Vielleicht ist es sinnvoll, den Text in Abschnitte zu unterteilen. Ich würde dann die Ankunft (I.), die Geschehnisse im Haus (II.), die Aufbahrung der Lady Madeline (III.) und schließlich die Ereignisse danach (IV.) unterscheiden wollen. Die „äußere“ Handlung ist rasch erzählt: der Erzähler hat einen Brief seines erkrankten Jugendfreundes erhalten. Er entspricht dessen Bitte nach einem Besuch im Hause Ascher. Dort angekommen wird der Erzähler Zeuge merkwürdiger Vorgänge, insbesondere ist er dem Freund, der offenbar dem Tode näher als dem Leben steht, dabei behilflich, dessen gerade verstorbene Schwester in einer Gruft des Hauses aufzubahren. Einige Zeit später, in einer stürmischen Nacht, betritt die Verstorbene als geisterhafte Erscheinung das Zimmer der Freunde; Roderick Ascher, der soeben gestanden hatte, die Schwester lebendig in den Sarg gelegt zu haben, überlebt diese Begegnung nicht. Nachdem der Erzähler das Haus fluchtartig verlassen hat, wird dieses von den Naturgewalten zerstört.
Ein wichtiges Thema scheint mir der Einfluss der Natur auf die Gemüts- und Seelenzustände des Menschen zu sein. Während Roderick Ascher den geheimnisvollen Kräften seiner Umgebung schon vollständig erlegen ist, beginnt der Erzähler diese in Ansätzen zu spüren, kann ihnen aber glücklicherweise entkommen.
Der Kern des Ganzen besteht für mich in der Frage, warum Roderick Ascher es, wie er sagt, nicht gewagt hat, dem Freund mitzuteilen, dass die geliebte und angeblich verstorbene Schwester noch am Leben ist. Daneben stellen sich aber weitere Fragen: welche Bedeutung hat der geheimnisvolle Dunstkreis „gänzlich unverwandt der Himmelsluft“, der das Haus umgibt? Welche Beziehung hat hier eigentlich zwischen Bruder und Schwester bestanden? Und: sind es tatsächlich lebende Menschen gewesen, denen der Erzähler hier begegnet ist?
Man kann den Text m.E. auch als Beschreibung des Übergangs vom Leben zum Tod lesen – denn es ist in der Tat ein Totenreich, an dessen äußersten Rand sich der Erzähler begibt - es wird verkörpert durch den dunklen Teich, die Gruft unter der Erde und auch das von Roderick Ascher angefertigte Bild dieser Gruft. Der Grund für die „unterlassene Hilfeleistung“ des Bruders könnte dann darin liegen, dass er die geliebte Schwester von ihrem irdischen Dasein „erlösen“ wollte, ihr (umgekehrt) dabei „hilft“, in den Tod zu gehen, wohl wissend, dass dies auch sein eigenes (ersehntes?) Ende bedeuten würde.