So, hier kommt mein Abschlussbericht - vollständig ist der nicht, wird aber wohl etwas länger... :gruebel, ich will nämlich versuchen zu begründen, was mir nicht gefiel, weil es nicht einfach so im Raum stehen bleiben soll.
Doch erst mal möchte ich dir herzlich für den tollen Lesespaß danken, Corinna. Ich bin richtig traurig, dass dein Roman nicht dicker ist.
Besonders gefallen hat mir dein Schreibstil, das Flair, das du damit erzeugt hast. Dazu fällt mir der schöne Spruch, der Weg ist das Ziel, ein, denn ich lese am liebsten eigentlich nicht, weil ich die Auflösung wissen will, sondern weil das Lesen selbst so ein Vergnügen ist. Mitten in der Story drin zu sein, ist das Beste - und das ist dir gelungen.
Im Gesamteindruck liest es sich einfach schön. Du hast eine schöne Atmosphäre geschaffen, in der ich bis zum Schluss abtauchen konnte.
Deine Protas, Roman und Viktoria, sind sehr sympathisch, wobei ich mich mit Viktoria leichter identifizieren konnte. Naturgegeben , klar, aber Roman war mir darüber hinaus auch stets etwas fremd. Er ist ein sehr lieber Typ, ganz anders als die Wirkung, die ich zunächst von ihm hatte und die eigentlich exakt dem entsprochen hätte, was man von einem Sohn dieser Eltern erwarten dürfte, egal wie sehr er sich gegen sie auflehnt. (Schade, dass die zwei keinen finalen Auftritt mehr hatten, ich hätte mich königlich amüsiert.)
Die Auflösung entspricht exakt dem Background, den ich erwartet habe.
Womit ich beim Inhalt, besonders dieses letzten Abschnitts wäre.
Johanna erweist sich als Viktorias Oma; Marie ist tot und Doro an ihre Stelle geschlüpft. Das war exakt das, was ich mir schon im zweiten Abschnitt zusammengereimt hatte, als die Zwillinge auftauchten.
Beides war also keine Überraschung; aber das ist nicht schlimm. Schließlich wäre es unbefriedigend, wäre Viktoria wirklich nur als Chronistin engagiert gewesen - wobei ich mich schon ein wenig wundere, dass sie nie ihre eigene Familie mit Doros in Verbindung brachte. Auch wenn man meint, alle Ahnen zu kennen, bieten die doch immer wieder Überraschungen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Da wäre sicher mehr Misstrauen von einer fantasiebegabten Schriftstellerin wie Viktoria angebracht gewesen.
Zu Doros Outing:
Da missfällt mir zweierlei, ich muss es gestehen und stimme da nicht wirklich mit meinen Vorpostern überein, so schön die Videoszene für sich genommen auch ist:
Erstens fand ich Henriks Auftritt Monate nach Beendigung der Probezeit in der Kranichburg und Aufklärung aller anderen Ereignisse ziemlich hinten dran geklatscht. Der arme Jung mag ja eifersüchtig gewesen sein und Morgenluft gewittert haben - aber womit eigentlich? Schließlich wusste Viktoria doch längst, dass sie und Roman dieselbe Uroma haben, und das war doch wohl auch Melli und Henrik bekannt, soweit ich das schlussfolgere - etwa, weil Viktoria und Melli ja Freundinnen sind und Viktoria keinen Grund hat, ihre Erkenntisse totzuschweigen. Henrik tauchte also mit ollen Kamellen auf; denn ihm konnte es letztlich egal sein, welche Person die Uroma nun war.
Zweitens ist das zum richtigen Zeitpunkt aufgefundene Video für mich nun nicht grade der große Hit (wohlgemerkt nicht das, was im Video gesagt wird, sondern das Video an sich). Das ist wie das Zaubern eines Kaninchens aus dem Hut ... so etwa wie: Ein Problem gibt es noch, das lässt sich nur per Videobotschaft aus dem Jenseits aufklären, also her damit. Und klar, nicht zu früh, damit die Protas vorher ordentlich rumgeschichert werden können.
Da fehlt mir der romanimmanente Witz. Die Logik von Krimis läuft anders, und auch wenn die Kammer keiner ist, wäre es viel schöner gewesen, Viktoria und Roman hätte endlich Eins und Eins zusammengezählt.
Denn wir Leserinnen ahnten ja recht früh, wer Marie wirklich ist. Wieso also nicht Viktoria??? Indizien gab es auch, wie die Bilder mit dem M und D, außerdem die veränderte Schrift der Tagebucheintragungen, deren Inhalte ebenso. Sicher fehlte noch ein letztes Schmankerl, ein Beweis, doch ich denke, Corinna, da hätte dir was Feines einfallen können, bei deiner Fantasie, die ja Viktorias in nichts nachsteht.
Schade, da hast du Romanpotenzial verschenkt - aber wie oben gesagt: der Weg ist das Ziel. Insofern ist dann die Form der letzten Auflösung nicht mehr so wichtig.
Wobei ich schon ein wenig frustriert bin, wenn ich mir vorstelle, dass Viktoria und Roman zuerst zu Pastor Fischer hätten gehen können, dann wäre gleich klar gewesen, wer Viktorias Oma ist. Anschließend hätte Melli das Video vorbeigebracht. Doros Outing wäre vorweggenommen worden - danach hätte dann der Rest ermittelt werden können. Deine Reihenfolge der Ereignisse folgt also nur vorgeblich Väterchen Zufall. Tatsächlich war diese Reihenfolge für den Plot entscheidend: Das Beste zum Schluss. Das wirkt recht durchsichtig, schade. Besser wäre es gewesen, wenn eine Erkenntnis die nächste nach sich gezogen hätte, wie du es ja ansatzweise immer wieder gemacht hast, z.B. von Münkwitz auf Goldenstein zu kommen.
Im Gunde habe ich also nix an der Reihenfolge der Ereignisse auszusetzen, die war genau so wie ich sie mir gewünscht habe - allein, mir fehlte das Gefühl, dass diese Reihenfolge zwingend sich auch für Viktoria und Roman ergeben musste.
Zwei wirklich tragende Einfälle machen das alles aber wett: einmal die Zwillinge an sich, und dann die ZWEI Toten. (Hast du es irgendwie mit der Zwei? ) das waren unvorhersehbare Dinge, die wirklich zum Miträtseln anregten.
Darum auch finde ich es etwas betrüblich, wie letztlich die Suche nach Goldenstein im Sand verlief. Man weiß zwar nun die Grundzüge, den Rest kann man sich zusammenreimen - aber wo ist der Witz daran? Das Ganze ist folgenlos geblieben, mal abgesehen davon, dass Georg nun als Buhmann feststeht. Nur ist der längst tot, nicht mal Roman als sein direkter Nachfahre zögert, per DNA-Analyse die Wahrheit verifizieren zu lassen. Für ihn hat das also auch keine Bedeutung mehr, keine Folgen für die Schwedenkrone (... obwohl ich als Leserin mir welche vorstellen könnte; da du dazu aber nix geschrieben hast, gehe ich davon aus, alles ist in Butter - abgesehen davon, dass Roman und seine Eltern nicht mehr miteinander können; was ich allerdings nur zu gut nachvollziehen kann.)
Man erfährt im letzten Teil, dass die Vermutungen, die du geschickt einfließen lässt, stimmen, Schluss. Wozu dann dieser zweite Tote überhaupt? Ich finde, auch hier hast du Potenzial verschenkt, dabei war die Idee so spannend.
Dazu fällt mir nochwas ein: ich wollte immer wissen, wie ein Roman ohne Antagonist funktioniert. Nun habe ich ein durchaus gelungenes Beispiel, wie das geht (keine Ironie, ich finde wirklich, dass du das gut gemacht hast). Denn dein Anta, Georg, ist ja nur einer für die Vergangenheit, der für die Gegenwart keine Bedeutung mehr hat, was heißt: Ich rede hier von einem direkten Anta für deine Protagonisten Viktoria und Roman. Und zwar einer von Georgs Kaliber (das wirklich heftig war), nicht nur ein verprellter Lover wie Henrik, den ich zwar aufgrund deiner gelungenen Schilderungen so wenig mochte wie die anderen Leserinnen, der aber auch Spannung in den Roman brachte.
Ich habe zudem eine richtige Szene zur Übergabe der Kranichburg vermisst. Das alles wird so nebenbei im letzten Teil erwähnt, scheint unwichtig geworden zu sein. Dieser Teil ist nur noch ein Nachklapp, damit dann das Video auftauchen kann. Nebenbei darf Henrik noch mal beweisen, welch attraktive Frau Roman sich geangelt hat, und das Verhältnis Viktorias zu den Gerlachs wird geklärt. Bei mir kommt da so ein bisschen das Gefühl auf, der Schwung des Schreibens war vorbei. Da musste halt ein Schluss her.
Naja, ich mäkel meistens am Schluss von Romanen etwas herum, meinem Lesevergnügen tut das wirklich keinen Abbruch. Also nimm das jetzt bitte nicht als vernichtende Kritik. Das, was ich einleitend schrieb, ist Fakt: Ich hatte viel Freude, habe enorm mitgefiebert und bedaure es gewaltig, schon fertig zu sein.
Für mich war diese erste Leserunde, an der ich teilgenommen habe, ein großer Spaß und sehr lehrreich dazu. Danke.
Und was ich klasse finde, ist auch dein Engagement in dieser Leserunde, dass du wirklich zu all unseren blöden und lieben Kommentaren Stellung nimmst. Keine Ahnung, ob das alle Autoren so machen - aber es weckt Lust auf weitere Leserunden in mir. (droh :wave)
LG und schäm, weil ich jetzt wirklich entsetzlich lang gepostet habe
Gefion