Zitat
Original von Dieter Neumann
… Denn mittlerweile sind es nicht nur Bezahlverlage, die den Autoren oft falsche Hoffnungen machen, sondern auch Social-Media-Unternehmen und -Berater zeichnen ein merkwürdig verzerrtes Bild des Autorenlebens. …
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Später dann hört man auf der Bühne wieder einen Social-Media-Berater, der von der schönen neuen Welt berichtet und davon, dass sich Verlage künftig warm anziehen müssten, da man sie eigentlich nicht mehr benötige. Verlage müssten lernen, sich mehr als Dienstleister der Autoren zu sehen, denn die haben künftig dank E-Book und den Selbstvermarktungskanälen Facebook und Twitter ganz andere Möglichkeiten …
Genau über diese Stelle bin ich gestolpert. Wer weiß, vielleicht bin ich ja sogar der gemeinte "Social Media Berater"? Ich habe nämlich am Samstag auf dem Autorencamp ähnlich frevelhafte Sätze gesagt. Jemand, der solches behauptet und am Existenzrecht von Verlagen (in der bisherigen Form) zu zweifeln wagt, wird gleich in einen Topf mit Druckkostenzuschussverlagen und Beutelschneidern geworfen - das finde ich schon ein bisschen seltsam.
Zum Glück fühle ich mich in guter Gesellschaft. Lesenswert finde ich z.B. ein Interview mit Clay Shirky, einem anerkannten Experten dafür, wie das Internet unser Leben verändert. Zitat: "Publishing is not evolving. Publishing is going away." Damit meint er Publishing in dem Sinn, dass man einen Verlag braucht, um etwas zu veröffentlichen - dem ist eben nicht mehr so.
Das heißt natürlich in keiner Weise, dass jeder jeden Schwachsinn erfolgreich veröffentlichen kann. Aber Youtube, Twitter, Foren wie dieses hier oder das Internet als Ganzes beweisen uns täglich, dass die Perlen in dem Ozean aus Unsinn nicht untergehen. Die User können offenbar sehr wohl allein entscheiden, was sie gut finden und was nicht, und brauchen dafür keine "professionelle Auswahlinstanz", wie es sich Kiwi-Verleger Helge Malchow mal in einem SPIEGEL ONLINE-Interview gewünscht hat.
Ebensowenig bedeutet es, dass professionelles Lektorat und Grafik überflüssig wären. Aber das können viele bieten und eben nicht nur Verlage.
Es wird erfolgreiche Autoren geben, die das alles selbst machen und sogar eigene Unternehmen dafür gründen werden. Es wird neue Anbieter geben, etwa Agenturen, die auch Lektorat, Grafik etc. mit anbieten, ohne dass der Autor vorab etwas bezahlen muss. Es wird Kooperationen zwischen Autoren, Grafikern, Lektoren und Vermarktungsprofis geben, bei denen sich alle irgendwie den Ertrag aufteilen. Es wird ganz neue Modelle des Self Publishing geben und neue Wege, Leser zu erreichen (Mygnia sehe ich z.B. als einen davon).
Es wird bestimmt auch weiterhin schwarze Schafe geben, die naiven, selbstverliebten Möchtegernautoren das Geld aus der Tasche ziehen. Und es wird auch in Zukunft Verlage geben - aber nur solche, die sich von der Vorstellung verabschieden, sie allein hätten das Markteintrittsrecht, und sich etwas Neues einfallen lassen.
Das ist jedenfalls meine Ansicht, und ich weiß, dass es auch in vielen Verlagen Leute gibt, die das ähnlich sehen. Im Übrigen möchte ich betonen, dass ich nicht gegen Verlage bin - im Gegenteil arbeite ich mit Aufbau und Thienemann sehr gut und gerne zusammen. Gerade deshalb predige ich denen, dass sie sich Gedanken über ihre Zukunft machen müssen.