Beiträge von B.Linzel

    Kerewin wohnt in einem Turm, ihrer ganz persönlichen Trutzburg, weit weg von den Menschen. Allein mit ihren Büchern und ihren Schwertern, mit den Sternen und dem Meer. Sie hat sich ihr Leben eingerichtet im Wissen, dass niemand sie hier belästigen wird. Niemand? Sie kommt nicht umhin, diesen lästigen kleinen Eindringling zu bemerken, Simon. Stumm, verstört, wie eine verwahrloste Findelkatze, scheint er immer irgendwo herumzustreunen. Er ist da. Und sie, launisch, zynisch und vor allem so gar nicht in der Lage, mit Gesellschaft umzugehen, will ihn so schnell wie möglich wieder loswerden. Simons Papa Jo, dem sie ihn übergeben wll, ist freilich gar nicht der Papa. Simon ist ein Findelkind; die Eltern starben bei einem Schiffsunglück, das er als Einziger überlebt hat. Er klaut, er ist fürchterlich aggressiv; ein richtiges Problemkind, das den meisten zudem als zurückgeblieben gilt. Er lebt bei Jo, und dessen feinfühliges, sanftes Entgegenkommen spiegelt nur einen Teil seiner Persönlichkeit und seines Lebens wider: Seit dem Tod seiner Frau ist er völlig neben der Spur. Ein Trinker, und ab und zu ein außer Kontrolle geratender Schläger. Diese drei gewöhnen sich aneinander, ersetzen einander die verlorenen Maori-Wurzeln und werden immer mehr selbst zu einer der alten Geschichten; entsprechend sind die Prüfungen, die ihnen auferlegt werden, von mythischen Ausmaßen - und gleichermaßen der Inbegriff menschlicher Abgründe.


    Dies ist kein Liebesroman, nicht im eigentlichen Sinn. Die hier wiedergegebene Handlung erklärt so gar nicht, warum dieses Buch seit über 25 Jahren – hätte mir damals beinahe das Abi versaut – zu meinen Besten zählt. Eine Bekannte hat mal gemault, sie könne es nicht lesen, es sei gar zu schrecklich, gar zu deprimierend. Bis ich mir vergegenwärtigt habe, was tatsächlich passiert, wie schwer zu ertragen manche Szenen sind, konnte ich das überhaupt nicht nachvollziehen: Kein anderes Buch vermittelt so stark ein unbedingtes „Ja“ zum Leben, und nur sehr selten werden die handelnden Personen selbst so lebendig. Und so liebenswert, trotz heftigster Schwächen und Brüche, zum Teil trotz Unverzeihlichem. Zugegeben, die ersten Seiten sind, gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig (der Liebste hat es seit acht Jahren ungelesen unterm Bett liegen), aber es ist wirklich wunderbar.
    Abgesehen davon: Ich kenne Neuseeland nicht, doch hier nimmt es Gestalt an.



    Keri Hulme wurde 1947 in Christchurch, Neuseeland als Ältestes von sechs Kindern geboren. Ihre Vorfahren waren schottisch-englische Einwanderer bzw. mütterlicherseits Mori. Sie studierte Jura, musste dieses Studium aber aus finanziellen Gründen abbrechen, danach schlug sie sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, als Tabakpflückerin, Köchin und Postangestellte, aber auch mit Arbeiten am Bau und in der Fischerei. Später bezog sie einen Turm an der Westküste Neuseelands – der im Buch, wie gesagt, eine große Rolle spielt - um dort ungestört zu schreiben, zu lesen, zu malen und zu fischen. Für "The bone people" (Unter dem Tagmond) erhielt sie 1985 den Booker Prize .

    Schöne Erinnerung: Stimmt!!! Eine der großen Abenteuergeschichten und ein absolut überzeugendes Liebespaar (schmacht ...). Aber Vorsicht: Pures Gift für all diejenigen, die ohnehin empfänglich für Fernweh sind. Ich wusste seit ich 13 war, dass ich eines Tages Johns Blumen sehen würde.


    Nachtrag. Ein' hab ich noch: Da gab's noch einen Bristow-Titel, den ich mit ähnlicher Begeisterung verschlungen habe; heißt nach der Heldin, einer unerschrockenen kleinen Näherin zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges.. ist hier noch nicht besprochen. Mir fällt einfach nicht ein, wie die hieß. Aber ebenfalls ein klasse Schmöker.

    Neun Novellen des SF-Altmeisters; perfekt als Einstieg, um herauszufinden, ob man ihn mag.
    Geschichten wie die "Sieben Ausgänge von Bocz", die Kriegsverbrechen thematisieren und dabei Gänsehaut machen; eine intergalaktische Miss-Wahl (Miss Universum mal wörtlich genommen); der Widerstandskämpfer, der mehr wagt als Lippenbekenntnisse und ein Verharren im Gutmenschentum und unter die Feinde fährt wie ein, sagen wir mal, Habicht; das Geheimnis fremder Töpfer, das sich nur dem erschließt, der Augen hat, zu sehen, und vor allem den Willen, zu verstehen ... mit einem Lächeln, wenn's geht, und mit einem Augenzwinkern: Das sind die Geschichten von Vance.
    Ganz gleich ob's um Überlebensstrategien fremder Species geht, oder um das Überleben von Menschen auf fremden Welten wie dem Schwefelplaneten - im Grunde geht es immer um Werte, die es wert sind, vertreten zu werden.
    Man mag ihn als hervorragenden Erzähler und Weltenschöpfer von offenbar unerschöpflicher Phantasie. Oder man belächelt ihn, den längst etwas altväterlich wirkenden Romantiker, dessen augenfälliger Idealismus ihn angreifbar macht ("galaktischer Heimatroman"). Ich mag ihn. Meistens.


    Der Autor, laut Wikipedia: "John Holbrook Vance (* 28. August 1916 in San Francisco, Kalifornien) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Unter dem Namen Jack Vance wurde ein großer Teil seines Werkes im Rahmen der Science Fiction- und Fantasy-Literatur veröffentlicht. Er verwendete die Pseudonyme Peter Held, Alan Wade und John van See. Ferner schrieb er drei Kriminalromane unter dem Namen Ellery Queen"

    Es gibt Bücher, die gute Unterhaltung sind. Und die anderen, die einen ein kleines bisschen verändert zurücklassen. Die hier gehören dazu, ein echter, ein unvergesslicher Gewinn.
    (Hab ich tatsächlich den überwältigenden Anteil von gedrucktem Müll vergessen?)

    Diese Phase hatte ich auch... und kein Titel hat mir so sehr gefallen wie die "Reiter der Sarmaten": Schöne Abenteuergeschichte, klasse erzählt, und sympathisch vor allem, weil sich die Helden ihrer Heldenhaftigkeit so gar nicht bewusst sind. Ein richtiges Wohlfühl-Buch.

    Ich war 15 und so ganz und gar verloren an die Tolkien-Welt, dass ich auch das Silmarillion verschlungen habe. Wenn ich mir heute die vielen Stammbäume anschaue, die ich damals gezeichnet habe, denke ich, dass man sehr, sehr jung sein muss, um derart begeisterungsfähig zu sein. Möchte diese Zeit nicht missen. :write

    Bin im Forum "was lesen die Büchereulen" über diesen Titel gestolpert, wollte mehr wissen, habe aber meine Frage an janedoe völlig versaut und dann den Original-Eintrag nicht mehr gefunden. Jetzt weiß ich endlich wieder, was ich unbedingt lesen will. Danke und Gruß


    :flowers :flowers

    Mikael Blomkvist ist ein Star geworden, sein Magazin "Millennium" eine Größe, mit der man rechnen muss. Kein Wunder, dass man nur ihm zutraut, eine hochbrisante Geschichte zu drucken. Ein junger Reporter bietet ihm Material an, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt: Einige der einflussreichsten Pesönlichkeiten Schwedens sollen junge Russinnen missbrauchen, die gewaltsam ins Land geschafft und zur Prostitution gezwungen werden. Als sich Blomkvists früherere Partnerin Lisbeth Salander in die Recherchen einschaltet, kann sie es nicht fassen: Nils Bjurman, ihr widerlicher Betreuer - den sie im ersten Band so unvergesslich "gezeichnet" hat -, scheint auch hier mitzumischen. Bevor die beiden mehr erfahren, werden der Reporter und Nils Bjurman tot aufgefunden. Die Tatwaffe trägt Lisbeths Fingerabdrücke. Bei ihrer Vorgeschichte scheint es keinen Zweifel an ihrer Schuld zu geben. Sie flüchtet. Und wieder einmal haben Blomkvist und sie nur eine Chance, wenn sie einander vertrauen. Das wird freilich furchtbar schwer: Blomkvists Recherche führt ihn in Lisbeths Vergangenheit, die ein einziger furchbarer Albtraum ist.


    Lisbeth ist in meiner derzeitigen Krimi-Phase unbestritten meine Lieblings-Heldin. Sie ist jetzt reich und trägt Busen, die Wespe fehlt, aber als sie gleich am Anfang einen mörderischen Prediger ausschaltet, wird klar: Die Kleine, die ich wirklich lieb gewonnen hab, hat sich gar nicht verändert. Um so schwerer ist es, mit ihr dieses Buch durchzustehen. Ich wollte kotzen, und vor lauter kaltem Hass hat's mich richtig geschüttelt. Dennoch: Ein Klasse-Buch.... freu mich schon sehr auf den dritten Band. Wie schade, dass von Larssen nicht mehr zu erwarten ist.
    Mit Lisbeth hat er sich ein Denkmal gesetzt.


    (Gibt's leider noch nicht als Taschenbuch, eine Freundin hat sich's glücklicherweise dennoch gekauft)
    Ach ja, noch was: Endlich hab ich verstanden, was an der Fermatschen Ex-Vermutung so faszinierend war und ist.

    Die gesamte Reihe ist wirklich gute Unterhaltung: Ich empfehle allerdings, zwischendurch Pause zu machen - sonst wird allzu augenfällig, wie sehr sich die Charaktere und die Handlungsstränge entsprechen. Aber Achtung: In einigen Fällen ist das durchaus beabsichtigt; etwa wenn Leonidas Witherall, der schlaue alte Mann, der Shakespeare zum Verwechseln ähnlich sieht, mit immer denselben Worten die Wendung zum Guten einläutet. Er denkt an Cannae und bezieht sich damit auf die "Lieutenant Haseltine"-Geschichten, deren Autor er selbst ist. Cannae? fragen dann seine Mitstreiter, und "Bill Shakespeare" zitiert den Satz, den auswendig hersagen zu können eine Zeitlang unter US-Krimi-Lesern ein "Muss" war: "Cannae ist die historische Schlacht zwischen Römern und Kathargern (216 v. Chr.), in der die kleine, schwache Armee Hannibals die bei weitem überlegene Streitmacht von 85000 römischen Legionären in Stücke schlug, indem sie den Feind mittels einer kunstvollen strategischen Konzentration der Truppen mit der Kavallerie von der Flanke aus angriff und ihn dann einkesselte. Die Preußen Clausewitz und Schlieffen ... entwickelten daraus ein exaktes strategisches System." Ich freu mich immer, wenn es so weit ist.

    Schon heftig, wie sehr sich alle einig sind, die Ranald Guthrie gekannt haben: Dass der Mann tot ist, macht die Welt zu einem sehr viel angenehmeren Ort. Doch wie ist der Alte gestorben? Der erste Anschein, Selbstmord in der Weihnachtsnacht durch einen Sprung vom höchsten Turm seiner Burg in die Tiefe, trügt allzu offenkundig. Verschiedene Detektive - nur einer unter ihnen Profi - gehen dieser Frage nach, vor allem, als der vermeintliche Selbstmord als Mord behandelt und ein Unschuldiger verdächtigt wird.


    Als ich beim Stöbern eine Büchereulen-Hommage an Dr. Fell las, hab ich mich daran erinnert, wie viel Freude ich einst an Dumont's Kriminalbibliothek hatte. Und „Klagelied auf einen Dichter“ ist eines meiner Lieblingsstücke in dieser Kollektion.
    Die Ermittlungen zu diesem abenteuerlich absurden Fall in den schottischen Highlands gestalten sich einigermaßen schwierig; immer wenn sich eine Lösung abzeichnet, taucht ein völlig aberwitziges Puzzleteilchen auf - vom abgeschnittenen Finger über die rätselhafte Wintersportausrüstung und den Eulenruf bis hin zu dressierten Ratten - das beim allerbesten Willen nicht ins Bild passen will und eine ganz andere Lösung erzwingt. Die Ratten sind wirklich wichtig. Das steht im Klappentext, der US-Titel ist „The Learned Rats", und trotzdem kommt die allerletzte Wendung überraschend.
    Auch die Rahmenbedingungen haben es in sich: Ein abgelegenes , verwahrlostes Schloss, nach heftigem Schneefall auch noch abgeschnitten von der Welt, allgegenwärtiger Irrsinn, ein krankhaft geiziger Schlossherr, der plötzlich verschwenderisch auftischen lässt, ein Schurken-Hausmeister, ein bemitleidenswertes Mündel und ihr unmöglicher Lover, halb verhungerte, rasende Hunde – in einer solchen Umgebung scheint alles möglich.
    Die Detektive, unter anderem ein gelehrter Schuster, dessen Liebe zu den Highlands aus jeder Zeile spricht, und ein schlauer Rechtsanwalt aus Edinburgh, der den Vorfall untersuchen soll, kommen selbst zu Wort. Sie ahnen Brüche und Abgründe, wo andere sich von Aberglauben oder allzu Offenkundigem leiten lassen. Aber erst der Serienheld, Scotland Yard-Inspekor Appelby, lässt sich schließlich vom Klagelied auf einen Dichter leiten (timor mortis conturbat me), das auch den Lesern bald nicht mehr aus dem Kopf geht - und von Lösung zu Lösung führt, bis das Verbrechen tatsächlich aufgeklärt ist. Hat mir ein paar wirklich schöne Stunden geschenkt. Viel Spaß!



    Der Autor heißt eigentlich John Innes Mackintosh Stewart und wurde 1906 geboren. Er studierte unter anderem in Oxford Englische Literatur. Er reiste viel, hörte in Wien Vorlesungen in Psychoanalytik, und erarbeitete sich durch die Übersetzung der Essays des französischen Moralisten Michel de Montaigne einen Literaturpreis. 1930 fand er Arbeit als Lektor, heiratete und lehrte dann von 1935 an zehn Jahre in Adelaide in Australien – nicht ganz unwichtig für das „Klagelied“, lernte er dort doch die großen Pionier-Mythen kennen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg kehrte er nach England zurück und lehrte bis 1973 in Oxford. Seit 1936 schrieb er Kriminalgeschichten, unter Pseudonym, denn für einen Gelehrten war derart profanes Tun indiskutabel. Eine seiner erfolgreichsten Reihen schildert die Abenteuer von Inspector John Appleby, einem „Gentleman-Ermittler der alten Schule“. Die meisten seiner Romane nehmen ihre Handlung und vor allem die Auflösung nicht sonderlich ernst, wohl aber die handelnden Personen; seine Sprache, die klassischen Zitate und nicht zuletzt die ihm eigene Poesie sind die eigentlichen Gründe, dieses Buch zu lesen.


    (ISBN-Nummer fehlte)

    Eines der besten, wenn nicht das beste Buch, das ich je gelesen habe. Diesen Titel, unter anderem, führe ich an,wenn ich mein Vorurteil gegen deutsche Autoren erklären muss. So viel Wissen in Verbindung mit derart begnadeter Sprache hat an sich schon Seltenheitswert: Darüber hinaus wird aber auch eine gute Geschichte spannend erzählt, was hierzulande höchst selten zu finden ist - als disqualifiziere sich ein Autor, wenn er seine Leser unterhalten will, sie mitfiebern, mitweinen, mitlachen lassen.
    Außerdem findet sich hier der wohl wichtigste Satz meines Lebens: "Der Teufel ist nicht der Fürst der Materie. Der Teufel ist die Anmaßung des Geistes, der Glaube ohne ein Lächeln, die Wahrheit, die niemals vom Zweifel erfasst wird".

    Er hat Rosenwasser, Seidenwäsche und die abendländische Kultur im Gepäck: Er lebt, um an immer neuen Bonmots zu feilen. Seine Waffe ist die Sprache. Er ist ein Dichter und ein Dandy. Er ist Oscar Wilde. 1882 ist er auf einer Lesereise unterwegs zwischen San Francisco und Chicago, um dem geneigten Publikum eine Ahnung von Kultur und Stil zu vermitteln. Begleitet von seinem Manager, einem pensionierten preußischen Offizier, einer französischen Comtesse, einem Reporter und einem amerikanischen Dichter sowie von seinem schwarzen Butler, schlägt er hart auf in der Wildwest-Realität. Nur die in unzähligen (Wort-)Gefechten erworbene Souveränität verhindert, dass er zur Lachnummer wird. Es gibt da freilich ein Problem: In den Tourneestädten werden rothaarige Prostituierte ermordet und ganz fürchterlich zugerichtet. Marshal Bob Grigsby - Raubein der alten Schule - vermutet den Mörder in Wildes Gesellschaft. Die beiden werden, unfreiwillig natürlich, zum Detektivteam; jeder nähert sich dem Mörder auf seine Weise.


    Bevor er Schriftsteller wurde hat Satterthwait, 1946 in Philadelphia geboren, als Barkeeper, Lexikonvertreter, Restaurantmanager und Korrektor gearbeitet. Einige Zeit hat er in Kenia gelebt, ist aber auch sonst viel herumgekommen in der Welt. Heute lebt er meist in Santa Fe. Ihm ist Mizz Lizzy und Mizz Lizzy kehrt zurück zu verdanken, die Phil Beaumont und Jane Turner-Reihe sowie eine Serie mit den Detektiven Joshua Croft und Rita Mondragon.


    Einer der besten Satterthwaits. Vielleicht ein bisschen blutig, und auch die Sex-Szenen lassen an Deutlichkeit aber auch gar nichts zu wünschen übrig – doch der Wortwitz und die Dialoge sind vom Allerfeinsten. Wer warum mordet tritt in den Hintergrund, wie so oft bei Satterthwait. Wenn Wilde aber zum ersten Mal auf Doc Holliday trifft, ist das eine Sternstunde für alle, die gute Bücher mögen, ganz gleich was sie lesen. Der Revolverheld versetzt seine Umgebung in Todesangst, und da geht es Oscar Wilde nicht anders. Aber wie gesagt, der Mann kennt sich aus mit Duellen, auch wenn seine Opfer für gewöhnlich nicht blutend im Straßenstaub liegen. Und so behauptet er sich mit den Waffen, die ihm zur Verfügung stehen ("kaum sichtbar und nur für einen Augenblick zog sich die rechte Ecke seines Munds hinter dem Schnäuzer nach oben. Es könnte ein Lächeln gewesen sein – unwahrscheinlich, dass Holliday nervöse Zuckungen hatte. Für nervöse Zuckungen muss man erst einmal Nerven haben"). Ich würde jetzt gern diese ganze Begegnung wiedergeben. Einfach zu gut. Wär' nur nicht fair, falls sich jemand doch fürs Buch entscheidet. Unbedingt zu empfehlen.

    Das Argument gegen die Traumpfade - Chatwin habe hier seiner eigenen Rastlosigkeit ein Denkmal gesetzt - wird durchs häufige Wiederholen nicht besser. Ich kenne Aborigines, die sagen, Chatwin habe sie in wenigen Monaten besser verstanden als praktisch alle, die das Erforschen dieser Kultur zum Lebenswerk gemacht und daraus entsprechend oberschlaue Abhandlungen verfasst haben. Vom Marlo Morgan-Müll und anderem gar nicht zu reden.
    Durch diesen Traumpfade-Tipp bin ich überhaupt erst auf Chatwin gestoßen - um dann herauszufinden, dass ich alles mag, was er geschrieben hat. Sehr zu empfehlen ist zum Beispiel "Was mache ich hier".

    Peekay ist fünf Jahre alt und wird nach einem Nervenzusammenbruch seiner Mutter in ein Internat im nördlichen Transvaal gesteckt. Anfang der 40er Jahre ist Südafrika kein guter Ort, schon gar nicht für einen kleinen Engländer allein unter Buren. Es ist die Hölle, um genau zu sein. Wie er überlebt? Er findet seine eigene Strategie: „Sei klug, aber zeig es nicht, sei stark, aber handle wie ein Feigling, und vor allen Dingen - weine nie“. Und er hat einen Freund, den Hahn Granpa Chook, den ihm ein Zulu-Medizinmann als Beschützer mitgegeben hat. Ihn zu verlieren, ist fast mehr als der Junge - und der Leser - ertragen kann. Peekays Leben ändert sich, als er den Schaffner und Boxchampion Hoppie Groenwald trifft; von ihm lernt er die zweite wichtige Lektion seines Lebens. Und aus dem Jungen wird eine Legende.


    Der Autor wurde 1933 in Südafrika geboren und lebt (lebte zumindest 1998 noch) in Sydney, wo er Direktor einer großen Werbeagentur ist und regelmäßig für The Australian schreibt.


    Seit etwa 14 Jahren zählt "Im Glanz der Sonne" zu meinen Besten - und das mir, wo ich doch öfter als die Schuhe die Lieblingsbücher wechsle. Einiges ist Teil meiner Gedankenwelt geworden, und seit heute weiß ich wieder, wem ich meine Einsamkeitsvögel zu verdanken habe. Big Hettie, die im Eisenbahnwaggon feststeckt – skurriler geht's nicht. Peekay (entstanden aus seinem Internat-Namen Pisskopf) und Doc, die auf ihrem Felsen sitzen und dem Leben auf den Grund gehen - poetischer geht’s nicht. Das Requiem für Geel Piet, das zum Klagelied für Afrika wird - erhebender geht’s nicht. Die Kämpfe, das Singen der Zulu, Freundschaft, die im Bergwerk zum Maß aller Dinge wird – so sieht eine wirklich gut erzählte Geschichte aus. Alles ist ein bisschen erhöht hier, die Farben sind leuchtender, die Bilder stärker, die Begegnungen spannender. Einziges Problem: Immer wieder wird die Heilsbringer-Fantasie zuviel des Guten. Vom unerträglich geplagten Kind, vom Opfer schlechthin, wird Peekay zu einem Kämpfer, dann zum Hoffnungsträger, überlebensgoß. Im zweiten Band „Tandia“, nie ins Deutsche übersetzt, wird das wirklich unangenehm. Dennoch: Ein Abenteuerroman, den zu lesen sich lohnt.
    * :lesend
    Nachtrag: Die erste, begeisterte Rezension hab' ich vor einigen Stunden geschrieben, nachdem ich mich erneut, völlig fasziniert, in den ersten Kapiteln festgelesen hatte. Nun bin ich mit der zweiten Hälfte durch und ziemlich enttäuscht. Peekay der Unbesiegbare, Unfehlbare, der von Schwarz und Weiß Verehrte nervt zunehmend, bereits in diesem Band. Hatte ich ganz anders in Erinnerung. Es ist lesenswert, keine Frage, aber ab sofort aus meiner Bestenliste gestrichen.

    Bin zufällig auf diese Besprechung gestoßen, wurde neugierig - und hab mein bis dato ungelesenes Weihnachtsgeschenk 2006 hervorgekramt. Gute Idee.
    Und ein wunderbares Buch, das ich von der ersten Seite an geliebt hab. Ein bisschen wie Stifter lesen und sich von der "Faszination der Langsamkeit" einfangen lassen. Aber warum um alles in der Welt wird hier Mundus' Leben als gescheitert geschildert? Der Mann hat ein viel erfüllteres Leben geführt als sehr viele Menschen, die ich kenne - die ihren Beruf hassenswert oder doch zumindest langweilig finden, die sich in seit Jahren, Jahrzehnten toten Beziehungen verkriechen, einfach weil's bequemer ist.
    Mundus (welch passender Name) findet die Welt in sich, er muss ihr nicht hinterherjagen. Er liebt die alten Sprachen und alles, wofür sie stehen, aufrichtig. Seine Schüler wiederum verehren ihn nicht nur, sie mögen ihn, vertrauen ihm wie sonst keinem Lehrer - erinnert sei nur an den schwangeren Teenie an seiner Tür. Dann das Schachspiel, nächtliche Gespräche mit einem Vertrauten. Ich bin mir nicht sicher, dass er in seinem traumhaften "Isfahan" glücklicher geworden wäre.