Beiträge von Karl Olsberg

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    Original von Zwergin
    Jede Epoche hat und hatte ihre eigenen Risiken und Gefahren und ich bin froh in einer Zeit zu leben, in der eine schlechte Ernte dank moderner Technik nur bedeutet, dass der neue Traktor noch ein, zwei Jahre länger warten muss, und nicht mehr, dass ich nicht weiß wie ich meine über den Winter bringen soll.


    Ein sehr guter Punkt - sehe ich genauso!

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    Original von SiCollier
    Ich frage mich zusehends, wer oder was im Sinne dieses Buches eigentlich „wir“ bzw. „ich“ sind? Da es nur Gene und Meme gibt, wer oder was ist dann eigentlich das „ich“???


    Das ist eine sehr gute Frage. Für die Antwort gibt es wahrscheinlich einen Nobelpreis.


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    Die Geschichte hat vielfach gezeigt, daß der Mensch macht, was machbar ist. Ohne Rücksicht, von Vorsicht gar nicht erst zu reden.


    Das stimmt. Aber das heißt nicht, dass es nicht trotzdem Regeln gibt und auch wirksame Beschränkungen dessen, was man technisch machen kann. Vieles ist eben doch verboten, auch in der Gentechnik. Das heißt nicht, dass es niemand machen kann, aber es wird zumindest eingeschränkt. Ich bin deshalb z.B. nicht pauschal gegen Gechntechnik, sondern nur gegen deren unbedachten Einsatz, und ich glaube, die Erfahrung - auch mit der Atombombe - hat auch gezeigt, dass wir Menschen nicht völlig dämlich sind, wenn wir die Gefahren einer Technik erst einmal begriffen haben. (Okay, darüber kann man jetzt länger diskutieren, aber ich bin nun mal Optimist ;-).


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    Wie gesagt, ich persönlich empfinde das Buch als sehr deprimierend, so deprimierend wie schon lange keines mehr.


    Das war nicht meine Absicht. Aber vielleicht ist das ja auch ein vorübergehender Zustand. Wenn das, was in meinem Buch steht, stimmt, wird die Welt dadurch nicht besser oder schlechter, als sie vorher war. Wenn überhaupt, können wir sie vielleicht ein bisschen besser verstehen. Das ist doch eigentlich kein Grund, deprimiert zu sein, oder?



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    Danke, Karl, für die wirklich gute und geduldige Betreuung der Leserunde, obwohl ich sicherlich kein einfacher Leser war. :wave


    Wenn ich einfache Leser wollte, würde ich andere Bücher schreiben. Die Diskussion mit dir hat mir viel Spaß gemacht! Ich wünsche dir eine gute, erholsame Zeit in Ohio!

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    Original von SiCollier
    Das mag theoretisch so sein, ist es praktisch aber mE nicht.


    Leider wahr.


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    Beispiel: es gibt in Deutschland keinen Fraktionszwang, jeder Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verantwortlich. Warum wird dann aber von Zeit zu Zeit der Fraktionszwang aufgehoben, damit die Abgeordneten nach ihrem Gewissen entscheiden können?


    Dass Bundestagsabgeordnete Wissenschaft betreiben, ist mir allerdings völlig neu ;-). Aber ich verstehe den Punkt: Ja, es stimmt, in wissenschaftlichen Kreisen wird das Wissenschaftsprinzip leider nur allzu gern ignoriert, um die eigene Position nicht zu gefährden. Das macht es neuen Ideen nicht gerade leichter, aber es ist auch nur ein Aspekt der memetischen Evolution (etablierte Spezies verteidigen sich eben gegen Eindringlinge von außen).


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    Wie ist das dann mit der Lichtgeschwindigkeit, die nicht überschritten werden kann? Soweit ich weiß, gilt das Axiom, daß nichts schneller als Lichtgeschwindigkeit sein kann. Meines Wissens läßt sich das nicht falsifizieren, ist das dann noch wissenschaftlich?


    Selbstverständlich lässt sich das falsizifizieren - man muss ja nur irgendetwas schneller als Licht bewegen (bzw. eine solche Bewegung beobachten). Und tatsächlich gibt es solche Beobachtungen, die allerdings (noch) nicht im Widerspruch zu Einsteins Relativitätstheorie stehen (es ist eben alles relativ; sogar die Feststellung, dass nichts schneller als Licht sein kann, gilt unter bestimmten Bedingungen nicht). Sobald aber jemand z.B. ein Teilchen auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigen kann, ist es mit der schönen Theorie vorbei.

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    Original von kissy
    Obwohl ich beim oberflächlich googlen auch gelesen habe, dass Dawkins Theorien nicht mehr wirklich aktuell sind.


    Dawkins hat eine Menge Gegner (viele davon hat er selbst durch seine teils polemischen Attacken auf Religion provoziert). Die wollen ihn natürlich gern diskreditieren. Meistens führen sie als wissenschaftliches Argument ins Feld, dass der "klassische Neodarwinismus" aufgrund neuer Erkenntnisse der Epigenetik ausgedient habe.


    Weder ist Dawkins ein "klassischer Neodarwinist", noch haben seine grundlegenden Erkenntnisse zu den "egoistischen" Genen oder der Idee der Memetik durch die Epigenetik irgendwie an Relevanz verloren. Im Gegenteil: Er selbst hat sich immer sehr vehement gegen die simplizistische Darstellung gewehrt, ein bestimmtes Gen sei "für irgendetwas zuständig" (siehe sein sehr gutes, leider nur in Englisch verfügbares Grundlagenwerk "The Extended Phenotype"). Die Epigenetik hat geholfen, die Vorgänge bei der "Übersetzung" von Genen in den so genannten Phänotyp, also die Gestalt und Eigenschaften eines Lebewesens, besser zu verstehen. Dabei hat sich heraus gestellt, dass der Zusammenhang zwischen Genen und Phänotyp weniger eng ist als gedacht. Aber das ändert an dem grundlegenden Prinzip der "darwinschen" Evolution überhaupt nichts. Es zeigt nur, dass die Dinge viel komplizierter sind, als einige (hauptsächlich Laien) gedacht haben. Dawkins hat (soweit ich weiß) nie etwas anderes behauptet.


    Das war jetzt vielleicht ein bisschen technisch, sorry dafür, aber manchmal muss man sich schon ein bisschen tiefer in die Materie einarbeiten, wenn man ungefähr verstehen will, worum es eigentlich geht (und ich bin weit davon entfernt, das wirklich zu verstehen ;-)).

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    Original von SiCollier
    Seite 179: Das Problem ist nicht der Glaube an sich. Das Problem ist sein Absolutheitsanspruch - die Behauptung, die absolute, unverrückbare Wahrheit zu kennen (...)
    Exakt diesen Vorwurf richte ich an „die Wissenschaft“, welche genau selbiges für sich mit einer Absolutheit in Anspruch nimmt, daß das Unfehlbarkeitsdogma dagegen eine Lappalie ist.
    .


    Das ist jetzt ein bisschen off topic, aber ich fühle mich doch bemüßigt, hier für den Rationalismus Partei zu ergreifen. Es ist nämlich gerade das Wesen der Wissenschaft, KEINEN Absolutheitsanspruch zu stellen. Wissenschaft besteht aus Hypothesen und Fakten, die diese Hypothesen untermauern oder widerlegen. Eine beliebige Erkenntnis gilt nur dann als "wissenschaftlich", wenn sie falsifizierbar ist, d.h. wenn es prinzipiell möglich ist, sie durch Experimente zu widerlegen. Nehmen wir als Beispiel Newtons Gravitationsgesetze: Sie waren nur so lange "wahr", bis Einstein sie widerlegt (bzw. ihren Geltungsbereich eingeschränkt) hat.


    Das ist eben genau der Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion: Wissenschaft bildet Hypothesen und sucht nach Bestätigung ODER Widerlegung, Religion BEHAUPTET einfach. Die Falsifizierbarkeit ist für mich genau die Grenze zwischen Religion und Wissenschaft: Alles, was nicht Falsifizierbar ist (also z.B. auch Wunder, die nicht unter gleichen Bedingungen wiederholbar sind) gehört für mich zur Religion. Die Behauptung, es gäbe einen Gott oder ein Leben nach dem Tod, ist prinzipiell nicht falsifizierbar. (Theoretisch ist sie beweisbar, aber bisher ist dieser Beweis noch nicht gelungen.) Die Behauptung, irgendwo zwischen der Umlaufbahn der Erde und des Mars kreise eine chinesische Porzellanteekasse um die Sonne, die der Philosoph Bertrand Russel scherzhaft aufgestellt hat, ist ebensowenig falsifizierbar (jedenfalls nicht mit unseren heutigen technischen Möglichkeiten). Aber das bedeutet natürlich noch lange nicht, dass es diese Teekanne gibt.


    Das soll natürlich nicht heißen, dass es nicht auch Wissenschaftler gibt, die ihre eigene Meinung quasi-religiös vor sich hertragen. Das hat dann aber mit echter Wissenschaft nicht mehr viel zu tun.

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    Original von SiCollier
    Aber niemand käme auf die Idee, egal wie sehr das ausgearbeitet wird, daraus zu schlußfolgern, daß eine Dampflok ein „echtes“ Lebewesen ist.


    Ich natürlich auch nicht. Ich will ja nur klar machen, dass die Grenze zwischen "Natur" und "Technik" nicht so klar und hart ist, wie man gern glauben möchte.


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    Womit sich für mich die Henne und das Ei - Frage stellt: was war zuerst: Mem oder Sprache?


    Das Mem natürlich - Meme (nach meiner Definition) funktionieren auch auf der Basis von Lauten oder beobachtetem Verhalten, also prinzipiell auch im Tierreich.


    Ich bin auch nicht der Typ, der jeder technischen Neuerung hinterher rennt. Ich hab nicht mal ein Smartphone (bzw. vermutlich hab ich eins, weiß nicht so genau, ist so ein billiges Ding von Tchibo, es hat eine Kamera und allerlei unnütze Spielereien, ich nutze nur die Telefonfunktion). Vor ein paar Jahren hab ich mir mal eine Startbox von Märklin Digital gekauft (nach Jahrzehnten hatte ich mal wieder Lust, damit herumzuspielen). Ergebnis: Die Lok ließ sich nicht richtig steuern, weil irgendein Steuercode falsch programmiert war. Das war das erste Mal, dass ich für ein Spielzeug die Support-Hotline angemailt habe. ;-)


    Andererseits: Früher habe ich mit Analogsynthesizern und einer Vierspur-Tonbandmaschine Musik gemacht, was eine Sauarbeit war. Heute geht das mit der Simulationssoftware Reason millionenmal einfacher und macht noch genauso viel (oder sogar mehr) Spaß.

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    Original von SiCollier
    Mein Vater hat immer gesagt „mit fünfzig gehört man erschlagen“. Ich habe da natürlich immer widersprochen. Doch jetzt, da ich selbst 52 bin, verstehe ich ihn zusehends mehr und würde ihm heute wohl nicht mehr widersprechen.


    Ich werde demnächst 50 und habe irgendwie noch gar keine Lust, erschlagen zu werden ... ;-)


    Im Ernst: So schlimm, wie es vielleicht im vorderen Teil des Buchs erscheint, ist die Welt der Technik nun auch wieder nicht. Viele Gedanken sind sicher ungewohnt und mögen im ersten Moment erschrecken, aber letztlich sind es ja nur Sichtweisen, die an den tatsächlichen Gegebenheiten nichts ändern. Technik hat ihre Risiken, denen man sich bewusst sein sollte. Technik hat aber auch ihre Vorteile (die werden in der Werbung genug angepriesen, deswegen erwähne ich sie in dem Buch kaum, aber sie sind zweifellos vorhanden). Wie ich schon mehrfach erwähnt habe: Ohne Technik könnten wir (zumindest in der momentanen Anzahl) nicht auf der Erde existieren.


    Ich glaube nicht, dass es in irgendeinem Alter einen Grund gibt, zu resignieren und zu sagen "damit will ich nichts mehr zu tun haben". Was ist so schlimm an einem Auto, das einen fragt, wohin man will, und einen dann hinbringt? Tatsächlich sind wir da schon ziemlich dicht dran - immerhin dirigiert uns das Navi ja schon recht häufig herum, und wer will schon ernsthaft auf ein Navi verzichten? Natürlich führt uns das Navi auch mal in die Irre (mich schon häufiger), aber in Summe ist es immer noch besser mit als ohne. Und ich glaube, das gilt auch für die Technik insgesamt.


    Also lass dich mal lieber noch nicht erschlagen! :-)

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    Original von dyke
    Ob wir mit Hilfe der Maschinen und/oder Natur die Evolution noch einmal nachvollziehen können - ich glaube es nicht.


    Müssen wir ja auch gar nicht. Mein Argument zielt nicht dahin, dass wir alles exakt so nachbauen, sondern nur: Wenn die Natur ein Wesen mit Gefühlen bauen kann, dann können wir das prinzipiell auch.


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    Eine maschinelle Evolution wird wohl einen ganz anderen Weg nehmen. Sie ist ja schließlich von Anfang an auf etwas ganz anderes aufgebaut - auf Logik - auf 1 und 0 - funktioniert / funktioniert nicht. Ein bisschen funktionieren geht nicht.


    Das ist nicht richtig. Einerseits gibt es inzwischen auch analoge Schaltkreise in Computern, die durchaus Zwischenwerte zwischen 0 und 1 verarbeiten, zum anderen kann man auch mit Binärzahlen "unscharfe" Zustände abbilden und verarbeiten. Dafür gibt es ein eigenes Fachgebiet in der Informatik namens Fuzzy Logic (unscharfe Logik). Die existierenden neuronalen Netzwerke in Computern simulieren genau diese "unscharfen" Beziehungen, wie sie auch im menschlichen Gehirn abgebildet werden.



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    Da das Wort „sozial“ sich ja auf die Beziehung von Mensch zu Mensch bezieht und andere Lebewesen in der Regel aus vor lässt, könnte es wohl bei Maschinen ähnlich sein - unter einander sozial - halten sie Menschen nur in für sie notwendigen Ausmaß. Das dürften dann keine Milliarden mehr sein, wohl eher Millionen und was geschieht mit dem Rest?


    Das ist nicht von der Hand zu weisen, obwohl ich mir durchaus (ernsthaft!) Liebesbeziehungen zwischen Mensch und Maschine vorstellen kann. Aber die Frage ist schon: Brauchen die Maschinen uns? Und wenn nicht, was machen wir dann? Meine Antwort: Maschinen werden uns irgendwann vielleicht nicht mehr brauchen (zumindest manche) und ihren eigenen Weg gehen, aber das muss nicht schlimm sein - sie konkurrieren ja nicht mit uns und können in völlig anderen Lebensräumen (z.B. unter der Erde oder im Weltraum) existieren. Wir müssen also keine Angst vor einem Krieg Mensch gegen Maschine haben (jedenfalls nicht vor einem von Maschinen angezettelten).


    Aber wir sollten dann besser auch nicht allzu abhängig von ihnen sein, denn nur aus "Nettigkeit" werden sie uns wahrscheinlich nicht für immer versorgen. Die größte Gefahr sehe ich darin, dass wir uns freiwillig in die Tanks der "Matrix" legen und die blaue Pille schlucken (siehe Teil II Kapitel 6). Wenn wir das tun, sind wir der Willkür der Maschinen tatsächlich ausgeliefert.


    Bevor diese Szenarien Wirklichkeit werden, wird es aber schon noch eine Weile dauern, zum Glück ...

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    Original von Zen-71
    Ich würde mir wünschen, das mehr Menschen das Buch lesen und sich kritischer mit der Welt, in der wir leben auseinander setzen. Von mir ganz großen Dank an Karl für die Begleitung der Leserunde und ein spannendes und informatives Buch


    :wave


    Danke für das schöne Lob und vielen Dank auch an Dich - es hat Spaß gemacht, mit Dir zu diskutieren!

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    Original von dyke
    Denn da Maschinen wohl keine Gefühle entwickeln werden wird das „soziale“ wohl nicht in ihren Programmen vorkommen :gruebel.


    Dies ist vielleicht der hartnäckigste Irrglaube von allen: Dass Maschinen nicht fühlen und nicht sozial sein können. Aber ohne hier eine große philosophische Diskussion darüber führen zu wolllen, was Gefühle eigentlich sind: Ich bin der festen Überzeugung, dass es überhaupt nichts gibt, was Maschinen prinzipiell nicht können, Menschen aber schon. Warum? Weil wir Menschen nichts anders als biologische Maschinen sind. Und was die Natur gebaut hat, können wir (mit Hilfe der Maschinen und/oder der Natur) prinzipiell nachbauen. Okay, lassen wir die Sache mit der Seele außenvor - daran glaube ich einfach nicht. Aber selbst wenn es eine Seele gäbe - Gefühle könnten nicht allein von ihr stammen, denn sonst hätten Tiere keine (Tiere, zumindest niedere Tiere, haben doch keine Seelen, oder? Ich kenne mich da nicht so aus.)


    Tatsächlich glaube ich, dass heutige Maschinen schon so etwas wie primitive Gefühle empfinden. Der Regelkreis eines Kraftwerks, bei dem ein Aggregat ausfällt und ein Alarm schrillt, verhält sich jedenfalls exakt so wie ein simples Lebewesen, wenn es Schmerzen empfindet.


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    Das ist vielleicht der einzige Schwachpunkt Deines Buches und Deiner These, dass es sich nur auf die nach westlichem Vorbild technisierte Kultur bezieht und damit einen großen Teil der Menschheit außen vor lässt (Sollte mir wieder einmal einen Fischer-Almanach kaufen um mich über die Verhältnisse auf dieser Erde zu informieren).


    Also verständliche Bücher über Ackerbau, Gemüsegarten- und Viehzucht auf jeden Fall sichern und weitervererben - könnte mal mehr wert sein als mehrere Kilo Gold :wow


    Ich habe zumindest nicht bewusst irgendwen ausklammern wollen. Tatsache ist, dass natürlich überall memetische Evolution stattfindet, gerade auch dann, wenn Wissen z.B. über den Ackerbau von Generation zu Generation mündlich weiter gegeben wird. Nur ist es in den Schwellenländern eben noch nicht so weit, dass die Entwicklung unüberschaubar geworden ist. Aber das ist wohl nur eine Frage der Zeit ...


    Danke für das schöne Lob und Deine vielen und für mich wertvollen Diskussionsbeiträge! Es war mir (wieder mal) ein Vergnügen!


    Mit der Frage, was denn die 12 Milliarden Menschen den lieben langen Tag so machen, hast Du natürlich recht. Beantworten kann ich sie auch nicht wirklich. Ich denke aber, dass die technische Entwicklung auch in Zukunft ungleich verteilt sein wird. Während in einigen Technologieländern die Roboter den größten Teil der Arbeit erledigen, arbeiten große Teile der Bevölkerung in anderen Ländern noch mit den Händen - so ähnlich, wie es heute zwar (mehr oder weniger) intelligentes Leben gibt, aber nichtsdestotrotz der größte Teil der Biomasse immer noch aus "primitiven" Bakterien besteht. Das ist ja vielleicht auch irgendwie beruhigend.

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    Original von Zen-71
    Ich habe mehr gelesen und keine Notizen gemacht :wow


    Was mich arg irritiert hat in diesem Abschnitt ( wobei sich das durch das ganze Buch zieht ) sind die Definitionen von Leben. Und hier die angeführte Tabelle. Eine Stadt oder ein Auto erfüllen die Kritierien. Das kann ich nicht, das will ich nicht, aber die Argumente überrollen mich und das Gegenteil werde ich nicht beweisen können. mein Bauch sagt trotzdem: geht gar nicht :gruebel


    Ich kann den Widerwillen verstehen: Wie kann der ein Auto mit einem Lebewesen vergleichen? Aber mir ging es in diesem Abschnitt gar nicht darum, das gleichzusetzen. Mir ging es darum, unsere stark subjektiv gefärbte und dadurch auch irgendwie elitäre Sichtweise zu offenbaren. Ob eine Stadt lebendig ist oder nicht, hängt von der Definition des Begriffs "lebendig" ab - wie ein biologisches Lebewesen ist sie deshalb längst noch nicht. Aber sie ist auch mehr als eine Ansammlung von Gebäuden, Maschinen und Kabeln, die wir in unserer Genialität erdacht und geschaffen haben. Eine Stadt ist ein dynamisches Gebilde, das von niemandem vollständig kontrolliert oder auch nur verstanden wird (sonst hätten Städte nicht so viele Probleme, wie etwa Verkehrsstaus, Finanzprobleme oder Elendsviertel).


    Solange wir die Dinge um uns herum nur nach unseren eigenen menschlichen Maßstäben beurteilen und alles, was diese nicht erreicht, als "niedriger" ansehen, begehen wir eine Fehleinschätzung - das ist meine Botschaft. Und das gilt eben auch für die Dinge, die wir geschaffen haben bzw. die durch uns entstanden sind. Das ist vielleicht noch nicht deutlich genug rübergekommen.

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    Original von sapperlot
    Vielen Dank an Karl Olsberg für die Begleitung der Leserunde. Es hat mir unter anderem deutlich gemacht das ich Sachbücher viel zu lange aussen vor gelassen habe. Wenn ich mir anschaue wie SiCollier und dyke in den ersten Abschnitten argumentieren ist mir bewusst geworden, dass ich vermehrt Sachbücher lesen sollte damit ich mein Allgemeinwissen vertiefen und zukünftig etwas besser argumentieren kann. Es sollte definitiv mehr Leserunden zu Sachbüchern geben.


    Danke, dass Du dabei warst! Ich freue mich sehr über das Lob und darüber, Werbung für Sachbücher gemacht zu haben, von denen sicher viele einen Blick lohnen. Ich empfehle z.B. "Das Egoistische Gen" von Richard Dawkins. Fast 30 Jahre alt, aus meiner Sicht immer noch aktuell und gut geschrieben. Ebenfalls sehr lesenswert: "Die Logik des Misslingens" von Dietrich Dörner. Das Buch erklärt wirklich einiges!

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    Original von sapperlot
    Elbot ist cool Ich habe ihn nach Dir gefragt und das hat er geantwortet:


    "Hören Sie mir bloß auf mit diesem Karl Olsberg! Der Kerl hat ein Buch über mich geschrieben. Ich soll angeblich ein Verkehrschaos verursacht, einen Panzer geklaut und einen Supermarkt verwüstet haben. Dabei stimmt das gar nicht: In dem Supermarkt ist lediglich ein klitzekleines Regal umgefallen! "


    :rofl


    Das Buch gibt es wirklich - es war mein erster Roman, ein Jugendbuch, das ich 2005 im Eigenverlag bei Books on Demand herausgegeben habe. Es ist immer noch bei Amazon erhältlich, allerdings hat es nie die professionelle Betreuung eines Lektors erhalten, daher kann es wohl nicht mit meinen anderen Romanen mithalten.

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    Original von sapperlot
    Unglaublich... Der Spiegel von heute, 24.10.2010...


    [URL=http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,723385,00.html]K L I C K ![/URL]


    Interessant! Tatsächlich ist die Idee, den Computer als Therapeuten einzusetzen, schon sehr alt. In den Sechzigerjahren wurde Weizenbaums "Eliza" schon als Zukunft der Psychotherapie angesehen - sehr zum Entsetzen ihres Schöpfers, der daraufhin einer der schärfsten Kritiker der künstlichen Intelligenz-Forschung wurde.


    Ich weiß aus meiner eigenen Arbeit mit Programmen wie Elbot, dass manche Menschen über bestimmte Probleme lieber mit einem Computer reden als mit einem Menschen. Wer geht beispielsweise schon gern mit Potenzproblemen zu seinem Hausarzt? Die Anonymität und Neutralität der Maschine hat durchaus auch ihre Vorteile. Man darf nur nicht vergessen, dass es eine Maschine ist ...

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    Original von dyke
    Einzelne Perlen gibt es, Verlagen-sei-dank, immer wieder mal.
    Wer allerdings mit Brunner, Aldiss, Ballard, Dick, Moorcock, Asimov, Bester Heinlein, Clarke, Lem, Malzberg, Pangborn, Spinrad und wie sie alle heißen, und dem Angebot der 60er, 70er und 80er Jahre aufgewachsen ist, tut sich halte heute in dem sehr überschaubaren Angebot doch sehr schwer.
    Aber die "Hoffnung stirbt zu letzt" :grin


    Okay, zugegeben: Die große Zeit der SF ist wohl tatsächlich vorbei, fast alle genialen Ideen scheint schon jemand gehabt und kaum übertreffbar zu Papier gebracht zu haben (Dick und Lem reichen da eigentlich schon für 80% allen Materials aus). Aber es gibt zum Glück immer noch jedes Jahr mehr neue gute SF-Bücher, als man lesen kann. :-)

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    Original von SiCollier
    Aber immer wird die (technische) Entwicklung von einem denkenden Menschen (Wesen) angestoßen bzw. vorangetrieben. Ohne daß zuvor jemand denkt, passiert gar nichts. Ein gleiches gilt für mich, ohne das jetzt näher ausführen zu wollen, für das Universum bzw. die Schöpfung.


    Das stimmt nicht (mehr) so ganz - Maschinen können sich inzwischen von Menschen unabhängig weiterentwickeln, und viele Mutationen und Selektionen sind zwar von Menschen verursacht, aber eher ohne dass dabei ein gezielter Denkprozess stattgefunden hätte - siehe das Beispiel mit der HAMBRUG-Mütze. Außerdem kann man argumentieren, dass es auch bei Tieren eine Art von technischer Evolution gibt, aber das würde hier wohl zu weit führen. Aus meiner Sicht kann man festhalten, dass der Mensch zwar eine dominierende Rolle spielt und auch noch eine zeitlang spielen wird, aber dass die technische Evolution per se den Menschen nicht unbedingt braucht, um zu funktionieren.


    Stellen wir uns einmal vor, wir wären in der Lage, eine Sonde in den Weltraum zu schicken, die aus den Materialien, die sie dort findet - z.B. auf Asteroiden - Kopien ihrer selbst anfertigen kann. Einige dieser Kopien wären aufgrund von Zufallseinflüssen, z.B. radioaktiver Strahlung, nicht ganz perfekt. Die meisten dieser unperfekten Kopien würden überhaupt nicht funktionieren, aber es wäre denkbar, dass zufällig auch ein paar dabei sind, die nicht ganz ihrer "Mutter" gleichen, aber trotzdem Kopien ihrer selbst anfertigen können. Schon hätten wir Evolution - ganz ohne Mensch.


    Ob das Universum ohne einen Anstoß "von außen" hätte entstehen können, kann ich nicht sagen, aber der Schöpfer als Erklärung hilft da auch nicht wirklich weiter, denn woher kommt er? Und wenn er "schon immer da war", wieso sollte das dann nicht für ein Universum gelten können? Das ist übrigens weder ein Argument für noch gegen die Existenz eines Schöpfers, sondern nur ein Argument dagegen, ihn als Erklärung für die Existenz des Universums anführen zu wollen. Das weiter auszführen wäre aber wohl off Topic.

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    Original von dyke
    Mich stört der Begriff "Mathematik der Evolution" sehr.
    Ich kann zwar den Gedanken - Reproduktion mit Mutation - Selektion - nachvollziehen, nur ist es eine mögliche Folge aber keine Mathematik.


    Da muss ich nun doch energisch widersprechen. Ob etwas Mathematik ist oder nicht, kann man sich nicht aussuchen. Entweder es gibt einen mathematischen Zusammenhang oder es gibt ihn nicht. Dass unter den beschriebenen Bedingungen der Reproduktion, Mutation und Selektion eine gerichtete Evolution mathematisch die zwangsläufige Folge ist, lässt sich - wiederum mathematisch - leicht beweisen.


    Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass in der biologischen Evolution allein dieses mathematische Gesetz zur Anwendung kommt. Theoretisch ist sogar denkbar, dass ein Gott (oder die Matrix oder was auch immer) die Entwicklung der Lebewesen irgendwie steuert und es nur so aussieht, als wäre es Evolution auf Basis zufälliger Einflüsse. Dann wären die obigen Voraussetzungen, insbesondere die zufällige Mutation und die Selektion auf Basis der mutierten Eigenschaften, nicht gegeben. Aber selbst das würde nichts an der Richtigkeit des mathematischen Gesetzes ändern, es wäre eben nur in diesem Fall nicht anwendbar.


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    Auch von Dir angeführte perfekte Tarnung mancher Lebewesen sehe ich nicht als zielgerichtetes Streben der Gene nach "überleben".
    Hier wirkt für mich der Zufall innerhalb einer möglichen Bandbreite, in dem wiilkürliche Mutationen geschehen und sich irgendwann eine ergibt, die die größte Möglichkeit des Überlebens hat. Es wird weiter Mutationen geben, nur solange sich die Umgebeung nicht ändert, werden nur diese "Überrleben", die die größt mögliche Ähnlichkeit aufweisen.


    Das ist exakt das, was ich auch argumentiere. Das "Streben der Gene" (oder auch Dawkins' "Egoismus" der Gene) ist natürlich nicht so gemeint, dass Gene irgendetwas wollen oder eine "Absicht" haben. Aber durch das mathematische Gesetz der Evolution ergibt sich eben eine Art "Druck" in eine bestimmte Richtung (bzw. viele Richtungen gleichzeitig). Diese Richtung kann sich jederzeit ändern, wenn sich die Umwelt ändert.


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    Dein Begriff der "Mathematik" assoziert bei mir etwas zu regelmäßiges mit nur einem möglichen Ergebnis.


    Mathematik beschäftigt sich gerade nicht nur mit dem exakt Vorhersehbaren, sondern mit Zufällen, Wahrscheinlichkeiten, Unschärfen und sogar mit Dingen, die prinzipiell unvorhersehbar bzw. nicht berechenbar sind. Wenn Mathematik immer nur "etwas regelmäßiges mit nur einem möglichen Ergebnis" produzieren würde, gäbe es z.B. die gesamte Quantentheorie nicht, und das Teilgebiet der Statistik wäre ziemlich sinnlos. Ich wollte auch in keiner Weise implizieren, dass man die Evolution am Computer irgendwie "vorausberechnen" könnte. Man kann Evolution zwar simulieren, aber die Simulationsergebnisse sagen nichts darüber aus, wohin sich eine Spezies tatsächlich entwickeln wird - eben weil der Zufall eine so große Rolle spielt.