Bei mir war es so, daß ich überhaupt keine Vorahnungen hatte. Klar, habe ich mir Sorgen gemacht, als meine Stiefmutter mich Dienstags anrief und sagte, daß mein Bruder schon den zweiten Tag nicht zur Arbeit erschienen war.
Das war eigentlich nicht seine Art, ohne Entschuldigung zu fehlen.
Aber irgendwie war ich trotz allem bis zum Schluß sehr optimistisch, es würde sich alles zum Guten aufklären.
Seine Wohnung zu betreten war etwas unheimlich. Das hatte aber wohl eher damit zu tun, daß ich ungefragt in seine Privatsphäre drang.
Im Nachhinein lag ein etwas komischer Geruch in der Luft. Aber den habe ich damals nicht so wahrgenommen. Zum Glück war ich nicht allein. Meine Stiefmutter war mitgekommen.
Wir hatten die ganze Wohnung durchsucht. Nur im Schlafzimmer hatten wir noch nicht nachgesehen. Meine Stiefmutter war im Wohnzimmer als ich die Hand auf die Türklinke legte.
Immer noch keine Vorahnung, nur etwas Angst die Tür zu öffnen. Weil ich nicht wußte, was mich dort erwartet.
Die allererste Sekunde fiel mir ein Stein vom Herzen. Er lag im Bett. Wir hatten ihn gefunden!!! Kein Motorradunfall oder so etwas.
Aber dieser Gedanke hielt nur den Bruchteil einer Sekunde.
Dann sah ich was wirklich passiert war.
Aber in diesem Moment möchte man es nicht wahrhaben. Ich hoffte immer noch auf ein Wunder, daß alles schlimmer aussah als es wirklich war.
Obwohl ich eigentlich genau wußte, daß er tot ist.
Irgendwie blockt in diesem Augenblick der Verstand bzw. die Gefühle. Man nimmt sehr wohl wahr, was passiert, nur kann man es nicht begreifen, fassen. Es ist schwierig zu erklären.