Die Sache ist schon kompliziert - ich denke, sie verführt manche Teilnehmer dieses Threads dazu, polemisch zu reagieren, weil sie ein ganz grundsätzliches Empfinden des Einzelnen anrührt: Das Gerechtigkeitsempfinden, und Empörung über vermeintliche Ungerechtigkeit.
Was an der Geschichte auf den ersten Blick (!) ersteinmal schockiert, ist die Tatsache, dass Menschen durch Exkommunikation "bestraft" werden, die nach bestem Wissen und Gewissen handeln, um andere vor Schaden zu bewahren, wogegen ein Verbrecher, der aus reinem Eigennutz einem Schwächeren unermessliches Leid zufügt, durch dieselbe Instanz nicht "bestraft" wird.
Das kommt rein gefühlsmäßig natürlich ersteinmal so rüber: Kirche bestraft Unschuldige, bleibt aber völlig gleichgültig, wenn wahre Verbrechen verübt werden.
Soweit also zum ersten Eindruck. Aber das, was gefühlsmäßig vermittelt wird, ist nicht zu unterschätzen. Deshalb habe ich Verständnis für vorerst heftige Reaktionen.
Wenn man sich allerdings die Mühe macht, das Ganze aus dem Selbstverständnis der Kirche heraus zu verstehen, macht - aus diesem Blickwinkel - das Urteil der Kirche Sinn...allerdings nicht für die, die nicht gewillt sind, es aus dem Blickwinkel der Kirche zu betrachten, weil sie eine gegensätzliche Einstellung haben.
Wenn man dann weiter über die Sache nachdenkt,
wird es nur noch trister: Denn die Muter steht schon einmal in einem unklaren Licht - hat sie wirklich nicht gemerkt, dass ihr Typ das kleine Mädchen missbraucht? Oder war auch sie ein Opfer und machtlos, etwas dagegen zu unternehmen? Frauen haben in diesen Ländern und Milieus ja oft kaum Handlungsalternativen. Wollte sie die Abtreibung aus berechtigter Sorge um ihre Tochter, oder weil zwei lebendige Zeugnisse der Sünde ihres "Partners" in der Nachbarschaft für Aufsehen gesorgt hätten? Wer weiss das schon....
Dann die Aussage, das Mädchen hätte die Babies gewollt: Wers glaubt wird selig. Ob das nun Propaganda war, oder wie auch immer - das können wir nicht wissen.
Eines ist aber klar:
Dass die Ärzte sich für eine Abtreibung entschieden haben, ist aus Sicht eines vereidigten Arztes die einzige vertretbare Lösung. Denn der Arzt ist verpflichtet, einzig die Gesundheit und Sicherheit des Patienten zu berücksichtigen. Moralische Urteile zu fällen, wie z. B. , das Mädchen solle sein unfreiwilliges Schicksal tragen und an den Folgen notfalls sterben, weil Abtreibung nicht sein darf.....das wäre ein echtes Vergehen gegen die ärztlichen Pflichten. Wenn man den Körperbau einer 9-jährigen bedenkt, auch ein Vergehen gegen die Menschlichkeit.
Fazit:
Da lobe ich mir doch das Gesetz, das schön klar die Rolle aller Beteiligten aufs Korn nimmt und dann versucht, gerecht über jeden einzelnen zu urteilen:
1. Der Vergewaltiger ist ein Verbrecher laut Gesetz, und wird, wenn alles mit rechten Dingen zugeht, auch bestraft werden.
2. Abtreibung ist an sich in diesem Land nicht gestattet, dadurch wird der moralische Faktor berücksichtigt, dass Leben nicht genommen werden darf, außer wenn das Leben derjenigen, die Leben gibt, auf dem Spiel steht.
3. Doch in berechtigten Ausnahmefällen ist Abtreibung erlaubt, und da in diesem Fall dieser Ausnahmefall voll und ganz gegeben ist, ist den Ärzten nichts vorzuwerfen.
4. Im Optimalfall (kann hier wohl nicht erwartet werden) würde die Justiz sich auch noch darum bemühen, zu überprüfen, ob das Kind in seiner Umgebung zukünftig sicher leben kann. Sie würde sich vielleicht auch die Rolle der Mutter genauer ansehen.
Was das Gesetz zu dem Fall sagt, kann man als Unbeteiligter logisch nachvollziehen, es erklärt unserem Gerechtigkeitssinn, dass dort, wo Unrecht begangen wird, das Gesetz eingreift, den Täter abstraft, und damit auch der Öffentlichkeit bestätigt und vorführt, was rechtens ist und was nicht.
Und hier liegt das Problem:
Mit dem Urteil der Kirche kommt nicht rüber, dass es nicht rechtens ist, ein Kind zu vergewaltigen. Es kommt auch nicht rüber, dass man sich bewusst ist, dass dieses Vergewaltigungsopfer bei der Geburt eine schwere Prozedur durchmacht, auf die der Körper noch nicht vorbereitet ist, und die nicht nur Qualen verursacht, sondern auch das Leben kosten kann.
Es kommt nicht rüber, dass man wahrnimmt: Hier gibt es ein Opfer, das eigentlich Hilfe braucht.
Die Wirkung auf den gesunden Menschenverstand wird beim Urteil der Kirche nicht bedacht, auch wenn die noble Absicht dahintersteht, das ungeborene Leben zu schützen.
Deshalb können viele natürlich viel besser mit dem Urteil des Gesetzes umgehen, als mit dem Urteil der Kirche -
ich kann damit auf jeden Fall viel besser umgehen.