Zitat
Original von Vulkan
Edit: Ich habe noch mal darüber nachgedacht, warum ich so gar nicht auf die Sprache geachtet habe: Ich glaube, Pamuk (und der Übersetzer!) haben es auf fantastische Weise geschafft, dass die Sprache wirklich Kemals Beschreibungen seiner Liebe, seiner Obsessionen, seiner Emotionen dient. Die Sprache sticht nie heraus. Ich hatte nie das Gefühl, der Autor will sich mit bestimmten Vergleichen oder Ausdrücken hervorheben. Jedes Wort wirkte, als wenn es das einzig sinnvolle wäre, um Kemals Seelenzustand auszudrücken.
Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu abgedreht, vielleicht versteht ihr ja, was ich meine.
Ja, jetzt verstehe ich Dich, Vulkan.
Das ganze Buch beschreibt Kemals Odyssee auf der Suche nach seiner großen Liebe Füsun.
Durch seine anfängliche Oberflächlichkeit (verwöhnter Oberschichtler) und Feigheit vertreibt er Füsun. Schon bald bemerkt Kemal, dass seine Verlobung mit Sibel ein Fehler war.
Aber auch er, der durch seine gesellschaftliche Stellung alle Freiheiten zu haben scheint, steckt doch fest in Konventionen und alten Traditionen.
Das Ausmaß der widersprüchlichen Gesellschaft zwischen westlicher Moderne und Tradition der 80iger Jahre wird durch Kemals Verhalten deutlich. Aber auch das Thema Ehre der Jungfräulichkeit ist im Buch sehr wichtig.
Aus Kemals anfänglicher Erstarrung über die Enttäuschung, dass Füsun verschwunden ist, wird schließlich Verzweiflung und der Beginn einer Manie.
Das "Liebesnest" wird zum Altar mit gesammelten Gegenständen.
Es beginnt ein ständiges Auf und Ab zwischen Glücksgefühl und Erwartung die Angebetete warte auf ihn und erneutem Tief von Liebeskummer, das bis zur Schwermütigkeit wird und zur Besessenheit mutiert, die Kemals Leben bestimmt.
Und ab jetzt eiert der Protagonist auch nur so vor sich hin...
Das Buch lebt von Wiederholungen, die gerade den Mittelteil sehr ermüdend machen. Kemal ergeht sich in Selbstmitleid und Liebeskummer - sonst passiert eigentlich nichts.
In einem Kapiltel namens "Manchmal" fällt dies besonders auf und für mich als Leser war meine Schmerzgrenze da fast erreicht. Diese Monotonie macht die Dauer des Wartens auf Füsun während der 8(!!!) Jahre in Form von klebriger Zähigkeit allzu deutlich.
Ich habe einige Male mit dem Gedanken gespielt, das Buch abzubrechen (das passiert übrigens ganz selten). Aber teilweise wurde ich regelrecht aggressiv beim Lesen und habe nur gedacht: Mensch Junge! Nu mach doch mal endlich was!
Auch kam ich beim Lesen Kemal nie nahe und hab seine scheinbare Entwicklung überhaupt nicht nachvollziehen können, stattdessen kam mir alles irgendwie nur noch sinnlos vor.
Alles in Allem war ich ziemlich enttäuscht.
Der Anfang fing vielversprechend an, wurde aber viel zu schnell zäh.
Der Schluss (aber wirklich nur die allerletzten Seiten) haben mich ein bisschen versöhnt. - Hallo Herr Pamuk!