Beiträge von Finstroem

    Thea Dorn wagt sich an das schwierige Thema der zwischenmenschlichen Beziehung zwischen Täter und Opfer. Die erste Hälfte des Buches ist in Form einer Erzählung mit einer gewissen Distanz geschrieben. Dann erfolgt der Stilbruch: Jetzt schildert das Opfer das Geschehene und seine Gefühle in Form von Briefen an den Täter. Es sind äusserlich gesehen Liebesbriefe, und der Roman trägt denn auch den Untertitel "Ein Liebesroman". Thea Dorn hat sich in das Thema Täter-Opfer-Beziehung eingelesen und tief eingedacht. Es ist mutig, solches in Form eines Kriminal- oder Liebesroman aufzunehmen und zu bearbeiten. Thea Dorn fordert, streckenweise überfordert die Leser, verlangt Konzentration und Mitdenken bei der Lektüre. Sie rührt an Tabus, stellt hintergründig die Frage der Mitverantwortung des Opfers, auch wenn sie das Opfer einige Male explizit diese ablehnen lässt. Das Buch regt zu Widerspruch an, was für und nicht gegen das Buch spricht.
    Einig gehe ich mit einigen vorherigen Schreiberinnen und Schreiber, dass der Epilog nicht gelungen ist. Thea Dorn hätte ihn besser weggelassen. Einer "Rechtfertigung" für die Publikation aus der Sicht der Tochter des Opfers - und vermutlich auch des Täters - dreissig Jahre nach der geschilderten Handlung bedarf es nicht.