Beiträge von Googol

    Almodóvars englischsprachiges Debüt. Einerseits still und kammerspielartig, aber auch spektakulär in der Inszenierung, in den schauspielerischen Leistungen von Tilda Swinton und Julianne Moore, aber auch John Turturro in einer Nebenrolle – und den Settings, der Architektur und Natur, der Kamera und dem Licht. Großes Kino.


    Die Verfilmung eines Romans von Sigrid Nunez, die gerade einen guten Lauf mit Verfilmungen zu haben scheint. Ich habe auch einen vielversprechenden Trailer von The Friend mit Naomi Watts und Bill Murray gesehen.


    ASIN/ISBN: B0DPZ87R51

    Warum Als wir Schwäne waren noch einmal durchgekaut werden musste, weiß ich nicht. Das Buch hatte letztes Jahr zu recht viel Aufmnerksamkeit erhalten und jetzt tun die Literaturclub-Leute so, als hätten sie das Buch für uns entdeckt.


    Meine Theorie ist, dass immer, wenn ein nicht aktuelles Buch besprochen wird, es der Gast ist, der das mitbringt (auch hier – ich kann mich noch erinnern, wie Dani Levy damals eine zerfledderte Taschenbuchausgabe vom Distelfinkmitbrachte, als der auch schon ein alter Hut war). Vermutlich haben sie nicht so viel Zeit zum Lesen. Um sie ein wenig zu entlasten, lassen sie sie ältere Bücher, die sie schon gelesen haben, mitbringen.

    Neuerdings spricht sie auch so komisch. Langsam und überdeutlich, dabei stets mit penetrant genervten Unterton. :gruebel


    Sie erinnert mich zunehmend, auch optisch, an Elizabeth Holmes, die ehemalige Geschäftsführerin von Theranos, weiblicher Steve Jobs, Überfliegerin und dann doch nur Anlagebetrügerin. Die hatte sich ja auch eine spezielle tiefe Stimme antrainiert, die überhaupt nicht die ihre war. Ich vermute hier fast auch, dass Weidel einen Stimmcoach hat, nur leider keinen besonders guten ;)

    Es "kommt so an", weil politisch intendierte Stellungnahmen es auf ein "Verbot" reduzieren


    Na ja, wenn wir dabei sind, Sachverhalte von subjektiven Interpretationen auseinanderzudröseln, dann geht es mir zu weit, das Gendern oder einen Hinweis auf das Genderverbot als zwingend politisch intendiert darzustellen. Das mag teilweise stimmen, die Interpretation mag auch einem gewissen Menschenverstand folgen, aber sie ist eben mindestens zum Teil Interpretation.


    Obwohl ich selbst denke, wie auch schon an mancher Stelle angedeutet, dass die Debattenkultur genau zu diesen politisch intendierten Überspitzungen neigt, ist das gerade beim Thema Gendern beiderseitig zu beobachten, und auch in deinen Darstellungen wird deine politische Intention oder Haltung speziell zum Thema Gendern sichtbar. Ich halte Gendern weder für aktuell geglückt oder durchdacht noch für das Ende des Abendlandes. Aber es fällt gerade eben auch im rechten Lager auf, wie das Gendern fast auf einer Ebene mit anderen gerade durchs Dorf gezogenen Themen behandelt wird (Immigration, Corona, Klima etc.). Auch da gibt es ein gewisses Muster, wenn auf X-Profilen dann eben AfD-Propaganda betrieben wird und sich gleichzeitig z. B. über die Pronomenangabe lustig gemacht wird.


    Das heißt natürlich nicht, dass man rechts ist, wenn man gegen das Gendern ist, oder links, wenn man es unterstützt, aber eine politisch überhitzte Zuspitzung und Polarisierung scheint mir doch auffällig.

    Der Umgang mit der AfD berührt das klassische Poppersche Paradoxon der Toleranz. Intoleranz nicht zu tolerieren, ist nicht intolerant, sondern schützt die Werte der Toleranz.

    Den Fortschritt so lange abzuwarten, bis auch die letzten dazu bereit sind, hat nur ein einziges Ergebnis: Keinen Fortschritt.

    Das ist eine Dynamik, die ich vor allem in der Wirtschaft und der IT-Welt sehe: Man sitzt in einer Bequemlichkeitsschleife fest, aus der es sehr schwer ist, Innovationen zu initiieren, also sogar in kleineren Gruppen von Menschen, die demografisch eigentlich durchaus geeignet für Fortschritt sein sollten. Insofern ist Digitalisierung in Deutschland nicht nur ein Konsumentenproblem, sondern auch ein Innovationsproblem. Natürlich macht diese grundlegende Schlaffheit, auf die gesamte Gesellschaft hochskaliert, die Situation nicht gerade einfacher. (Um diesen subjektiven Seitenhieb nicht auszusparen: Da ich sehr viel mit internationalen Teams in der IT zusammenarbeite, fällt mir auf, dass es vor allem die deutschen Mitarbeiter sind, die besonders schwer zu motivieren sind, mal um die Ecke zu denken.)

    Ich weiß aber nicht, ob die Apotheke gerade der Mikrokosmos ist, der das Problem am besten aufzeigt, vor allem aus zwei Gründen:


    Bei der Gesundheitsversorgung und jetzt gerade im Pandemie-Management (und gerade da, da niemand bisher praktische Erfahrungen gesammelt hat) ist es ja erstmal ad hoc wichtig, die Gesamtbevölkerung mitzunehmen. Das ist erstmal die Grenzsituation, die nicht zwingend ein Fortschrittsexperiment sein sollte. Dass das indirekt zu einem Fortschritt der Digitalisierung beigetragen hat, ist schön, aber das kann im Moment nicht die Priorität sein.


    Und dann, wenn es um ältere Menschen geht. Da geht es ja nicht nur um Akzeptanz für neue Dinge, sondern wegen altersbedingter Handicaps eben auch um entsprechend handicapgerechte Technologie. Und da sind wir wieder beim Innovationsthema: Aktuell sehe ich die meisten Produkte nicht gerade für z. B. Menschen mit Sehschwächen gut bedienbar. Vielleicht, wenn man jung damit konfrontiert wird, kann man sich mit der vorhandenen Technologie irgendwie kreativ durchs Leben navigieren. Aber wenn man bereits mit einem ausgeprägten Handicap eine neue Technologie lernen muss, ist das mit der vorhandenen Produktlandschaft sehr schwierig.

    Es geht mir gehörig auf den Keks, wie dieses Land, das unter dem Strich ein tolles Land ist, permanent schlecht geredet wird. Politik ist IMMER ein Konsenz, das muss sie auch sein, sonst würden wir unter Oligarchen in einer Diktatur leben.

    Sehe ich absolut genauso.


    Ich denke, es gibt eine vielleicht menschliche Empörungswut, die immer mehr eskaliert, eine Art Kulturpessimismus, obwohl die Ironie ist, dass auch dieser Hinweis ein Beispiel für Kulturpessimismus ist. Wenn man sich die verschiedenen Krisen anschaut, die es unumstritten gibt, fällt mir auf, dass diese selbstgemachten Krisen – also der Kulturkampf oder die Polarisierungen in den sozialen Medien – einen so starken Einfluss auf unsere Gesellschaft und Politik haben, dass sie Wahlentscheidungen beeinflussen und zunehmend rechtspopulistische Parteien an die Macht bringen. Dieser Empörungszwang wird selbst zur größeren Gefahr als Klima-, Energie-, Migrations- und andere Krisen. Wir brauchen keinen radikalen politischen Wandel, um die Probleme unserer Zeit zu lösen, sondern einen radikalen „Jetzt-reißt-euch-verwöhnte-Wohlstandsmenschen-endlich-zusammen“-Mindset-Wandel.

    Was ist daran gelungen?


    Wie angedeutet, mag ich das Spiel zwischen Autofiktion, also der Geschichte des tatsächlichen Ehepaars, und der literarischen Verfremdung des Stoffes. Es könnte alles so gewesen sein oder eben nicht. Dass sie dafür neue Figuren mit neuen Namen schafft, ist für mich ein cleveres Mittel, den Text in dieser Schwebe zu halten.

    Ich bin auch Team „Hey, guten Morgen“ und finde die Wahl dieses Buches für den Deutschen Buchpreis nachvollziehbar und gut. Ich finde das Konzept des Romans originell und konsequent umgesetzt. Es gibt einerseits den Strang zwischen der Hauptfigur und dem Love Scammer und andererseits den zwischen der Hauptfigur und ihrem Mann, beides bietet viel Spielraum für Reflexion über Privates und Gesellschaftskritisches. Das Spiel mit der Autofiktion, also die Fiktionalisierung, z. B. durch die Verwendung der Namen Juno und Jupiter statt Martina und Jan, ist gelungen. Selbst eine Buchpreisvergabe kommt im Roman vor. Diese ganzen spielerischen Komponenten haben mich sehr überzeugt.

    Ich habe dieses Jahr sehr viel von der Booker-Prize-Nominierungsliste gelesen: 8 von 13 Büchern der Longlist, bevor die Shortlist bekanntgegeben wurde. Zwei der ungelesenen Bücher schafften es auf die Shortlist, und die habe ich dann auch gelesen. Ich hätte mich aber auf mein Bauchgefühl verlassen sollen. Hatte wohl ein Grund wieso ich in der ersten Runde dieses Buch gemieden habe.


    Creation Lake - Rachel Kushner


    Im April erscheint es in deutscher Übersetzung. Ich habe sonst kein Problem mit unsympathischen Hauptfiguren, aber typischerweise wird das erzählerisch gerechtfertigt. Hier war es einfach nur nervig. Ein Spionageroman, der in Südfrankreich angesiedelt ist und Themen und Settings zusammenwürfelt, die für mich einfach nicht passen (eine komplett eskalierte Potluck-Party von einem Buch): ein bisschen Klima, durch den Roman durchziehende Betrachtungen über Neandertaler, nerviger Humor, zweidimensionale Figuren, wilder Plot.Thematisch soll das vermutlich ineinandergreifen, die Neandertaler, die Schöpfung, aber das Buch hat mich zu sehr genervt, als dass ich die Geduld gehabt hätte, das zu entschlüsseln.


    Das war das erste Buch von Kushner für mich, und ich glaube nicht, dass die Autorin etwas für mich ist. Wahrscheinlich reine Geschmacksache.


    ASIN/ISBN: 3498002414

    Misrecognition - Madison Newbound


    Begründung:

    Ich mag, wie ein anscheinend typisches Bild von Gérard Schlosser, das sehr ansprechend ist, durch eine ungewöhnliche Perspektive auffällt und zur Stimmung des Buches passt, in das Cover-Design integriert ist, und wie die Farben des Bildes für Titel und Autorenname verwendet werden.


    ASIN/ISBN: B0D589DQVR

    Brother & Sister Enter the Forest - Richard Mirabella


    Begründung:

    Ich mag, wie dieser Titel die Geschwisterdynamik in diesen märchenhaften Kontext setzt (der Wald als Motiv aus den Märchen, Hänsel und Gretel), obwohl es sich eigentlich um einen zeitgenössischen Roman ohne fantastische Elemente handelt. Der Titel erzeugt jedoch diesen Subtext und ist insofern ein wesentlicher Bestandteil des Romans, weshalb ich ihn sehr schätze.


    ASIN/ISBN: B0B4V4Q2T8

    Station Eleven - Emily St. John Mandel


    Begründung:

    Ich war spät dran mit der Lektüre dieses modernen SF-Klassikers von 2015, Arthur-C.-Clarke-Award-Gewinner, aber auch auf der Shortlist für den National Book Award, und diese ungewöhnliche Kombination sagt schon etwas aus: gleichzeitig Unterhaltungsliteratur und anspruchsvolle Erzähltechniken.


    ASIN/ISBN: 9781447268970

    The Heart in Winter - Kevin Barry


    Begründung:

    In Butte, 1891, in Montana angesiedelt, irgendwas zwischen Historienroman, irischem Western (sind das alles irische Einwanderer) und dem literarischen Niveau eher zeitgenössischer Literatur. Zwei Liebende fliehen aus einer Stadt, und es beginnt eine Verfolgungsjagd, mit sehr lyrischem und whiskeygetränktem irischem Sound.


    ASIN/ISBN: 1805302116

    Weltflucht - César Aira


    Begründung:

    Kurze Essays über Literatur, Kunst und das Schreiben, im typischen César-Aira-Erzählsound, die auf kleinstem Raum faszinierend komplexe Erkenntnisse beschreiben, mit denen ich mich sehr identifizieren kann (ein Plädoyer für klassisch erzählende Fiktion und die Weltfluchten vs. der Vorherrschaft der reinen Abbildung von Realität in der modernen Literatur).


    ASIN/ISBN: 375180949X

    Ghostroots - Pemi Aguda


    Begründung:

    Für eine Kurzgeschichtensammlung ein ungewöhnlich konstant hohes Niveau. Sehr klug komponierte Geschichten vor der Kulisse von Lagos in Nigeria, die auf für mich sehr ungewöhnliche Weise den typischen spirituellen magischen Realismus afrikanischer Erzählungen mit der harten Realität des Schauplatzes und den sozialen Dynamiken verbinden.


    ASIN/ISBN: 0349018227