Hmmh, die Frage von Ronja ist schon recht spannend. Vieles hat magali ja schon genannt, man sollte sich wirklich vor Augen führen, dass von den "100 000" Neuerscheinungen extrem viele Fachliteratur-Ausgaben sind, dann kommen unzählige regionale Ausgaben - Regionalkrimis, lokalhistorische und -kulturelle Bändchen - und sonstiger Kruscht dazu. Der Kernbereich Belletristik schrumpft da schon mal zusammen. Freilich: Es bleibt noch ein ordentlich großer Rest und tatsächlich gibt es dann bei den Besprechungen zu diesem Sektor die Tendenz, dass sich die veröffentlichte Meinung auf einen kleinen (wohl gut vermarkteten) Bereich mit einer Handvoll Bücher einschießt. Upps, was für ein martialischer Begriff, sorry. Es gibt ein paar "Leitmedien", die bundesweit Themen setzen, machen wir uns da nix vor. Und viele kleinere Medien ziehen diese Vorgaben weitgehend nach, weil sie es sich nicht leisten können, völlig abseits zu stehen, und weil sie sich, ganz einfach, keinen medienpolitischen Individualismus leisten können. Was die Agenturen liefern, was der eh schon unter Vertrag stehende Korrespondent noch mitliefert, ist einfach billiger, als sich in der Redaktion einen dickköpfigen Querdenker zu leisten ... wie es vielleicht ein magälchen wäre ....
Okay: Da bleibt sicherlich manch' Interessantes auf der Strecke. Aber es hat auch Vorteile (und das meine ich jetzt nicht gänzlich zynisch ...): Zum einen ist es kaum noch möglich, in der täglichen Info-Flut den Kopf über Wasser zu halten; eine gewisse breit transportierte Vorauswahl hilft vielen dabei, überhaupt noch ein Buch in die Hand zu nehmen. Und zum anderen dient dies einer Art "Kanon"-Bildung in der Diskussion; die "Kulturnation" kann sich somit im Disput über Literatur auf eine bestimmte Auswahl begrenzen - und sich somit auch "finden". Nicht zuletzt dieser identitätsstiftenden Wirkung wegen gibt es ja auch Preise - vom Nobelpreis bis hin zum Deutschen Buchpreis - und letztlich auch die großen Büchermessen in Frankfurt und vielleicht noch mehr in Leipzig. Man trifft sich, man spricht über die gleichen Themen, man bringt die gleichen Themen nach vorn - und schafft so Gemeinschaft.
Liebe Grüße
Columbo