Beiträge von Nightfall

    Nachdem ich es offensichtlich in einer eher unterbewussten Aktion (Ich kann mich nicht erinnern das Buch bestellt zu haben. ... Und es stellte sich heraus, dass der beste Mann der Welt meine Wunschliste gelesen hat...) das Buch schon vor einer Woche im Briefkasten hatte, freue ich mich auf die Leserunde und bereite mich gebührend vor, in dem ich in dem "Madame Tussaud's"-Katalog mir den guten alten Henry VIII. anschaue. :wave

    Ich frage mich gerade, was es mit Individualität zu tun hat, wenn Mädchen im Alter von 13 Jahren alle den gleichen Minirock, alle den gleichen Pullover, alle die gleiche Haarfarbe und Schminke tragen, so wie es hier Gang und Gebe ist. Ist es nicht auch eine Form von Uniformierung, wenn alle mit den gleichen Buttons ("I hate School" - "Gegen Nazis" etc.), mit der gleichen Schultasche von Eastpack und Tatonka, mit den gleichen Markenlogo, sei es Nike, Adidas usw. rumlaufen?


    Und des Weiteren, was heißt denn bitte Individualität? Ich finde es sehr traurig, wenn sich diese allein über Kleidung ausdrückt und nicht durch die Funktion des eigenen Denkens, z.B. des "Nein"-Sagens, wenn andere "Ja!" sagen oder der Entwicklung von Kreativität und Persönlichkeit.

    Zitat

    Original von licht


    so sehe ich das auch!


    Dem möchte ich mich anschließen.
    Gefährlich wird es, wenn Kinder ganz getreu dem Vorbild der Eltern vegan ernährt werden sollen. :rolleyes


    Ich kann auch sehr gut erklären, warum ich darauf allergisch reagiere: Ich hatte vor einiger Zeit eine Hospitation in einer Klasse, die sich in den zwei Wochen meiner Anwesenheit mit dem Thema "Ernährung" befasst hat. Unter anderem hielten Kleingruppen auch Vorträge über Veganismus und Vegetarismus. Ein Kind der Veganertruppe hat dann erläutert selbst nur vegan ernährt worden zu sein durch die eigenen Eltern und auch, wenn sie Knochenprobleme hat (Im Alter von 15...) und pro Tag eine Anzahl von Tabletten schlucken muss, um überhaupt ihren Vorrat an Mineralstoffen, Calcium, Luthein usw. decken zu können, sei sie damit glücklich, weil "Tiere essen und deren Säfte trinken Mord ist". Daraufhin äußerte ich mich, dass Kinder veganischer Eltern nicht etwa gesünder leben, statistisch betrachtet, sondern es zu Mangelerscheinungen kommt, wenn dem Körper nicht Stoffe zugeführt werden, um z.B. einen Protein-Bedarf zu decken und ich es daher nicht für gut halte, auch nicht durch die eigenen Eltern so ernährt zu werden.


    Am nächsten Tag hatte ich einen netten Besuch von den Eltern dieses Kindes, die mir sagten, dass ich mich "raushalten soll aus ihrer Erziehung und ich unfähig sei ein guter Lehrer zu sein, weil ich nicht akzeptiere, wie man gesund lebt!" Ich sei ein "widerwärtiger Fleischfresser und nicht würdig auf dieser Erde zu leben!"


    Mein Bedarf also an Veganern ist vorerst gedeckt.


    @topic: Kein Fleischliebhaber, aber ab und an ein Schnitzel oder Faschiertes esse ich ganz gerne.

    Folgendes möchte ich anmerken
    Kinder und Jugendliche sind noch nicht gefestigt in ihrer Persönlichkeit; sie identifizieren sich mit Vorbildern aus ihrem Umfeld und so ist es wichtiger, was durch die Eltern, durch Freunde und nächsten Anverwandten propagiert wird und nicht durch ein Buch. Hinzu kommt, dass Kinder nicht alles bedenklos aufnehmen und für sich als neue gegebene Wahrheit umfassen. Wenn ein Kind weiß: "Okay, meine Eltern schnallen sich an und ich muss es auch tun, damit meine Sicherheit garantiert ist.", dann wird es die Stelle auch nicht zum Anlass nehmen um zu sagen: "Hey, wie geil, demnächst fahre ich ohne Gurt!"
    Für meine Begriffe werden Kinder / Jugendliche in ihrer Leistung Dinge zu reflektieren unterschätzt, oder meint ihr, nur weil in einem Jugendbuch wie "Cold Turkey" oder "Beauty Queen" steht, dass Drogen einen Ausweg aus Stress- und Traumasituationen sind, fängt jetzt ein Jugendlicher auch damit an?


    Es kommt auf viele Faktoren an, auf Sozialisation - Welchen Einfluss haben Eltern noch auf das Kind? Wie sind die Freunde des Kindes gepolt und wie sind diese im Hinblick auf Drogen, Verkehrsunfälle usw. "vorbereitet"? Wie gehen die Eltern mit diesen Problemen um, wie die Freunde, Bekannten, Lehrer und Mitschüler?


    Um nochmal zur Eingangsfrage zu kommen, ob Jugendbuchautoren eine besondere Verantwortung haben; sie haben keine "besondere Verantwortung", sie haben eine, die jeder Autor / jede Autorin hat, wenn ein Manuskript von dieser / diesem gedruckt wird.

    Zitat

    Original von Keti_92



    Ja ich denke so Bücher sind nichts für Jugendliche :lache
    Genauso wie zB wilhelm Tell :pille


    Meiner Ansicht kommt es dabei auf zwei Dinge an:
    Mit welcher Einstellung man an eine Lektüre geht - Ob man nämlich so oder so schon die Erwartung inne hat, dass diese Lektüre langweilig / unmodern / schrecklich wird.
    Und wie ein Lehrer (Ich gehe einmal davon aus, dass du "Wilhelm Tell" und auch "Kleider machen Leute" als Pflichtlektüre in der Schule hast.) die Thematik des Werkes darstellen kann. Es gibt in "Wilhelm Tell" und auch bei "Kleider machen Leute" Themata, die sehr wohl auch unter Jugendlichen Thema sind wie der Markenwahn, Identitätsbildung und Abgrenzung von "anderen Menschen" usw.; alles Themen, für man die Lektüre dieses Buches nutzbar machen kann, in einer Diskussion.

    Zitat

    Original von Ikarus
    ...vielleicht hättest Du Dir die Verfilmung mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle mal ansehen sollen? Er brachte das m.M.n. sehr gut rüber, was das Buch aussagen soll...und keineswegs klischeehaft.


    Ich habe für mich eine Möglichkeit der Interpretation gefunden.
    Was ich kritisiere, ist nicht die Botschaft; ich halte sie sogar für diskutabel, aufgrund des Ansatzes.


    Was mir nicht gefällt, ist die Rahmenhandlung: Eine solche Form der Liebesgeschichte schreibt z.B. Barbara Cartland und Hedwig Courts-Mahler auch bzw. ähnlich: Mann, der für einen Grafen gehalten und dementsprechend behandelt und bewirtet wird, kommt in eine Kleinstadt. Dort verliebt er sich in eine Frau, die nach realistischen Maßstäben aufgrund des Standesunterschiedes keine Partie für ihn wäre. Was passiert? Er wird enttarnt, geht fort, erfriert fast im Schnee und wird durch sie gerettet; er hat sie, nach damaligen Maßstäben, entehrt und dennoch zieht sie ein Leben, welches vielleicht mit einem sozialen Abstieg verbunden ist, vor, nur um bei ihm zu sein.


    Wo sind da nur die Klischees... ;-)

    Über den Autor:


    Gottfried Keller (* 19. Juli 1819 in Zürich; † 15. Juli 1890 ebenda) war ein Schweizer Dichter und Politiker. Keller begann eine Künstlerlaufbahn als Landschaftsmaler, wandte sich im Vormärz zur politischen Lyrik und beschloss sein Leben als einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Von 1861 bis 1876 bekleidete er das Amt des Staatsschreibers der Republik Zürich. Seine bekanntesten Werke sind der Roman Der grüne Heinrich und der Novellenzyklus Die Leute von Seldwyla. Keller gilt als Meister der Novellendichtung und als einer der bedeutendsten Erzähler des bürgerlichen Realismus.


    Quelle: Wikipedia




    Inhaltsangabe / Klappentext:


    In der Novelle Kleider machen Leute von Gottfried Keller aus dem Jahr 1866 geht es um einen armen Schneider, der wegen seines gepflegten Aussehens für einen Grafen gehalten wird und sich in eine angesehene Frau verliebt, die ihm nach seiner Entlarvung trotz des Standesunterschiedes treu bleibt.




    Eigene Meinung


    Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“ spiegelt eine heute noch moderne Art des Umgangs miteinander wieder. Alles besteht nur aus Schein und Sein, Macht und Schwäche, Geld und Schulden. Wer will nicht heute wie ein Popstar behandelt werden, der in großen Autos unterwegs ist, mit goldenen Gliedern behangen wird und nebenher mit der schönsten Frau liiert ist? Wer will nicht auch einmal in den Genuss dessen kommen, was unsere heutige Konsumgesellschaft demjenigen verspricht, der den finanziellen Hintergrund hat?


    „Dir wird alles gegeben, alles aufgetragen, nur entlohne uns auch brav dafür. Wenn du dies tust, ist dir unsere Freundschaft sicher!“ So oder ähnlich kann das Verhältnis zwischen Wenzel Strapinski, einem armen Schneider, umherziehend um eine neue Anstellung zu finden, und dessen neuen Kumpanen, angesehenen Geschäftsleuten aus Goldach und Seldwyla beschrieben werden. Sie sonnen sich in seinem Glanz, bereut ihm Treue zu schwören, um ihn genau dann diese Treue zu entsagen, wenn er sie nötig hat. Es geht nur um das, was man in der Hand halten kann, Geld z.B., und nicht um Gefühle. Auch Nettchen, die „betrogene Braut“ wendet sich, wenn auch nur kurz, ab nach der „verhängnisvollen Offenbarung“, um ihn nachzureisen, ihn zu beleben und zu heiraten.


    Und so ist die Thematik der 1866 erstmals erschienen Novelle des Schweizer Autors Gottfried Keller aktueller und moderner denn je. Und doch, die Aufbereitung dieses Stoffes bleibt dröge, bleibt starr, nur oberflächlich emotional und ohne jede Form von Tiefe. Die Charaktere wirken allesamt blutleer, Strapinski in seinem Handeln moralisch fragwürdig, aber Identifikationsmöglichkeiten bietet er denn noch nicht, ist doch dem Leser nicht immer klar, warum er trotz seiner so groß empfundenen Schande nicht das Weite sucht. Ausgeschaltet wird der vermeintliche Graf von seinem Nebenbuhler, seine Braut haben wollend, die ihm jedoch trotz seiner „persönlichen Schande“ folgt und trotz des androhenden sozialen Abstiegs bei ihm bleibt. Kein Klischee lässt Keller aus, oder vielleicht bildet die Geschichte sogar den neuen Stoff, den sich heute zahlreiche Nackenbeißer und Groschenromane gewidmet haben – Die Geschichte eines Paares, welches nur durch Zufall zusammen findet, trotz ständischer, sozialer und finanzieller Unterschiede, sogar den eigentlich besseren Kandidaten als Heiratspartner ablehnend und somit sogar eine soziale Ächtung in Kauf nehmend.


    Die Frage nach dem Realitätsgehalt dieser Geschichte stellt meiner einer nicht, ist Literatur doch nicht immer ein Abbild der Wirklichkeit, sondern nur eine Imagination einer scheinbaren Wirklichkeit und doch bleibt die Geschichte, auch in ihrer sprachlichen Ausführung, zweifelhaft. Keller umschreibt die Welt der Natur, lässt uns teilhaben an dem Leben in der kleinen Stadt Goldach, an dem Leben der Bauers- und Handwerksleute, aber er lässt uns nicht teilhaben an den Intentionen, den Emotionen, den Gedanken seiner Figuren, die Ausgangspunkt wären für eine „logische“ Handlung. Er bietet Naturbilder, Städtebilder, aber keine Menschenbilder, die für die Handlung wichtig wären. Wie Pappkameraden wirken seine Figuren – jederzeit umwerfbar, jederzeit austauschbar. Identifikationsmöglichkeiten oder auch nur das Gefühl die Figur zu verstehen sind nicht gegeben.


    Und so bleibt am Ende eine Novelle, die einen gute Diskussionsmöglichkeit bieten würde, wäre nicht die Umsetzung dieses Stoffes zweifelhaft, unlogisch, kurzum nicht den ästhetischen Maßstäben meiner Wenigkeit entsprechend. Es bleibt eine brave, leicht überromantische Geschichte ohne viel Form und Gehalt.

    Zitat

    Original von Voltaire
    So wichtig kann es den Menschen mit ihrer Betroffenheit ja nicht sein, wenn sie lediglich an irgendwelchen "runden" Daten ihre Betroffenheit zur Schau stellen. Ein permanenter Kampf dagegen wäre glaubwürdiger, als diese Pseudo-Betroffenheit an irgendwelchen Jahrestagen.


    Ich bin normalerweise auch kein Mensch für Gedenktage oder für Gedenkjahre, wo man kollektiv Tischchen bei Thalia aufbaut, damit für zwei, drei Monate ein klassischer Autor im Vordergrund steht, dessen Bücher nach Ablauf dieses Jahres in die hintersten Regalfächer geräumt werden. Lesen sollte um des Lesens Willen geschehen.
    Nur, denke ich, sollte man auch diesen Tag zum Anlass nehmen, um ein einmal darüber nachzudenken, dass diese "Informationsvernichtung" und Auslöschung einer Kultur nach wie vor Thema ist, auch in der s.g. "westlichen Welt".


    @Syll: Nur eine Interessensfrage - Würdest du wollen, dass ein Jugendlicher Marquis de Sade z.B. liest?

    Über den Autor:


    Gerhart (Gerhard) Johann Robert Hauptmann (* 15. November 1862 in Obersalzbrunn in Niederschlesien; † 6. Juni 1946 in Agnetendorf, heute Ortsteil von Hirschberg/Jelenia Góra) war ein deutscher Schriftsteller. Hauptmann gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert. 1912 erhielt er den Literaturnobelpreis.


    Quelle: Wikipedia



    Inhaltsangabe / Klappentext:


    Hauptmanns Erzählung begründet ein menschliches Geschick in Milieu und Psychologie; er gestaltet es zugleich im Wirkungsfeld transsubjektiver elementarer Gewalten, die auf das Irrationale hinweisen, innerhalb dessen sich menschliches Leben vollzieht - im triebhaften und traumhaften Innerlichen wie in der außerpersönlichen Wirklichkeit, an die es gebunden ist. Diese novellistische Studie hat, anspruchslos, im schmalen Format, den Rang von Weltliteratur. Fritz Martini



    Eigene Meinung:


    Bahnwärter Thiel ist ein gewissenhafter, wortkarger, arbeitsamer Mensch. Er ernährt seine kleine Familie, seine neue Frau Helene, deren Neugeborenes und seinen Sohn aus erster Ehe, Tobias, in dem er Schranken bedient; die meiste Zeit verbringt er dennoch allein, abgeschieden in einem Forst in seinem Wärterhäuschen. Dort baut er sich, mit Gebet- und Gesangsbuch eine Traumwelt auf, in der er seiner ersten Frau Minna begegnet, ein kleines, eher zurückhaltendes Fräulein, gestorben im Kindbett, ihren Sohn zurücklassend mit dem Versprechen ihn gut zu versorgen und immer auf ihn Acht zu geben. Seine neue Ehefrau ist herrisch, egoistisch und verdiene in den Augen der anderen Männer eine „ständige Prügel“. Tobias lässt sie schuften, misshandelt ihn, demütigt ihn – und Herr Thiel reagiert nicht darauf, selbst als er mit der Gewalt konfrontiert wird. Er geht in dem entscheidenden Moment; er wird es schwer bereuen.


    Im Anbetracht der Fülle an Medienberichten über Familiendramen bekommt die 1887 erstmals erschiene novellistische Studie von Gerhard Hauptmann eine ganz andere Möglichkeit hinzu, wie man dieses Werk interpretieren kann.


    Thiel wird als ruhiger, kräftiger, aber nicht sonderlich intelligenter Protagonist beschrieben; er lebt in einer Traumwelt, er vernimmt Halluzinationen seiner verstorbenen Frau, mit der er eine „geistige Liebe“ verbindet. Seine neue Frau, weniger kränklich, kräftig, herrisch ist die Inkarnation einer auf Triebe ausgerichteten Sexualität. Er ist nicht Herr seines Schicksals, immer abhängig von anderen Gegebenheiten, immer passiv in seiner Rolle versteht er sich niemals mehr als der Ernährer seiner Familie, auch nicht als Retter von Tobias. Er ist gefangen in seinem Schema aus Arbeit, aus Vererbung, seiner sozialen Rolle, seinem Können, seiner begrenzten psychischen Leistung. Und so ist seine Rolle als `Beender´ des Ganzen von vornherein programmiert.


    In dieser als Novelle angelegten Handlung lassen sich die Merkmale des Naturalismus gut herausarbeiten. Der Protagonist ist ein Antiheld, in einer sozial niedrigen Stellung arbeitend. Das Elend tritt dabei immer wieder in den Vordergrund, Lene erinnert ihn immer wieder daran, dass sie „teure Kartoffeln“ kaufen müssen, mit der Intention, dass das Geld nicht ausreicht, um ein Stück Land zu kaufen. Auch wird Lene als besonders „gute Wirtschafterin“ beschrieben, eine ihrer wenigen guten Eigenschaften. Sie repräsentiert das Proletariat –arbeitsam, aber auch zänkisch und primitiv. Hauptmann wertet wenig, er stellt den Menschen als ein Produkt seiner eigenen Biografie dar, als Produkt seines Standes, seiner Erziehung und seiner gesellschaftlichen Möglichkeiten. Nicht nur die psychologischen, auch die lokalen Gegebenheiten, die zeitlichen Gegebenheiten und auch die modalen Gegebenheiten werden bis ins kleinste Detail, wenn auch nur auf wesentliche Szenen beschränkt geschildert. Als bestes Beispiel kann hier der Einstieg gewertet werden, der die Geschichte lokal zwischen Neu-Schornstein und Neu-Zittau in einem Forst eingrenzt.


    Anti-naturalistisch nennt es Wikipedia, ich nenne es eine Studie, die noch nicht formvollendet naturalistisch ist. Sie beinhaltet viele Metaphoriken, viele Symbole (Zug ist ein Symbol z.B., sowohl für die Arbeitsstelle Thiels als auch als Austragungsort des Schrecklichen); auch verwendet er keine dialektalen Einflüsse, die Sprache wirkt zum Spätwerk „Der Biberpelz“ eher glatt, noch sehr konstruiert und künstlich.


    Als Novelle ist diese Geschichte klassisch aufgebaut – Sie endet mit einer „unerhörten Begebenheit“ und weißt einen ähnlich stark ansteigenden Spannungsbogen wie ein Drama auf. Man spürt das Ansteigen der Geschichte; man merkt, diese „Idylle“ (Es war keine Idylle, aber im Gegensatz zum Ende der Geschichte wirkt das Vorherige wie Geplänkel) kann nicht halten, wird irgendwann aufbrechen und es tut sie auch und zwar so grausam, dass meiner einer erheblich schlucken musste nach der Beendigung der Lektüre.


    Der Autor hat eine sehr schön lesbare, flüssige Sprache. Er unterstreicht das Geschehen mit vielen Gedanken, vielen Stilelementen auf verschiedenen Ebenen. Die Geschichte des Bahnwärter Thiel könnte einen Auftakt bilden zu einem Diskurs darüber, was Familiendramen für einen Hintergrund haben, wodurch sie ausgelöst werden, auch eine Täterperspektive abbilden, auch wenn eine Diskussion möglich wäre, wer hier Opfer und wer Täter ist. Alles ist mehr Schein und Sein, alles hat zwei Seiten und eine oberflächliche Betrachtung dieses Werkes als „bloßes Buch“ würde aufgrund der Thematik nicht standhalten.


    Natürlich kann man es auch als Unterhaltungsliteratur betrachten, oder aber als psychologische Studie, auf jeden Fall lohnt sich ein Blick in diese gerade einmal 40 Seiten lange novellistische Studie; mich hat sie nicht mehr losgelassen.

    Heute, vor 75 Jahren, brannten Scheiterhaufen.
    Ins Feuer geworfen, wurden keine Menschen, so weit war die Zeit noch nicht, sondern deren geistiges Werk, ihre Kultur - ihre Bücher. In mehr als fünf Städten betätigten sich Nationalsozialisten, SA und die Studenten der Universitäten gleichermaßen an dem geistigen Erbe ihrer Väter, Mütter und Geschwister. Ins Feuer wanderte nicht nur Jüdisches, sondern auch politisch Verfemtes, Demokratisches, Pazifistisches.
    Dieses Ereignis hatte Symbolcharakter, es drückte aus: “Wir bestimmen, was andere lesen. Wir bestimmen, womit ihr euch bildet.” - Kontrolle, “Zucht und Ordnung” damals genannt. Und so wurden berühmte Autoren dieser Zeit systematisch aus dem literarischen und auch politischen Leben gedrängt. Erich Maria Remarque, Carl von Ossietzky, Heinrich Mann, Ernst Glaeser, Kurt Tucholsky, Lion Feuchtwanger, Arthur Schnitzler, Max Brod, Anna Seghers, Egon Erwin Kisch, Franz Werfel, Yvan Goll, Sigmund Freud, Stefan Zweig, …
    Das `Who is Who´ der geistigen und wissenschaftlichen Größen aus Literatur, Kunst, Malerei, Psychologie. Man nahm ihnen die Berechtigung ihre Werke zu drucken, zu publizieren, man gab ihnen ein “Schreibverbot”. Erich Kästner, als einziger verfemter Autor dabei am 10.Mai 1933 schrieb dazu: „Es ist ein merkwürdiges Gefühl, ein verbotener Schriftsteller zu sein und seine Bücher nie mehr in den Regalen und Schaufenstern der Buchläden zusehen. … Man ist ein lebender Leichnam.“


    Ich bin sonst niemand, der an ein kollektives Gedächtnis appelliert, aber dieser Tag gehört in den Kalender eines jeden Menschen, um daran erinnert zu werden, dass es einmal Zeiten gab, in denen das Leseverhalten vom Staat kontrolliert und Autoren, mit einem politisch / religiösen / familiären Hintergrund systematisch ins Exil, in den Tod oder aber in die innere Emigration getrieben wurden von einem System, menschenverachtend und faschistoid.

    Ich möchte auch noch auf etwas im Nachwort eingehen, von wegen es klafft eine zu große Lücke und muss auch eine Antwort von vorhin korrigieren, nachdem dazwischen vielleicht zwei bis drei Gegenpäpste agierten:


    Zitat

    Aber eine Päpstin hat es nicht gegeben! Die angebliche Geschichtsverfälschung durch Papst Benedikt III. wird durch das Münzerecht Kaisers Lothars, der am 29. September 855 n.Chr. in Prüm in der Eifel starb, bewiesen. Lothar, der älteste Sohn von Kaiser Ludwig des Frommen, hatte als Teilhaber des fränkischen Reiches mit dem Vertrag von Verdun 843 n.Chr. bis 855 n.Chr. den mittleren Reichsteil. 855 n.Chr. teilte er sein reich unter seine drei Söhne auf, trat von seinem Amt zurück. Da fränkische Münzen immer mit dem Bild des aktuellen Herrschers geprägt wurden, wurde Papst Benedikt III noch zu Lebzeiten Lothars zum Papst gewählt! In den Vatikanbüchern (die übrigens nicht das Weltgeheimnis sind und eingesehen werden können) wurde Papst Leo IV. im Januar 847 n.Chr. gewählt, am 10.04.847 n.Chr. Inthronisiert und verstarb am 17.07.855 n.Chr. Papst Benedikt III. wurde im Juli 855 n.Chr. gewählt und am 29.09.855 n.Chr. Inthronisation. Gestorben ist er am 07.04.858 n.Chr. Das bestätigt auch eine Schrift aus dem Kloster Reims. Demnach wurde ein Bote zu Papst Leo IV. entsandt. Dort angekommen habe er von dessen Tod erfahren und die Nachricht seinem Nachfolger, Papst Benedikt III. übergeben. Für eine Päpstin Johanna war somit zwischen Papst Leo IV. und Papst Benedikt III KEINEN PLATZ.


    aus: Handbuch der Kirchengeschichte

    Zitat

    Original von Gwen
    Hallo Nightfall,


    ich halte die Päpstin Johanna auch für eine Legende. Aber an jeder Sage steckt ein wenig Wahrheit. Schließlich mussten sich alle Päpste die angeblich nach Johanna kamen auf einen "Stuh" setzen und "beweisen" das sie Männer sind. Und wir wissen auch alle, dass die Kirche gern ihre "Fehler" vertuscht. Aber wie dem auch sei. Das steht ja nicht zur Debatte!
    Ob die Geschichte nun auf einem tatsächlichen Vorfall beruht oder nicht, das Buch ist gelungen.


    Ganz liebe Grüße
    Steffi


    Der Papststuhl hatte eine andere Bewandnis; ich will kein Weltbild zerstören, aber dieser Papststuhl war vor allem für das Verrichten von wichtigen Bedürfnissen gedacht, wie die Notdurft oder Ablassen von Winden. (Natürlich auch zur Kontrolle des Geschlechtes zu gebrauchen, aber z.B. Versammlungen und Gespräche dauerten bis zu 8-9 Stunden und von daher war dieser Stuhl eine "sehr menschliche Entwicklung")


    Ob das Buch gut ist oder schlecht, liegt im Auge des Betrachters. Für mich ist das eine bloße Emanzipationsgeschichte mit viel Schwarz-Weiß-Malerei und schlecht entwickelten Charakteren.

    @licht:


    Ich möchte dir hier mal Wikipedia zitieren, welches sich als gute Quelle erweist:


    Zitat

    Bei Päpstin Johanna (auch Johannes Anglicus, in anderen Varianten der Legende auch Jutta, Frau Jutte, Gilberta, Agnes oder Glancia genannt) handelt es sich um einen Legendenstoff. Von seriösen Historikern wird die Päpstin Johanna als fiktive Gestalt eingestuft.


    Es gibt genau zwei, drei Quellen, die einen weiblichen Papst bezeugen wollen und die sind 300-400 Jahre nach ihrem Leben / Ableben entstanden:


    Zitat

    Die Legende um die Päpstin Johanna ist seit dem 13. Jahrhundert überliefert. Die ursprünglichen Formen der Sage berichteten von einer namenlosen Päpstin, die gegen Ende des 11. Jahrhunderts amtiert haben soll (Chronica universalis Mettensis des Jean de Mailly und Tractatus de diversis materiis predicabilibus des Stephan von Bourbon Mitte des 13. Jahrhunderts). Martin von Troppau verlegt diese Legende in seiner 1277 veröffentlichten Chronik in das 9. Jahrhundert und ergänzte die Schwangerschaft und Niederkunft der Päpstin während einer Prozession. Zwei Versionen Martins beschreiben entweder den Tod der Päpstin und ihres Kindes bei der Geburt oder die ihrer Verbannung in ein Kloster. Spätere Überlieferungen der Legende schmücken meist die erste Version weiter aus und der Päpstin werden andere Namen gegeben. Martins Version der Legende bildet auch die Basis der Version in der Schedel'schen Weltchronik, die ebenfalls weite Verbreitung fand.


    Und weiter mal ein paar Theorien:


    Zitat

    Eine Theorie sieht die Geschichte der Päpstin Johanna als Legende, die ihren wahren Kern im Bezug zur Familie der Theophylakten hat, genauer im Bezug zu Marozia, der Mutter von Papst Johannes XI., und ihrer Mutter Theodora, die in weniger als einem Jahrzehnt acht Päpste auf den Thron und wieder zu Fall brachten und somit die wahre Macht hinter dem päpstlichen Thron darstellten (siehe auch Pornokratie). Der Historiker Cesare Baronius erklärt den Mythos als eine Satire auf Papst Johannes VIII. (Papst 872–882) wegen seiner Weichheit im Umgang mit dem Patriarchen von Konstantinopel Photios I.


    Der Historiker Michael Hesemann führt die Entstehung der Legende um die Päpstin Johanna auf zwei Faktoren zurück.
    Einmal hieß die enge Gasse, die vom Lateran zum Vatikan führte, tatsächlich „vicus Papessa“, wurde aber nach einer dort bis ins 10. Jahrhundert residierenden Adelsfamilie, den „Papes“, benannt. Diese Gasse wurde tatsächlichlich aufgrund ihrer Enge von den Päpsten bei Prozessionen gemieden. Dort befand sich (unter der Kirche S. Clemente) ein einstiges Heiligtum des heidnischen Mithras-Kultes.
    Eine Weiheinschrift mit den lateinischen Buchstaben P.P.P.P.P.P. wird von den frühesten Quellen immer als Beleg für die Geschichte von der Päpstin genannt und als „Petre, Pater Patrum, Papisse Prodito Partum“ („Petrus, Vater der Väter, enthülle die Niederkunft des weiblichen Papstes“). Tatsächlich war P.P.P. („proprie pecunia posuit“: „stellte die notwendigen Mittel zur Verfügung“) eine übliche antike Weiheinschrift, während „Pater Patrum“ ein Hohepriester-Titel des Mithras-Kultes war. Ein an der Gasse aufgestelltes Madonnen-Bild wird noch heute als Darstellung der Päpstin fehlgedeutet.



    Selbst Kirchenhistoriker bezweifeln heute die Existenz eines weiblichen Papstes und führen dies auf französische Propaganda zurück; ich sage nur einpaar Stichworte: Papst - Gegenpapst, Avignon vs. Rom.

    Zitat

    Original von Gwen
    Das Buch hab ich vor ca. 2 Jahren gelesen und fand es klasse. Auch wenn es zum Teil sehr langatmig war, hab ich es verschlungen. :lesend Wirklich gelungendes Buch. Und ein Körnchen Wahrheit wird an der Geschichte über die Päpstin sicher auch dran sein...


    LG Steffi


    Nein, dem kann ich sehr deutlich widersprechen.
    Päpstin Johanna ist und bleibt eine Legende. Die Autorin hat aus einer Legende eine historische Wahrheit gemacht, die ich so nicht stehen lassen kann. Ihr Hauptargument ist, dass es eine Phase gab, in der in den offizielen Quellen eine Lücke an Päpsten gab. Zwischen 800 und 900 bis ca. 960. Kirchengeschichte ist nicht mein Gebiet, aber diese Zeit war geprägt von Päpsten und Gegenpäpsten - ein König nahm das Recht der Investitur an sich, und setzte Päpste und Bischöfe ein. Rom gefiel das gar nicht, dass sich weltliche in kirchliche Macht sich einmischte. Innerhalb eines Jahres (878) gab es drei Päpste - zwei davon Gegenpäpste; alle wollten die gleichen Rechte als Oberhaupt, keiner konnte sich eintragen lassen.
    Päpstin Johanna ist eine Legende und hat KEINERLEI faktische Deckung durch irgendeine Quelle.

    Klickst du hier!


    Ich habe jetzt ein kleines Bücherblog eingerichtet.
    Rezensiert wird der Großteil, der ich lese. Ansonsten gibt es nicht viel dazu zu sagen; bisher ist nur ein Artikel enthalten zum Thema "Literaturkritik".

    Zitat

    "pseudospirituelles Geplapper"


    Das drückt so ziemlich meine gesamte Meinung in nur zwei Worten aus.


    Als es damals publiziert wurde, es in die Bestsellerlisten stürmte kam ich zu der Erkenntnis, dass die Autorin mit dem Prinzip "Ich versammle jeden esoterischen Quark in Buchform" auch noch Erfolg haben wird. Zumindest ihr Wunsch hat sich somit erfüllt: Sie hat schon gut an der Publikation verdient :rolleyes

    Die Sendung war vergleichsweise (.. und ich nehme immer die Sendung, bei der Alice Schwarzer zu Gast war als Vergleich... *hust*) gut.
    Der Gast, Claus Peymann, hatte einmal mehr als drei Sätze zu sagen und sie hat ihn teilweise sogar ausreden lassen. Ihre Art jedem Gast ins Wort zu fallen, finde ich penetrant und impertinent.


    Aber endlich wurde einmal in Ruhe über ein Buch gesprochen, ohne weiter durch die Sendung zu hetzen. 10 Minuten lang ging es um "Die Wohlgesinnten" und die Diskussion der beiden war interessant zu beobachten, hatte ich doch den Eindruck, dass Claus Peymann mit sehr viel mehr Liebe zur Literatur spricht und eben über dieses Buch, als die Heidenreich.


    Sie will keine "Kritikersendung" abhalten; um ehrlich zu sein, erwartet das auch niemand von ihr. Das Einzige, was sie als positive Dinge über ein Buch sagen kann, ist ab und an die schöne Sprache und der tolle Inhalt, von dem man am Ende aber soviel weiß, dass man(n) das Buch nicht mehr zu lesen braucht.


    Die vorgestellten Bücher, allen voran Volker Weidemanns "Buch der verbrannten Bücher" und auch Martha Gellhorns "Muntere Geschichten für müde Menschen" fand ich sehr interessant.
    Wobei ihre Art auf einen "Übersetzungsfehler" hinzuweisen mehr als nervend war - vielleicht war das Wort im Zusammenhang des Buches einfach am ausdrucksstärksten? Ich kann es nicht beurteilen, zumal ich nicht vorhabe dieses Buch in den nächsten zwei Jahren zu lesen, weil ich erst dann vergessen habe, was darin passiert -_- Jetzt kenne ich ja 3/4 der Geschichte...


    Ansonsten mal wieder eine bessere Sendung.