Beiträge von Mariechen

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    Bestimmt erkennen Menschen um die 20 nicht die wahre Message, die in diesem Buch steckt, was ich sehr schade finde.


    Oh doch! Das Buch hat immerhin den Deutschen Jugendliteraturpreis 2007 bekommen, und zwar von der Jugendjury.


    Ich glaube, man darf Jugendliche nicht unterschätzen. Viele junge LeserInnen gehen intuitiv an Bücher ran und verstehen oft Dinge viel eher und leichter als Erwachsene, die in mancher Beziehung schon zu sehr "vermauert" sind. Jedenfalls haben alle Jugendlichen, mit denen ich über das Buch gesprochen habe, die "Message" verstanden.


    Zitat

    Gibt es noch andere Bücher, die du übesetzt hast, die man lesen muss und die du hier in einer Leserunde wieder begleiten würdest?


    :-) Das ist so nett formuliert ... aber ihr müsst gar keine Bücher lesen - ihr dürft, sollt, wollt, usw., glücklicherweise, denn sonst gäbe es solche Foren wie dieses hier gar nicht ...


    Ich habe zwei Bücher übersetzt, die euch vielleicht interessieren könnten (bis der nächste Zusak kommt, was noch ein bisschen dauern kann). Das eine ist "Verkauft" von Patricia McCormick (Fischer Schatzinsel) und das andere ein von mir sehr geliebter, leider total unterschätzter und (wahrscheinlich aufgrund des dämlichen deutschen Titels und Covers) ziemlich untergegangener Roman namens "Die Herrin der Worte" von Frances Hardinge (cbj/Random House). Beides sind Jugendbücher, weil ich die nun mal hauptsächlich übersetze, aber absolute Grenzgänger, die sicher auch älteren LeserInnen ein interessantes Leseerlebnis verschaffen könnten. Das erste ist beinhart und ziemlich schwer zu verdauen, das zweite ein absoluter (Worte)Genuss.
    Und Leserunden begleite ich jederzeit gerne.


    Schöne Grüße!
    Mariechen

    Hallo!


    Zum Titel: Soweit ich mich erinnere, gibt es zwei englische Titel (einen der australischen und einen der amerikanischen Ausgabe): "The Messenger" und "I am the Messenger".
    In diesem Fall war die "Melodie" der Worte ausschlaggebend für den deutschen Titel. Eine wörtliche Übersetzung ging einfach nicht. "Ich bin der Bote" - da denkt man doch sofort an die Post! Es musste also etwas gefunden werden, was dem Inhalt gerecht wird und gut klingt. Das ist immer das Problem mit Titeln ... Im Deutschen klingt halt vieles etwas behäbiger und ungeschickter als im Englischen. Der Vorschlag "Der Joker" stammt tatsächlich von mir, und ich bin auch nach wie vor sehr glücklich damit, zumal sich der Joker sowohl auf Ed als auch auf den mysteriösen Unbekannten beziehen kann. Ein Joker ist ja immer eine etwas unberechenbare Karte ...
    Grundsätzlich kann ich, was den Titel betrifft, Vorschläge machen, weil ich ja sehr eng am Text bin. Letztendlich entscheidet aber der Verlag, der ja abgesehen von allem anderen auch Marketingstrategien im Kopf hat. Ich nutze aber auch schon meine "Macht" als Übersetzerin aus, wenn beispielsweise ein Verlagsleiter einen völlig dämlichen Titel im Kopf hat, bei dem sich mir die Fußnägel kringeln (den Fall habe ich gerade ...).


    Schöne Abendgrüße!
    Mariechen

    Hallo!


    Ich mische mich noch mal ein, ich hoffe, ihr seht es mir nach.


    Zum Ende: Der Mann, der Ed die Karten übergibt, ist der Autor. Er hat sich diese Geschichte ausgedacht, hat die Aufgaben gestellt, und zum Schluss überreicht er Ed seine Notizen, sprich: die Worte, mit denen er Ed und alle, die im Buch vorkommen, zum Leben erweckt hat. Deshalb auch der Hinweis, dass er Eds Vater ermordet hat; er hat ihn ja - in der Geschichte - sterben lassen.
    Das Ende ist zugegebenermaßen knifflig, weil hier ein Paradoxon entsteht: Ein realer Mensch steht plötzlich in einer fiktiven Geschichte. Ich kenne viele Leser, die diesen Schluss völlig ablehnen. Mir persönlich hat er immer sehr gut gefallen, weil die Handlung - und damit auch die Botschaft - durch diesen Kniff über das Buch hinaus in die Wirklichkeit transportiert wird. Das, was der Initiator der Geschichte zum Schluss sagt, wirkt noch stärker nach: Wenn einer wie Ed das schaffen kann, kann das jeder (jeder real existierende Mensch).


    Viele Grüße!
    Mariechen


    PS: Ich mag sperrige und überraschende Auflösungen viel lieber als leichte und logische Erklärungen. Aber das ist Geschmacksache.

    Hallo!
    Der Vortrag über die Autonomie des Autors war gar nicht provokant gemeint; ich bin da so manchem selbst schon auf den Leim gegangen ...


    Ich habe mal recherchiert, weil mir eingefallen ist, dass Markus in einem Interview über den Joker auch zum Thema Gewalt befragt wurde. Und das sagt er dazu:


    "Ed bedient sich seiner Menschlichkeit, um anderen zu helfen. Ich sage absichtlich Menschlichkeit, nicht Menschenfreundlichkeit. Ed ist wie ein Superheld ohne Superkräfte. Er hat nur sich selbst, und es sind eben sowohl die guten als auch die schlechten Eigenschaften des Menschen, die er nutzen muss." (München: JuLit 4/07)


    Viele Grüße!
    Mariechen

    Hallo!


    Zitat

    Verstanden habe ich nur nicht, warum der Absender der Karten Ed die Schläger vorbeigeschickt hat. Das hätte doch auch anders gehen können.


    Klar hätte es; das ganze Buch hätte anders gehen können ... Warum Daryl und Keith Ed einen Besuch abstatten, kann ich euch auch nicht sagen; so ist nun mal die Story. Dafür gibt es sicher unendliche viele Interpretationsmöglichkeiten (z. B., dass die beiden Ed unmissverständlich klar machen wollen, dass er eigentlich ganz unten liegt, weil er nichts aus seinem Leben macht; ich erinnere mich, dass Ed ausgiebig den Küchenfußboden betrachtet ... oder dass man als LeserIn den Absender der Karten eben nicht als nur "gut" betrachtet, sondern dass diese Figur ambivalent wird ...). Aber ich glaube vielmehr, dass uns Markus unterschwellig klar machen will, dass jede/r AutorIn die Freiheit hat, zu schreiben und zu erfinden, was er oder sie will, egal, ob es logisch, einleuchtend, schön, verstörend, hässlich oder sonst was ist. Wie gesagt: so geht die Story nun mal.


    Have fun!
    Mariechen

    Zitat

    Aber das es eine Lösung sein soll, dass sie sechst einen einzelnen verprügeln, leuchtet mir nicht so recht ein...


    Guten Morgen!


    Ich denke, hier geht es um das Gemeinschaftsgefühl, darum, dass die Jungs nicht mehr gegeneinander arbeiten, sondern miteinander - und sei es nur, um einen einzelnen zu verprügeln.


    Schöne Grüße!
    Mariechen

    Hallo an alle!


    Zitat

    Aber manche Sätze in diesem Buch lassen bei mir schon Fragen aufkommen, ob sie wirklich im englischen so geschrieben wurden und so gemeint sind.


    Natürlich sind die englischen Sätze anders geschrieben als die deutschen, das ergibt sich aus dem Umstand, dass es zwei verschiedene Sprachen sind.
    Wichtig ist doch, dass der Ton und der Sinn - auch der tiefere - in die andere Sprache übertragen werden. Und wenn ich übersetze, dann überlege ich mir IMMER, was der Autor/die Autorin damit gemeint haben könnte. Bei Markus' Büchern kann man mit einer oberflächlichen Übertragung von einer Sprache in die andere nicht weiterkommen, weil er teils völlig neue Sprachbilder kreiert, die man erst einmal im Kopf zusammensetzen muss. Daher ist es völlig klar, dass im Englischen u. U. andere Begriffe stehen als dann nachher im Deutschen.
    Fakt ist auch, dass eine sehr eng am Text orientierte Übersetzung nicht immer die bessere sein muss. Manchmal verliert man gerade dadurch die Flüssigkeit und die Lockerheit, die einem das Lesen zum Vergnügen macht.
    Vielleicht habt ihr konkrete Beispiele, wo euch Sätze komisch vorkommen, dann sagt einfach Bescheid. Mal schauen, ob ich was dazu sagen kann - schließlich liegt die Übersetzung für mich schon eine Zeit zurück.
    Das "finnische Plumpsklo" stammt übrigens aus der Feder der Lektorin ...
    Viele Grüße!
    Mariechen

    Hallo!
    Habe gerade mal bei euch reingelesen und da fiel mir dieser Satz ins Auge:


    Zitat

    Jedoch ist es nicht ehrlich übersetzt.


    Das trifft mich aber mitten ins Herz ... Warum? Wieso? ?(Könnt ihr mir das bitte mal erklären? Sonst kann ich nicht mehr ruhig schlafen.


    Schöne Abendgrüße!
    Mariechen (Übersetzerin)

    Beatrix, das kenne ich von anderen Büchern auch. Ich finde einfach keinen Zugang dazu, und andere Leute sind hin und weg - und ich kann's nicht begreifen. Das geht mir derzeit mit der Trilogie von Waltraud Lewin so, "Drei Zeichen sind ...", ebenfalls zum Thema Judenverfolgung. Da gibt es Sätze, die einen einfach umhauen und völlig atemlos zurücklassen, aber insgesamt ... Es geht einfach nicht an mich. Das ist vermutlich bei dir und der "Bücherdiebin" auch so. Das Buch liegt einfach nicht auf deiner Wellenlänge.
    Schöne Grüße! :wave

    Liebe Beatrix, ich habe das Gefühl, dieses Buch zwickt dich wie ein Floh ...


    Das kommt vermutlich daher, dass der Roman ungeheuer emotional ist, und nicht jede/r hat die gleichen Empfindungen (ist ja auch gut so). Nehmen wir mal das "Vorwegnehmen". Du empfindest dieses Stilmittel als Spannungsverlust, ich dagegen war extrem geschockt, als der Tod z. B. vorweg verriet, dass Rudi sterben wird. Von da an war ich bei jedem intimen Moment zwischen Rudi und Liesel sehr aufgewühlt (ich erinnere mich an die Situation in der Schneiderei von Rudis Vater, als sich die beiden sehr nahekamen) und ich habe bis zuletzt gehofft, dass Rudi seinen Kuss noch im Leben bekommen darf. Hätte der Tod mir nicht verraten, was mit Rudi passiert, wären diese ganzen Passagen bei mir nie so tief gegangen.
    Die Spannung lag in diesem Augenblick nicht im Nichtwissen, sondern im Wissen. Erst da wurde - bereits während des Buches und nicht, wie üblich, zum Schluss! - die ganze Tragik spürbar.


    Viele Grüße!
    Mariechen

    Hallo!


    Zitat

    Original von Aqualady:
    In einem der vorderen Abschnitte wurde erwähnt, dass die Frau des Bürgermeisters auf irgendetwas hinarbeitet. Habe ich die Auslösung überlesen oder die Stelle falsch verstanden?
    Ich habe auf diese Frage nämlich keine Antwort gefunden.


    Ihr meint wahrscheinlich diese Stelle:


    Die Frau des Bürgermeisters hatte alles genau mitangesehen.
    Sie wartete nur auf den richtigen Zeitpunkt.


    Das ist sozusagen eine "falsche Fährte". Natürlich hat die Frau des Bürgermeisters alles mitangesehen, aber sie nimmt das nicht zum Anlass, Liesel zu verraten - wie man es vordergründig verstehen könnte - sondern eben ihr die Bibliothek zu zeigen, ihre eigene Leidenschaft für Bücher mit Liesel zu teilen.


    Gruß! - Mariechen

    Hallo Lesebiene,


    hmm, ich weiß nicht. Es kommt darauf an, was dir/euch so vorschwebt. Ich arbeite ja hauptsächlich im Jugendbuchbereich, und ich weiß nicht, ob das euer Metier ist.
    Von meinen Arbeiten halte ich persönlich "Verkauft" von Patricia McCormick und "Gwyna - im Dienste des Zauberers" von Philip Reeve für sehr lesenswert. Ersteres dreht sich um Mädchenhandel in Nepal/Indien, mit einer reduzierten, poetischen Sprache und einem knallharten Plot. Letzteres ist eine spannende, äußerst ungewöhnliche Artus-Nacherzählung. Aber das sind nur meine eigenen Favoriten.


    Tschüss Lesebiene, falls wir uns nicht mehr hören ... :wave
    Mariechen

    Noch mal zum Thema "Vorwegnehmen":


    Ich glaube, das hat weniger mit dem Genre Jugendbuch zu tun. Der Tod in der "Bücherdiebin" ist abgeklärt, fast resigniert. Er hat keine Lust auf irgendwelche Spielchen, ist der (menschlichen) Täuschungen müde. Er will nicht sanft mit euch sein, will nichts beschönigen. Er sagt, wie es ist, und - aus Sicht des Todes - wenn ihr trotzdem weiterlesen wollt, ist das eure Entscheidung.


    Mich haben diese Passagen besonders in Situationen, in denen die Erzählung leichtfüßig daherkommt, wieder auf den Boden der Tatsachen gezogen. Es ist halt ein ständiges Wechselbad der Gefühle ...

    Zitat

    Original von buchratte: mich würde mal was ganz anderes an dieser Stelle interessieren...es passt nicht wirklich rein aber lyncht mich bitte net. Mariechen was liest du privat?


    :grin Ich musste ja echt mal grinsen, wegen dem Lynchen ...
    Puh, privat - das ist ein Problem. Bei mir kann man privat und beruflich irgendwie nicht trennen. Ich lese so unglaublich viel (gerade rund 30 historische Jugendromane für einen großen Artikel - unglaublich viel Schrott dabei!), oder eben die Bücher, die ich übersetzen oder für die ich Gutachten schreiben soll. Da bleibt zum "Privatlesen" nicht viel Zeit. Eines meiner Lieblingsbücher aus der Kindheit, das ich immer noch rasend mag, ist "Die Schatzinsel". Jüngster Favorit: "Die Frau des Zeitreisenden". Krimis mag ich auch, am liebsten die "Tibeter"-Romane von Eliot Pattison. Zur Zeit habe ich Kurzgeschichten von Mark Twain auf dem Nachttisch liegen, über die ich mich immer wieder kringeln kann ...


    Schnatterinchen: Wie wär's direkt an mich per pn?


    Schöne Abendgrüße! :wave

    Hallo!


    Verschiedene von euch haben ja den Wunsch geäußert, dass ich Markus von dieser Leserunde berichte. Dazu hätte ich einen Vorschlag:
    Wenn ihr mit dem Buch fertig seid, schreibt doch ein, zwei Sätze dazu - wie es euch gefallen hat, was ihr dabei empfunden habt, etc. Die kann ich dann übersetzen und Markus schicken. Oder - wenn's kurze Sätze sind - muss ich gar nicht übersetzen, weil er ja leidlich Deutsch versteht.
    Was haltet ihr davon?

    Hallo!


    Ich habe vor kurzem einen Artikel zum Thema Fantasy und Erotik geschrieben. Hier ein Auszug davon, zu Libba Brays Trilogie:


    Viel faszinierender als die erotische Spannung zwischen Gemma und dem glutäugigen Jüngling sind die Beziehungen der Mädchen untereinander. Die magische Welt, in die sie eindringen, lässt in ihnen eine Wildheit ausbrechen, eine Art Rausch, in dem sie teils jede Beherrschtheit hinter sich lassen: „Felicity zieht meine Hand mit dem Apfel an ihren Mund und beißt in die Frucht. Ihre Lippen sind noch klebrig süß davon, als sie mich voll auf den Mund küsst. Ich muss ihn mit der Hand abwischen, um das Kribbeln auf meinen Lippen zu vertreiben.“ Was einst der Apfel bei Adam und Eva war, ist hier die verbotene Frucht der unterdrückten Körperlichkeit. Lebenslust und Sinnlichkeit eröffnen sich den Mädchen erst mit jenem anderen Ort, jener „Anderswelt“, in die ihnen die Sittenwächter ihrer Gesellschaft nicht folgen können. „Hier fürchten wir uns nicht davor, uns näherzukommen. Unsere Freundschaft schlägt Wurzeln ... Es gibt niemanden, der uns zurechtweist. Niemanden, der uns sagt, dass das, was wir denken und fühlen, falsch ist. Der springende Punkt ist nicht, tun zu können, was wir wollen. Der springende Punkt ist, dass es uns erlaubt ist, überhaupt etwas zu wollen.“ Die magische Welt als Befreiung, als Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, ohne den Beschränkungen der Realität unterworfen zu sein – das ist es eigentlich, was das Genre Fantasy so anziehend macht. Doch nur selten gelingt es einem/r AutorIn in dieser Konsequenz, Magie und Übersinnliches literarisch so elementar einzusetzen. Zumeist beschränken sich die Romane auf eine Handlung, in der es um den Kampf zwischen Gut und Böse geht; wenn in der klassischen Fantasy eine Veränderung – meist eine Läuterung – der Charaktere stattfindet, so konzentriert sich diese auf den männlichen Helden, der an der Herausforderung wächst und sich nicht selten als Spross aus königlichem Geblüt erweist. Allein schon in dieser Beziehung ist Libba Brays Romanzyklus wegweisend.


    Schöne Abendgrüße! :wave