Beiträge von John Dowland

    Hier mache ich mal den Anfang. In meiner Übersetzung (E) ist dieser dritte und letzte Teil mit der Zwischenüberschrift „Die Visionen und ein biographischer Bericht“ versehen. Amos hat insgesamt fünf Visionen und mit dem „biographischen Bericht“ ist wahrscheinlich 7, 10 – 17 gemeint.


    Bei den Visionen fällt auf, dass die ersten beiden einem völlig identischen Muster folgen:


    - Gott zeigt Amos ein bevorstehendes Unglück (es ist nicht ganz klar, aber wahrscheinlich, dass es sich um eine Strafe handelt)
    - Amos bittet Gott um Vergebung und übernimmt die Rolle des Fürsprechers
    - Gott „bereut“ sein Vorhaben und sieht davon ab.


    Bemerkenswert finde ich, dass Amos hier nicht lediglich als „Sprachrohr“ oder Bote einer göttlichen Message erscheint. Stattdessen steht er in unmittelbarem Dialog mit dem Herrn und kann diesen sogar umstimmen! Das wird ihm bei seinen Zeitgenossen – zumindest denen, die ihm Glauben geschenkt haben – eine herausragende Stellung eingeräumt haben (vielleicht sogar gepaart mit einer gewissen Macht bzw. Unantastbarkeit).


    Die dritte Vision läuft anders ab. Amos sieht offenbar keinen Anlass für eine Replik. Und Gott will denn auch keine Milde walten lassen. Es ist nachvollziehbar, dass das Publikum mit diesem Verlauf der Geschichte wenig einverstanden ist.

    @ ninnie


    Ja, unter anderem. Der Weg, den man gehen muss, um verschont zu bleiben? Dazu müssen sich die Menschen wahrscheinlich anders verhalten, als Amos in 5, 7 ff. oder 6, 1 ff. beschreibt. Amos polarisiert und spitzt zu. In seinem Malkasten kommen erstmal nur zwei Farben vor. Vielleicht hat er festgestellt, dass er auf andere Weise niemanden erreicht.

    Salome


    Ich glaube, Du sprichst da einen wichtigen Punkt an. Amos will seinen Zeitgenossen tatsächlich Angst einflößen. Sie sollen merken, dass alle Sicherheit, auf die sie bauen (Paläste, Reichtum, Macht und Soldaten), nur scheinbar existiert.


    Wann wendet jemand dieses Mittel an? Wenn alles andere (gutes Zureden möglicherweise) nichts gefruchtet hat...

    Zur „leichtlebigen Oberschicht“: In den Versen 6, 1 – 7 geht es zunächst um eine andere Qualität von „Verbrechen“, als im ersten Kapitel. Hier werden keine Kriegsgräuel wie Verschleppung oder Entvölkerung angeprangert. Stattdessen befasst sich Amos in seiner nun schon wohlbekannten dezenten Art (die ja gerade Ninnie so an ihm schätzt…) mit Leichtlebigkeit, falscher Sorglosigkeit / Selbstsicherheit und einem verschwenderischen Lebensstil. Wer nun denkt: „das bisschen faulenzen kann doch nicht so schlimm sein“ wird von Amos ganz schnell eines Besseren belehrt. Auch hier gibt es die Höchststrafe… Wobei mir die Verse 6, 9 und 10 ganz besonders dunkel vorkommen… Das Entsetzen, das die Menschen hier packt, ist förmlich mit den Händen zu greifen.


    Ich denke aber, wir haben es hier trotzdem immer noch, wie Levita sagt, mit einem barmherzigen Gott zu tun.

    Hallo zusammen,


    habe die „Traumnovelle“ soeben ausgelesen. Und teile Eure Einschätzung über die Qualität des Buches. Ein Text, mit dem man in die Zeit von „Dienstboten“ und „Hausbesorgerinnen“ versetzt wird und der sich überraschend offen mit den geheimen Wünschen und Sehnsüchten seiner Protagonisten befasst. Möglicherweise geht es dabei um mehr, als die Schilderung sexueller Wunschträume. Mich haben einzelne Passagen der Erzähltechnik auch an den Schreibstil Murakamis erinnert. Möchte wetten, dass der sich irgendwann mit Schnitzler befasst hat.


    Einerlei – das Buch wirft für mich viele Fragen auf. Hat jemand von Euch Lust und Zeit, darüber zu diskutieren? Und müsste man hierzu eine Art Leserunde gründen?


    Viele Grüße


    J. D.

    Also: Ich habe kein Theologiestudium hinter mir, sondern mich, wie wahrscheinlich die meisten hier, nur zu Schulzeiten und dann aus gelegentlichem Eigeninteresse mit der Bibel befasst. Deshalb bin ich dankbar, dass Licht immer wieder dafür sorgt, dass wir uns im Amos´schen Urwald nicht verlaufen. Aber einfach nur zu sagen, dass die Eingangsformeln in den Kapiteln 1 und 2 (z.B. 2, 1: „Wegen der drei Verbrechen, die Moab beging, wegen der vier nehme ich es nicht zurück“) „eine unbestimmte Zahl “ bedeuten, scheint mir vom Gefühl her doch etwas zu kurz gegriffen. Zwar werden im Anschluss keine sieben Einzelverbrechen aufgezählt. Mal ist es eins (wie bei Moab), mal sind es mehrere (z.B. Juda, 2, 4). Die Verbrechen, um die es geht, sind von Staat zu Staat unterschiedlich. Keinen Unterschied macht Amos allerdings bei seiner formelhaften Einführung (die durch ihren Wiederholungscharakter und die prominente Anfangsstellung in unseren Übersetzungen ja auch fast schon wie eine unheimliche Beschwörung klingt). Ich glaube, dass Amos die Zahlen symbolhaft verwendet. Und dann gibt es neben der Bedeutung „3“, „4“ oder „viel“ auch noch weitere, mitschwingende Bedeutungen. Wahrscheinlich hat jeder von uns, der sich bisher mit diesen Zahlen befasst hat, einen möglichen Teilaspekt aufgegriffen. Das Ganze wird man aufgrund der großen zeitlichen Distanz wohl sowieso nie verstehen. Aber man kann ja mal in verschiedene Richtungen nachdenken.

    Ich bin mir zu 100% sicher, dass auch die Zeitgenossen von Amos nicht durchgängig daran geglaubt haben, dass Gott in der Weise, wie Amos es beschreibt, in das Weltgeschehen und auch ihr persönliches Schicksal eingreift. Amos` Verse wären in diesem Fall ja überflüssig. Es könnte aber sein, dass damals viele Menschen, die einerseits Krieg und Not in der allerschlimmsten Form erfahren haben und andererseits erleben mussten, wie sich Mächtige immer mehr auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, an ihrem Glauben an das Gute verzweifelt sind. Hier will Amos vielleicht die Zuversicht wecken, dass auch für ungerechte Herrscher, die sich in scheinbar uneinnehmbaren Palästen verschanzen, irgendwann der Tag der Abrechnung kommt (z.B. 1, 14). Amos bleibt aber bei dieser simplen Rachelogik nicht stehen. Er fordert seine Zeitgenossen vielmehr auf, in ihrem Glauben standhaft zu bleiben und – vor allem – entsprechend dieser Einsicht zu handeln (das Recht nicht zu brechen, keine ungerechten Eroberungskriege zu führen, seine Mitmenschen nicht auszuplündern etc.)


    Für mich sind diese Texte geradezu erschreckend aktuell. Heute lese ich in der Zeitung, dass der russische Präsidentschaftskandidat gegen den Zustand "ankämpfen" will, dass Gerichtsurteile durch Telefonanrufe „von oben“ beeinflusst werden (man darf ja gespannt sein, was dabei herauskommt...). Und zwei Seiten später einen Bericht über Stammesmilizen, Räuberhorden und Flüchtlingslager in der sog. Krisenregion Darfur. Die Welt hat sich seit 2 700 Jahren nicht geändert?

    ninnie


    Deine Empörung verstehe ich gut. Aber:Wenn die sich die Menschen aufführen dürften, wie sie wollen, und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden (weil jeder mit „Begnadigung“ rechnen kann), gibt es keinen Grund, nicht „in Betten aus Elfenbein“ zu schlafen (6, 4) und Unschuldige nicht „in Not zu bringen“ (5, 12) wenn dies dem eigenen Vorteil dient. In diesem Fall wäre alles erlaubt. Jeder kann letztlich tun, was er will. Das bedeutet natürlich nicht, dass nicht jeder Mensch die Möglichkeit hätte, sich zu ändern und sein Schicksal positiv zu beeinflussen. Die Änderung muss aber schon stattfinden. Ist das nicht der Fall, müssen doch Konsequenzen eintreten, oder?

    Amos beschreibt die Welt, wie sie ist. Er beschönigt sie nicht. Mit Sicherheit hat er in seinem Leben viel Schreckliches gesehen.


    Ich kann aber dem Gedanken, dass man Gott auch im schlimmsten Unglück finden kann, etwas Tröstliches abgewinnen. Die Menschen haben immer die Chance zur Umkehr. Und aus so wunderbaren Versen wie 4, 13 spricht doch auch eine tiefe Sehnsucht, dass es so, wie dort beschrieben, auch sein möge.

    @hestia 2312


    Vers 5, 3, also die Sache mit der Rückkehr von hundert bzw. zehn Kriegern, habe ich auch nicht verstanden. Möglicherweise sind die Soldaten zu einem ungerechten Krieg aufgebrochen (ähnlich wie im ersten Kapitel) und werden dafür zur Rechenschaft gezogen.


    Bei 5, 4 („Sucht mich, dann werdet ihr leben“) habe ich mich gefragt, welches „Leben“ denn hier gemeint ist: das diesseitige? Das jenseitige? Beide? Aus den bisherigen Kapiteln nehme ich mit, dass es Amos zuallererst um eine Änderung der irdischen Verhältnisse geht. Was will oder kann man denn auch vom Jenseits erzählen…Weiter, dass die Menschen nicht bei der bloßen Einsicht stehen bleiben sollen, sondern zu ganz konkretem Handeln aufgefordert werden (z.B. 5, 7 ff. – Achtung des Rechts).

    Mit den Versen 5, 5 – 6 stellt Amos, wenn ich es richtig sehe, inhaltsleere Kulthandlungen an den Pranger und ruft seine Landsleute zu einer Art inneren Umkehr auf: sie sollen nicht (zum Reichsheiligtum) nach Bet-El aufbrechen, sondern „den Herrn suchen“. Das heißt, sie sollen den Sinn seiner Gebote verstehen und entsprechend handeln. Der „falsche Gottesdienst“ wird ja dann auch in 5, 21 ff. anschaulich beschrieben. Auf solchen Festen wird man, denke ich, auch den „kommenden Tag des Herrn“ gefeiert haben. Nur: wenn die Menschen nur so tun, als würden sie Gottes Regeln kennen und beachten, wird dieser Tag anders aussehen, als sie denken. So könnten dann auch die Verse 5, 16 ff. zu verstehen sein: Finsternis für die Überbringer von „fetten Heilsopfern“.


    Ich glaube schon, dass Ihr Recht habt. Eine eindeutige Warnung.

    ninnie


    So sehe ich es auch. Es wird nur ein Ursachenzusammenhang aufgezeigt, der in unseren Ohren ungewöhnlich klingt. Wenn eine Hungersnot entsteht, sagt Amos, dann hat Gott seine Hand im Spiel. Die Hungersnot oder auch ein Krieg sind also bei all dem Leid, das entsteht, kein Grund, vom Glauben abzufallen – im Gegenteil. Man kann (und muss) erkennen, dass sie auf Gottes Wirken zurückzuführen sind.


    Aber letztlich können die Menschen etwas ändern. Sie können die Welt besser machen, logisch. Wenn das gelingt, handeln sie im Einklang mit Gott. Wenn nicht, sind wir wieder bei Amos´ Prophezeiungen… Ich glaube, im Kern will Amos seine Landsleute ermutigen, weiterhin, und trotz allem, was geschieht, an Gott zu glauben.

    Jetzt haben sich ja alle Eltern erstmal geoutet… und Amos liefert noch ein paar wertvolle Erziehungstipps. Da können einem die Kleinen ja jetzt schon richtig leid tun.


    Zum Text:


    Bei einem Vers wie: „Ich ließ euch hungern in all euren Städten … und dennoch seid ihr nicht umgekehrt zu mir“ (4, 6) reibt man sich ja zunächst die Augen: Gott lässt die Menschen hungern, die Felder verdorren, verwüstet Gärten und Weinberge und wundert sich dann, dass niemand zu ihm „umkehrt“?

    Als ich den Text heute früh gelesen habe, war ich der Meinung, dass Amos hier eine gar nicht so einfache Botschaft übermittelt. Er beschreibt ja eine fürchterliche und chaotische Welt (erst bei Vers 4, 13 atmet man auf), in der der Glaube an Gott oder an eine „höhere Gerechtigkeit“ den Menschen sicher schwer gefallen ist. Amos´ zufolge ist alles, was geschieht, Gutes wie Böses, im Kern auf Gottes „Ratschluss“, wie er es nennt, zurückzuführen. Wenn ein Unglück geschieht, wenn Soldaten in Kriegen sterben, dann ist das auch als Zeichen für die Existenz Gottes zu sehen. Die Unglücke geschehen aber, weil die Menschen schlecht handeln und Gottes Gebote verletzen. Würden Sie anders handeln, wäre auch die Welt besser. Wer wollte ihm da widersprechen?


    Viele Grüße


    J. D.

    Die Assoziation Eltern - Kinder hatte ich schon im ersten Kapitel: Dieses Mal "nehme ich es nicht zurück". Das klingt beinahe wie die Bekräftigung ermatteter Väter und Mütter, die bislang nicht sonderlich konsequent ihrem Nachwuchs gegenüber waren - mit den entsprechenden Folgen bei den Sprößlingen.... Man hat´s eben nicht leicht. Weder als Elternteil noch als Prophet.