Beiträge von Warin

    Von ihrer Großmutter erhielt Neva nicht nur ihren ungewöhnlichen Namen (der Schnee bedeutet), sondern auch den Drang nach Freiheit. Ein gefährliches Bedürfnis im totalitär regierten „Heimatland“.


    Schon vor Generationen haben die Gründungsväter Heimatland von der Außenwelt abgeschottet, in dem sie eine riesige Glaskuppel, die Protektosphäre, errichteten. Darunter wird jede Nonkonformität mit Polizeigewalt im Keim erstickt. Trotzdem oder gerade deshalb geht es mit Heimatland bergab. Entwicklung findet aufgrund der selbst gewählten Isolation nicht mehr statt, Technik kann nur noch recycelt werden, das Wissen über ihre Entwicklung ging schon vor Jahrzehnten verloren. Geschichte wird umgeschrieben, wie es den Regierenden gefällt. Den Menschen fehlt es an genetischer Erneuerung: Aufgrund der Inzucht gehen Lebenserwartung und Geburtenrate zurück, die Bewohner Heimatlands sehen sich immer ähnlicher. Da greift die Regierung im Kampf gegen den Bevölkerungsschwund zu radikalen Methoden.


    Neva und ihre Freunde haben sich zur Volljährigkeit mit 16 geschworen, sich dem System zu widersetzen. Sie tätowieren sich unverwechselbare Kennzeichen, leben im Zölibat, um dem System den dringend benötigten Nachwuchs zu verweigern, sprühen Parolen und verteilen Flugzettel. Nur ihr Vater, selbst Regierungsmitglied, schützt Neva vor dem Zugriff des Staates. Ihren Freunden geht es da wesentlich schlechter. Viele verschwinden. Und die, die zurückkehren, sind nach einer Gehirnwäsche nicht mehr dieselben. Wie z.B. Ethan, Nevas Freund. Und dann ist da noch der geheimnisvolle Braydon. Ein Kuss im Dunkeln genügt und Neva verliebt sich unsterblich in den Freund ihrer besten Freundin.


    Beim Lesen des Klappentextes musste ich direkt an die Tribute von Panem Trilogie von Suzanne Collins denken. Auf der Erfolgswelle dieser Dystopie will wohl auch „Neva“ mitschwimmen. Im Gegensatz zu Panem konnte mich „Neva“ allerdings emotional nicht erreichen. Die Liebesgeschichte mit Braydon wirkte auf mich arg aufgesetzt und gezwungen, als wäre sie nur hineingeschrieben worden, um die Zielgruppe der Twilight Fangirlies zu erreichen. Der Entscheidungskonflikt eines Teenagers zwischen Anpassung und Rebellion wurde schon oft und besser erzählt, genau wie die Fiktion einer isolierten Glaskuppelwelt. Die Ergebnisse konnten mich daher nicht verwundern.


    Zu Gute halten will ich Sara Grant aber, dass sie der Versuchung widersteht, scharz/weiß Stereotypen zu entwickeln. Es gibt keinen unsäglich bösen Diktator. Es gibt nur eine Masse von Konformisten wie Braydon, Ethan und Nevas Eltern, die zur Beruhigung ihres Gewissens im Stillen zwar jeder auf seine Weise irgendwie Widerstand leisten, letztendlich aber das System mitragen. Eine, wie ich finde, realistische und damit umso erschreckendere Betrachtungsweise.


    Fazit: Wenig originelle, aber in sich stimmige Dystopie. 6 von 10 Punkten.

    Thomas ist ein jugendlicher Ausreißer und nach einem bös missglückten Raubüberfall auf der Flucht vor der Polizei.


    Da kommt es ihm ganz recht, dass ihn die Moerfields in regennasser Nacht von der Straße auflesen und in ihr Haus aufnehmen. Mrs. M.(oerfield), eine ältere Dame mit dem niedlichen Lächeln einer kleinen Eule, päppelt Thomas auf und leistet ihm Gesellschaft, als ihn eine schwere Grippe ans Bett fesselt.


    Doch das Verhalten der Moerfields ist nicht selbstlos. Thomas ist weder der erste, noch der letzte Junge, der in den Wänden ihres Hauses gemästet wird. Aber bei Thomas scheint alles anders zu sein. Mehr und mehr wächst er den M.'s ans Herz und langsam keimt in ihnen die Hoffnung, aus ihm könne mehr werden, als Fleisch für ihre Kochtöpfe: Ein "Erhabener", ein Mitglied ihrer obskuren Sekte, deren Mitglieder Menschenfleisch essen und Sex für verachtenswert erachten. Der Sohn, den sie sich immer erhofft hatten. Doch dann enttäuscht Thomas ihre Erwartungen...


    Zunächst eine Warnung: Die Praktiken der "Erhabenen" sind abstoßend und ekelerregend. Und obgleich die "Erhabenen" Sex ablehnen, ist er doch immer wieder Thema. Cecille Ravencraft hält sich dabei in ihren Beschreibungen nicht zurück, weshalb ich das Buch in die Kategorie "ab 18" einstufen möchte.


    Sprachlich wusste Cecille Ravencraft mich zu überzeugen. Sie schafft es, Atmosphäre zu schaffen und mir sind beim Lesen nahezu keine Fehler aufgefallen. Der ein oder andere Vergleich wurde mir vielleicht ein klein wenig zu oft bemüht (wie der von Mrs. M mit einer kleinen Eule) und der Roman ist auch nicht frei von Plattitüden, doch letztendlich hat mich das nicht gestört, da der Spannungsaufbau bei mir gelang und ich gerne weiter gelesen habe. Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich die häufigen Wechsel der Erzählperspektive. Z.B. hätte ich auf den kurzen Einblick in die Gedankenwelt Kevins, der ohnehin nur da ist, um geschlachtet zu werden, verzichten können. Dass die Autorin sich als Nebenfigur selbst in die Handlung eingewoben hat, war wohl witzig gedacht, ist bei mir aber nicht angekommen. Ich empfand diese Szenen als unpassend und als Fremdkörper in einem ansonsten gelungenen Buch.


    Das Ende war für mich nicht vorhersehbar und obgleich der Roman damit abgeschlossen ist, böte sich sogar noch Potential für eine Fortsetzung.


    Fazit: Empfehlenswert, aber nichts für empfindliche Gemüter. 8/10 Punkte.

    Dem Abschlußband der „Tribute von Panem“-Trilogie habe ich mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. Zum einen mit großer Spannung, wie es mit der Revolution in Panem weitergehen könnte, zum anderen mit der Befürchtung, es könne wie in Band 2 wieder nur zu einem Aufguss von Band 1 oder gar zu einer kitschigen Liebesschnulze kommen.


    Um es gleich vorneweg zu nehmen: Meine Befürchtungen waren unberechtigt. Suzanne Collins ist es gelungen, meine hohen Erwartungen sogar noch zu übertreffen.



    Aber zunächst zum Inhalt:


    Nach ihrer Flucht aus der Arena findet sich Katniss in der sterilen, unterirdischen Welt von Distrikt 13 wieder. Hier dominieren Disziplin, Einheitlichkeit und ein strikter Tagesplan. Als psychisch labil eingestuft und damit quasi „vogelfrei“, entzieht sie sich dem monotonen Alltag von Distrikt 13 und sucht sich geheime Verstecke, in denen sie den Tag verbringen kann.


    Doch dann zwingt Präsident Snow Peeta mit Folter zu medienwirksamen Auftritten, in denen der gefangene Tribut zum Ende der Rebellion auffordert. Um Peeta und die anderen Tribute zu retten, schließt Katniss einen Pakt mit Rebellenführerin Coin: Unter der Voraussetzung, dass Coin Peeta und den anderen Tributen öffentlich Amnesie zusichert, ist sie bereit, den Spotttölpel, die Leitfigur der Revolution, zu spielen. Peetas Warnungen, die Leute, für die sie handelt, genauer unter die Lupe zu nehmen, erachtet sie als Teil von Snow’s Propaganda und Gehirnwäsche. Doch schon bald deutet sich an, dass sich Coins Methoden von denen Präsident Snows nicht sonderlich unterscheiden. Kleine Disziplinlosigkeiten des aus dem Kapitol entführten Vorbereitungsteams werden mit Folter bestraft. Gale und Beetee entwickeln mit kühler Präzision aus Tierfallen „Menschenfallen“ und nehmen „Kollateralschäden“ billigend in Kauf. Den Krieg um die Medien beherrscht Coin mindestens genau so gut wie Snow: „Soldat“ Katniss wird herausgeputzt, in eine Fantasieuniform des von Snow ermordeten Designers Cinna gesteckt und medienwirksam an die Front geschickt. Dort macht sie mit Eigenwillen und Mut ihre Sache so gut, dass sie, ohne das zu wollen, zu einer Bedrohung für Coin wird, die die Nachfolge Snows anstrebt. Bei dem Sturm auf das Kapitol kämpft Katniss an vorderster Front und muss -wie bei Collins nicht anders zu erwarten- viele Menschen, die ihr nahe stehen, sterben sehen. Dabei bleibt Katniss weit davon entfernt, zur Heldin oder gar Mary Sue zu mutieren. Letztendlich ist ihr Beitrag zum Kampf sogar unbedeutend.


    Collins Schreibstil ist sicher gewöhnungsbedürftig. Eine Sprachpoetin ist sie nicht. Die Sätze wirken noch kürzer, noch abgehackter, als in den Vorgängerbänden. Bei manchen Passagen würde ich gar von einem Telegrammstil sprechen. Für mich war das jedoch keine Schwäche. Im Gegenteil: Ich hatte den Eindruck, dass hier eine Autorin mit viel Engagement und Herzblut „nach vorne“ geschrieben hat und sich nicht mit ausschweifenden Beschreibungen aufhalten konnte, weil ihr die Geschichte so rasch aus der Feder floss. Das gibt dem Buch ein unglaubliches Tempo und dürfte wohl der Grund dafür gewesen sein, dass ich es in sieben Stunden an einem Stück durchgelesen habe, was sonst nicht meine Gewohnheit ist.


    Darüber hinaus hat „Flammender Zorn“ eine Tiefe, die ich der Autorin nicht zugetraut hätte. Collins will eine Botschaft vermitteln. Ohne Pathos und Kitsch, lässt sie miterleben, wie nah Menschlichkeit und Unmenschlichkeit im Krieg beieinander liegen. Die kühle Berechnung, mit der Gale und Beetee die Methoden des Feindes übernehmen und „Kollateralschäden“ in Kauf nehmen, ist erschreckend. Wer will da am Ende noch definieren, wer Gut und wer Böse war. Es bleibt nur die Erkenntnis, dass ein Krieg immer grausam ist, die Besten zu früh sterben und es am Ende nur Verlierer gibt.


    Dabei widersteht Collins der Versuchung, allzu sehr auf die Tränendrüse zu drücken (was sie eigentlich ganz gut beherrscht). Der (nicht wirklich überraschende) Tod eines lieben Menschen gegen Ende des Buches wird knapp, kalt und geradezu emotionslos geschildert. Zunächst gefiel mir diese Passage wegen ihrer kühlen Sachlichkeit gar nicht. Doch dann lässt Collins dem Leser Zeit, gemeinsam mit Katniss das in Sekundenbruchteilen Geschehene zu verarbeiten und mir wurde klar, dass diese Form der Schilderung der Wahrnehmung von Katniss wohl am besten entspricht.


    „Twilight-Mädchen“ könnten vom letzten Band der Panem Trilogie enttäuscht sein, denn das Liebesgeplänkel Gale oder Peeta spielt in „Flammender Zorn“ zu meiner (angenehmen) Überraschung kaum eine Rolle mehr.


    Sicher gäbe es auch Dinge, die sich an Panem kritisieren ließen. Nebenhandlungen werden vielleicht ein wenig zu oft dadurch erledigt, dass Nebencharaktere für tot erklärt werden. Am Ende versucht Collins, es allen Recht zu machen: Denen, die ein Happy End brauchen (für den amerikanischen Markt ganz besonders wichtig!) und denen, die lieber mitleiden möchten. So kann der Abschluss nur ein Kompromiss sein, doch den möchte ich als durchaus gelungen bezeichnen.


    Für mich wäre übrigens ein anderes Ende zwingender, aber wohl nicht so marktgängig gewesen:

    Böse, oder? Aber vielleicht realistischer.


    Ein Sonderlob an den Verlag für die gute Übersetzung und das saubere Lektorat. Die Aufmachung könnte für das Geld allerdings etwas hochwertiger sein. Papierumschläge sind nicht mein Ding, ein Lesebändchen habe ich vermisst und leider scheint der Buchrücken etwas schwach zu sein, so dass alle drei Bände bei uns nach zweimal lesen etwas verzogen aussehen. Aber solche Äußerlichkeiten treten hinter dem Inhalt selbstverständlich zurück.


    Fazit: Vollkommen zu Recht die Nr. 1 der Spiegel Beststellerliste und für mich ein heißer Kandidat für das beste phantastische (Jugend-)Buch 2011 => Uneingeschränkt 10 von 10 Sternen.

    Wenn den Kryson Zyklus für mich bislang etwas auszeichnete, dann war das die Spannung. Die Vorgängerbände waren echte "pageturner". Dafür war ich bereit, über manch sprachliche Schwäche hinwegzusehen.


    Leider war für mich in Band IV von Spannung nichts mehr zu spüren. Die Handlung beginnt mit den Selbstgesprächen eines Narren, der eine leere Stadt hütet. Dann lesen wir zusammen mit einem Atramentor, einem Schriftgelehrten der Bewahrer, in einer Schriftrolle Ulljans. Als Ich-Erzähler beschreibt Ulljan die Entdeckung Kartaks, der sagenumwobenen Insel der Nno-bei-Klan. Der Atramentor vernichtet die Schriftrolle aus Furcht vor dem darin enthaltenen Wissen und wird von dem "Gefäß" gemeuchelt, das das Wissen an sich nimmt und zu Tomal trägt. Währenddessen kämpfen sich die Zwillinge Foljatin und Gwantharab durch die Grenzlande, um Elischa und Madhrab auf Geheiß des Regenten Jafdabh aus der Verbannung zu holen.



    Die Handlung klingt haarsträubend und sprunghaft? Ist sie m.E. auch. Bei mir kam zu keiner Zeit das Gefühl von Atmosphäre auf. Bernd Rümmeleins Sprachstil wurde ja schon von anderen Rezensenten als beamtenhaft bezeichnet, in Kryson IV ist mir dies aufgrund der fehlenden Spannung besonders stark aufgefallen. Manche Formulierungen empfand ich als derart unpassend, dass sie fast schon wieder unfreiwillig komisch waren. Hinzu kommen skurrile Einfälle, wie mit Pfurzgasen gefüllte Luftschiffe, auf denen riesige Kanonen montiert werden. Man stelle sich mal den Rückstoß vor, wenn eine solche Kanone abgefeuert wird... Pffffffft...


    Spannung kam allein deshalb schon nicht bei mir auf, weil sich der Roman quasi selbst spoilert: Die Handlung ist durch die Prophezeiungen der Vorgängerbände determiniert, überraschende Wendungen bleiben aus. Zu keinem Zeitpunkt hat mich das bisweilen harte Schicksal der Charaktere bewegt. Dafür waren mir ihre Beschreibungen viel zu kurz und oberflächlich.


    Natürlich ist es nicht weiter ungewöhnlich für große Zyklen, dass irgendwo in der Mitte die Luft raus ist. "Das verlorene Volk" wirkte für mich jedoch besonders lieblos runtergeschrieben, als wäre es nur darum gegangen, die Seiten im Hinblick auf einen Abgabetermin zu füllen und die Charaktere dort hinzubringen, wo sie für die Folgebände hingehören. Schon lange nicht mehr habe ich mich beim Lesen eines Buches derart quälen müssen, mehr als 30-40 Seiten am Stück waren mir nicht möglich, ohne dass mir die Augen zufielen.


    Fazit: Nur was für Fans, ansonsten abzuraten.

    Im Prolog von "Weisser Schrecken" jagt der Nikolaus einen Engel durch den weißen Winterwald und bringt ihn mit einer Spritze zur Strecke. Was zunächst skurril wirkt, wird sich dem Leser erst zum Ende der Geschichte hin als Grausamkeit mit erschreckend zwingendem Motiv offenbaren.


    Der Roman beginnt mit einem Interview von Andreas Meyenberg in einer Radio Live Show über seine Tätigkeit bei Ärzte ohne Grenzen. Doch dann ruft Niklas, ein Freund aus Kindertagen, an, und erinnert Andreas an Geschehnisse, die er lieber längst vergessen hätte.


    Die Handlung springt zurück in den Dezember des Jahres 1994. In ihrem Mittelpunkt stehen die damals noch jugendlichen Freunde Andreas, Niklas, Robert, Elke und Miriam. Die Freunde verbindet ein unheimliches Geheimnis - und Familienverhältnisse, die getrost als zerrüttet bezeichnet werden können. Die Zwillinge Elke und Miriam leiden unter dem religiösen Wahn ihrer Eltern, die nicht davor zurückschrecken, ihre Töchter mit Erbsen unter den Knien den Rosenkranz beten zu lassen. Die Mutter von Grufti Robert gibt sich dem Suff hin, sein Vater hat längst das Weite gesucht. Andreas Mutter hat sich vor Jahren erschossen, sein Vater überhäuft ihn mit teuren Geschenken, nur Zeit für seinen Sohn hat er nie. Noch schlimmer hat es Niklas getroffen. Seine Mutter hat versucht, ihn als Kind mit einem Kopfkissen zu ersticken und versucht das wiedergutzumachen, in dem sie ihn mit Leckereien aus der eigenen Backstube mästet, was ihn zum Gespött von Konrad Toschlager und seiner Bande macht.


    Dann häufen sich die merkwürdigen Ereignisse im beschaulichen Perchtal im Berchtesgardener Land. Geistererscheinungen, Wetterkapriolen und unheimliche Kinderstimmen, die Nikolauslieder singen. Ein vorläufiger Höhepunkt ist erreicht, als Elke unter dem Eis des Sees die Leiche eines Mädchens findet, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sieht. Schnell wird den Freunden klar, dass ihre Eltern und die Honoratioren des Dorfes ihnen etwas verheimlichen. Und so begeben sie sich auf eine spannende Recherche über die geschichtlichen Hintergründe von Krampuslauf, Nikolaus und Knecht Ruprecht. Dabei entdecken sie, dass in Perchtal alle sechzehn Jahre am 6. Dezember Kinder oder Jugendliche verschwinden. Und schon steht Nikolaus wieder vor der Tür...



    Meine Meinung:


    Wer "Weisser Schrecken" liest, wird das Nikolausfest künftig mit anderen Augen sehen. Viel mehr, als der vom Verlag aufs Cover gedruckte Vergleich mit Stephen King, drängt sich mir allerdings ein Vergleich mit den "Drei ???" oder den "Fünf Freunden" auf - nur in der härteren Version für Erwachsene. Wer als Kind gerne solche Bücher gelesen hat und sich als Erwachsener für Mystery Serien à la "Akte X" begeistern konnte, wird bei "Weisser Schrecken" sicher auf seine Kosten kommen. Was zunächst haarsträubend erscheint, stellt sich im weiteren Leseverlauf als exzellent recherchierter History Thriller heraus. Dabei gelingt es Thomas Finn geschickt, Spannung aufzubauen und den Spannungsbogen über 490 Seiten zu halten.


    Mir hat auch das Ende sehr gut gefallen. Gut- und Böse Schemata verschwimmen, wenn den Protagonisten die Ursache des "Weissen Schreckens" offenbar wird. Der Roman ist abgeschlossen und dennoch bleibt Raum zu spekulieren. Clever gemacht.


    Gewünscht hätte ich dem Buch allerdings ein besseres Lektorat. Wie ich leider zum wiederholten Male bei einem Piper Fantasy Buch feststellen muss, ist dieses voller Tipp- und Setzfehler. Darüber hinaus hatte ich auch so meine Probleme mit Thomas Finns Sprache, die mir doch recht einfach erschien. Der Adjektivgebrauch erschien mir übertrieben und zu wenig abwechslungsreich, "lahm" konnte ich irgendwann genau so wenig mehr lesen wie "mit blubbernden Geräusch", von der unfreiwillig komischen Stilblüte einer "weiblichen Mädchenleiche" mal ganz zu schweigen. So etwas muss ein Lektor einfach rausstreichen.


    Fazit: Vier Daumen für Story und Spannung, ein Daumen Abzug für sprachliche Mängel, macht insgesamt drei Daumen, bzw. sechs Punkte von mir.

    Phantastik, Drama, Thriller, Erotik, Krimi, Weltliteratur - Murakamis vielseitiger Roman ist alles in einem.


    Murakamis 1Q84 gliedert sich in zwei Handlungsstränge, die sich kapitelweise abwechseln und im Jahr 1984 spielen. In einem Handlungsstrang geht es um den 30-jährigen Tengo, der sich seinen Unterhalt als Lehrer an einer Abendschule verdient und sich in seiner reichlich vorhandenen Freizeit als Autor für eine Literaturzeitschrift betätigt. Von seinem Redakteur erhält er den Auftrag, für einen Debütpreis das Manuskript der 17-jährigen Fukaeri zu überarbeiten. Fukaeri hat eine phantastische Geschichte mit dem Titel "Die Puppe aus Luft" geschrieben, die inhaltlich eine merkwürdige Faszination auf Tengo ausübt, stilistisch aber in hohem Maße unzureichend ist. Trotz eines schlechten Gewissens macht sich Tengo an die Arbeit.


    Im zweiten Handlungsstrang geht die Fitnesstrainerin Aomame ihrer Beschäftigung als Auftragskillerin für Männer nach, die ihre Ehefrauen misshandelt haben. Nebenbei führt sie gemeinsam mit der Zufallsbekannschaft Ayumi ein ausschweifendes Sexualleben, doch ihre wahre Liebe gehört nur einem ehemaligen Mitschüler, dem sie im Alter von 10 Jahren die Hand gedrückt hat und den sie seit dem nie wieder gesehen hat - Tengo.


    Durch die Veränderungen in ihrem Leben dringt die Welt der "Puppe aus Luft" in die reale Welt von Aomame und Tengo ein, wobei die gravierendsten Veränderungen ein zweiter kleiner Mond und das Auftauchen einer Sekte namens "Die Vorreiter" sind. Diese veränderte Welt bezeichnet Aomame als "1Q84", einer Abwandlung der Jahreszahl "1984".


    Murakami überzeugt durch eine einfache und flüssig zu lesende Sprache voller bildhafter Vergleiche. In diesem Zusammenhang ist die sauber wirkende Übersetzung durch Ursula Gräfe lobenswert zu erwähnen. Der Roman bezieht seine Spannung vor allem aus den inneren Konflikten seiner beiden Protagonisten. Nebenbei scheut sich Murakami nicht, heikle Themen wie das Sekten(un)wesen in Japan, die Studentenbewegung der 60er Jahre, Gewalt in der Ehe, sexuelle Übergriffe in der Familie, die Rolle der Frau und der Umgang mit Senioren geradezu beiläufig aufzugreifen. Murakami-typisch enthält auch 1Q84 reichlich prickelnd beschriebene Erotik, vermisst habe ich jedoch ein klares Bekenntnis gegen Pädophilie, einige Szenen (z.B. die Rechtfertigungen des "Leaders" für Geschlechtsverkehr mit Zehnjährigen sowie die Beschreibungen von Fukaeris "frisch entstandenen Geschlechtsteil") erschienen mir in diesem Zusammenhang etwas zweifelhaft.


    Am Ende stand für mich die Erkenntnis, dass das Unfassbare unfassbar ist und die unerfüllte Liebe wohl die größte zu sein scheint. Für mich könnte das offene Ende dieses Doppelbandes so stehen bleiben, daher war ich irritiert, als ich erfuhr, dass in Japan wohl bereits ein dritter Band von 1Q84 erschienen ist.


    Am Rande erwähnt sei noch, dass Dumont dem Doppelband ein schickes Kleid spendiert hat, das nur im Original und nicht auf Coverabbildungen seinen ganzen Charme entfalten kann: Giftgrüne und silbern glänzende Schrift auf matt silbernen Deckel, der Name des Autors prangt in fetten grünen Lettern auf der Innenseite des Buches, bei mir kamen da gleich Assoziationen mit Zukunftsvisionen aus den 60ern/70ern Jahren wie Kubricks "2001: Odyssee im Weltall" oder George Lucas' "THX 1138" auf. Darüber hinaus ist das Buch auf haptisch sehr angenehmen Papier gedruckt und verfügt über ein giftgrünes Lesebändchen. Unter Berücksichtigung des Aufwandes der Übersetzung und der hochwertigen Aufmachung, kann ich den recht hohen Preis von 32,00 € somit noch als angemessen bezeichnen.

    „Fackeln im Sturm“ auf vampirisch


    Ich muss zugeben, dieses unverlangt zugesandte Rezi-Exemplar habe ich lange vor mir hergeschoben. Was vor allem daran lag, dass mir Vampirschnulzen einfach über sind und die Aufmachung des Buches mich zu sehr eine solche befürchten ließ.


    Na ja, dank Urlaub, einer Menge Zeit und nichts anderem zu lesen habe ich mich dann doch mal diesem „all age“ Roman genähert.


    Der Erfinder Vanderborg reist mit Tochter Estelle und Sohn Friedrich in die Karpaten, um dort mit einer von ihm entwickelten Maschine einen Vampir zu fangen. Das geht natürlich schief und so fährt nicht nur ein Blitz in Estelles zarten Körper sondern auch der Geist von Eleonore, einer über 400 Jahre alten Untoten, die sich dereinst selbst verfluchte, um Rache an dem Geschlecht der von Przytulek zu verüben, das ihrem sittsamen Leben ein so schnelles und grausames Ende bereitet hatte.


    So durchlebt Eleonore im Körper von Estelle die Freuden und Leiden des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, wie arrangierte Ehe und ungewollte Schwangerschaft, Liebe und Verlust durch Krieg.


    Es ist nicht einmal so, dass ich mich nicht für Familiensagas in Form von historischen Romanen begeistern könnte. Estelle/Eleonore bleibt mir jedoch fremd, was daran liegen könnte, dass ich ihr ihre Leiden angesichts ihrer vampirischen Natur nicht so Recht abnehmen mag. So plätscherte dieser „historische Vampirroman“ dahin, ohne jemals „faszinierend anders“, „außergewöhnlich spannend“ oder gar „unwiderstehlich romantisch“ für mich zu sein, wie der Verlag auf dem Cover verspricht. Für mich war „Estelle“ so spannend wie ein Geschichtsbuch der Unterstufe. Zwar scheint Eleonore in der Verfolgung des Geschlechts derer von Przytulek bei so ziemlich jedem Brennpunkt des Zeitgeschehens, ob französische Revolution oder Sturm auf Magdeburg, anwesend gewesen zu sein, jedoch bleiben ihre Erinnerungen merkwürdig unpersönlich, so dass der Roman mich nicht zu fesseln wusste. Denn mehr als das, was Wikipedia über diese Ereignisse verrät, weiß auch Eleonore nicht zu berichten. Dazu kommt, dass die Handlung zwar gradlinig, dafür für mich aber auch ohne Überraschungen oder unvorhersehbare Wendungen verläuft.


    So war ich nach 423 langen Seiten im Grunde so schlau wie zu Beginn und auch wenn Minte-Königs routinierter Schreibstil mich zu überzeugen wusste: Nach weiteren Bänden dieser Trilogie (den Titeln nach scheint jeder Band einer Generation gewidmet zu sein) verlangt es mir nicht.


    Kleines Detail am Rande: War es eigentlich schon Ausgang des 19. Jahrhunderts üblich, Spargelstecher und Bauarbeiter aus Polen anzuwerben? Ich hätte gedacht, das wäre erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts aufgekommen.


    Fazit von mir: Durchschnittlich.

    Christoph Marzi (Autor) / Monika Parciak (Illustratorin) – Helena und die Ratten in den Schatten


    Klappentext


    „Du musst vorsichtig sein“, warnen die anderen Kinder Helena. „Da sind Ratten in den Schatten.“ Und vor denen, das weiß jeder in der Stadt mit den schiefen Dächern und den Zäunen wie spitze Zähne, muss man sich in Acht nehmen. Sie stehlen das Licht aus den Lampen, sagt man. Und entführen alle, die sich in den Schatten verirren. Doch mit der Zeit vergisst Helena die Geschichten von den Ratten. Bis zu der Nacht, in der Chico, ihr Stoffäffchenfreund, vom Fensterbrett fällt – mitten hinein in den wilden Garten und die schwärzeste Dunkelheit. Da beschließt Helena, dass man manchmal mutig sein muss. Ganz allein macht sie sich auf den Weg, um herauszufinden, was wirklich in den Schatten ist.


    Man nehme...
    die Ratten aus Lycidas
    die Schatten aus Malfuria
    eine begabte Illustratorin
    den Stoffaffen des Autors sowie
    ganz viel Marzi’sche Wortpoesie


    und erhält ein wundervolles Bilderbuch, neudeutsch „graphic novel“, das ich nur empfehlen kann.


    Ich habe unsere Älteste (10) das Buch ihren jüngeren Schwestern (5 und 7) vorlesen lassen. Um es gleich vorwegzunehmen: Alle drei fanden es gut und da sie die Zielgruppe sind, zählt ihr Urteil sicher mehr als meines.


    Für Erstleser (also unsere Siebeneinhalbjährige) ist die Schrift leider zu klein und manchmal zu schnörkelig. Ältere (Vor-)Leser werden an den unterschiedlich fett gedruckten Worten jedoch schnell ihre Freude finden, lässt sich der Text damit doch wunderbar betont lesen oder gar flüstern, um die Spannung noch zu steigern. Dafür sorgen auch die vielen kleinen Cliffhanger an den Seitenenden. So werden die rd. 70 Seiten (zum überwiegenden Teil großflächige Illustrationen) nie langweilig und selbst ein lesefaules Kind wie unsere Große musste zum Weiterlesen nicht motiviert werden. Nicht so gut gefallen haben mir die englischen Namen "Mrs Wimmerforce" und "Bradbury, der Hund der Windors", die nicht des englischen kundige junge Leser nur sehr schwer aussprechen können.


    Marzi Fans bekommen ganz nebenbei noch humorvolle Einblicke in den Alltag der Familie des Autors, von Deadline Monstern bis zur Waschmaschinenunverträglichkeit von schwarzen Schriftsteller- und weißen Yogaklamotten.


    Am Ende sind die Gerüchte über die „Ratten in den Schatten“ so falsch, wie sie wahr sind und es bleibt die Moral, dass alles eine Frage des Standpunktes ist und nichts auf die Meinung Dritter zu geben ist, solange man nicht selbst mutig in die Welt hinaus tritt, um sie mit offenen Augen zu sehen.


    In diesem Sinne bitte ich, auch nichts um meine Rezension zu geben, sondern selbst in das Buch hineinzuschauen ;-)

    Klappentext:


    Der hochbegabte Johannes, genannt Joker, und seine Clique planen ein kühnes Vorhaben. Im GRID, einem Verbund von Hochleistungsrechnern der Universität, wollen sie heimlich eine künstliche Intelligenz programmieren. Der Anfang klappt wunderbar, doch dann entwickelt sich Jokers GRID in eine Richtung, die niemand vorhersehen konnte. Kann es sein, dass Joker etwas geschaffen hat, das er nicht mehr unter Kontrolle hat? Gut, dass Joker seine Möchtegern-Freundin Ljusja zur Seite hat. Sie schafft es ihm zu beweisen, dass man hochintelligent, aber zugleich dumm wie ein Stück Seife sein kann.



    Über den Autor:


    Reinhold Ziegler wurde 1955 in Erlangen geboren. Er studierte Maschinenbau, begann aber schon während seines Studiums zu Schreiben. Später arbeitete er einige Zeit als Ingenieur im Motorenbau und in der Tauchtechnik, bevor er eine Ausbildung zum Journalisten machte. Er arbeitete viele Jahre als Redakteur und freier Journalist für technische Themen, zugleich veröffentlichte er regelmäßig Romane und Erzählungen für Jugendliche und junge Erwachsene. Heute lebt er als Freier Schriftsteller mit seiner Familie in der Nähe von Aschaffenburg.



    Thrillerspannung im Hackermilieu, das ist es, was das schwarze Cover mit dem Prägedruck "GRID alive" und dem von Monitoren umgebenen Typen im Kapuzenshirt verspricht. Ein Buch für Jungs also, dachte ich.


    Doch schon auf den ersten Seiten wird schnell klar, was der Verlag meint, wenn er auf das Cover unter Thrillerspannung "mit Gefühl" druckt. Die ersten 100 Seiten sind eher rosarot. Ljusja, 15-jährige Halbrussin verliebt sich in den Computer-Nerd Johannes, genannt Joker. Währenddessen macht ihre hübsche Freundin Anabell mit ihrem Freund Robert, IT-Spezialist und GTI-Fahrer aus gutem Hause, Schluss. Im ersten Drittel des Buchs dominieren vor allem die Beziehungsprobleme der Mädchen, dann entwickelt Joker "GRID", eine künstliche Intelligenz (AI), mit der man interaktiv kommunizieren kann. Doch GRID entwickelt sich nicht so, wie Joker es sich vorgestellt hat, denn GRID will böse sein. In diesem Teil, wenn aus Spiel Ernst wird und Anabell sogar in Lebengefahr gerät, entwickelt sich tatsächlich Thrillerspannung, die bei mir aber leider nicht bis zum Ende vorgehalten hat. Was vor allem daran lag, dass mir die Auflösung nach 271 Seiten doch arg vorhersehbar erschien.


    Die Charaktere waren mir ein wenig zu eindimensional und klischeebehaftet. Ljusja ist stark, "wie Russinnen das sind", der Unsympath Robert trägt Designerklamotten und fährt GTI und der Computer Nerd Joker hatte eine schwere Kindheit, die ihn zum Außenseiter werden ließ.


    Ein paar Ungereimtheiten stecken m.E. auch in der Geschichte. Wie kann sich Jokers Vater, der von der Sozialhilfe lebt, ein Haus mit einem Garten leisten, in dem es neben Jokers Gartenhaus einen Bachlauf und sogar einen kleinen Teich gibt? Wie kann ein Nerd wie Joker auf die Idee kommen, der Ordner mit den von ihm vermissten Internetprotokolldateien wäre schon vor längerer Zeit gelöscht worden, wenn die Dateien doch mit jedem Zugriff neu geschrieben werden?


    Unklar ist mir auch, an welche Zielgruppe sich das Buch richtet. Für rosarote Teenagerträume kommt die Liebe in den letzten beiden Dritteln zu kurz, Computer-Nerds werden bei den Mädchenproblemen im ersten Drittel mit den Augen rollen.


    Fazit:
    Eine ordentliche, aber nicht überragende Geschichte, die es Jungs und Mädchen gleichzeitig Recht machen will und damit irgendwo zwischen den Stühlen landet.

    Klappentext
    In Sallies Welt geht alles seinen scheinbar gewohnten Gang: Sie ist Küchenmädchen in einem Herrenhaus, so groß, verwinkelt und weitläufig, dass Sallie nur einen winzigen Bruchteil davon kennt. Am liebsten hält sie sich ohnedies in der Bibliothek auf, um zu lesen. Denn die Geschichte vom ewigen Kampf des Nebelkönigs gegen die Katzenkönigin lässt sie nicht mehr los. Doch schon bald wird Sallie herausfinden, dass weder in der Geschichte noch in dem Haus die Dinge so sind, wie si auf den ersten Blick scheinen... Susanne Gerdom entführt in eine märchenhafte Welt voller Abgründe


    Über die Autorin
    Susanne Gerdom, geboren 1958 in Düsseldorf, wuchs am Niederrhein auf. Nach einer Buchhändlerlehre arbeitete sie als Regisseurin und Schauspielerin an verschiedenen Düsseldorfer Theatern. Später begann sie Fantasy und SciFi zu schreiben. Ihr Roman „Anidas Prophezeiung“ wurde als Fantasy-Entdeckung des Jahres 2003 gefeiert.


    Märchenhafte Fantasy


    Sallie, „fast vierzehn“ ist Küchenmädchen in einem verwunschenen Herrenhaus. Während es für sie völlig normal ist, mit Tieren zu reden, erschließen sich ihr die weiteren Geheimnisse ihres zu Hauses – und ihres Lebens, erst nach und nach. Was hat es mit der Geschichte vom Nebelkönig und der Katzenkönigin auf sich, die ihr der Bibliothekar heimlich zu lesen gibt und welche Rolle spielt sie selbst darin? Wer ist der geheimnisvolle Junge im Keller und wohin führen all die Gänge in diesem Haus, das für Sallie Anfang und Ende ihrer kleinen Welt zugleich ist.


    Susanne Gerdom gelingt es, eine märchenhafte Atmosphäre zu schaffen, die mich als Leser schnell in ihren Bann gezogen hat. Dabei genügen ihr wie in einem Kammerspiel ein unheimlicher Schauplatz und eine handvoll, teils Gestalt wandelnde Charaktere, um die 335 Seiten spannend zu füllen. Vermutlich ist es gerade diese Beschränkung aufs Wesentliche, welche mir die Atmosphäre des Romans so dicht erscheinen ließ. Und spätestens, als es die ersten Toten gab, wurde mir klar, dass „Der Nebelkönig“ nicht nur märchenhaft, sondern auch ziemlich gruselig sein kann, Gänsehaut nicht ausgeschlossen.


    Zum Ende hin trieb mir Susanne Gerdom das Verwirrspiel um Sein und Schein allerdings ein wenig zu weit. Ein überraschendes Ende kann und sollte man bei einer märchenhaften Geschichte nicht erwarten. Dass aber ein magisches Artefakt die Entscheidung bringt, erschien mir dann doch ein wenig zu abgegriffen. Gelungen jedoch, dass sich die Charaktere mit Ausnahme des Nebelkönigs bis zuletzt einem klassischen gut/böse Schema entziehen.


    Fazit: Wer eine junge Heldin und Gestaltwandler mal in einer märchenhaft gruseligen Geschichte ohne „all age“ Romanze erleben will, dem kann ich den „Nebelkönig“ nur empfehlen. Vier Daumen.

    Klappentext:
    Tief in den Wäldern des Nordens begegnet der Wikingerjunge Odd den Göttern Odin, Thor und Loki. Die drei nehmen den Jungen mit auf eine abenteuerliche Reise nach Asgard, die Götterstadt. Denn nur einer wie Odd kann die Eisriesen von dort vertreiben und die Welt vom ewigen Winter befreien: Einer, der so fröhlich ist, einer, der so glücklich ist - wie Odd.


    Eigentlich gibt der lange deutsche Titel (OT: Odd and the Frost Giants) die Handlung schon im wesentlichen wieder, ich versuche mich aber dennoch an einer kurzen Inhaltsbeschreibung: Der Wikingerjunge Odd ist vom Leben gebeutelt: Sein Vater ist tot, sein Bein verkrüppelt und sein Stiefvater, Elfred, der Fette, betrachtet ihn nur als lästiges Übel. Trotz allem verliert Odd nie sein Lächeln – ein Umstand, der den Argwohn der Dorfbewohner nur wachsen lässt. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Odd von zu Hause ausreißt. Dabei begegnen ihm ein Fuchs, ein Bär und ein Adler, die sich als die verzauberten Götter Loki, Thor und Odin herausstellen, die von einem Eisriesen aus Asgard verjagt wurden. Nun ist es an Odd, den Eisriesen zu vertreiben, um die Götter zu erlösen und den Frühling nach Midgard zurückzubringen.


    Das macht er natürlich nicht mit Kraft, sondern nach einem Schlückchen aus Mimirs Quelle mit Köpfchen und Weisheit.


    So wie in „American Gods“ spielt der gerissene Loki auch in „Odd and the Frost Giants“ eine wichtige Rolle. Gaiman scheint ein Faible für die nordische Mythologie im Allgemeinen und den zwielichtigen Loki im Besonderen zu haben.


    Die deutsche Ausgabe ist gut übersetzt, bedient sich einer klaren, einfachen und dennoch fabelhaften Sprache, wodurch die Geschichte sowohl zum Vorlesen für kleinere Kinder, als auch zum selber Lesen für Dritt- bis Viertklässler gut geeignet ist.


    Das schöne Cover in hellblau und blassgelb macht sich gut in jedem Kinderzimmer, die gelungenen Illustrationen von Brett Helquist unterstützen die Phantasie der Kinder und helfen den jüngsten beim „Durchhalten“ der 115 Seiten.


    Mein Fazit: Ein tolles Geschenk für junge Leser, das malerisch an die nordische Mythologie heran führt. Sollte in keinem gut sortierten Kinderbuchregal fehlen. Vier Daumen.

    Mmh, Kategorie "Jugendbuch" oder "SciFi"? Eigentlich beides, aber da das Buch auch für Erwachsene interessant ist, poste ich meine Rezi mal in diese Rubrik.


    Klappentext:


    Christopher ist auf der Flucht. Gemeinsam mit der gleichaltrigen Serenity ist er unterwegs in der Wüste Nevadas. Irgendwo dort draußen muss Serenitys Vater leben, der Visionär und Vordenker Jeremiah Jones, der sämtlicher Technik abgeschworen hat, nachdem er erkennen musste, welche Gefahren die weltweite Vernetzung mit sich bringen kann. Doch eine Flucht vor der Technik - ist das heute überhaupt möglich? Serenity ahnt bald, auf was und vor allem auf wen sie sich eingelassen hat. Denn der schwer durchschaubare Christopher ist nicht irgendjemand. Christopher hat einst den berühmtesten Hack der Geschichte getätigt. Und nun ist er im Besitz eines Geheimnisses, das dramatischer nicht sein könnte: Die Tage der Menschheit, wie wir sie kennen, sind gezählt.


    Eschbach beginnt seinen Thriller in Form eines Roadmovies. Während Christopher, Serenity und ihr Bruder Kyle vor einer noch unbekannten Macht durch die Wüste Nevadas flüchten, wird dem Leser nach und nach die unglaubliche Lebensgeschichte von Christopher enthüllt. Wie Eschbach das macht, ist raffiniert und unglaublich spannend. Christoph war in einem Team, das eine bioneurale Schnittstelle entwickelte, die es Menschen ermöglichte, sich ausschließlich durch Gedanken mit dem Internet zu vernetzen. Doch bereits in einem frühen Stadium der Forschung erkannte der Projektleiter, Dr. Connery, die Gefahren einer solchen Technologie, schloss das Labor und vernichtete alle Forschungsergebnisse. Doch da hatte Linus, ein ehemaliges Teammitglied, sich den Chip schon heimlich implantieren lassen und fortan verbreitet sich die Technik wie ein Virus um die Welt und wird schließlich zur Gefahr für Christopher, seine Familie und den Rest der Welt.


    Gemeinsam mit Serenitys Vater und seiner Aussteigertruppe nimmt Christopher den Kampf gegen die „Upgraders“, mit den Chip ausgestatteten, vernetzten Menschen auf, die längst nicht mehr fragen, ob man in ihre Kohärenz aufgenommen werden will, sondern einfach assimilieren.


    Die ersten 2/3 des Buches mit der Flucht sind unglaublich spannend. Danach im Camp fragte ich mich, wie Christopher auch: Wie soll es nun weitergehen? Was im Folgenden zunächst wie eine Kommandoaktion à la A-Team aussieht, entpuppt sich jedoch bald als raffinierte Finte von Christoph, so dass ich auch das letzte Drittel als hinreichend überraschend und spannend bezeichnen kann. Nach 460 Seiten ist die Handlung des ersten Bandes abgeschlossen und dennoch lechze ich nach mehr, um zu erfahren, wie es mit dem Kampf der Verbündeten gegen die Kohärenz weitergeht. Band 2 kommt jedenfalls ganz weit nach oben auf meine Vormerkliste.


    Sicher ist die Idee nicht völlig neu und ein klein wenig erinnert die Kohärenz an eine Frühform der Borg aus Star Trek. Was dieses Buch so spannend und erschütternd zugleich macht, ist die zwingende Logik, der sich Eschbach bedient. Bei mir blieb das ungute Gefühl, dass es bereits morgen so weit sein könnte und so eine Technologie schon bald zur Verfügung stehen könnte – oder vielleicht schon zur Verfügung steht? Eine beängstigende Vision. Mit dazu bei trägt die, so weit ich das beurteilen kann, hervorragende Recherche von Eschbach. Als studierter Luft- und Raumfahrttechniker verlässt er sich nicht einfach auf künstlerische Freiheit, wie das leider viele andere Autoren von Hacker- oder Netzwerkthrillern tun, sondern orientiert sich knallhart an der Realität und fügt nur den so winzig erscheinenden Schritt der bioneuralen Schnittstelle hinzu.


    Zum Schreibstil Eschbachs ist wohl nicht mehr viel zu sagen: Durch und durch professionell, seine Schreibtipps sind schließlich seit Jahren von mir hochgeschätzt. Da findet sich kein Fehler, kein Adjektiv zuviel, Eschbach ist für mich die Referenzklasse, wenn es um einen klaren, schnörkellosen Schreibstil geht, wie er für SciFi und Thriller angemessen ist.


    Mein Fazit: Rundum spannender Thriller ohne Schwächen, eine Top-Empfehlung für Jungs, aber auch für Erwachsene gut zu lesen. 4 1/2 Daumen, aufgerundet zu fünf.

    O.K., ich kann keine Garantie dafür geben, dass es verfilmt wird, aber Tommy Krappweis hat Mara und der Feuerbringer, erschienen im Schneider Verlag, von vornherein auf eine Verfilmung ausgelegt, was bei ihm als "Fernsehmensch" und "Bernd das Brot" Erfinder ja auch nahe liegt.


    Hängt halt alles nur davon ab, wie gut sich die Trilogie verkauft. Nach Band 1 sieht es wohl nicht schlecht aus.

    Der Auftakt zu Judassohn ist ganz vielversprechend. Im heutigen Leipzig kämpft die Vampirin Sia, Heitz Fans bereits aus Kinder des Judas bekannt, in einem Krematorium gegen Nazi Werwölfe. Das ist cool, das ist hip, dazu passt die Heitz'sche PR-Tour. Ich glaubte sogar, einen leicht selbstironischen Unterton erkannt zu haben. Soweit ganz gefällig.


    Dann geht die Handlung zurück in die Süd-Bretagne des 18. Jahrhunderts. Leicht schwülstig wird die Liebesgeschichte von Tanguy und Gwenn erzählt, die ein tragisches Ende nimmt, als Tanguy, beim Versuch seine Geliebte vor Räubern zu schützen getötet wird. Als Vampir kehrt er zurück, rottet seine Familie aus und macht auch vor seiner ehemals Geliebten nicht halt. Danach schleppt sich die Handlung dahin, Vampir auf Selbsterkenntnistrip beim Riesen im Moor.


    Auf Tanguy folgt die untote Sandrine und die Geschichte ihrer lesbischen Liebe zu der Vampirin Anjanka. Ein Schelm, wer dabei an Lesbian Vampire Killers denkt ;-) Belanglos geht auch dieser Teil vorbei und auf Sandrine folgt Dominic de Marat. Dessen falscher Adelstitel täuscht: Denken und Handeln dieses triebgesteuerten Bürschchen wird ausschließlich von Sex bestimmt. Und so wie die Handlung in die Hose geht, geht es leider auch Heitz' Sprache. Einen derart vulgären Ton würde ich höchstens in einschlägigen Internetforen erwarten, aber nicht in einem Buch von Deutschlands angeblich bestem Fantasy-Autor. Schon nach den ersten sexuellen Ausschweifungen möchte ich das Buch gegen die Wand klatschen, schließlich lese ich weiter, weil ich einfach nicht fassen will, was Heitz seinen Lesern zumutet: Der Vampir treibt es abwechselnd mit zwei Schwestern, die es dann gemeinsam mit seinem Kumpel treiben, den er verjagt, um sich dann beide zu nehmen... Ach so, und die Mutter der Schwestern ist natürlich auch noch scharf auf ihn. Ich weiß nicht, ob ich mich amüsieren oder ärgern soll.


    Überraschend findet die Handlung mit dem Umzug nach Serbien doch noch aus dem Sexloch heraus und mit einer überraschenden Plotwendung schafft es Heitz sogar, die bis dato zusammenhanglosen Episoden sinnvoll zu verbinden. Da ist allerdings schon viel Lesezeit verflossen, die ich als vertan bezeichnen möchte. Mit der Rückkehr nach Leipzig wird der Roman wieder gefälliger und zum Ende hin bin ich fast wieder versöhnt. Trotzdem: Ein großer Wurf war das m.E. nicht. Eine durchschnittliche bis langweilige Vampirgeschichte, die von mir ohne die verbalen Entgleisungen im Mittelteil wohl knapp drei Daumen bekommen hätte, so kann ich mich mit Mühe und Not zu zweien aufraffen.


    Mein Fazit: Nur was für Heitz-Fans. Ansonsten abzuraten.

    Klappentext:


    "Schützenswerte, bedrohte Rasse Mensch - eure Rettung ist nahe!"


    Wir schreiben das Jahr 3042. Die Menschheit ist ins Weltall aufgebrochen, doch nicht mit eigener Technik, sondern mit Hilfe von Objekten, die man bei Ausgrabungen auf der Erde gefunden hat: außerirdische Hinterlassenschaften, die den Menschen das Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit ermöglichen, obwohl nur ansatzweise klar ist, wie diese Artefakte eigentlich funktionieren. Schnell bilden sich große, multinationale Konzerne, die mit Macht und viel Geld den Aufbruch zu den Sternen vorantreiben - bis die Menschheit auf eine geheimnisvoll außerirdische Spezies trifft, die ihnen bei weitem überlegen ist: die Collectors. Diese bieten an, die menschliche Zivilisation unter ihre Fittiche zu nehmen, und versprechen Wohlstand und Schutz. Ein Angebot, das die Menschen nicht ablehnen können.


    Eigentlich läuft alles ganz gut für Kris Schmidt-Kneen. Er ist Schwerlastfahrer auf Terra, und er ist der Beste. Als er von dem deutschen Konzern Gauss Industries einen Spezialauftrag erhält, sieht das nach leicht verdientem Geld aus. Doch der Transport wird sabotiert und Kris für den Diebstahl eines außerirdischen Antriebsmoduls verantwortlich gemacht. Zur Strafe wird er auf eine hochgefährliche Mission geschickt - mitten unter die Collectors, die offenbar ganz eigene Absichten mit den Menschen haben. Absichten mit katastrophalen Folgen...


    ------------------------


    Wenn sich mit Markus Heitz einer der bekanntesten deutschen Fantasy Autoren auf dem Höhepunkt der All-Age und New Romance Welle dem SciFi Genre zuwendet, so ist das ein sehr bemerkenswerter Schritt.


    Was darf der Leser von Heitz erstem SciFi und zweitem Buch in diesem Jahr (ein drittes soll ja noch folgen) erwarten? Nun, zunächst einmal eine durchweg spannende Geschichte mit viel Weltraum-Flair und Reminiszenzen an die Klassiker des Genres von Captain Future bis Battlestar Galactica.


    Die Menschheit hat es geschafft, die Erde weitestgehend zu zerstören und ihren Wirtschaftskolonialismus ins All zu tragen. Dort kämpfen Staatenbündnisse und mächtige Konzerne um Macht und Reichtum, wobei ihnen fast jedes Mittel Recht ist, vom Abkupfern außerirdischer Technologie bis hin zu biologischen und kybernetischen Experimenten, ohne Rücksicht auf die Unversehrtheit der "schützenswerten Rasse Mensch." Da möchte man die Ankunft der Collectors, einer überlegenen außerirdischen Spezies, welche eine Menschenwelt nach der anderen unter ihre "Obhut" nimmt, fast begrüßen. Doch welche Motive verfolgen die "Collies" mit ihrem "Aufzuchtprogramm" wirklich?


    Kris Schmidt-Kneen, "Kutscher" auf der Erde, möchte mit dem ganzen am liebsten nichts zu tun haben und nur seinen Job machen. Zusammen mit einem historischen, aber leistungsstarken außerirdischen Sprungantrieb wird er von der Erde entführt und gerät unfreiwillig zwischen die Fronten von Konzernen, Staatenbündnissen, Aliens und fanatisierten Sekten. Aufgrund einer geschickt eingefädelt Intrige und um seine Tochter, die an einem erblichen Gendefekt leidet, zu retten, verdingt er sich als "Justifier", einer paramilitärischen Einheit im Dienste des Konzerns Bangash Industries, zu einer irrwitzigen Mission an Board des Raumschiffs Cortés, die ihn zu den Ursprüngen der Collectors - und zu seinem Vater führen soll.


    In Collector wimmelt es vor schwer durchschaubaren und gespaltenen Persönlichkeiten: Nuria Suede, die Co-Driverin mit ihrem zweiten außerirdischen Bewusstsein. Der durchgeknallte, aber geniale Pilot "23". Anatol Lyssander, der vermeintliche Collie-Freund mit Interim Syndrom. Und nicht zu vergessen die 2OT's, ein Orden, dessen Mitglieder den Menschen dadurch perfektionieren wollen, indem sie möglichst viel seiner biologischen Masse durch künstliche Technik ersetzen. Das ist der Boden, auf dem sich eine durchweg spannende Geschichte voller Weltraumkämpfe und faszinierender Zukunftstechnik entwickelt, die durchaus auch Ansätze zum Nachdenken (z.B. in Bezug auf das Verhältnis der Menschen zu den "Betas", gezüchteter Chimären aus Mensch und Tier) liefert. Auch wenn es mir als Leser auf Seite 484 wie Faye Durrick ging: "Wenn ich nur wüsste, was passiert ist! Alles verwob sich, ohne einen Sinn zu ergeben." - Keine Sorge, Markus Heitz schafft es, fast alle Handlungsstränge noch sinnvoll miteinander zu verweben und eine zwar nicht völlig überraschende, aber dennoch befriedigende Auflösung herbeizuführen. Ich glaube ihm, wenn er im Nachwort schreibt, dass er die Geschichte bereits über Jahre in seinem Kopf entwickelt hat, anders wäre es wohl auch einem Vielschreiber wie ihm nicht möglich gewesen, ein so komplexes Handlungskonstrukt in so kurzer Zeit weitestgehend logisch zu Ende zu bringen.


    Ein Sonderlob: Obgleich Collector der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Justifier Romanen bekannter deutscher Autoren sein soll, endet der Roman nicht mit einem Cliffhanger.


    Schwächen: Wenn Charaktere für den Fortgang der Handlung nicht mehr benötigt werden, erleiden sie gar zu schnell einen grausamen Tod. Völlig überflüssig: Dass Heitz in Vulgärsprache verfällt, sobald es um das Thema Sex geht. Kommt in Collector zwar nicht so oft vor, wie in Judassohn, hat mich aber trotzdem gestört.


    Fazit: Ein ordentlicher Auftakt, der Lust auf mehr Geschichten aus dem Justifier Universum macht, das neben der Taschenbuchreihe noch aus einem Pen&Paper Rollenspiel und einigen Comics bestehen soll.

    Klappentext: Ein liegengebliebener Leihwagen auf einem einsamen Highway, ein düsteres Zirkuszelt voller versteckter Geheimnisse, die flirrende Hitze der ägyptischen Wüste in ihrer menschenfeindlichen Schönheit - egal, wohin Neil Gaiman seine Figuren führt, sie werden stets mit Abgründen konfrontiert. Abgründen, in denen manch Unglücklicher verloren ging.


    Ein Autor in einer Horrorwelt entdeckt seine Leidenschaft für die "gängigen Themen" der Phantastik: Autos, Börsenmakler, Hausfrauen, Seifenreklame und Einkommensteuer...
    Ein untoter Reisender lüftet das Geheimnis der Kaffeemädchen...
    Ein Kontrabass macht aus einem untalentierten Jungen einen Virtuosen...
    Zwei unreife Jungs baggern Mädchen an, die nicht von dieser Welt sind...


    Mit diesen Geschichten beginnt Neil Gaiman's Mystery Anthologie "Zerbrechliche Dinge". Das Spektrum der 14 Geschichten reicht vom einseitigen "Am Ende" bis zum 70 Seiten langen Kurzroman "Der Herr des Tals" aus der Welt der "American Gods". Ein Großteil wird aus der ICH-Perspektive erzählt, meist von Protagonisten, die in der Mitte ihres Lebens stehen.


    Wer überraschende Wendungen, Pointen mit Knalleffekt erwartet, wird enttäuscht sein. Gaiman's Geschichten entwickeln sich nicht überraschend, sie sind von Beginn an... ungewöhnlich. Ihre Welt ähnelt sehr der unseren und ist doch so anders. Da sind die Royals schon mal Aliens und Säuglinge schwimmen in Glasbehältern mit Formaldehyd.


    Ich muss zugeben, diese Anthologie hat mich ein wenig ratlos zurückgelassen. Hinter manchen Geschichten vermochte ich einen Sinn zu erkennen, bei anderen hat sich mir dieser nicht erschlossen und einige hatten wohl auch gar keinen.


    Wann die Geschichten entstanden sind, lässt sich dem Buch leider nicht entnehmen. Ich vermute jedoch, dass es sich um ein Sammelsurium an Ideen aus Gaiman's Schaffenszeit, von den Anfängen bis heute handelt, Ideen, die es nicht bis zum Roman geschafft haben und es dennoch wert waren, aufgeschrieben zu werden. Gaiman Fans liefert diese Geschichtensammlung einen tiefen Einblick in das Schaffensspektrum des Autors. Wer Gaiman noch nicht kennt, wird sich m.E. mit dieser Sammlung aber schwer tun. Mit 19,90 € für 330 dicke Seiten ist das schwarze Hardcover leider kein Schnäppchen.


    Fazit: Gaiman Fans zu empfehlen, 3-4 Daumen, aufgerundet zu 4.

    Eine Stadt, London, der ein Stück Nachthimmel fehlt.
    Ein Mädchen namens Heaven, der das Herz fehlt.
    Und ein Junge, dem ein zu Hause fehlt.


    Das sind die Zutaten, aus denen Marzi eine phantasievolle Geschichte strickt, wie wohl nur Marzi es kann.


    Sprachlich ist Marzi wie immer ein Genuss. Jeder Vergleich sitzt, nicht kitschig, sondern poetisch. Für diese Kunst beneide ich ihn.


    Inhaltlich hadere ich mit Marzi. Ich habe einfach den Eindruck, dass die Fantasie von Zeit zu Zeit mit ihm durchgeht. Heaven ist da nicht ganz so verwirrend wie Malfuria, aber die Szene im Grabmal mit den nacktblinden Katzenratten hätte er sich m.E. schenken können.


    Des weiteren habe ich ein Problem mit Geschichten, die maßgeblich durch google Recherchen voran getrieben werden. Zumal ich bezweifeln möchte, dass sich Zeitungsartikel über 20 Jahre alte Mordfälle ergooglen lassen, ein klassischer Gang ins Zeitungsarchiv wäre m.E. realistischer gewesen.


    Auch wenn es verrückt klingt bei einem Fantasy Roman, der Erfolg Marzi Recht gibt und meine Kritik ziemlich vermessen erscheinen lässt: Weniger wäre in seinen Romanen meiner Meinung nach mehr. Und da er selbst im Nachwort regelmäßig die Deadline-Monster erwähnt: Ein wenig mehr Zeit und Konzentration für die Beseitigung von Logikfehlern und Schwachstellen wäre für mich wünschenswert.


    Witzig, dass Marzi je zwei mal Torchwood und die Dresden Dolls erwähnt hat. Dass er ein Fan von Torchwood und dem Doctor ist, weiß ich von seiner hp, bei den Dresden Dolls kann ich es nur vermuten. Ist mir jedenfalls sehr sympathisch.


    Ist Heaven vorhersehbar? Ja, vor allem, da Amazon in seiner Produktbeschreibung quasi den Kern des Buches spoilert. Das ist m.E. ein absolutes Ärgernis. Unverständlich, dass sie nicht einfach den Klappentext genommen haben. Der Untertitel ist -wie hier bereits erwähnt- auch unglücklich gewählt.


    Außer Frage steht, dass Arena zur Zeit die besten Cover-Designerinnen hat, Heaven ist genau so ein Schmuckstück im Bücherregal wie Rubinrot und Saphirblau.


    Von mir gibt es 7 von 10 Punkten.

    Eins sei Dir vergewissert: Auch die besten Beziehungen ersetzen kein gutes Manuskript. Dafür müsstest Du schon Promi Status à la Charlotte Roche oder Dieter Bohlen haben. :rolleyes
    Ansonsten helfen Dir Beziehungen nur, die Ablehnung ein wenig schneller als andere zu bekommen. :grin


    Gerade im Fantasy-Bereich (was ist Phantasy?) gibt es aber immer wieder Ausschreibungen wie Heynes magische Bestseller oder der regelmäßig ausgeschriebene Hohlbein Preis von Ueberreuter. Dabei bekommt eine handvoll bis dato unbekannter Autoren die Chance auf eine Veröffentlichung.


    Ein bekannter Autor darf dein Werk im Grunde genommen gar nicht lesen, um sicher zu gehen, später bei seinen eigenen Werken nicht Plagiatsvorwürfen ausgesetzt zu sein.

    Die dunkle Seite von Peter Pan


    Das Gefühl, das mich beim Lesen von "Der Kinderdieb" beschlich, hatte ich das letzte Mal bei Pan's Labyrinth. Eine Mischung aus Ekel, Abscheu und tiefer Faszination. Ein böses, verstörendes Buch, das hält, was das hochglänzende, schwarz/rote Cover mit BROMs meisterhaften Illustrationen verspricht.


    Schon im Prolog wird ein Mädchen durch den eigenen Vater missbraucht. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Nick, ein Außenseiter, der sich mit einer Drogengang anlegt und flüchten muss. Da kommt ihm die Chance auf einen Fluchtweg, geboten vom geheimnisvollen, spitzohrigen Peter, ganz recht. Doch Peter spielt sein eigenes Spiel und seine Motive sind nicht ganz uneigennützig. So findet sich Nick bald unter den Teufeln wieder, einer Horde wilder Teenager, die auf einer sterbenden Zauberinsel gegen Monster und fanatische Pilger ums Überleben kämpft.


    In einem Wechsel aus aktueller Handlung und Rückblenden aus Peters Sicht geht der Leser auf Entdeckungsreise nach Avalon, dem letzten Hort für Elfen und Zauberwesen, der so ganz und gar anders ist, als man sich ein Zauberreich vorstellt. Dabei geht es meist rücksichtslos brutal, bisweilen aber auch unglaublich poetisch und anmutig zu, wie im Hort der Dame, der Herrin von Avalon, der Peter durch ein magisches Band tief verbunden ist.


    Zur Sprache: Gossenslang zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. "Räudig", "Pisse" und "Arsch" gehören zu den meist verwendeten Worten. Merkwürdig mutete es mir an, wenn auch Menschen vergangener Zeiten den Slang des 20./21. Jahrhunderts sprechen. Abgewöhnen würde ich BROM die Angewohnheit, schreien durch GROSSBUCHSTABEN darzustellen. Das gehört in Comics, in einem ernstzunehmenden Roman wirkt es für mich deplatziert. Neben Fäkalsprache gibt es reichlich Gewaltexzesse. Blut spritzt, Körperteile werden abgetrennt und Gehirnmasse und Gedärme fliegen nur so umher. Wer da sensibel ist, sollte von dem Buch besser die Finger lassen. Lange Zeit war ich mir nicht sicher, ob BROM nur provozieren und Tabus brechen wollte, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch das würde dem "Kinderdieb" nicht gerecht werden, dafür steckt zu viel Tiefe in dem Buch. Eine erschreckende, verstörende Tiefe zugegebenermaßen. Eins muss ich BROM dabei lassen: Kämpfe, von denen es reichlich gibt, kann er (be)schreiben wie kein zweiter.


    Im Gegensatz zum derzeitigen romantisierenden "all age" Trend in der Phantastik ist "Der Kinderdieb" aus meiner ganz klar ein Jungen Buch. Als Grafikdesigner von Spielen wie World of Warcraft kennt BROM das Lebensgefühl der Generation Internet. Von Jungen, die sich stets benachteiligt fühlen und in ihren Fantasien davon träumen, zurückzuschlagen. Ob "Der Kinderdieb" nun ein Plädoyer für oder gegen Gewalt ist, muss jeder Leser für sich entscheiden. Auf jeden Fall ist der "Kinderdieb" ein Buch, über das man sprechen sollte, vielleicht sogar im Unterricht der Oberstufe. Denn neben der Auseinandersetzung mit den Themen Gewalt, Hass, Mobbing und Gruppendynamik bietet der "Kinderdieb" viele interessante Anleihen an die britische Mythologie und letztendlich natürlich auch an das Original Werk von James M. Barrie. Und ich gebe BROM recht, dass Peter Pan schon im Originalwerk eine verstörende Figur voller Widersprüche ist, die es wert ist, entzaubert zu werden.


    Dabei ist die Geschichte spannend bis zur letzten Seite und entzieht sich jedem Klischee. Koalitionen wechseln, Gut wird Böse und Böse gut, die Grenzen verschwinden und am Ende steht die Erkenntnis, dass Gewalt oft nur aus Missverständnissen, falscher Ehre und einem Mangel an Kommunikation resultiert.


    Jedes Kapitel wurde von BROM wundervoll illustriert und in der Mitte des Buches befinden sich noch acht Seiten mit Farbillustrationen der Hauptcharaktere.


    Ein Meisterwerk, das fünf Sterne verdient und von dem wir m.E. noch viel hören werden. Das schreit geradezu nach einer Verfilmung. Vorzugsweise natürlich durch Guillermo del Toro ;-)

    Und hier ist meine Rezi der Neuauflage:


    In "Alica" gibt es ein Wiedersehen mit den mehr oder weniger liebenswerten Gestalten aus "Nebenan": Der bissigen Möwe Schnapper, den galanten Heinzelmann Wallerich, dessen technikverliebten Chef Nöhrgel und der Knusperhäuschen-Hexe Knuper. Allerdings spielt "Nebenan" nicht die Hauptrolle in "Alica", so dass das Buch ohne weiteres ohne Kenntnis von "Nebenan" gelesen werden kann.


    Die Gestaltung des neuen Covers erinnert mich sehr an die "Biss zum..." Reihe des Carlsen Verlages. Und tatsächlich: Der Klappentext verrät bereits, dass die Geschichte weitaus romantischer angelegt ist, als das satirisch angehauchte "Nebenan". Mit dieser Neuauflage kann Ueberreuter locker auf der aktuellen "all age" Welle mitschwimmen.


    Obgleich es sich "nur" um ein Softcover handelt (der Verlag spricht von "Tradepaperback mit Spotlack und Hochprägung") wirkt die Aufmachung mit den sich durch den Klappumschlag ziehenden Schnörkeln hochwertig und ansprechend, ein Buch, das ich gern in die Hand genommen habe, gerade noch kompakt genug, um in eine (große) Jackentasche zu passen. Da die Kapitelüberschriften ein wenig spoilern, befindet sich das Inhaltsverzeichnis erfreulicherweise am Ende des Buches.


    Die Geschichte beginnt atmosphärisch sehr dicht. Die 14-jährige Alica flieht vor Sorgen um ihre kranke Mutter und ihren verschollenen Vater zu ihren Großeltern in die Eifel. Allerdings verpasst sie die Großeltern am Bahnhof und so macht sie sich allein auf, deren Herrenhaus zu erkunden, in dem ein Geisterfalke sein Unwesen treibt. Tags darauf bittet der Heinzelmann Wallerich Alica um Hilfe bei seiner Mission, den Geisterfalken unschädlich zu machen. Schnell wird klar, dass "Alica" wesentlich ernsthafter als "Nebenan" geschrieben ist. Anders als in "Nebenan" geht es hier nicht um satirische Seitenhiebe auf die Gesellschaft, sondern es handelt sich um ein ernst zu nehmendes Fantasy-Abenteuer mit historischem Hintergrund. Als Historiker kennt sich Hennen mit der Geschichte der Eifel natürlich bestens aus und so erlebt der Leser nicht nur eine romantische Liebesgeschichte, sondern erfährt nebenher noch so einiges über die Franzosenfeldzüge im ausgehenden 18./beginnenden 19. Jahrhundert. Denn auf der Suche nach Erlösung für den Geisterfalken und seinen Herrn findet sich Alica mit Hilfe der dunklen Königin schon bald im 19. Jahrhundert wieder, um Geschichte aus erster Hand zu erleben.


    Hennen ist ein romantischer, aber nicht kitschiger Roman aus der Perspektive einer 14-jährigen gelungen. Das Ende ist angenehm unspektakulär und dennoch befriedigend. Wobei noch genügend offene Fragen für eine Fortsetzung blieben, die derzeit jedoch wohl nicht geplant ist.


    Fazit:
    Spannung: 4/5
    Gefühl: 5/5
    Humor: 4/5
    Anspruch: 3/5


    Vergleichbare Werke:
    Isabel Abedi - Whisper
    Kerstin Gier - Rubinrot/Saphirblau/Smaragdgrün Trilogie
    Tommy Krappweis - Mara und der Feuerbringer