Beiträge von Googol

    Ich habe Diamond Age sehr gemocht. Wenn dieser Mensch sich doch bloß kürzer fassen könnte...


    Vor ein paar Wochen war Neal Stephenson in der Reihe authors@google zu Gast. Eine einstündige Diskussion über seinen neuesten Roman Anathem, seine Schreibmethoden, wieso er Lesungen nicht mag, wieso Kritiker meinen er könnte keine Romanenden schreiben etc. etc. Sehr zu empfehlen.


    Authors@Google Diskussion

    Ich habe ihn vor einigen Jahren im Literaturhaus Hamburg bei einer Lesung gesehen. Selten so etwas Langweiliges und Belangloses gehört. Nun beschreibt ihn Sigrid Löffler als "monoton und langweilig". Das passt.

    Zitat

    Original von Bartlebooth


    Naja, man müsste erst einmal begreifen, was diese Einordnung soll, dh wo die Parallelen zur Gattung "Fabel" sind, die man nicht einfach auf "nicht realistisch" reduzieren kann. "Der Junge im Gestreiften Pyjama" ist ja einfach keine Fabel, wenn er auch genauso unrealistisch ist wie eine. Was eine Fabel allerdings auch ist: Exemplarisch. Und hier könnte eine Diskussion ansetzen. Ist "Der Junge..." exemplarisch? Gibt es eine (für Fabeln typische) Moral von der Geschicht?


    Zumindest nennt der Autor das Buch eine Fabel: "The Boy in the Striped Pyjamas: A Fable". Und schon sind wir wieder bei der Frage ob der Autor seine Ziele erfolgreich umsetzt. Wenn das Buch nicht als Fabel funktioniert dann funktioniert das Buch nicht (was ja durchaus möglich ist).


    Aber wenn z.B. die Verbindung Naivität/Deutschland/Nazizeit direkt zu einer Abwehrhaltung führt und man sich ohnehin nicht auf das Buch einlaßen kann und will, ja, dann ist es tatsächlich eine Meta-Diskussion.

    Was ich nicht ganz verstehe: die Naivität in der Erzählperspektive wird doch schon im Titel deutlich gemacht. Es wird auch schnell deutlich, dass es sich hier um eine Fabel handelt, die sehr viel mit Vereinfachungen arbeitet. Das ist keine realistische Erzählung. Erzählungen in der (nahen) dritten Person sind auch nicht ungewöhnlich und sind oft fast ebenso nah am Erzähler wie in einer Ich-Erzählung. Die Kritik, die ich hier hauptsächlich lese, hat wenig mit der erfolgreichen oder unerfolgreichen Umsetzung der Idee zu tun, sondern die Idee selber wird kritisiert ("das darf man nicht", "das ist ärgerlich"). Das ist zwar eine legitime Diskussion, aber doch schon fast eher eine Meta-Diskussion ("für wen ist das Buch?", "erfüllt es einen Zweck?", "ist es gar populistisch?").

    Zitat

    Original von Bartlebooth
    Um es noch einmal zu verdeutlichen: Wollte man eine kindliche Schwierigkeit mit der Artikulation darstellen, sollte man doch eher schwierig zu artikulierende Wörter falsch artikulieren lassen, oder?


    Also ich erinnere mich mit Schrecken an so manche Artikulationsschwäche als Kind. Man gewöhnt sich eine bestimmte falsche Aussprache an oder verwechselt einfach Wörter, wird von den Erwachsenen vielleicht auch nicht korrigiert und bleibt dann erst einmal dabei. Ob das nun immer phonetisch besonders anspruchsvolle Begriffe waren, wage ich zu bezweifeln.


    Irgendwas muss der Autor einfach versuchen, um der Erzählung einen naiven Anstrich zu verpassen. Worauf wir uns vielleicht einigen können ist, dass es durchaus etwas Formelhaftes hat. Ich denke, was du zu wenig durchsichtig findest finde ich zu durchsichtig. Beides ist suboptimal.

    Zitat

    Original von Bartlebooth


    Verstehe ich nicht. Ist es nun "durchweg glaubwürdig" oder "gelingt es nur bedingt".


    Ich habe versucht zwischen vermuteter Autorenabsicht und Gelingen zu unterscheiden. Ich denke es ist naheliegend, dass das eine rein technische Frage der Erzählperspektive ist. Ich habe ein Kind als Erzähler, also versuche ich glaubwürdig aus dieser Perspektive zu erzählen. Ich glaube, dass das durchaus eine schriftstellerische Herausforderung ist. Das ist die vermutete Absicht. Furor und Aus-wisch als Begriffe finde ich da durchaus passend.


    Tatsächlich (siehe meinen Kommentar weiter vorne in diesem Thread) sehe ich einige erzählerische Schwächen in dem Buch. Die Perspektive ist nicht durchweg konsistent, da wird hin- und hergesprungen und diesbezüglich wird doch ziemlich geschludert. Das ist nun einmal ein heikles Thema und naive Erzähler in Romanen, die in der Nazizeit spielen, werden überhaupt sehr schnell angegriffen (war da nicht mal was mit Walser?) und da wäre mehr Sorgfalt durchaus wünschenswert gewesen. Zum Teil ist das Endresult tatsächlich ärgerlich, aber ich würde dem Autor nie böse Absichten unterstellen wollen. Höchstens fehlendes Können.

    Zitat

    Original von Bartlebooth
    Die Funktion dieses Kniffs (da geht es mir wie Voltaire) ist mir nie ganz transparent geworden. Soll es um eine Art "You Know Who"-Gefasel gehen, das Angst vor den richtigen Namen verbreitet? Das fand sogar Harry Potter albern. Die zweite Dimension dieser Art zu sprechen ist es, die mir das Buch gründlich verleidet.


    Ich denke nicht, dass das kein Kniff sein soll, sondern einfach eine durchgehend glaubwürdige Kinderperspektive, ohne nachträglich implantiertes Erwachsenendenken. Also reine Erzähltechnik. Inwiefern der Autor diese Technik beherrscht ist natürlich eine andere Frage (m.E. nur bedingt).

    Zitat

    Original von Voltaire
    Leider werden die Themen immer beknackter. "Genial"! Das ist ein echter 3,4-Promille-Vorschlag. :bruell


    Das Thema ist allerdings nicht ganz so schlimm wie "Echt, cool!", "Boah ey!" oder "Geil". In "Genie" umformuliert bieten sich ein paar beliebte und naheliegende Themen an, die ich hier aber nicht ausformulieren brauche (Wunderkind Tate und so).

    Wo wir gerade bei 1984-ähnlichen Tipps sind. LITTLE BROTHER von Cory Doctorow ist unbedingt zu empfehlen (noch sehr neu, daher nur auf englisch). Eigentlich ein Jugendbuch und sehr Computer-Jargon lastig, aber politisch sehr aktuell und spannend zu lesen.


    amazon.de:


    Marcus, a.k.a “w1n5t0n,” is only seventeen years old, but he figures he already knows how the system works–and how to work the system. Smart, fast, and wise to the ways of the networked world, he has no trouble outwitting his high school’s intrusive but clumsy surveillance systems.


    But his whole world changes when he and his friends find themselves caught in the aftermath of a major terrorist attack on San Francisco. In the wrong place at the wrong time, Marcus and his crew are apprehended by the Department of Homeland Security and whisked away to a secret prison where they’re mercilessly interrogated for days.


    When the DHS finally releases them, Marcus discovers that his city has become a police state where every citizen is treated like a potential terrorist. He knows that no one will believe his story, which leaves him only one option: to take down the DHS himself.

    Das scheint mir einmal eine sinnvolle Verwendung des BOD-Prinzips zu sein. Allgemein würde es mich freuen wenn mehr Autoren und Verlage vergriffene Titel auf diese Weise wieder interessierten Lesen verfügbar machen würden wenn es denn nicht mehr für eine "richtige" Neuauflage reicht.

    Ich wollte Bodo gerade fragen, ob er schon mal was von Robert Sheckley gelesen hat (würde zu Harrison und Marshall Smith passen, denke ich) und was stelle ich fest: keine einzige deutsche Übersetzung ist momentan lieferbar.


    Selbst auf englisch sind die meisten Bücher nicht mehr lieferbar, ausser ein paar Filmbücher und Kollaborationen mit anderen Autoren.


    Die Welt ist schlecht.

    Schwere Wahl.


    Amazon de:


    Klappentext
    Charlie Gordon, ursprünglich kaum des Lesens mächtig, ist zu Forschungszwecken operiert worden und entwickelt eine überragende Intelligenz; schließlich überflügelt er intellektuell und fachlich sogar die Professoren, die das Experiment leiten. Zu seinen Freunden zählt die Maus Algernon – das erste Lebewesen, das mit derselben Methode erfolgreich behandelt wurde.


    Mit den überwältigenden Fähigkeiten stellen sich für das Genie Charlie jedoch auch die ersten Probleme ein – in der Bäckerei, in der er früher arbeitete, mit seiner Familie, von der er jetzt entdeckt, daß sie ihn nie akzeptiert hat, und im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, vor dem er unerklärliche Angst hat.


    Als Charlie auf einem Fachkongreß als Attraktion vorgeführt werden soll, flieht er zusammen mit Algernon. Kurze Zeit später zeigen sich im Verhalten der Maus erste Verfallserscheinungen … Charlies Aufzeichnungen für das Forscherteam geben dem Leser einen atemberaubenden Einblick in seine geistige Entwicklung und das Drama seiner Existenz.


    Die seit vielen Jahren nicht mehr lieferbaren früheren deutschsprachigen Ausgaben erschienen unter dem Titel »Charly«.


    Über den Autor
    Daniel Keyes wurde 1927 in New York geboren und lebt heute in Florida; er studierte Psychologie und war Zeitschriftenredakteur und Modephotograph, später Englischlehrer und – nach einem Literaturstudium – Dozent u. a. an der Ohio University. Neben »Blumen für Algernon« hat Keyes drei weitere Romane und drei Sachbücher (psychologische Fallstudien) veröffentlicht.

    Zitat

    Original von Prombär
    Was ist denn Soft Science Fiction?


    Das Gegenteil von Hard Science Fiction. Es geht dabei also weniger um "harte" Wissenschaften wie Physik, Chemie etc., sondern mehr um "weiche" Wissenschaften wie Anthropologie, Psychologie und Sozialwissenschaften. Auffällig ist auch, dass mehr Wert auf Charakterisierungen und das eigentliche Geschichtenerzählen gelegt wird als in Hard SF.

    Zitat

    Original von flashfrog
    Wie soll denn die Jury einen Roman nach 10 Sieten beurteilen?


    Soll sie ja auch gar nicht. Entweder ein Text funktioniert alleinstehend oder nicht. Anscheinend scheinen das aber nicht einmal die Juroren so richtig zu begreifen.


    Der Text von Markus Orths hat mir persönlich zwar am besten gefallen, aber die Vorstellung des Textes im Wettbewerb eine Woche (!) vor dem Veröffentlichungstermin des Romans finde ich dann doch etwas übertrieben.


    Insgesamt wirkten die Texte professioneller. Weniger Totalausfälle als in anderen Jahren, aber auch weniger Überraschungen.


    Zum neuen Drumherum: die neue, etwas modernere, Kulisse fand ich ganz nett. Den Moderator, den ich sonst eigentlich mag, fand ich etwas aufdringlich. Die zurückhaltendere, objektivere Moderation von Ernst Grandits sagte mir mehr zu. Und Burkard Spinnen finde ich als "Links-Aussen" in der Runde besser als Mannschaftsführer/Jury-Vorsitzender.