Beiträge von Alice Thierry

    Eigentlich sollte man meinen, dass der Trend zum Individualismus geht, nachdem wir heute soviele Möglichkeiten.
    Aber der Herdentrieb ist offenbar stärker. Vielleicht liegt es auch gerade an der unüberschaubaren Masse, dass sich der Durchschnitts- und Gelegenheitsleser nicht mit dem Angebot auseinandersetzen will, sondern lieber zu dem greift, was ihm vor die Nase gehalten wird bzw. was alle anderen kaufen. Man will ja schließlich mitreden können.


    Natürlich darf man auch die Publicity nicht unterschätzen. Ich denke, dass einige Bücher vor allem deshalb gut verkauft werden, weil sie mit entsprechender Werbung nach oben, sprich in die Bestseller-Listen gepusht werden.


    Für mich sind Bücher auf Bestseller-Listen eher abschreckend und hohe Verkaufszahlen kein Kaufkriterium, eher im Gegenteil. Vox populi - vox Rindvieh.

    Der Inhalt dieses Abschnitts ist schnell zusammengefasst:


    Ortswechsel. Wieder zurück in Amerika. Toni tröstet sich mit dem Banker und entdeckt nebenbei, dass ihr Nachbar ein geisteskranker Mörder ist. Sie deckt ihn aber, weil der Mann ihrer Meinung nach nichts für seine Taten kann, begeht er sie doch in geistiger Umnachtung, und solange das Gesetz deswegen nicht die Schuldunfähigkeit anerkennt und ihn statt an den Galgen in die Sicherheitsverwahrung bringt, will sie ihn lieber weiter unter den Leuten sein Unwesen treiben lassen. Nebenbei laufen polizeiliche Ermittlungen, wobei ein Arzt und Gelegenheits-Rechtmediziner dem Mörder der übel zugerichteten Prostituierten schon auf der Spur ist. Aber statt seiner wird eine ethnische Minderheit beschuldigt und verhaftet: eine Gruppe Voodoo-Schwarze, die das aber bereitwillig mitmachen, weil sie lieber ihr Leben hingeben als ihren Herrn preis, der auf seiner Plantage ihren Club beherbergt.


    Ich muss meine Meinung über dieses Buch wirklich revidieren: dieses Buch ist außergewöhnlich vielseitig. Nach Historie, Lovestory, Agrar- und Wirtschaftsabhandlung, Gesellschaftsstudie, spirituellem Indianermärchen, Pferdeoper, Sex & Crime gibt es jetzt auch noch einen Psychothriller und Zombie-Voodoo. Das ist mal wirklich kundenfreundlich: 10 Genres zum Preis von einem. Es fehlen eigentlich nur noch Außerirdische, Zeitreise und Hobbits, dann ist jedes Genre abgedeckt.


    Dass das Buch nun in Richtung Krimi abdriftet, hätte ich definitiv nicht erwartet. Besonders die geschickten Privatermittlungen des nunmehr im Mittelpunkt stehenden Arztes, der auch die Autopsie an der Toten leitet und Zugriff auf die Daten sehr ähnlicher Fälle der Vergangenheit hat, steigern die Spannung ungemein und geben der Story eine völlig neue Perspektive. (Auch wenn man von Anfang an den Täter kennt. Umso erbaulicher ist es, zu verfolgen, auf welch raffinierten Wegen der Arzt zu seinen Schlussfolgerungen gelangt: So ist Toni bei ihm wegen Schwangerschaftsbeschwerden in Behandlung, liest aus Versehen den Autopsiebericht und wird blass, woraus der Doktor später den Schluss zieht, dass sie etwas wissen muss und sie in einer ausführlichen Befragung sondiert).


    Was mir in diesem Abschnitt weniger gefallen hat, zum Teil auch, weil es von der Kriminalgeschichte unnötig ablenkt, war das Techtelmechtel von Toni mit Andi. Musste das sein? Ich meine, die Frau hat vor zwei Monaten die "Liebe ihres Lebens" verloren und heult ihr hinterher wie ein Schlosshund, und dann hüpft sie mit dem nächstbesten Kerl in die Kissen (der allerdings blind sein muss oder nur mit Rubensfrauen verkehrt, denn Tonis Schwangerschaft bemerkt er gar nicht). Und zu allem Überfluss bindet sie dem dann auch noch auf die Nase, dass nur der andere Typ ihr Herz hat. Das lässt sich meiner Meinung nach nicht mehr mit humanistisch-liberaler Einstellung rechtfertigen, sondern ist schlicht und einfach die moderne Denke einer Frau des 21. Jahrhunderts.
    Noch unglaublicher ist, dass der Banker das komplett akzeptiert und auch sofort bereit ist, das Kind als seins auszugeben. So ein Warmduscher.


    Ansonsten gibt es häufige Perspektivenwechsel, was wohl am kontinuierlichen Belegschaftswechsel liegt. Der Hocksley-Schwager spinnt weiterhin Kindergarten-Intrigen, die im nächsten Moment auch schon wieder in die Hose gehen.
    Neben dem Arzt lernen wir noch eine Art Vorarbeiter namens Quinn kennen, dessen Seelenleben und Affäre mit einer jungen Schwarzen viel Beachtung geschenkt wird. Aber auch diese Leute blieben für mich blutleer.


    Am Rande sei noch bemerkt, dass zwar Joshua noch etwas Raum erhält und das Los seiner Frau bei einem Gefängnisbesuch beklagen darf, die Indianerin vom Anfang aber praktisch vom Erdboden verschluckt ist.


    Zum Trost wartet der Abschnitt immerhin wieder mit ein paar erfreulich modernen Begriffen auf: Da gibt es den Universitätscampus, Obduktionsberichte, Sexualdelikte, Anlegerkonsortien, Agrarproduzenten, Zielvorgaben, Broker, Anlegerpools und Rekordernten, um nur ein paar zu nennen.


    Fazit: Dass die Story mit dieser Serienmörder-Geschichte aufgepumpt wird, lässt mich vermuten, dass die eigentliche Geschichte einfach zu dünn ist. Der im Klappentext beschriebene Kernkonflikt, der eigentlich ohne Weiteres ein ganzes Buch hätte tragen können, wurde ja leider im ersten Viertel aufgelöst.


    Was soll man da machen? Schenkelklopfen?

    Dieser Abschnitt hat mich im Gegensatz zum vorhergehenden positiv überrascht, weil er mit relativ wenig Dialogen auskommt und beweist, dass die Autorin gut erzählen kann; der Stil ist flüssig und abwechslungsreich.


    Schade nur, dass es sich inhaltlich ausschließlich um den Werdegang des zweiten Bösewichts handelt. Es ist zwar sicher aufschlussreich, wenn man erfährt, welche Lebensgeschichte hinter dem Kreolen steht, aber an dieser Stelle hat man sich schon ein so klares Bild von Miguel-Roscoe gemacht, dass die Mißhandlungen/Vernachlässigungen in seiner Kindheit und sein von Gewalt dominiertes Leben sein Verhalten nicht mehr entschuldigen können.


    Die Figur des Roscoe empfinde ich inzwischen als derart überzogen, dass auch die Offenlegung des biographischen Hintergrunds ihr keine menschlicheren Züge verleiht. Er wirkt wie der Über-Böse aus einem Batman-Film.


    Sofern es überhaupt nötig ist, dem Leser diese Figur nahe zu bringen, hätte ich es als sinnvoller erachtet, ihre Hintergründe ziemlich früh aufzudecken, bevor sich das Bild von ihr verfestigt hat.
    An dieser Stelle des Buchs erscheint sie mir wie Füllsel.


    Über den Inhalt des Kapitels lässt sich streiten. Die Autorin erzählt, wer Roscoe eigentlich wirklich ist und welcher Familie er entstammt. In diesem Abschnitt wird nun erneut das Thema Kindesmisshandlung aufgegriffen und unnötig ausgeweitet. Ein paar Andeutungen hätten, wenn überhaupt, völlig genügt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein historischer Roman für eine solch brisante Thematik das falsche Podium ist, umso mehr, wenn sie so viel Gewicht in der Handlung erhält. Es steigert keineswegs die Spannung oder verleiht der Geschichte Dramatik, sondern scheint mir eher ein ungelenker Versuch, aktuelle Bezüge herzustellen und wirkt einfach nur abgeschmackt und reißerisch.
    Klar gab es so etwas zu allen Zeiten, aber in einem historischen Roman möchte ich mich in erster Linie mit der Zeit, den Menschen und den Gegebenheiten auseinandersetzen, nicht mit sexuellen Perversionen.
    Ebenso erwarte ich in einem Fantasy-Roman keine Drogenfahndung oder das Thema Euthanasie in einer ChickLit. Das ist für mich ein Genrebruch.


    Nun ja. Ansonsten ein informationsreiches Kapitel. Sprachlich gewandt und nicht ohne anschauliche Beschreibungen.


    Hier und da entgleitet der Autorin wieder die zeitgemäße Sprache ihrer Figuren. So wird jemand als "Killer" und ein anderer als "Boss" bezeichnet.


    Wenn ich Sätze lese wie
    "Meinst du, ich lass mich von so einem miesen Schwein anrühren? Ich warte doch nicht, bis der mich an den Eiern kriegt" oder
    "He, er ist tot, Mann!" oder
    "Geh, *** dich!",
    dann habe ich eher das Gefühl, einem Dialog zwischen Gangstern mit Ghettoblastern zuzuhören, nicht aber Menschen im Jahr 1782.


    Fazit: Allmählich hatten wir genug Gewaltausbrüche, Folter, Vergewaltigung und monströse Figuren.

    Wer Lust hat, sich mal den Film-Colonel Tavington, der für mich fraglos als Vorlage für William Spencer gedient hat, in aller Kürze anzusehen, findet zwei schöne Hommagen auf YouTube:


    Einfach auf der YouTube-Website im Suchfenster folgende Begriffe eingeben


    William Tavington (Jason Isaacs - fanvid)


    oder


    Colonel Tavington (Jason Isaacs)


    eingeben und das Video mit dem jeweiligen Titel auswählen.


    (direkte Verlinkung geht leider nicht)



    Das 2. Video gibt übrigens gute Eindrücke von einem Angriff der Dragoons auf eine Plantage,

    Diesmal ein ziemlich umfangreicher Abschnitt.


    Wieder Setting- und Belegschaftswechsel. Spence, den man inzwischen auch "Fürst der Finsternis" nennt, wurstelt in London herum, aber irgendwie ist alles nicht mehr so toll wie früher. Keiner freut sich so richtig, dass er noch lebt (was für mich absolut verständlich ist) und die Nachtclubs (Sic!) und Frauen sind irgendwie auch nicht mehr das, was sie mal waren.


    In diesem Abschnitt kommt die Handlung wenig vom Fleck. Seine Funktion liegt wohl darin, dem Leser Einblicke ins frühere Leben des butcherboys zu geben, die Figur erkennen zu lassen, dass die USA eben doch besser sind als das verdreckte, heruntergekommene London und ihr Einsichtsfähigkeit zu attestieren.


    Ein Bruder namens Thomas taucht auf und eine Zigarillo-rauchende alte Flamme. Ansonsten gibt es wieder relativ zähe Gespräche, merkwürdige Selbstreflexionen und noch merkwürdigere Charakteranalysen seitens Randfiguren. Obwohl es kontinuierlich wiederholt wird, habe ich nicht den Eindruck gewonnen, dass Spence vom Krieg sonderlich geschädigt ist. Der Typ war und ist einfach so: Ein selbstgefälliges rücksichtsloses Trampeltier.


    Völlig daneben fand ich übrigens das Tête-à-tête von Spence und seiner Verflossenen Persephone. Da wird der Colonel plötzlich zum Tier, erst zum brünftigen Bär, dann zum bettelnden Schoßhündchen, auch wenn er sich anschließend drüber grämt. Selbstbeherrschung ist etwas anderes. Und dass er sich dieses Neandertaler-Gebaren erst im Krieg zugelegt haben will, nehme ich ihm nicht ab.


    Die Lady Percy selbst hat wenig gemein mit einer anständigen jungen Frau des 18. Jahrhunderts, eher mit einer Kokotte des Fin-de-siècle oder femme-fatale aus einem film noir.
    Bei diesem Abschnitt hatte ich insgesamt kaum mehr den Eindruck, mich in einem früheren Jahrhundert zu befinden, sondern mitten im 20. Jahrhundert. Ich frage mich immer noch, wie man im 18. Jahrhundert "einen Tisch im Nachtclub reserviert" hat (Seite 405). Mal schnell den Kammerdiener hingeschickt? Oder lieber per Brieftaube?


    Wie schon erwähnt: Ich halte das Setting dieser Story für völlig austauschbar. Inzwischen fände ich die 1980er ziemlich passend.


    Neben Spences Stadttouren erhält der Sklavenjunge Néné unerwartet Raum, weil es ihm im "Tintenland" nicht gefällt. Dabei trifft er mit dem Kreolen zusammen, verschwindet, und es entspinnt sich eine detektivische Suche, die auf die Spur von Waffenschiebern führt. Öfter mal was Neues.
    Und welch Zufall, der Verlobte der Verflossenen ist auch noch in die ganze Geschichte verwickelt. Das Ganze endet schließlich in einem ausführlich geschilderten Kindesmißbrauch und schließlich einer seltsamen Orgie, in deren Verlauf Spence sich im Stil eines modernen Actionfilm-Shootouts eine Konfrontation mit dem engelsgesichtigen, aber so bösen Kreolen liefern darf.


    Zu guter lLetzt wieder die Top-Five der erheiternden Wortmißgriffe: Diesmal ist "die ganze Clique da", freut sich ein Kellner über das "ernstzunehmende Trinkgeld", hat man "keinen guten Start miteinander", bescheinigt der "amtliche Totenschein das Erliegen einem langjährigen Leiden des Herzens und der Koronargefäße" und gibt es "Konsumgüter und Drogenhandel".


    Mir war definitiv nicht bekannt, dass es anno 1782 schon amtliche Totenscheine gab*, ebenso wenig wie Manager, Concièrges, Bars, Flaniermeilen oder psychologische Typologien.


    Wenn einerseits sehr viele historische, durchaus gut recherchierte Fakten einfließen, die Autorin jedoch bei alltäglichen Dingen nachlässig ist, passt das für mich nicht zusammen.


    Fazit: Ein ziemlich überfrachteter Abschnitt, der durch das Kreuz und Quer durch die Stadt kaum in Fahrt kommt, ein paar Nebenfiguren einführt und abermals durch allzu ausführliche Dialoge ermüdet. Man muss doch wirklich nicht jedes Gespräch von der Begrüßung bis zur Verabschiedung en détail beschreiben.



    * diese Art Zertifizierung wurde eher erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts üblich.

    Danke. :knuddel1


    Mein süffisanter Ton tut mir, ehrlich gesagt, fast etwas leid. Da steckt ziemlich viel Frust drin, denn einiges in dem Buch bringt mich ziemlich auf die Palme.


    Aber das Buch klang so vielversprechend. Da rechnet man mit einem opulenten Pageturner, großen Gefühlen und einer packenden Story. Nicht mit so etwas und dem, was noch kommt.

    Zitat

    Original von JaneDoe
    Außerdem wundert es mich, dass sie genug zu Essen haben. Das Land ist verwüstet, aber es kommen Süßkartoffeln, Hähnchen etc. auf den Tisch.


    Genau das habe ich mir auch gedacht. Da ist der Besitz angeblich bis über beide Ohren verschuldet, aber darben muss trotzdem keiner.

    Ein Fremder fällt trotzdem immer auf. Umso mehr, je kleiner die Gemeinschaft ist. Und die Leute sind neugierig. Da wird rumgefragt und jeder kennt jeden.


    Dass mit dem plötzlich aufgetauchten Verwundeten auf der Plantage irgendetwas nicht stimmt, dürfte den Nachbarn auch ohne Akzent auffallen.


    Außerdem ist der Colonel ja berühmt-berüchtigt. Mit auf Dauer inkognito gehen oder sich unter andere Identität durchlavieren, ist es da schwierig.

    Als ich diesen Abschnitt begann, dachte ich mir: Jetzt bist Du aber im falschen Buch.
    Ich hatte tatsächlich den Eindruck, plötzlich ein komplett anderes Buch in Händen zu halten, und was zudem verwunderlich war: Dies war bisher der beste Abschnitt. Weniger vom Inhalt her, sondern stilistisch.
    Hier schafft es die Autorin zum ersten Mal, eine dreidimensionale Figur zu schaffen, Einblicke in deren Innenleben zu geben, und spart sich viele ermüdenden Dialoge. Na also, es geht doch.
    Ich weiß zwar nicht, was ich mit diesem Algernon Reed anfangen soll, der da aufkreuzt - Peiniger des bemitleidenswerten Spence, aber vor allem blutrünstiger Psychopath - doch er ist ein gutes Stück glaubwürdiger als die anderen, teilweise nur klischeehaften Figuren.


    Was weniger gelungen ist und in einem historischen Roman dieser Art (ist ja kein historischer Krimi o.ä.) verloren hat, ist der plötzliche Schwenk zum Jack-the-Ripper-Thema und der genüsslichen Ausbreitung der Aktionen eines nicht nur perversen, sondern vor allem kranken Menschen. Worunter er genau leidet, verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Die nächtlichen Stockschläge vom Schulleiter und ein Defizit an Schulferien waren aber offenbar maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt, sonst hätte die Autorin diese Kapitel wohl nicht so breitgetreten. Aber wie gesagt: dieses Thema und der Inhalt sind für mich absolut fehl am Platz. Ich lese doch kein Karin Slaughter-Buch.


    Die Abwesenheit von Spence ist angenehm erfrischend und Tonis sehnsuchtsvolles Leiden daher umso weniger nachvollziehbar für mich. Ihr Leben geht wieder unspektakulär weiter, mal abgesehen von den Ambitionen des Schwagers Hocksley, der aus welchen Gründen auch immer die marode Plantage haben will und deswegen den Psychopathen Reed auf Toni ansetzt.
    Bei aller Plattheit ist die Szene zwischen Toni und Reed erstaunlich spannungsgeladen und hebt sich wohltuend vom Rest ab. Nur das Nachgeklapper mit der Mammy Charlene später im Schlafzimmer hätte nicht sein müssen. Als müsste die Autorin dem Leser unbedingt erklären, wie seltsam und gefährlich Reed ist, und dass Toni das auch irgendwie gemerkt hat.


    An Reeds Seite taucht nun auch wieder der Kreole auf, bleibt aber wie viele andere Figuren trotz äußerlicher Beschreibung flach und wirkt nicht zeitgenössisch.


    Auch in diesem Abschnitt habe ich neben den üblichen ominösen,servilen,infantilen Fremdwörtern wieder ein paar köstliche Anachronismen gefunden. Die absoluten Highlight waren für mich hierbei "Teamchefs" und "Gastdozenten". Jetzt hoffe ich sehr, dass noch ein Projektleiter auf der Bildfläche erscheint. :grin


    Obwohl ich mich durch diesen Abschnitt weniger quälen musste, halte ich den plötzlichen Wechsel in die Perspektive einer bisher nur am Rande auftauchenden Figur für inkonsequent und nicht zur bisherigen Story passend. Eine Verlegenheitslösung, so scheint mir, weil es über Toni nichts weiter zu erzählen gibt und die Aktivitäten um die Plantage sich eigentlich erschöpft haben.

    Zitat

    Original von chiara
    Manche Sätze sind abgehakt hingeschrieben worden, dass ich mich schon frage, ob der Schreibstil an der Übersetzung liegt.


    Das Buch ist nicht übersetzt, sondern eine deutsche Erstausgabe. Nicht durch den englischen Namen der Autorin, mit großer Sicherheit ein Pseudonym, irreführen lassen. Das Buch ist eindeutig Made in Germany.


    Das sich Dialoge teilweise mühsam lesen lassen, führe ich auf die häufig geschraubten Redensweisen zurück. An anderer Stelle reden die Figuren hingegen seltsam flapsig.

    Es muss für die arme Antonia doch eine beziehungsmäßige Verbesserung geben, und da Spencer so ein Kotzbrocken ist, muss dem Vorgänger notgedrungen eben alles Negative angehängt werden, dessen man habhaft werden kann. Fehlt nur noch dass er Kinder und kleine Hunde quält (Aber das macht ja schon Spencer. ;-))


    Letztlich sind beide emotionale Krüppel, der eine poltert nur lauter als der andere.


    Ein Ausbund an Tugend als Ehemann wäre meiner Meinung nach viel, viel interessanter gewesen, weil Antonia dann nicht den ganzen Absturz bequem auf den toten Gatten hätte abwälzen können und sich zudem mit sich selbst hätte auseinandersetzen müssen. Zuneigung zu einem an und für sich verachtenswerten Menschen bedarf erheblich mehr Rechtfertigung. Die Konstellation hätte dadurch sicherlich gewonnen.

    Und weiter geht es:


    Diese Kapitel widmet sich in weiten Teilen dem Beziehungsgeplänkel von Toni und Spence. Er macht den Verwalter und Bodyguard für sie, gräbt Gräben, führt Geschäftsgespräche und bewegt den Fuhrpark, vor allem den schicken Phaeton (das Äquivalent zum Aston Martin im 18. Jahrhundert). (Gähn). Der Kerl nervt mich allmählich richtig, weil er so ein emotionsamputierter Besserwisser ist. Wenn schon so ein A*** als Protagonist, dann bitte eine entsprechend temperamentvolle Heldin auf der anderen Seite. Bei dem arrogant-lässigen Getue in Kombination mit Bravbrav schlafen mir einfach die Füße ein. :fetch


    Daneben gibt es reichlich Schmonzette: Er will weg, sie läuft deprimiert rum, weil er weg will. Man verpasst sich, weil ständig einer unterwegs ist.
    Es wird eine Menge geredet - wie es heute so üblich ist - aber eben nicht genug, so dass es unweigerlich zum tränenreichen und vor allem langen Abschied kommen muss. Immer wieder wird geherzt und geküsst, letzte Nacht, Pipapo, aber der Mann kriegt einfach nicht die Kurve!
    Ein kleiner Trost für alle Mitschmachtenden: Vor Spences Fahnenflucht hat Toni aber in schöner alter Tradition noch einen Braten in die Röhre gekriegt, was praktisch jeder außer ihr selbst bemerkt.


    Der prädestinierte Kernkonflikt (Frau verliebt sich in den Mörder ihres Mannes) wird leider innerhalb der ersten 200 Seiten verschenkt. Tonis Erkenntnis kommt viel zu früh, und statt einen Urknall und weitreichenden Konflikt heraufzubeschwören, verplätschert alles in Wohlgefallen. Ein paar Tage wird geschmollt; der Gattenmörder darf derweil ein bisschen schmoren und leiden, damit der Leser auch merkt, dass ihm die Frau nicht in jeder Minute nur Sexualobjekt ist. Dann wird mit einem Seufzer alles beiseite gewischt und das Weibchen ordnet sich wieder dem potenzstarken Männchen unter. Good Grieve!
    Umso mehr, als der Heini auch noch Schuld an der Zerstörung des Anwesens ist, das er nun wieder für sie flottkriegen will.


    Dieser Teil schien mir besonders kitschig(schmerzende Brüste, wunde Lippen, überwältigendes Liebesdrängen, wehmütige Blicke - brrrr), aber da der gute Spence am Ende endlich unterwegs in die alte Welt ist, darf man auf Besseres hoffen.


    Richtige Spannung ist bis auf die ersten 18 Seiten bisher leider nicht aufgekommen. Relativ belanglose Gespräche wechseln sich mit belanglosen Gesprächen ab. Der naheliegende Konflikt mit dem Gattenmord wurde, wie gesagt, leider verschenkt. So bleibt letztlich nur die Frage, ob der Verwalter wieder zurückkommt und wie er aufs Kind reagiert. Seine Rachepläne und die Folterer interessieren da nicht so sonderlich. Genauso wenig wie die immer wieder aufkreuzenden Banker und der irische Nachbar. Nettes Beiwerk, aber nicht viel mehr.
    Mich wundert hingegen immer noch, wie es sein kann, dass die Plantage bis über ihren Wert verschuldet ist, aber plötzlich problemlos aufgebaut wird. Auch vorher gibt es offenbar noch genug zu beißen; kann also mit der finanziellen Misere nicht so weit her gewesen sein. :gruebel


    Der Leser darf sich in diesem Abschnitt wiederum an kultivierten Fremdwörtern und Anachronismen erfreuen. In diesem Abschnitt hat mich vor allem das Adrenalin pumpende Herz schmunzeln lassen.


    Im Übrigen werden die Szenen in schöner Regelmäßigkeit mit einer Schilderung des jeweiligen Wetters bzw. Klimaphänomenen eingeleitet. So weiß man gleich, auf was man sich einstellen muss: Tag oder Nacht, Regen oder Sonnenschein. Ist das in anderen Romanen eigentlich auch so gehäuft der Fall?


    Kurzes Fazit an dieser Stelle: Es wird nicht besser. Und: Es gibt nichts Schlimmeres als das Schüren großer Erwartungen und dann völliges Zurückbleiben hinter denselben. Sorry, aber genauso geht es mir mit dieser Story.


    "Südstaaten-Epos"? - Von wegen.

    Die Figuren nehmen mich einfach nicht für sich ein, obwohl ich bad guys mag, aber dieser William Spencer ist einfach völlig überzeichnet, ein patriarchalisches, jeden Nackenbeißer-Fan begeisterndes Alpha-Männchen, das so gar nicht ins 18. Jahrhundert passen will - trotz all dem betulichen Gedöns, der Gentlemen-, Sir-, Madam-Floskeln. :rolleyes


    Antonia dagegen ist eine selten farblose, äußerst naive "Heldin" mit dem üblichen Pferdefimmel, deren Motivationen für mich größtenteils nicht nachvollziehbar sind. Sie verbringt die meiste Zeit Kaffe oder Tee trinkend auf der Plantage, bei Nachbarn oder in Charles Town und hat offenbar masochistische Neigungen. Auch wenn sie, wie ständig betont wird, dauernd in Männerkleidung rumläuft, fehlt ihr jeder Biss. Kein Wunder, dass das Personal Stiften gegangen ist.


    Und jetzt müssen wir uns auch noch mit dem toten Ehemann auseinandersetzen, einem intellectual-turned-treator- turned-admiral-of-the-red. Und dennoch eine blasse Erscheinung, die am Ende ihrer Existenz so weit abgebaut hat, dass einem ihr Tod nicht weiter nahe geht. Natürlich ist eine Begegnung zwischen dem schwachen Henry und dem arrogant-kühlen-zynisch-lässigen Colonel Spencer unvermeidlich. Nach einer solchen Demontage (ich verwende bewusst viele Fremdwörter, weil das gut zum ebenso Fremdwörter-gespickten Stil des Buches passt) kapiert selbst der Dümmste, warum sich Antonia in der Folge lieber bereitwillig dem Widerling Spencer in die Arme wirft, ist er doch von zwei Übeln das kleinere. Zumindest richtet er ihr die Plantage wieder auf und **** es ihr richtig. (Pardon für die flapsige Ausdrucksweise, aber das trifft es wohl am besten.)


    Neben den Hauptfiguren gibt es übrigens noch ein bisschen Staffage in Form der netten Nachbarn, einer deutelnden Indianerin (mit dem Namen eines Films), die dem Leser (und Antonia) offenbar die Zusammenhänge erklären muss, tolle Rassepferde und ein paar schwarze Dienstboten, um das Südstaatenflair heraufzubeschwören. Dass dann auch noch eine Sorcière von den Antillen und ein latent homosexueller Créole auftauchen, ist schließlich wirklich etwas zuviel des Guten.


    Von der Grundidee scheint mir das Ganze gar nicht so schlecht, aber die Umsetzung überzeugt mich bisher nicht. Trotz der offensichtlich umfangreichen Recherche und den Bemühungen der Autorin, ein bisschen Zeitkolorit einzufangen.


    Der Roman bleibt nach wie vor sehr dialog- und informationslastig, wobei auch historische Figuren verhackstückt werden. Und William Spencer darf weiterhin William Tavington spielen.


    Was mir außerdem aufstößt, sind solch seltsame Anachronismen wie Intelligenzija, ein meinem Wissen nach aus dem Russischen stammenden Begriff des 19./20. Jahrhunderts mit sehr starkem kommunistischem Gepräge.
    Weiter tauchen ökonomische Begriffe wie Qualitätsverlust und Ertragsrückgang u.ä. auf, die nicht nur fremd in einem historischen Roman anmuten, sondern auch unfreiwillig komisch.


    Die von den Figuren geführte Sprache ist trotz zeitgenössischer Einschübe und Umgangsfloskeln ziemlich modern, genauso wie die Verhaltensweisen. Am besten ist schon die Szene, in der Spence im Bud Spencer-Stil (deshalb wahrscheinlich auch die Namenswahl) von der Terrasse aus Leute abknallt und dabei munter mitzählt. :bonk


    Ich nehme der Geschichte nicht ab, dass sie im 18. Jahrhundert spielen soll. Eigentlich könnte sie überall spielen: während der Russischen Revolution, dem Burenkrieg, dem Sepoyaufstand oder im Spanischen Bürgerkrieg. Es geht ja letztlich nur darum, dass eine arme, unbescholtene Frau sich mit einem Kerl einlässt, der ihren Mann getötet hat und sich das Ganze vor einem Hintergrund umwälzender Ereignisse abspielt. Die Geschichte mindestens hundert Jahre in die Zukunft zu verlegen, hätte ihr auf jeden Fall gut getan.


    Seufz, seufz und nochmals seufz!



    edit: P.S.: Weil das Wort dauernd auftaucht: Die Bezeichnung "Stutzer" bezeichnet die deutschen Pendants zum englischen Dandy und französischen Beau. Allerdings stammt der Begriff "Dandy" nicht aus dem 17., sondern aus dem späten 18. Jahrhundert und dürfte wohl auch zur Zeit der Story noch keine weite Verbreitung gefunden haben.

    Ich bin wirklich erleichtert, dass ich nicht die einzige bin, die mit dem Buch Mühe hat.
    Inzwischen bin ich schon etwas weiter, aber die Kritikpunkte haben sich eher gemehrt als verringert.


    Jane, Deinem Eindruck stimme ich zu. Der Kerl, den Du meinst, heißt Algernon Reed. Seine Gestik und Aussagen wirken wirklich übernommen.
    Den Anhang mit Begriffserklärungen finde ich auch albern. Wir leben in Zeiten des Internets und wenn man wirklich mal was nicht versteht, kann man's nachschlagen. Soll wahrscheinlich darlegen, wie gut die Autorin recherchiert hat. (Aber das meiste davon ist ziemlich irrelveant für die Geschichte oder deren Verständnis).


    Dir gute Besserung, maikaefer. :wave
    Deine Worte geben wenig Anlass zur Hoffnung, aber die stirbt ja bekanntlich zuletzt.

    So, ich mache mal den Anfang, weil es mich förmlich in den Fingern juckt.


    Nachdem ich schon wahnsinnig gespannt auf dieses doch recht vielversprechende Buch war, dachte ich mir nach den ersten Seiten allerdings: Was ist das denn? Habe ich hier Fan Fiction vor mir?


    Das Setting kam mir auf Anhieb ziemlich bekannt vor, aber mehr noch die von der Autorin verwendete männliche Hauptfigur.


    Hat noch jemand außer mir "Der Patriot" (2000) mit Mel Gibson gesehen?


    Nun, "Die Plantage" nimmt die Story des Films dort auf, wo der böse Widersacher, ein englicher Colonel, "fällt" und spinnt eine Story rund um diesen Charakter, wie es scheint. Halbtot schleppt sich der Soldat vom Schlachtfeld zu einer Plantage, wo sich eine unbedarfte junge Frau sofort seiner annimmt.


    Die Übereinstimmungen zwischen der Figur des William Spencer und dem Filmschurken William Tavington sind einfach zu frappierend, um auszuschließen, dass die Filmfigur nicht Vorbild für die Romanfigur war. Beispiele gefällig?


    - die Vornamen sind gleich
    - der militärische Rang ist identisch
    - beide gehören zu den Dragoons
    - beide werden der "Schlächter" genannt (tatsächlich gab es einen britischen Offizier, der diesen Namen trug und der Filmfigur Tavington zugrunde liegt: der Brite Banastre Tarleton, den die Autorin in ihren Anmerkungen kurz zu diesem Beinamen erwähnt. Tarleton = Tarley :gruebel)
    - beide haben hellgraue Augen und langes dunkles Haar
    - beide sind zynisch, brutal, rücksichtslos, nach außen hin korrekt, aber eigentlich Charakterschweine.


    Zufall? Wohl kaum.


    Aber mal sehen, was noch kommt.


    Bisher hat Antonia Lorimer die Zwangspflege des verletzten Colonels übernommen, wobei sich mir ihre Beweggründe dafür nicht erschließen. Der Verweis auf ihren Humanismus ist jedenfalls viel zu schwach und unglaubwürdig. Als sie ihren Patienten schließlich im Fieber wähnt, schmatzt sie ihn spontan ab. Okay. Dann sollte diese physical attraction aber von Anfang an herausgestrichen werden, sonst erscheint diese Handlung einfach nur merkwürdig oder wie eine Szene aus einem Heftroman. :rolleyes


    Was sich dann weiter zwischen den beiden Hautfiguren abspielt, ist ein ständiges Hin und Her, wobei Antonia das schwache Weibchen gibt und William Tavington, äh, Spencer sich als ultra-tougher Militär aufführt.
    Die "romantischen Scharmützel" werde hier und da von Szenen oder Rückblicken mit Bankern, Indianern, anderen Pflanzern oder Verwandten unterbrochen, der Handlungsschauplatz nach Charles Town oder zu Nachbarn verlegt. In diese meist in Gesprächsform gefassten Szenen wird sehr viel Rechercheinfo zu politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Hintergründen gepackt, und viele davon wirken äußerst bemüht und langatmig, bremsen die Geschichte aus. Ich empfinde solche Szenen immer als "Alibi-Szenen", um Romanen dieses Genre einen historischen/seriösen/anspruchsvollen Anstrich zu geben, obwohl es im eigentlichen nur um eine kitschige Liebesgeschichte geht.


    Überhaupt ist das Buch bisher extrem dialoglastig, was dem an und für sich flüssigen Stil abträglich ist und bei mir Assoziationen an ein Hörspiel geweckt hat.
    In vielen Szenen geht es darüber hinaus scheinbar nur darum, den Colonel in Szene zu setzen und ihn als "harten Hund" herauszustreichen. Daneben wirken die anderen Figuren nur wie Stichwortgeber. (Absicht?)


    Um es kurz zu machen: Bisher konnte mich das Buch nicht recht in seinen Bann ziehen, daher auch die kritischen Äußerungen. Nach einem relativ spannenden Anfang ließ es sich sehr zäh an.


    Da hilft nur eins: Augen zu und weiter durch.

    Zitat

    Falls die Manuskripte heutzutage überhaupt noch komplett durchgelesen werden. Das weiß ich natürlich nicht.


    Den Eindruck habe ich auch häufig. Da sind oft solche Hämmer und mehrfach Wiederholungen auf einer Seite drin, dass selbst der Laie drüberstolpert.


    Wenn sich im Magen oder anderen Verdauungsorganen pelzige Kugeln, Fäuste u.ä. formen, finde ich das auch eher erheiternd.