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Original von Tea-Bag
@ Britt: Wie bist du auf dieses Thema gekommen und wie hast du das während des Recherchierens und Schreibens verarbeitet? Das ist doch ziemlich schwer verdaulich.
Kann man so sagen. Das Bedürfnis, über Multis zu schreiben, schleppe ich schon sehr lange mit mir herum, schon mehrere Jahre. Da mir klar war, dass das nicht leicht wird, hab ich es lange vor mir hergeschoben und mich einfach nicht ran getraut. Als ich schließlich den Entschluss gefasst habe, weil es in meinem Kopf einfach keine Ruhe gab, war mir klar, dass ich sehr umfassend recherchieren muss. Ich habe massenhaft Bücher gelesen, Romane wie auch Fachliteratur, unter anderem das Standartwerk von Michaela Huber, sie ist Psychologin und eigentlich die Koryphäe auf dem Gebiet dissoziative Identitätsstörungen. In ihrem Buch "Multiple Persönlichkeiten" stieß ich auf ein Kapitel über rituelle Gewalt.
Mir ging es genauso wie dir, ich war völlig schockiert. Dachte, die Frau spinnt, das kann es doch gar nicht geben. Dann hab ich angefangen zu googeln, saß fassungslos wie Verena vor dem Rechner und habe entdeckt, dass die Frau keinesfalls spinnt. Diese Dinge passieren. Es weiß nur kaum jemand, weil niemand drüber spricht. Ich finde aber, man muss darüber sprechen, sonst machen die Täter ja fröhlich weiter.
Die Entscheidung, das Thema in das Buch einzubinden, war keine Leichte. Ich war sicher, das ist alles eine Nummer zu groß für mich. Ich wollte ursprünglich nur Sinas Geschichte erzählen und die ganze rituelle Gewalt ganz schnell wieder vergessen. Aber denkste, da war plötzlich Henriette in meinem Unterbewusstsein und flüsterte die ganze Zeit "Erzähle es!" Sie hat mich einfach nicht in Ruhe gelassen.
Schließlich habe ich mich für einen Kompromiss entschieden. Ich habe mich darauf eingelassen, aber die entsprechenden Szenen nur "von außen" geschildert. Das heißt, diese Dinge werden "nur" durch Dritte erzählt (wie z. B. hier durch Jan) aber es gibt keine lebendigen Szenen, bei denen man direkt dabei ist, wie so etwas abläuft. Das wollte ich mir und den Lesern ersparen. Es ist so schon heftig genug. Und schließlich soll es ein Kriminalroman sein, kein Thriller.
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...Britt, hier hast du das Innenleben gut beschrieben und auch, wie jeder dieser Innenperson den Abend des Konzertes erlebt hat. Das hat einem dieses Gefühl von Verwirrtheit, Chaos gut gezeigt, obwohl ich mir immer noch nicht vorstellen kann, wie so jemand mit dieser Erkrankung lebt und fühlt.
Erstmal danke für die Blumen. Wirklich vorstellen, wie jemand mit einer solchen Identitätsstörung lebt, kann man sich wohl als Nicht Betroffener nur bis zu einem gewissen Maße. Wirklich nachempfinden ist, denke ich, nahezu unmöglich. Ich hab mich allerdings wirklich sehr lange mit dem Thema beschäftigt, neben den unzähligen Büchern und Internet-Recherchen auch mit Betroffenen ausgetauscht und das Manuskript vorab quasi "aus erster Hand" prüfen lassen. Das Thema war mir einfach zu wichtig, um oberflächlich damit umzugehen, zumal gegenüber Multiplen schon viel zu viele Vorurteile kursieren, die der Meinung über Multis in der Öffentlichkeit nicht gerade gut getan haben.
Ich finde es wichtig zu transportieren, dass das alles ganz normale Menschen sind, die sich lediglich einen Körper teilen müssen. Natürlich sind sie zum Teil schwerst traumatisiert - wenn auch nicht alle von ihnen - und logisch kommt es zu Problemen, wenn alle verschiedene Ziele verfolgen und verschiedene Interessen und Charaktere haben. Das herauszuarbeiten fand ich wirklich interessant.
Zu deinen anderen Spekulationen halte ich mal absichtlich noch den Mund. Will an dieser Stelle nicht zu viel verraten.