Beiträge von Q-fleck

    Primo Levi - ein Autor, der mich schon immer gereizt, an den ich mich aber eben wegen der bekannten Plastizität seines Schreibens noch nicht herangetraut habe. "Se questo è un uomo" steht aber auf jeden Fall auf meiner Liste noch zu lesender Bücher - wenn der richtige Moment gekommen ist...

    Titel: Mare delle verità
    Dt. Titel: Das Meer der Wahrheit
    Autor: Andrea De Carlo
    Verlag: Bompiani
    Erschienen: 2007
    Umfang: 324 Seiten
    ISBN: 9788848603584



    Klappentext (von mir aus dem Italienischen):

    An einem verschneiten Novembertag erhält Lorenzo Telmari, Ex-Skipper und Weltenbummler, der sich aufs Land zurückgezogen hat, um ein Buch zu schreiben, einen Anruf von seinem Bruder, der ihm mitteilt, dass ihr Vater Teo, weltberühmter Virologe, gestorben ist. Lorenzo eilt nach Rom, wo er erfährt, dass er ein heißes Geheimnis mit weit reichenden ethischen und politischen Vernetzungen geerbt hat.
    Bald wird er in eine sehr aktuelle und beunruhigende Sache hineingezogen, die sich ohne Atempause auflöst, zwischen komplizierten familiären Beziehungen, politischen und religiösen Implikationen, einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte, Flucht auf dem Land und auf dem Meer bis an die Küste Portugals. [...]



    Eigene Einschätzung:
    Andrea De Carlo hat es tatsächlich geschafft, drei Romane in einem zu schreiben: einen Thriller, eine Liebesgeschichte, einen Krimi; und dabei alle drei Ebenen der Geschichte auf eine Weise zu vernetzen, dass es nicht gekünstelt wirkt, sondern dass sich der Handlungsverlauf in einer ständigen, ununterbrochenen Spannungskurve bis zur letzten Seite entwickelt.
    Aber nicht nur das: Es werden gleich eine ganze Reihe hochaktueller und auch schwieriger Themen behandelt: AIDS, Überbevölkerung, Dogmatismus der Kirche, die Rastlosigkeit der modernen Gesellschaft, innerfamiliäre Probleme. De Carlo zeichnet ein Bild der Gegensätze, vornehmlich ausgedrückt im krassen Gegensatz zwischen den beiden Brüdern Telmari, aber auch im Gegensatz zwischen den vielen verschiedenen Versionen von Wahrheit, die im Roman immer wieder gegeneinander ausgespielt werden. Deshalb lautet der Titel im Original auch „Meer der WahrheitEN“....


    Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und gebe Höchstpunktzahl.


    Da die italienische Version, die ich oben angegeben habe, bei Amazon anscheinend nicht verzeichnet ist, verlinke ich also die bei Diogenes erschienene Übersetzung.

    Mit Angst umzugehen habe ich zum Glück schon als Kind sehr gut gelernt, weil ich unbedingt reiten wollte, obwohl ich höllische Angst vor Pferden hatte :pille


    Bei Klausuren, Prüfungen, etc. sag ich mir immer:
    Du machst es so gut du kannst, und besser ging es dann halt nicht! :-]

    Bei mir ist nur nach Herkunftsland des Autors grob sortiert. Ansonsten steht allles wild durcheinander, allerdings stehen mehrere Bücher des gleichen Autors schon zusammen. Ein bisschen Suchen finde ich schön... besonders die Suche nach dem nächsten zu lesenden Roman! :wave

    Habe gestern auch Anna Karenina zu Ende gelesen.


    Mein persönliche Lieblingsfigur ist ja Kitty - nach ihrer Hochzeit hat sie einfach eine menschliche Größe, die unübertreffbar ist: Die Fähigkeit, einfach nur glücklich zu sein.

    Naja, wenn ein Autor das vorgeben könnte, gäbe es wohl nicht so oft so viele verschiedene Meinungen über bestimmte Romanfiguren.


    Ich denke eher, ein Autor stellt sich vor, wie ein Leser seine Figuren wahrscheinlich sieht und versucht, sich die Wirkung der Figuren auf den Leser (auch im Hinblick auf eine bestimmte Zielgruppe) vorzustellen.

    Ja, ich finde auch, es ist eigentlich ein unzumutbarer Frevel, dass eine Gesamtausgabe nicht mehr verfügbar ist!


    Dadurch, dass das Werk von den verschiedenen Verlagen immer nur in Auszügen angeboten wird, entsteht ja auch erst dieses verzogene, einseitige Bild von Casanova..

    Ich habe den Krebs auch vor ein paar Monaten gelesen und empfand es schon als außergewöhnliches Leseerlebnis. Es kommt so ein Dahindümpern zwischen sehr atmosphärisch beschriebenen Stimmungen zustande, die einen dann beinah auch im eigenen Leben weiter begleiten.


    Das Opus Pistorum geht dagegen noch sehr viel stärker in Richtung erotische (wenn nicht sogar eher pornographische) Literatur. Ich habe es nie ganz gelesen, aber gerade dieses Werk eignet sich auch sehr gut für punktuelles Lesen, da es ziemlich episodenhaft geschrieben ist. Der Ich-Erzähler und sein 'Jean Jeudi' eben... :grin

    Ich mag eigentlich auch lieber neue Bücher.
    Kaufe aber meistens gebraucht, weil ich nicht viel Geld zur Verfügung habe, mein Lesekonsum aber deshalb nicht geringer wird :rolleyes


    Einige Bücher, die ich gern haben möchte, gibt es neu auch gar nicht mehr. So zum Beispiel die vollständige Ausgabe der Casanova-Memoiren, die ich grad zu Ende gelesen habe, oder Foucaults Sexualität und Wahrheit in gebundener Ausgabe... da bin ich doch froh, dass man solche Dinge gebraucht erstehen kann! :-)

    Titel: Geschichte meines Lebens
    Originaltitel: Histoire de ma vie
    Autor: Giacomo Casanova
    Verlag: Gustav Kiepenhauer Verlag
    Erschienen: 1983
    Umfang: 12 Bände à 200-300 Seiten (plus zahlreiche Anmerkungen)
    ISBN-Sammelnummer: 3-378-00084-8



    Klappentext:


    Zu den historisch und sittengeschichtlich aufschlussreichsten Memoiren , die uns aus dem 18. Jahrhundert überliefert sind, gehören die des Venezianers Giacomo Casanova (1725-1798). Er, der Abenteurer und große Frauenverführer, den das Glück so lange verwöhnt hatte, sah sich im Alter einsam und ohne Kredit und begann die Geschichte seines Lebens zu schreiben. Und er beschreibt alles, unbekümmert um Tabuzonen, was er in über vierzig Jahren erlebt hatte. Mit Begeisterung, bezwingender Unbefangenheit und auch selbstgefälligem Stolz schlüpft er noch einmal in die Haut seiner besten Jahre, durchkostet die köstlichsten Augenblicke, da er den Frauen unwiderstehlich war, und erlebt aufs neue all seine Amouren und Leidenschaften. Noch einmal besteht er seine abenteuerlichen Reisen quer durch Europa, seine Begegnungen mit den Berühmtheiten des Zeitalters.


    Eigene Einschätzung:


    Casanova – ein Name, der wohl jedem bekannt sein wird und der die sofortige Assoziation ‚Frauenheld’ hervorruft. In der Tat fehlen amouröse Abenteuer in diesem zwölfbändigen Werk natürlich nicht, im Gegenteil. Dies ist aber bei weitem nicht der einzige interessante Aspekt dieses Textes. Casanova ist auch ein Gelehrter und Philosoph, ein Erforscher der menschlichen Natur, der durch seine weiten Reisen durch ganz Europa viel über die frühneuzeitliche Kultur und Lebensweise zu berichten hat.
    Casanova, der sich selbst für einen aufgeklärten Menschen hält, setzt sich immer wieder kritisch mit den Ansichten seiner Zeitgenossen auseinander und argumentiert oft sehr rational, während er auf der anderen Seite auch selbst noch im mythologischen Denken seiner Zeit gefangen ist. Er repräsentiert ziemlich eindeutig die Zwiespältigkeit, die eine Epoche des Umbruchs zwangsläufig mit sich bringt, wenn er beispielsweise einerseits betont, dass der Mensch für sein Schicksal selbst verantwortlich ist, und sich andererseits immer wieder auf die „blinde Göttin“ (Fortuna) beruft.
    Auf seinen Reisen hat Casanova als nicht adeliger, aber gelehrter und verständiger Mann Kontakt zu den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten, verkehrt in Adelskreisen, aber auch im aufkommenden Bürgertum und bei einfachen Bauern. Dies gewährt dem Leser einen interessanten Einblick in die verschiedenen Moralvorstellungen der gesellschaftlichen Schichten. Casanova selbst bezeichnet sich immer wieder als „Libertin“ und orientiert sich an der Philosophie Epikurs, die er auch einigen seiner (besonders weiblichen) Bekanntschaften nahe bringt. ‚Liebe’ (bei Casanova meinem Verständnis nach eher im Sinne von ‚Leidenschaft’ gebraucht) kann keine Sünde sein, und so auch ihre körperliche Ausübung nicht, wenn diese aus einem echten Gefühl entspringt. Casanova legt bei seinen Gespielinnen den größten Wert darauf, dass diese ihm ihre Gunst aus echter Zuneigung, nicht aus Dankbarkeit, Geldnot oder Pflichtbewusstsein gewähren. Seine eigene Liebe ist immer echt, aber nie dauerhaft. Der „große Frauenverführer“ leidet selbst oft wegen der Frauen, die er liebt (entgegen allgemeiner Vorstellungen trifft auch er nicht immer auf Gegenliebe), und sorgt immer dafür, dass diese nach der Trennung von ihm ein glückliches und gesichertes Leben haben – oft indem er sie mit einem anderen Mann verheiratet.
    Interessant ist auch, wie ‚klein’ die Welt damals schon war. Häufig trifft Casanova Bekanntschaften in ganz anderen Kontexten und völlig unerwartet wieder und steht sogar einmal kurz davor, seine eigene Tochter (von deren Existenz er nicht einmal wusste) zu heiraten.


    Aber nicht nur aus kulturhistorischem Interesse ist der Roman interessant, Casanovas Leben ist auch einfach eine sehr spannende Geschichte. Er ist ein Abenteurer – im wahrsten Sinne des Wortes. Seine berühmte Flucht aus den Bleidächern (venezianisches Gefängnis), seine oft sehr gefährlichen Auseinandersetzungen mit anderen Abenteurern, mit Fürsten, Königen, Herrschern, seine Anekdoten über berühmte Persönlichkeiten wie Voltaire, Rousseau, Louis XIV. und viele andere machen seine Memoiren zu einem wirklich romanhaften Werk.


    In meiner Ausgabe gab es außerdem zahlreiche Fußnoten, die Personen und Sachverhalte, die durch Dokumente nachgewiesen sind, erläutern. Dadurch habe ich mich oft wundern können, wie genau Casanova sich zum Zeitpunkt des Schreibens an Einzelheiten erinnert hat, obwohl natürlich manchmal Daten von ihm verzerrt oder vergessen worden sind. Die Erinnerung ist schließlich oft trügerisch.


    Lustige Anekdote: Casanova scheint überzeugt gewesen zu sein, dass schwarze Frauen bestimmen können, ob sie schwanger werden wollen oder nicht, und dass sie sogar willkürlich entscheiden können, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen gebären wollen. Dazu hat er angeblich eine überzeugende Theorie, von der allerdings auch im Nachlass keine Spur zu finden ist. (Soviel zu Casanova und Aufklärung...)


    Fazit:
    Wenn ich in den letzten Wochen erzählte, dass ich den Casanova lese, wurde ich oft gefragt, ob das nicht unglaublich repetitiv und langweilig sei. Diese Frage kann ich persönlich klar verneinen, muss aber dazu sagen, dass ich mich sehr für Kulturgeschichte, besonders der Frühen Neuzeit, interessiere.

    Die abgefahrensten Metaphern stammen immer noch aus der Feder Pietro Aretinos:



    ..eine Erotik, die in vielen Fällen auch an Komik grenzt..

    Zitat

    Original von Eddie Poe
    Ich bin für eine Kategorie "Linguistik und Literaturwissenschaften" :wave.


    Das gehört ja im weitesten Sinne mit zu den Kulturwissenschaften. Also, wenn eine solche Kategorie geschaffen werden würde, wäre ich eigentlich schon wunschlos glücklich! Da hätte ich auch einige Rezis zu schreiben ;)

    Vorher Statement: Precht lese ich zur Zeit leider gar nicht mit, obwohl es sich ganz interessant anhört. Trotzdem reizt diese Diskussion mich zum Mitreden, ich hoffe, ich darf..





    Wenn Precht es so darstellt, als hänge die Philosophie auch heute noch so stark am Dualismus zw. Verstand und Gefühl, ist ihm aktuell Einiges ergangen. Natürlich war dieser Dualismus bei vielen traditionellen Philosophie-Vertretern sehr stark ausgeprägt (bei Descartes z.B. oder bei Kant), aber die zeitgenössische Philosophie versucht eigentlich, davon ein wenig wegzukommen. In der Tat stellt zum Beispiel Heiner Hastedt in seinem Buch "Gefühle. Philosophische Bemerkungen" in Frage, ob man so stark überhaupt wirklich zw. Rationalität und Emotion trennen kann, oder ob diese Trennung nicht eher nur künstlich ist. Gefühle besetzen schließlich bestimmte Aspekte der Lebensrealität mit mehr oder weniger großer oder kleiner Wichtigkeit. Von daher ist auch jede scheinbar 'rationale' Entscheidung zumindest zum Teil emotional bedingt. Andererseits kann Reflexion in Bezug auf bestimmte Sachverhalte auch die Wichtigkeitsbesetzung ändern und somit Einfluss auf die emotionale Lage nehmen.
    Bei einem solchen Denkansatz ist mir erst augefallen, wie schwer es fällt, außerhalb dieser mittlerweile so stark verankerten Kategorien zu denken...um sie zu negieren, müssen wir sie benutzen, das ist doch irgendwie widersinnig..??




    sorry, ich hoffe ich war mit meinem Beitrag jetzt (mangels Lektüre Prechts) nicht total am Thema vorbei..