Arbeitskosten weiter...


    Ich bin überzeugt, dass die derzeitigen Reformen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sind. (Leider setzten die aktuellen Reformen zum Teil an falschen Punkten an, in anderen Bereichen springen sie zu kurz.) Die extrem hohen Sozialleistungen verursachen heute das Übel, zu dessen Linderung sie ursprünglich eingeführt wurden. Was ist sozialer: Einem Arbeitslosen 50 Euro mehr Stütze im Monat zu zahlen (und ihm über den beschriebenen Mechanismus die Chance auf einen neuen Job zu verschlechtern), oder dem Arbeitslosen die Chance auf einen neuen Job zu geben? Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft!


    Schwierig ist es freilich, Härten bei Einzelschicksalen (insbesondere bei alten Arbeitslosen ohne Chance auf einen neuen Job) zu vermeiden. Aber ich darf doch als Regierung nicht tatenlos immer mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit fallen lassen (was wird in 10 Jahren sein?)!


    Vielen Staaten in der EU ist es gelungen, die Arbeitslosigkeit in den vergangenen 10 bis 15 Jahren zu halbieren. Dem sind dort auch Reformen vorausgegangen. Ich bin optimistisch, dass dies auch in Deutschland gelingen wird. Dem Schwarzmalen einer düsteren Zukunft schließe ich mich nicht an.

    Eine ernst gemeinte Frage, weil ich mich in der österreichischen Parteienlandschaft nicht gut auskenne: Welche Partei in Österreich vertritt am ehesten liberale Ideen?


    Ich persönlich bin ein Freund des Liberalismus. Deutschland ist jedoch überwiegend kleinbürgerlich geprägt - man möchte hier dem Nachbarn am liebsten vorschreiben, wie er zu leben, was er zu tun und was er zu lassen hat. Liberalismus ist wohl in Deutschland ähnlich negativ belegt wie in den USA der Begriff "liberal".

    @ Iris:
    Die angegebenen Prozentzahlen sind die gesetzlichen Beitragssätze zu den Sozialversicherungen, welche den Löwenanteil an den Lohnnebenkosten ausmachen. Diese werden mit Ausnahme des Krankenversicherungsbeitrags vom Bundestag per Gesetz festgelegt als Anteil des sozialversicherungspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts. Die Höhe des durchschnittlichen Krankenversicherungsbeitrags wird jedes Jahr vom statistischen Bundesamt ermittelt.


    Die von mir aufgelisteten Prozentzahlen sagen einfach, welcher Anteil des Bruttoentgeltes an die Sozialversicherungen abzuführen waren, also wie hoch die Lohnnebenkosten waren. Aus diesen Zahlen geht klar hervor, dass die Lohnnebenkosten in Deutschland noch nie nachhaltig gesenkt wurden. Genau dies hatte aber Demosthenes zuvor behauptet.

    Lieber Demosthenes,


    der Versuche und Versprechungen, die Lohnnebenkosten zu senken, gab es in der Vergangenheit einige, aber eine tatsächliche und nachhaltige Senkung der Lohnnebenkosten hat es bislang in Deutschland noch nicht gegeben.


    Dies ist die Entwicklung der Sozialversicherungsabgaben in % des Bruttoarbeitsentgelds:


    1960: 24,4%
    1965: 25,1%
    1970: 26,5%
    1975: 30,5%
    1980: 32,5%
    1985: 35,1%
    1990: 35,8%
    1995: 39,3%
    2000: 41,0%
    2003: 42,1%
    aktuell: ca. 42%


    Arbeit ist in Deutschland noch nicht spürbar billiger geworden!


    Es erstaunt mich immer wieder, dass manche Leute tatsächlich denken, die Nachfrage nach Arbeit würde ansteigen, wenn man Arbeit teurer macht...


    Recht hast Du freilich bei der mangelnden Binnennachfrage, die verursacht wird durch eine Verunsicherung der Verbraucher. Hier spielt wohl das Rentendilemma eine große Rolle. Wer heute unter 50 Jahre alt ist, muß damit rechnen, von der BfA eine unkalkulierbar niedrige Rente zu bekommen. Also wird private Vorsorge statt Konsum betrieben. Hinzu kommt die Angst vor Arbeitslosigkeit, die ebenfalls konsumhemmend ist.


    Das alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass die sehr hohen Personalkosten in Deutschland eine Hauptursache der Arbeitslosigkeit sind.


    Schau Dir die Arbeitslosigkeit in unseren Nachbarländern an. Und schau Dir die Arbeitskosten in Deutschland an: http://wko.at/statistik/eu/eu-arbeitskosten.pdf


    Natürlich sind die Arbeitskosten nur ein Faktor unter mehreren, aber sie sind ein wichtiger Faktor.

    Zitat

    Original von Rabarat
    Das Problem ist aber, dass uns eingeredet wird, dass wi alle MEHR Stunden pro Woche arbeiten müssen und LÄNGER auf unserer Rente warten sollen und WENIGER Urlaub nehmen usw.


    Wie ausgerechnet dadurch die Zahl der Arbeitslosen abnehmen soll, dass diejenigen die Arbeit haben sich gegenseitig ausstechen, verstehe ich nicht ganz.


    Zitat

    Original von Merlin
    Stimmt genau! Rabat. Ist das nicht schon ein Contradicio? So ein Schwachsinn!


    Außerdem verlieren wir mit der Globalisierung doch noch mehr Arbeitsstellen. Deutschland hat für viele Firmen keine guten Standortfaktoren zu bieten. Z.B. gibt es mehr als genug qualifizierte Arbeitskräfte, aber nicht genug BILLIGE Arbeitskräfte.


    Auch hier muß ich widersprechen.


    In einer Volkswirtschaft ist die "Menge an vorhandener Arbeit" keine fixe Größe, sondern sie hängt extrem stark von vielen Randbedingungen ab. Arbeitszeitverkürzungen hat es in der Vergangenheit in Deutschland ja sehr viele gegeben - und jedesmal ist die Arbeitslosigkeit danach angestiegen. Auch bei Arbeit gilt ein ganz wichtiges Grundprinzip: der Preis beeinflußt Angebot und Nachfrage. In Deutschland ist Arbeit extrem teuer - hohe Löhne (die wünschenswert sind) kombiniert mit sehr hohen Lohnnebenkosten.


    Das Senken der Kosten für Arbeit führt zu mehr Arbeitsplätzen - die Mechanismen könnte ich bei Bedarf auch gerne etwas detaillierter erläutern. Arbeitszeitverkürzung bei konstantem Lohn erhöht aber den Preis der Arbeit, und Preissteigerungen erhöhen nicht die Nachfrage!


    Ein Senken der Löhne würde zwar den Preis für Arbeit senken, hätte aber negative Auswirkungen auf die Binnennachfrage - rein volkswirtschaftlich wäre das schon zweischneidig. Außerdem würden sich sinkende Löhne unmittelbar negativ auf unseren Wohlstand auswirken - das kann nicht das Ziel sein.


    Eine Erhöhung der Arbeitszeit (sei es über Wochenarbeitszeit oder Jahresurlaub) bei unverändertem Lohn aber senkt den Preis für Arbeit, ohne Binnennachfrage und Wohlstand negativ zu beeinflussen.



    Deutschland hat übrigens eine Menge exzellenter Standortfaktoren. Einer davon ist die hohe Qualifikation der gut ausgebildeten Menschen.


    >>Z.B. gibt es mehr als genug qualifizierte Arbeitskräfte, aber nicht genug BILLIGE Arbeitskräfte.<<


    Diese Aussage ist genau falsch. Wir haben zu viele billige (= schlecht ausgebildete) Arbeitskräfte, für die keine Nachfrage besteht, weil ihre Arbeit in Deutschland zu teuer ist. Niedrigqualifizierte Arbeiter haben in Deutschland oft keine Chance, durch ihre Arbeit ihre Lohnkosten zu erwirtschaften. Was wir in Deutschland brauchen, sind möglichst hoch qualifizierte Arbeitskräfte, die das hohe Lohnniveau rechtfertigen!

    So abwegig finde ich den Vorschlag nicht. Wer als gesunder Mensch nicht bereit ist, Organspender zu werden, der hat dann später im Falle eines Falles auch eine geringere Priorität bei dem Empfang eines Spenderorgans - er kommt in der Warteliste hinter spendebereite Patienten. Ich halte das durchaus für gerecht, stringent und moralisch vertretbar.


    Natürlich müssen bereits erkrankte Menschen ebenso von dieser Regelung ausgeschlossen werden, wie Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht als Organspender infrage kommen. Diese Menschen müssen selbstverständlich den gleichen Anspruch auf ein Spenderorgan haben, wie ein Patient mit Organspendeausweis.

    Zitat

    Original von Branka
    Aber ich werde deshalb nicht aufhören bei Aldi einzukaufen. Ich finde das nicht der Endverbraucher für die Fehler verantwortlich gemacht werden kann, die die Firmen hiermit begehen. Jeder muss natürlich schauen wo er bleibt. So auch der Endverbraucher. Und so leid es mir tut, ich kann es mir nicht leisten, nur teure Produkte zu kaufen. Und ich bin auch nicht bereit dazu.


    Natürlich kannst Du preisbewußt einkaufen, damit handelst Du ganz im Sinne der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs. Der Endverbraucher handelt nicht falsch, wenn er billig einkauft.


    Aber gerade deshalb müssen die Firmen auf ihre Kostenstruktur achten. Schizophren ist es also, billig einkaufen zu wollen und gleichzeitig den deutschen Unternehmen vorzuwerfen, dass sie billig produzieren wollen.


    Genauso wie Du begehen auch die Firmen keinen Fehler, wenn sie auf ihre Ausgaben achten!

    Zitat

    Original von Pelican
    Ich finde aber, wenn wir selbst nicht bereit sind, im Punkt Konsum eine soziale Mitverantwortung zu übernehmen, dann dürfen wir eben auch nicht über die Firmen schimpfen, die neben Gewinnmaximierung keine anderen Ziele kennen


    So wie viele Leute z.B. über die überhöhten Preise von VW oder Audi schimpfen und ein billigeres ausländisches Fabrikat kaufen, gleichzeitig aber über die bösen deutschen Konzerne schimpfen, wenn diese bei den deutschen Arbeitskosten nach Einsparungen suchen.


    Die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmers besteht übrigens gerade darin, Gewinn zu erwirtschaften! Das Verhältnis zwischen Gewinn und Personalkosten eines erfolgreichen Unternehmens (das also relativ hohe Gewinne erwirtschaftet), liegt (über der breiten Daumen) bei etwa 1 zu 10. Anders ausgedrückt: Von der Wertschöpfung eines Konzerns wie Siemens, Henkel oder BASF fließt 10 mal mehr an dessen Angestellte als an Gewinn übrig bleibt. Ohne Gewinn aber ist kein Unternehmen überlebensfähig.


    Zitat

    Original von Pelican
    Die irische Wirtschaft ist u. a. auch deshalb gewachsen, weil sich viele Hersteller dort angesiedelt haben (u. a. auch deutsche), um an den dortigen niedrigen Löhnen zu partizipieren. Insbesondere viele Softwarehersteller verlagerten Ihre Tätigkeit nach Irland. Des weiteren ist Irland hinsichtlich der Gewerbesteuer in einigen Punkten noch Steueroase, weshalb sich viele Gesellschaften aus dem Bereich der Wertpapierbegebung dort angesiedelt haben.


    Ich gönne den Iren ihren Aufschwung. Aber schade ist es schon, daß auch dieser zu einem guten Teil auf Verlagerungen von der BRD beruht.


    Nicht nur Unternehmen, sondern auch Länder bzw. Standorte stehen miteinander im Wettbewerb - und das ist gut so, denn das ist eine Quelle unseres heutigen Wohlstands. Dem Wettbewerb muß man sich aber beständig stellen, und da ist Deutschland unter dem Wohlstandsspeck wohl ein wenig faul geworden...


    Ich bin aber optimistisch, dass wir unsere Probleme lösen werden.

    @ Dyke:


    Natürlich ist die Wiedervereinigung der Bundesrepublik mit der ökonomisch kollabierten DDR eine wesentliche Ursache für die Entwicklung Deutschlands - auch weil in diesem Prozeß große Fehler gemacht wurden.


    Was ich aber verdeutlichen wollte ist, dass die Arbeitslosigkeit in einer modernen Industriegesellschaft eben nicht zwangsläufig beständig steigen muß, wie das in diesem Thread zuvor anklang. Es ging mir in erster Linie nicht um den Vergleich Deutschlands mit seinen Nachbarn.


    Darüber hinaus hätte die Wiedervereinigung durchaus auch zu einem nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung führen können, der Millionen neuer Arbeitsplätze hätte schaffen können. "Wirtschaftswunder" hat es nicht nur im bundesrepublikanischen Nachkriegsdeutschland gegeben, sondern z.B. auch in Irland. 1980 war Irland das Armenhaus des freien Europas, das irische BIP pro Einwohner lag ca. 50% unter dem deutschen; inzwischen liegt Irland im pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt mehr als 20% über Deutschland (selbst wenn man die alten Bundesländer betrachtet, ist Irland vorbeigezogen), und die irische Wirtschaft wächst weiterhin dreimal schneller als die deutsche.


    Warum sollen die neuen Bundesländer nicht eine ähnliche Entwicklung mitmachen können, wenn die Rahmenbedingungen stimmen?

    Ich habe in diesem Thread, den ich nicht lückenlos gelesen habe, mehrfach die Auffassung gelesen, dass steigende Arbeitslosigkeit unausweichlich sei und die "Menge an Arbeit" beständig abnehme. Hier widerspreche ich! Diese Aussagen mögen für die vergangenen 15 Jahre auf Deutschland zutreffen, doch in anderen Ländern hat sich die Arbeitslosigkeit ganz anders entwickelt:


    Niederlande: 1994: 7,1% Arbeitslosenqoute, 2003: 3,8%
    Großbritannien: 1993: 10,4%, 2004: 4,9%
    Irland: 1993: 15,7%, 2004: 4,4%
    Dänemark: 1993: 10,1%, 2003: 5,3%
    Finnland: 1994: 17,9%, 2004: 8,8%
    Spanien: 1994: 24,1% (!!), 2004: 11,1%


    In den USA lag die Arbeitslosenquote in den 70er Jahren bei über 12% - also höher als heute in Deutschland. Gleichzeitig lag dort die Inflation ebenfalls über 12%! 1992 lag die Arbeitslosenquote dort nur noch bei 7%, 2000 lag sie bei 4% (heute liegt sie bei 5%, bei wieder sinkender Tendenz).




    Es ist also absolut nicht so, dass eine stetig steigende Arbeitslosigkeit unausweichlich ist. Vielmehr ist das deutsche Problem der Arbeitslosigkeit hausgemacht durch viele Jahre verfehlter Politik.