Beiträge von columbo

    Zitat

    "Grass ist für mich ein selbstherrlicher Schreiberling, dessen Werke für mich vergleichbar mit billigen Schmuddelheftchen sind. Seine Gesellschaftskritik ist zwar durchaus interessant, jedoch wird diese nach diesem Geständnis einfach nur absurd. Er selbst verlangt nun eine Toleranz, die er anderen nie zugestanden hat. Bei mir weckt diese Aufbauscherei eines Themas, das vor mehr als 50 Jahren ad acta gelegt wurde, mehr wie der Versuch oder besser noch der Schrei nach Publicity eines Autoren, der kurz davor war in Vergessenheit zu geraten und der zu seinem Lebensende hin noch mal ordentlich auf die Pauke hauen wollte."
    ... na und. Ich hab gestern drei mal in der Nase gebohrt und in China sind 12 Säcke Reis umgefallen.


    naja, bj, dafür, dass Dich der Typ, seine Texte und das Thema nicht interessieren, bist Du doch ganz schön engagiert ;-)


    Es gibt ja einige Hinweise in euren Beiträgen, die durchaus treffen: Wahrscheinlich ist ziemlich viel PR-Futter im Thema, es ist eigentlich nichts besonders neues und Grass hat mit seiner in manchen Abschnitten durchaus selbstherrlichen Art tatsächlich nicht nur Freunde gefunden. Aber zu seinen kritteligen und moralinsauren Forderungen darf ich doch noch eine Frage stellen: Ist die Qualität einer Kritik, einer Forderung, einer Anklage tatsächlich so sehr von der Moral des Kritisierende, des Fragestellenden abhängig? Werden seine Themen weniger bedeutsam, dadurch dass er selbst Schuld trägt und mit seiner Verantwortung anscheinend nicht sehr erwachsen umgehen konnte?
    :wave Columbo

    Hi Ikarus,
    ja, Grass hatte eine scharfe Zunge. Und manchmal stieß auch mir sein hoher Moralinanteil sauer auf. Aber aus meiner Sicht entwickelt sich Grass' -literarisches - Leben ja geradezu aus dieser Frage: Wie kann man als einzelner der Schuld, der Verantwortung entkommen? Bleibt einem am Ende gar nichts anderes übrig, als nicht erwachsen zu werden und überhaupt nicht an dieser so furchtbar erwachsenen Welt teilzunehmen?
    Grass hat immer Kriegstreiber kritisiert, aber nach meinem Gefühl nie aus überhöhter Sicht, sondern aus der Warte desjenigen, der selbst der Verführung erlag. Er nahm sich nie aus der Verantwortung. Und wurde deshalb wahrscheinlich häufig so barsch.
    Liebe Grüße
    Columbo

    Kurz zurück zum Topic ;-)
    in einem Beitrag für die Zeit vom 24. Mai dieses Jahres - den ich übrigens aus vielerlei Gründen für lesenswert erachte - schreibt Grass:
    "Und mehr noch als die richterliche Frage "Wen trifft die Schuld?" sollte uns kümmern, ab wann wir mitschuldig wurden ....
    .... Ich spreche aus Erfahrung. Sechzehn zählte ich, als ich Soldat wurde. Mit siebzehn lernte ich das Fürchten. Und glaubte dennoch bis zum Schluss, als längst alles in Scherben gefallen war, an den Endsieg."


    Grass hat nie aus seiner Verirrung in dieser Zeit einen Hehl gemacht. Es ist sicherlich etwas anderes, in der SS gewesen zu sein, als in "gewöhnlichen" Wehrmachtseinheiten. Selbstherrliche Kritik an anderen, ohne die eigene Unfähigkeit einzugestehen, war Grass' Sache aus meiner Sicht aber nie.
    Gruß, Columbo



    *edit war ein Tippfehler*

    Wirklich eine schöne Rezi, ich kann das Lob von milla nur unterstreichen. Ich habe als alter Auster-Genießer das Buch in Händen gehabt und dann hat mich tatsächlich dieses verdammte nine-eleven wieder davon abgebracht. So werde ich mich also nun doch ins Vergnügen stürzen, danke für den Tipp, Janda.

    Hi Ines,
    das ist eine Frage, die ganz schön Sprengstoff bergen kann.
    Nun bin ich ja kein Fiction-Texter und kann somit über den Sprung in ein anderes Geschlecht z.B. in einem Roman wenig sagen. Ich bin jedoch auf das Thema gestoßen, als ich an einer Story über das Leben von Müttern mit Kinder in einem Frauenknast arbeitete. Ich hatte einige sehr "intime" Abschnitte drin, subjektiv, eben aus Sicht der Betroffenen. Eine Kollegin bearbeitete das Thema ebenfalls, und sie brachte eine völlig andere Geschichte aufs Papier. Nicht nur ein anderer Stil, sondern auch andere Subjekte, andere Gedanken, sie zog andere Schlüsse und stellte andere Dinge in den Mittelpunkt. Typisch weiblich, typisch männlich? Ja, ich glaube es gibt grundlegende Unterschiede in der Sicht und der Wahrnehmung der Welt und der Gewichtung von Themen - auch wenn man einräumt, dass natürlich auch innerhalb der Geschlechtergruppen die Spannweiten enorm sind. Ich hätte daher immer ein sehr ungutes Gefühl, ins Zentrum einer von mir entworfenen, kleinen Fiktionswelt eine Frau zu stellen. Ebenso übrigens ein Kind; die Kindheit ist mir vielleicht schon zu fremd geworden. Ich hätte die Angst, meine Figuren wären möglicherweise nur in Klischees erstarrte Vermutungen und verblasste Erinnerungen. Kann ich überhaupt über ein anderes Universum schreiben, als über mein eigenes? Egal, in welchen Räumen es spielt?
    Liebe Grüße
    Columbo

    hi serce, erklär' kein Buch, sondern schreibe es. Würdest Du gerne ein Buch lesen, das mit einem mehr oder weniger langweiligen Familienfest zur Einweihung des neuen Hauses beginnt und dann über Generationen hinweg nichts anderes beschreibt, als den Abstieg einer Familie von Kaufleuten? Mit der Beschreibung wäre es wohl kaum der Reisser; trotzdem wurden die Buddenbrooks millionenfach gekauft und in was weiß ich ein paarunddreißig Sprachen übersetzt.
    Die Inhaltsangabe sagt im besten Falle nichts über ein Werk aus. Im schlechtesten Falle bedient sie - in ihrer korrumpierten Form als Klappentext - vermutete Vorurteile bei erhofften Lesern.
    Deshalb kann ich Dir nicht sagen, ob mich eine Fan-Autobiografie interessiert. Mich könnte sogar ein Roman über den Alltag der Pirzel-Fischer in Südkaukasien faszinieren - wenn er gut ist. Ein "gutes Buch" lehrt mich nichts über Inhalte, sondern immer nur etwas über mein eigenes Leben.
    Gruß, Columbo :wave

    Der Dichter


    Ein bisschen Hanf, etwas Geschick
    mehr braucht es nicht am Stillen Ort.
    Den Hanf dreht man zum kleinen Strick,
    ganz ohne Reim, ganz ohne Wort.
    Und ist der Siphon wieder fest,
    dann sind selbst kleine Lichter
    dank Klempnermeisters Manifest
    ganz plötzlich große "Dichter".



    ?!?!?
    :wave

    Zitat

    Aber irgendwann ist eine gewisse Grenze erreicht, die auch jeder selbst erkennen können sollte, wann er zuweit geht.


    Da liegt ja der Hase im Pfeffer: Wenn es um eine strafrechtliche Würdigung geht, reicht eben eine subjektive Einschätzung nicht. Was des einen Kritik ist des anderen Beleidigung. Ein Problem, dass die Rechtssprechung eben nicht nur bei der Diskussion um das Grundrecht der Religionsfreiheit kennt. Nach welchen Maßstäben sollen Richter urteilen????

    Dass man für dunkle Jeans ein anderes Waschmittel nimmt? Dass man die Butter bei der Sauce Hollandaise nur ganz vorsichtig über dem Wasserbad einrühren darf? Komm', Morgana, lass' uns nicht doof sterben. Wer gackert ... ;-)

    Hmmmmh, doc, lass' mich mal nachfragen: Weshalb ist es denn weniger korrekt, wenn ich über Blonde, Kinder oder über Alte lache, als wenn ich Witze über Katholiken oder Hindus reisse?

    Okay, alles klar.
    Ich wohn' halt auf der Ostalb - auch Schwäbisch-Sibirien genannt. Erst gestern hab' ich beim Eisaufpickeln im Garten wieder einen Mammutknochen rausgegrubelt .... :grin

    Ich weiß, ich weiß, ich mach' mir da jetzt keine Freundinnen: Aber ich finde die Häkeldeckchen-Bücherstunde von Tante Elke eigentlich so betulich, dass ich meist nicht reinschaue. Vielleicht peppt ja Hape das Ganze ein wenig auf.
    Aber zumindest einen Autor sollte man nun aber doch dick herausstreichen:
    F. Scott Fitzgerald
    Da geht es wohl nämlich nicht nur um die genannten Erzählungen, sondern hoffentlich auch um die die Neuausgabe seines gesamten Romanwerks.
    Und wer vor Gier schon mal richtig aus den Mundwinkeln sabbern will, dem sei der herzensallerliebste, seelenwarme (au Mann, jetzt fange ich auch schon an zu heidereicheln, shit) Text über "Scott Gott" in der Zeit - von Georg Diez - anempfohlen. Ein schöner Einstieg. Ehrlich.
    Ach ja, und wer die Zeit (nicht die aktuelle, sondern die vom 24. Mai) schon in den Händen hält, sollte sich die Rede von Grass auf dem PEN-Kongress reinpfeifen. Vor allem unsere Schreibeulen. Es geht um Krieg und die Verantwortung von Schreibenden in friedlosen Zeiten. Auch wenn mir der alte Danziger Bruddler nicht immer ans Herz gewachsen ist: Da steckt trotz einem ordentlichen Schuss Moralin-Forte einiges Bedenkenswerte drin. Man steht eben auch als Autor manchmal zu Schnell Gewehr bei Fuß ...

    Ein schwieriges Buch, Voltaire. Uff, da hast Du was gestartet; aber es gehört diskutiert. Deshalb zumindest mal in einem ersten kleinen Wurf ein paar Gedanken dazu. Große Teile Deiner Einschätzung dürfen gerne geteilt werden. Allerdings: Ob man aus den Stahlgewittern tatsächlich etwas über das Wesen des Krieges erfahren kann, bezweifle ich. Man erfährt vielmehr über einen dunklen Teil unserer Seele (auch wenn ich das Wort nicht gerne verwende). Nicht über "das Böse". Nicht über den Krieg. Sondern über die Faszination des Kampfes. Erst in der Nähe des Tods spürt man sein Leben. Wir dürfen nicht vergessen: In den ersten Weltkrieg zogen die meisten noch, wie in ein großes Abenteuer. Im Krieg wurde man zum Mann. Wer heute im Extremen lebt, wer den Kitzel beim Klettern [hi BJ ;-) ] sucht oder bei Tempo 300 auf einer Hayabusa brezelt, der ist diesem Gedanken gar nicht so fern, wie er vielleicht möchte. Sie zogen hinaus "ins Feld", die Mädels winkten und an Weihnachten wollte man als Held in der Runde am Christbaum spannende Geschichten erzählen können. Und mancher erlebte (zunächst) noch viele der Auseinandersetzungen auch tatsächlich als ästhetisches Erlebnis. Es ist doch erstaunlich, wie bedeutsam auch heute noch bei älteren Menschen gerade diese Zeiten der Extreme (im Zweiten Weltkrieg) sind. Nicht nur aufgrund der Schrecken, sondern vor allem, weil sie so außerordentlich intensiv erlebt und empfunden wurden.


    Brauchen wir den Blick ins Verderben, um uns wirklich "tief" als Mensch zu empfinden?


    Jünger selbst hat dies später übrigens aus einer anderen Warte relativiert:
    Und süßer noch wird die Erinnerung an unsere Mond- und Sonnenjahre, wenn jäher Schrecken sie beendete. Dann erst begreifen wir, wie sehr es schon ein Glücksfall für uns Menschen ist, wenn wir in unseren kleinen Gemeinschaften dahinleben, unter friedlichem Dach, bei guten Gesprächen und mit liebevollem Gruß am Morgen und zur Nacht. Ach, stets zu spät erkennen wir, dass damit schon das Füllhorn reich für uns geöffnet war." (aus "Auf den Marmor-Klippen" von 1939)


    Und doch bleibt da bei Jünger aus meiner Sicht immer diese Faszination des Kampfes, des großen Kräftemessens der Menschheit - im Gegensatz zur gediegenen Langeweile des Alltags. Dürfen wir fasziniert sein vom Krieg? Gibt es eine Ästhetik der Gewalt? Jünger irritiert, weil das Gerede von Mut, Ehre, Soldatentugenden, Kampf und des Überlebens des Stärkeren tatsächlich viele in der Seele ansprechen. Da bedarf es nur geringer Verlockung von außen, um dies zu aktivieren. Das beunruhigt wohl auch heute noch.
    Columbo

    Sorry doc, aber das ist einfach schlecht. Sehr schlecht. Oder besser gesagt affektiert. Der Text ist affektiert. Aufgesetzt also. Mit aufgesetzten Affekten. Nein, mit aufgesetzten Effekten. Die Dopplungen sind gewollt. Sicherlich gewollt. Absicht. Sollte ein Stilmittel sein. Aber nicht jeder Stil macht Literatur. Manche auch Pfannen. Stile machen Pfannen. Nein, Stiele machen Pfannen. Entschuldigung. Ich wollte den Auszug jetzt nicht eben darin hauen. In die Pfannen. Nicht in die Stiele. Am Ende zählt bei der Dopplung eben auch, ob ein Bild entsteht. Ein Bild in meinem Kopf. Oder ein Bild in Deinem Kopf. Dabei kenne ich Deinen Kopf gar nicht. Auch nicht den von Katrin de Vries. So bleibt nur Schluckauf. Literarischer Schluckauf. Literarischer Schluckauf am Stiel. Ohne Stil. Ohne Stil und ohne Bilder. Da atmet nix. Kein tiefer Atem des Lebens. Nur Kurzatmigkeit. Text-Asthma. Wie gesagt. Sorry. Entschuldigung.
    Und:
    Hallo zurück an alle.
    Columbo

    Zitat

    Ich hab geträumt ich war in einem Bekleidungsgeschäft und bin ziellos herum gelaufen und nichts hat mir gefallen.


    Hallo Branka, ist das nicht die Beschreibung eines ganz normalen Alltags einer Frau???? :wow