Ich muss eher negativ beginnen: Als ich diesen Roman nach ca. zwei Wochen beendet habe, habe ich gedacht: "Oh Gott, es ist vollbracht."
Dieser Roman ist kein schlechter Roman; eigentlich hat er alles, was eine moderne Gegenwartslektüre ausmacht - eine sehr sinnliche Sprache, eine interessante Figur des 19.Jahrhunderts, dargestellt ohne historischen Anspruch, mit einer gewissen Botschaft in Richtung des gemeinsamen, religiösen Zusammenlebens. Im Roman wechselt die Hauptfigur Richard Burton seine Rolle ständig; er wandelt zwischen zwei Welten - der eigenen, nämlich der eines britischen Offiziers und seiner, sich für die Menschen in den jeweiligen Regionen und Ländern, angepassten Rolle, z.B. eines Derwischs oder eines Arztes während seiner Zeit in Arabien. Er ist wie ein Chamäleon, immer die Farbe wechselnd. Ob dies negativ oder positiv ist, wage ich nicht zu bewerten, nur folgendes war die Folge dieses Wechselsspiels: Man weiß nie, wer diese Person ist, die man da verfolgt; Richard Bruton bleibt eine nicht fassbare, unnahbare, vielleicht sogar ungeliebte Figur, von der zwar eine gewissene Faszination ausgeht (und dessen Wissbegier nachvollziehbar ist), aber man nie genau sagen kann, dass man sich mit ihr identifiziert, also das Handeln und Denken nachvollziehen kann.
Ja, die Sprache ist sehr sinnlich, sehr exotisch und man bekommt einen guten Einblick in das Geschehen durch die vielen Figuren, die Trojanow in allen drei Teilen quasi interviewartig erzählen lässt; dabei charaktersisieren diese Figuren Richard Burton zwar sehr menschlich, auch als schwach und arrogant, aber doch als ferne, unnahbare, doch erheblich "naive" Figur. Er "konvertiert" zum Islam, unternimmt die Hadj nach Medina und Mekka und stellt nicht eine Minute lang sein Handeln gegenüber einer anderen Kultur in Frage; die einen nennen es sich einer Kultur annähren, ich nenne es sich eine Kultur "einverleiben", oder um aus dem Roman zu zitieren: "Fasten ist nicht gleich Hungern".
Er kann jederzeit die ihm angepasste Rolle verlassen, er verrät seine s.g. neuen Freunde und zieht dann weiter. Sicherlich gehört es auch dazu, dass man Menschen trifft in einem Roman, die man nicht sonderlich identifizierbar findet, aber ich habe eine gewisse Negativität ihm gegenüber entwickelt.
Aber nicht nur die Figur des Richard Burton missfiel mir, es war auch der von dem Autor so groß geförderte interreligiöse Dialog, dem manche Rezensenten hervorheben. Es stimmt, man erfährt einiges Interessantes über den Hinduismus und den Islam und welche Vorstellungen die Menschen mit dieser Religion verbinden, ABER wenn dies ein Dialog sein soll, ist er sehr einseitig geführt. Teilweise wird auf die enorme Unmenschlichkeit im Hinduismus hingewiesen, teilweise gibt es eine übertrieben positive Darstellung des Islam (Vielleicht weil Trojanow selbst konvertiert ist?); ein anderer Aspekt wäre hier, dass durchaus eher modernere Gedanken angesprochen werden, auch politische Fortschritte bedacht werden, die einfach aufgrund ihrer Konstruktion so in der damaligen Zeit in keinster Weise mögliche Gedanken waren; wir leben im Jahr 18... und nicht im Jahr 2007.
Fazit: Roman mit sehr schönen Bildern und einer sehr sinnlichen Sprache; ein Roman, der mindestens 200 Seiten zu lang ist und der sich in seinen Bildern verliert, zumal er einem eine historische Figur nicht näher bringt, sondern eher entfernt.