Ich komme gerade von einer Lesung mit Hernan Diaz im Literaturhaus München (tatsächlich war es eine Doppellesung mit Lauren Groff und ihrem Roman MATRIX).
Einige interessante Infos zu dem Roman, insbesondere auch zu dem zweiten Teil, der ja aus der Perspektive dieses selbstherrlichen Macho-Tycoons geschrieben ist. Er meinte, dass er ja eigentlich Allegorien in Roman hassen würde, aber als er an dem Teil arbeitete, fielen ihm natürlich die Parallelen in der Politik der republikanischen Partei in den 1920ern und 2020ern auf. Auch damals gab es ja Steuersenkungen für Reiche, verstärkte Immigrationsgesetze für Italiener und Asiaten (Deutsche waren ok). Die Parallelen zu Trump, auch wenn er den Namen nicht nannte, waren offensichtlich.
Diaz redete über keinen Teil mehr als diesen, vielleicht auch um sich zu rechtfertigen, denn er meinte er hasse diese Figur und dessen Stimme. Er hätte als Recherche für diesen Abschnitt Biographien von Hoover und anderen prominenten Männern der Zeit gelesen. Das hätte ihn über Wochen in eine negative Stimmung versetzt. Auch interessant da, dass es sich bei dem Teil ja quasi um unvollendete Memoiren handelt, Fragmenten nur, dass der Abschnitt ursprünglich viel länger war und dass ihm gute Freunde überzeugt hätten diesen doch lieber zu kürzen. Gute Idee, weil ich dachte beim Lesen auch wieviele Leser bei diesem Teil wohl aufgeben. Weil schön zu lesen, ist das nicht. Diaz wies aber auf die visuelle Komponente in diesem Teil hin: die Auslassungen. wie zum Beispiel das Kapitel "Apprenticeship" das nur aus der Kapitelüberschrift besteht, ohne Inhalt. Weil natürlich musste dieser Mensch nichts lernen, seine Genialität war angeboren.
Es wurde aus allen vier Teilen vorgelesen. Aus der deutschen Übersetzung las Thomas Loibl, kongenial, Hernan Diaz war sichtlich begeistert und ergriffen. Jede Passage las er in einem eigenen Ton und den zweiten so treffend in diesen breitbeinig maskulinen Ton.
Der dritte Teil aus der Sicht von Ida und wie die Moderatorin erwähnte die erste "likeable" Figur. Auch Diaz liebt diese Figur, ihren Ton, aber das wäre nicht sein natürlicher Schreibton, meinte er, auch er musste Idas Sound erst einmal lernen, und da fiel mir wieder auf, wie sehr aus schreibtechnischer Perspektive dieser Roman ein Roman der verschiedenen Stimmen ist. Man weiß eigentlich gar nicht wie sich die Originalschreibstimme von Diaz anhört, ob sie in diesem Roman überhaupt vorkommt.