Beiträge von Wiebke

    Lieber Sapperlot,


    allein die Erwähnung von "Haltern am See" hat natürlich seit Dienstag etwas Tragisches an sich … Aber gut, als Du da warst, konnte niemand von den bevorstehenden und furchtbaren Ereignissen etwas ahnen.


    Ja, "Alles muss versteckt sein" war anfangs wesentlich langsamer, vielleicht sogar "bleiernd". Da ging es mir darum, die Atmosphäre der Forensik zu transportieren, sie dem Leser spürbar, "erfahrbar" zu machen. Diese "eigene" Welt der Psychiatrie, in der die Zeit stehenbleibt. Das haben viele auch kritisiert, die meinten, es würde ewig dauern, bis es endlich losgeht. Das habe ich mir dann zu Herzen genommen und bin diesmal wesentlich schneller zum Punkt gekommen.


    Was das Haustier betrifft: Der Hund ist uns schon allein durch sein Wesen näher als z. B. eine Katze. Katzen sind autark, sie sind stolze, eigenständige Charaktäre, sie lassen sich nicht immer "beknuddeln", sondern sind auch kratzbürstig, sträuben sich bei zu großer Nähe. Nach außen hin hängen sie viel weniger an ihrem Frauchen/an ihrem Herrchen als Hunde. Deshalb musste es ein Hund sein. Umso brutaler, ich weiß. Aber es musste sein.


    Liebe Grüße,
    Wiebke

    Lieber Sapperlot,


    ich habe mich bei den Eulen ein wenig ausgeklinkt, bin aber bei Amazon auf Deine Rezi gestoßen. Und wollte Dir hier einfach nur schreiben, dass ich mich SEHR freue, dass Dir auch mein neuer Thriller wieder so gut gefallen hat! Die Hunde-Szene - ja, ich weiß. Aber sie war dramaturgisch notwendig, ich habe dem armen Tier nicht einfach nur aus Effekthascherei etwas angetan, sondern, weil ich zeigen musste, wie Lena mehr und mehr unter Druck gesetzt wird. Wie der Täter sie psychisch quält, weil er oder sie wissen will, wie weit Lena geht, wo ihre Grenzen sind bzw., ob sie überhaupt welche hat. Von daher: Es tut mir leid, es ging mir nie darum, einfach nur die Leser schockieren zu wollen.


    Liebe Grüße,
    Wiebke

    So, Leute, ich hab es überlebt! War janz schön uffregend und ich hatte auch ein bisschen Angst ... Danke für den vielen Zuspruch, das bestärkt mich darin, dass es richtig war, darüber zu reden. Ich hoffe, der nächste Roman wird dann wieder rein fiktional, habe ja nicht vor, jetzt alle psychischen Erkrankungen selbst zu durchleiden, um darüber schreiben zu können :grin


    Nein, echt: Es tut gut, es mal gesagt zu haben.

    Ihr Lieben,


    am nächsten Freitag, 28.9.2012, bin ich ab 21.45 Uhr Talkgast beim "Kölner Treff" (WDR). Ich bin wohl ganz zum Schluss dran und rede über "Alles muss versteckt sein". Und noch ein paar mehr, ähm, Dinge.


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    Zitat

    Original von Nightflower
    Vielen Dank Johanna! :)
    Schön, dass jmd das so genau erklären kann! :)


    Dh wenn man denkt, dass man Babys Gewalt antut, dann muss man eig öfters Babys halten und lernen sich selbst mehr zu vertrauen?


    Ja, das wäre als Expositionsübung (Exposition: sich etwas aussetzen, in diesem Fall dem Angst-/Zwangauslöser) genau richtig. Aber da man ja nur schlecht andere Menschen bitten kann, deren Baby auf den Arm nebmen zu dürfen, um zu lernen, dass man dem Kind nichts antun wird, macht man so etwas häufig über Übungen wie z. B. die düsteren Gedanken aussprechen oder aufschreiben.

    Hallo Nightflower! :wave


    Also, ich lese Deine Gedanken ganz bestimmt noch mit, und wenn Du etwas wissen willst, fragt mich einfach :-)


    Ich weiß, dass er Roman sehr drückend beginnt, das war ja volle Absicht. Die Trostlosigkeit, die Hoffnungslosigkeit - genau das wollte ich rüberbringen, und wenn es bei Euch so ankommt, freut es mich :grin Natürlich ist Marie zu Beginn der Geschichte resigniert und sieht in nichts mehr einen Sinn - aber genau das wird sich noch ändern, wirst Du schon sehen :-)


    Tja, und natürlich sind in der forensischen Psychiatrie härtere Fälle als in einer "normalen" psychiatrischen Einrichtung anzutreffen. Ja, das ist hier und da erschreckend, ist es wirklich. Aber du schreibst so schön, dass man es Erkrankten nicht ansieht. DAS ist eben der Punkt! Fast jeder, der ein psychisches Problem hat, versucht, es so lange und so gut wie möglich zu verstecken. Aus Angst, aus Scham, aus Sorge darüber, verurteilt zu werden. Daher auch der Titel meines Romans "Alles muss versteckt sein". Das ist in der Tat ein Kinderreim, der normalerweise beim Versteckspielen benutzt wird. Das suchende Kind hält sich die Augen zu und sagt diesen Reim auf, in der Zwischenzeit müssen die anderen Kinder sich so gut verstecken, dass sie am besten nicht gefunden werden. Für mich passte der Titel PERFEKT, denn nicht nur, dass Marie ihre Krankheit verstecken will, sie hat ja auch als Erzieherin viel mit Kindern zu tun.


    Bin gespannt, wie Dir der Roman weiter gefällt!

    Zitat

    Original von JASS
    Mich würde interessieren, warum ausgerechnet die Zwangsvorstellungen mit den Kindern so detailliert beschrieben werden? Mir ist bei der Lesung SEHR grün um die Nase geworden und ich habe es beim selber Lesen komplett überflogen. Keine andere Szene wird meiner Meinung nach danach (bin jetzt etwa bei Seite 180) so ausformuliert, obwohl ich es bei Erwachsenen vergleichsweise nicht so schlimm fände. Mir hat das nicht so gut gefallen (das ist ein bisschen wie das Umbringen von Kindern in Horrorfilmen).


    Na ja, das liegt für mich ziemlich auf der Hand: Das ist Maries GRÖSSTE NOT, hier geht es um die riesige Angst, die in ihr entsteht, sie ist in Panik und verzweifelt, da konnte nicht einfach drüber weghuschen. Es tut mir leid, wenn Dir beim Lesen schlecht geworden ist, aber so grauenhaft sind diese Zwangsgedanken nun einmal. Da ist nichts übertrieben, solche Gedanken habe Betroffene. Und natürlich: Es ist ein Roman, da geht es um dramaturgische Fallhöhe. Wie spannend wäre ein Buch, wenn die Hauptfigur nicht das Allerschlimmste erleben würde, was überhaupt denkbar ist?

    Zitat

    Original von JASS
    Ich muss ein bisschen seufzen, weil es schon wieder ein totes Kind gibt. Funktionieren Romane damit besonders gut? Oder ist meine Buchwahl einfach nur "ungünstig", was diesen Fakt betrifft? Ich muss sagen, dass ich darüber nicht sehr gerne lese. Die ganze Szene mit Celia hat mich so traurig gemacht, mir standen die Tränen bis ganz oben unterm Dach. - Ich weiß nicht, ob ich die Stärke hätte, Anton (oder war es der andere Junge?) nicht "die Schuld" zu geben, sprich, wütend zu sein, weil er unbedingt jemanden schubsen musste.


    Nein, ganz sicher geht es NICHT um ein totes Kind, weil das besonders gut "funktioniert". Das klingt ja eklig! Effekthascherei ist mir ZUTIEFST ZUWIDER, und ich lege großen Wert darauf, Figuren und deren Entwicklung authentisch zu erzählen.



    Aaalso, zu Deinen Anmerkungen:
    Marie hat sich komplett aufgegeben, natürlich sieht sie da nicht den geringsten Sinn in welcher Therapieform auch immer. Und dass Menschen, die sich mit dem Themenbereich "Psychologie" beschäftigen, häufig selbst das eine oder andere psychische Problem haben, ist ja ein nun wirklich weit verbreitetes Vorurteil.


    Zur Kita: Ja, ich habe in einer Kita hier um die Ecke recherchiert. Und da ich selbst vier Nichten und Neffen habe, habe ich mit solchen Einrichtungen auch recht viel Erfahrung. Sicher ist jede Kita anders, hat eigene Abläufe und Strukturen. Dazu sei gesagt: Bei meinem zweiten Roman "Liebe, Lügen, Leitartikel", der in weiten Teilen in einer Zeitungsredaktion spielt, merkten damals einige Journalisten an, das sei nicht authentisch geschildert. Dabei habe ich selbst viele Jahre in verschiedenen Redaktionen gearbeitet ...


    Äh, von welchem Kindergottesdienst sprichst Du? Hat da jemand was in mein Buch geschrieben, während ich gerade geschlafen haben? :gruebel Weder schreibe ich über einen christlichen Kindergarten, noch führe ich das Thema sonderlich detailliert aus. Und was die "christliche" Sichtweise über das Sterben betrifft: Nun, wir haben Trauergottesdienste, wenn jemand gestorben ist, da wird ja nun nicht gerade fröhlich gefeiert. Trotz Himmel.


    Die Schlammfarbe ist genau genommen von OPI ;-)

    Silberdistel: :anbet


    Für mich war diese Kindergartenszene sehr, sehr schwierig und gehört für mich persönlich sogar zu den emotionalsten im ganzen Buch. Die Stigmatisierung Maries, dann noch gekrönt mit der Aussage: "Stell dir doch nur mal vor, es wäre dein Kind" - da bin ich selbst beim Schreiben wütend geworfen, obwohl es ja meine Idee war :grin Ich hätte Antons Mutter an Maries Stelle ... Na ja, aber das ist ein anderes Thema.


    Es ist traurig, dass unsere Gesellschaft oft einfach so funktioniert: Aus Angst und Ignoranz werden Menschen abverurteilt, sie bekommen keine Chance. Bis ein paar Tage später die "nächste Sau durchs Dorf getrieben wird". Maries Tragik ist eben, dass es nichts mehr gibt, was sie tun kann, denn obwohl es für sie ja eigentlich ein "Happy End" gibt, liegt ihr bisheriges Leben trotzdem in Trümmern. Wie oft haben wir es bei Prominenten erlebt, dass sie durch die Medien für etwas an den Pranger gestellt wurden - und wenn es dann Wochen später hieß "ach, doof, war ja alles gar nicht so", dann war das auf einmal nirgends mehr zu lesen. Das Stigma bleibt trotzdem an ihnen haften, das wird man nicht mehr los.


    Ja, ich wollte einen spannenden Krimi schreiben. Aber wenn es mir auch ein bisschen gelungen ist, die Leser auf etwas hinzuweisen, sie dazu zu bringen, über die ganze Thematik nachzudenken - dann freue ich mich. Wäre schön, wenn es nicht mehr allzu oft vorkommt, dass sich erst ein Robert Enke vor einen Zug werfen muss, damit die Öffentlichkeit davon erfährt, dass es Krankheiten wie Depressionen gibt und manche Menschen Hilfe brauchen.

    Zitat

    Original von Silberdistel
    Tragisch finde ich, dass gerade Elli und Falkenhagen diese unheilvollen Rollen bekommen haben. Das stellt vieles von dem, was sie gesagt/geschrieben haben nachträglich in Frage, obwohl doch das allermeiste so richtig war!


    Gerade das Forum wirkt dadurch recht suspekt und ist doch eigentlich so hilfreich! Ich selbst habe sehr viele nützliche Tipps durch solche Foren erhalten und auch durch eine private Nachricht, Kontakt zu einer anderen Betroffenen aufgenommen, mit der ich mich seit einem Jahr regelmäßig austausche (bin also selbst so eine Art Elli - aber, keine Sorge, keine Vera :-) . Es ist oft schwierig für Nichtbetroffene nachzuvollziehen, was in Zwangserkrankten vor sich geht, da ist es dann sehr entlastend zu lesen, dass andere ähnliches durchleben und Menschen zu finden, die einen wirklich verstehen können.


    Nun ja, gehen wir mal, positiv denkend, davon aus, dass die meisten Mitglieder von Zwangserkrankungsforen nicht allzu "paranoid" veranlagt sind :-)


    Ja, das ist natürlich tragisch, und deshalb möchte ich es noch einmal GANZ DEUTLICH sagen: "Alles muss versteckt sein" ist ein FIKTIONALER Thriller! Also kein Sachbuch, es soll bitte NIEMAND davon ausgehen, dass in Selbsthilfeforen so etwas passiert wie in meinem Roman!!! Hier wird Betroffenen in der Tat geholfen, sie finden Gleichgesinnte und Ansprechpartner. Aber ich habe eben einen Krimi geschrieben, da brauchte es die eine oder andere Verwicklung.


    Aber: Alles, was Elli schreibt, ist wahr, Zwangserkrankte sind NICHT gefährlich! Dass es am Ende Marie zum Verhängnis wird, ist natürlich eine perfide Wendung, die aber für eine FIKTIONALE Geschichte nötig war.


    Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V. hat mir auch gesagt, dass er kurz zusammengezuckt ist, als er gelesen hat, wie sich das Forum letztlich zum Spinnennetz entwickelt - aber er war auch der Meinung, dass der Roman dennoch einiges zur Aufklärung beiträgt und man ihn als das lesen sollte, was er ist: als eine spannende Geschichte.