ZitatOriginal von Ninnie:
Aber wenn die Rede von der kompletten Auslöschung eines Volkes ist, sind für mich dort unweigerlich auch unschuldige kleine Kinder mit einbegriffen.
In der Tat: bei der Vision vom Untergang des Tempels und des Volkes in 9, 1 ff. und bei den Leichen, die in 8, 3 „überall hingeworfen“ werden, wären wahrscheinlich auch Kinder dabei gewesen – obwohl das nicht ausdrücklich so gesagt wird.
Du sprichst, glaube ich, einen zentralen Punkt an: Kinder sterben. Auf der ganzen Welt. Heute, gestern und natürlich auch zu Amos´ Zeiten. Kein Mensch hat das je verstanden. Kein Mensch wird das verstehen. Und Amos erweckt den Eindruck, als würde sein Gott auch noch vorsätzlich zum Schlag ausholen…
Nehmen wir mal an, es wäre nicht so. Zum Beispiel weil Gott nicht so handeln darf, wie Amos hier glauben machen will. In diesem Fall würden Kinder ja trotzdem sterben. Was ist dann mit Gott? Sieht er dabei zu? Oder hat er, im Gegenteil, alle Hände voll zu tun? Kann sich nicht um alles gleichzeitig kümmern, oder muss vielleicht ständig größeres und schlimmeres Unheil verhindern? Ich habe arge Zweifel, ob ein passiver oder vielbeschäftigter Gott für uns leichter verstehbar ist.
Amos jedenfalls hätte so einen Gott nicht akzeptiert. Gottes Allmacht steht für ihn außer Frage. Deshalb, vermute ich, dreht er den Spieß um: ja, Erdbeben sind eine Strafe Gottes, und, ja, wenn dabei Kinder sterben, ist das kein blinder Zufall und kein Defekt am großen Schaltpult, sondern Gottes Wille. So sieht Amos die Welt und das ist erst einmal ein furchtbarer und wenig akzeptabler Gedanke.
Aber wozu das Ganze? Nach der Gleichung, die Amos hier aufmacht, steht am Ende von jedem Tun und jedem Nichttun: eine Folge. Euer Handeln, sagt Amos seinen Zeitgenossen, hat Konsequenzen. Ob ihr Waisenhäuser baut, oder Wagenburgen, ist dem Chef nicht egal. Und was ein einzelner tut, hat immer irgendwie auch Auswirkungen auf alle.
Nehmen wir mal an, Amos´ Publikum hätte das von heute auf morgen ebenso gesehen. Und sich nach den von ihm propagierten Geboten der Menschlichkeit, Brüderlichkeit und Fairness gerichtet. - Vermutlich bräuchte man sich dann mit 2/3 der aufgezählten Menschheitsgeißeln nicht mehr groß befassen: kein Krieg, keine Plünderung, keine Ausbeutung und, natürlich, keine Tötung unschuldiger Kinder mehr. Eine feine Sache also.
@ Magna Mater – ich weiß, die Lämmer und das Erdbeben… Und dann der Vergleich mit den Ayathollas … der macht mir noch ein wenig zu schaffen. Da muss ich erst nochmal gründlich nachdenken.