Liebe Eulen,
mit steigendem Interesse habe ich eure Diskussion gelesen. Als Autorin mache ich mir nämlich die gleichen Gedanken. Wenn "Das Marzipanmädchen" auch mein erster historischer Roman war, sehe ich doch die Flut von Büchern, die in ein wiederkehrendes Schema gepresst werden.
Ein Aspekt, den Ihr vielleicht nicht bedacht (oder zumindest noch nicht erwähnt) habt: Das "Anhängen" an einen Erfolg kann auch eine große Gefahr sein. So hatte ich z.B. Angst, dass das Marzipanmädchen für einen Abklatsch oder eine Fortsetzung von "Das Schokoladenmädchen" gehalten wird. Angst deshalb, weil der Stil des Marzipans ganz anders ist, als der der Schokolade. Hat jemand das Schokoladenmädchen gern gelesen, würde er das Marzipanmädchen vielleicht nicht mögen. Hat er das Schokoladenmädchen dagegen nicht gemocht, würde er dem Marzipanmädchen erst gar keine Chance geben.
Zum Glück für mich hat es funktioniert - ja, Bücher müssen auch "funktionieren", wenn der Autor hauptberuflich der Schreiberei nachgehen will. Sowohl Verkaufszahlen als auch Reaktionen waren erfreulich. Aber es gab natürlich auch Kritik. Zum Beispiel die, dass eine Frau in der Zeit doch dieses oder jenes gar nicht gedurft oder gekonnt hätte. Ein wenig ketzerisch frage ich: Recherchieren die Leser so gründlich wie (hoffentlich) die Autoren? Gerade in Lübeck, wo mein Roman spielt, gab es zu der Zeit, in der die Handlung angesiedelt ist, sehr viele Frauen, die einiges bewegt haben. Mir ist es sehr wichtig, dass der historische Rahmen stimmt, dass alles so stattgefunden haben könnte.
Will sagen, Vorsicht ist geboten, wenn vermeintliche historische Unmöglichkeiten angeprangert werden. Wichtig ist natürlich, wie hier schon so schön gesagt wurde, dass Sprache und Denkweise in die Zeit passen, anstatt dass eine Emanze des 21. Jahrhunderts eine Zeitreise rückwärts unternimmt ...
Schon vor einigen Jahren haben "Insider" des Buchgeschäftes über die immer gleichen Aufgüsse von Titeln, Covern und vielleicht sogar Inhalten diskutiert. Wer sich mutig abgewendet hat, ist nicht selten auf die Nase gefallen und reumütig zurückgekehrt. Offenbar gibt es viele Leser, die Stereotype nutzen, um schnellen Zugriff auf das zu haben, was ihnen gefällt. Was mich betrifft, ich würde mich nicht so einfach darauf verlassen. Ich würde aber auch nichts ablehnen, nur weil es in ein Stereotyp gepresst wurde.
Mein nächster Roman heißt "Die Bernsteinsammlerin". Ja, "Die ...in". Na toll! Es geht weder klassisch um einen Beruf noch um eine Frau, die in eine Männerrolle schlüpft oder emanzipiert wäre. Als Autorin bin ich auch Teil einer Marketing-Maschinerie, der ich einiges zu verdanken habe. So muss ich eben auch die Nachteile hinnehmen. Euch als Leser, die Ihr diese Maschinerie ganz offensichtlich durchschaut habt, kann ich nur bitten, nicht auf sie "hereinzufallen", sondern jedem Buch durch kurzes Anlesen die gleiche Chance zu geben.