Danke für die Buchempfehlung, Queedin :-). Hört sich sehr interessant an und ich habe es auch mal gleich auf meine Wunschliste gesetzt.
Ich glaube, ich habe mich wohl etwas unglücklich ausgedrückt. Natürlich weiß ich von der ersten Gastarbeitergeneration und das damals dringend Arbeiter gesucht wurden.
Was mich so ein bißchen verwirrt ist folgendes:
Die erste Generation der türkischen Gastarbeiter, die Kemal (im Beitrag von Dirk) als die Generation seines Großvaters beschreibt, ist ungefähr die Generation meiner Eltern (ich bin 1964 geboren).
Als Kind kann ich mich Anfang der 70er Jahren an Gastarbeiterfamilien aus Italien, Spanien und Portugal erinnern. Wir haben mit den Kindern gespielt. Sie sprachen deutsch und es waren für uns nicht "die Ausländer", noch nicht einmal "die Spanier" etc. sondern einfach nur Paula, Fatima, José und Maria. Es war die Zeit als man sich noch zum Spielen auf der Straße traf.
Türken gab es damals noch nicht in unserer Gegend und wenn ich jetzt Kemals Erfahrungen hinzuziehe, so war es zu dieser Zeit wahrscheinlich so, dass erst einmal die Väter (also auch Kemals Großvater) hier in Deutschland arbeiteten und die Familien noch im Heimatland wohnten.
Was ich damit sagen will, ich hatte keinen Kontakt zu türkischen Kindern. Nicht, weil ich das abgelehnt hätte, sondern weil mir in meiner Kindheit und Jugend einfach keine begegnet sind. Und ich wohne nicht in irgendeinem Dorf, sondern in einer sehr großen Stadt mitten im Ruhrpott.
Weder hatte ich in meiner Klasse türkische Mitschüler (ich war auf einer Realschule), noch mein Bruder, der damals auf eine Hauptschule ging, allerdings auf eine Katholische. Vielleicht lag es daran, dass dort keine türkischen Kinder waren.
Die ersten beiden Türkinnen, denen ich begegnet bin, waren mit mir in einer Berufsschulklasse. Zwei von insgesamt ca. 30 Schülerinnen. Und beide konnten so gutes Deutsch, dass man eigentlich nur noch an ihren Namen erkennen konnte, dass sie ursprünglich nicht aus Deutschland kamen.
Ungefähr 15 Jahre später kam mein Sohn in die Grundschule. Ebenfalls eine Katholische, womit sich vielleicht erklären lässt, dass es in seiner Klasse auch keine türkischen Kinder gab.
Als er dann auf die Realschule kam, kamen ungefähr die Hälfte der Kinder aus einem anderen Land (bzw. die Eltern, denn die meisten Kinder waren wohl hier geboren), davon der größte Teil aus der Türkei.
Was ich damit sagen will: Mir ist klar, dass es Gastarbeiter gab, die von Deutschland angeworben wurden und ich habe mitbekommen, dass meine Kinder in Schulklassen waren, deren Ausländeranteil sehr hoch war.
Mir fehlt irgendwie die Generation "dazwischen". Sind die Kinder der ersten Gastarbeitergeneration erst als Erwachsene nach Deutschland eingewandert? Und wenn ja, warum? Denn schon damals, als ich einen Ausbildungsplatz suchte, gab es eine hohe Arbeitslosenquote, nicht so hoch wie heute, aber es war auch nicht selbstverständlich, dass man so einfach einen Ausbildungsplatz bzw. Arbeit bekam.
Deshalb die Frage: Warum durfte man auch zu dieser Zeit anscheinend ohne weitere Bedingungen einwandern?
Und nun zu Dirks Beitrag bzw. Kemals Referat.
Die Gefühle und Eindrücke auch einmal von der "Gegenseite" zu lesen, war für mich auch sehr aufschlußreich. Ich kann mich nun ein bißchen besser hineinversetzen, auch wenn ich nicht alles verstehen kann, wie z. B. diesen Satz hier (ich habe etwas mehr zitiert um es nicht völlig aus dem Zusammenhang zu reißen):
Zitat
Original von Dirk67
Zum Respekt wie ich ihn verstehe gehört auch die Landessprache möglichst fehlerfrei zu sprechen. Und selbst wenn die "Ausländer" das können und gehobene Positionen erreichen, werde sie mit Argusaugen beobachtet.
Also ich würde mir da auch kein Bein ausreissen die Landessprache zu lernen, zumal es viele meiner Landsleute bereits getan haben und alles was ich zum Leben benötige auch in meiner Muttersprache kaufen kann.
(Mit freundlicher Genehmigung von Kemal Yldirim, 16 Jahre)
LG
Dirk67
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Ausländer sollen die Sprache nicht für uns lernen, sondern für sich selbst!
Damit sie in diesem Land besser zurecht kommen.
Natürlich kann man sich auch ein paar Lebensmittel ohne große Sprachkenntnisse besorgen. Das bedeutet, man verhungert nicht und die sozialen Kontakte knüpft man halt mit Landsmännern.
Das ist o. k. Stört mich nicht. Man kann bis zu einem gewissen Grad eine Parallelgeselschaft erschaffen, die aber auch irgendwann an ihre Grenzen stößt.
Ich arbeite bei einem Neurolgen/Psychiater mit einem sehr hohen Ausländeranteil (grob geschätzt 50 %).
Viele davon sprechen einwandfreies deutsch (besser als einige Deutsche, die man so aus den Reality-Shows kennt ). Einige sprechen gebrochenes deutsch, mal mehr oder weniger verständlich und es gibt tatsächlich noch einen kleinen Anteil, der mit einem Dolmetscher aus der Familie zum Termin erscheint, weil sie kein oder nur ein paar Worte deutsch sprechen. Und man kann grob sagen, umso älter je schlechter das deutsch und bei der älteren Generation sprechen die Männer oft besser deutsch als die Frauen.
So, nun sind viele der ersten Gastarbeitergeneration im Rentenalter. Und wenn ich mal spaßeshalber eine Statistik erstellen würde, so kann ich sarrazinmäßig behaupten:
Das Demenz-Gen ist bei Ausländern nicht vorhanden
Laut meiner Statistik scheint es so zu sein, denn ich habe in unserer Praxis noch nie erlebt, dass bei Ausländern ein Demenz-Test gemacht wurde.
Tatsächlich ist es so, dass man diesen Test nur machen kann, wenn der Patient ziemlich gut deutsch sprechen kann. Und dieser Test würde auch nicht funktionieren, wenn ein Familienangehöriger übersetzen würde, weil ich davon ausgehen müsste, dass er vielleicht aus Mitleid falsch übersetzt oder "Hilfestellung" leistet.
Aus einem ähnlichen Grund lehnen wir auch Patienten, die kein oder nur schlechtes deutsch sprechen, für eine Therapie ab. Das klingt vielleicht im ersten Augenblick ausländerfeindlich, ist es aber keineswegs, denn eine Therapiestunde besteht ja nun mal ausschließlich aus Gesprächen, wobei der Patient erzählt und der Therapeut zuhört.
Charlotte