Nachdem ich nun auch den ersten Leseabschnitt abgeschlossen habe, möchte ich mich zu einigen Themen auch gerne noch äußern.
Zuerst mal: Tolles Cover und danke für Kartenmateriel und die Darstellung der schwebenden Stadt.
Die Geschichte fängt sehr schön mysteriös und phantastisch an. Solche Parallelwelt-Geschichten finde ich immer sehr interessant, wobei hier noch dazukommt, dass es im Berlin des 19. Jahrhunderts spielt. Der Anfang der Geschichte hatte ja sogar eine richtige Schockerszene (auf dem Steg, als Grazia von diesem "Übermenschen" überwältigt wurde). Das Gefühl einer Zeitreise hatte ich beim Lesen allerdings nicht.
Mein Lieblingscharakter war ja bislang eindeutig der Berliner Fotograf, weil ich bei diesem Berliner Dialekt immer schmunzeln musste. Die anderen Charaktere (Friedrich, Grazia, Justus) kommen sehr schön zeitgenössisch rüber. Grazia ist so zeitgenössisch authentisch, dass sie mir nachher sogar ziemlich auf die Nerven ging, mit ihrer Schicklichkeit und ihrem überzogenen Schamgefühl. Aber es gehört halt zu der Zeit und verleiht ihr eine hohe Glaubwürdigkeit.
So richtig nah stehen mir die beiden Hauptcharaktere Grazia und Anschar noch nicht. Da ist noch viel Distanz zwischen uns, was aber auch an der Distanz zwischen ihnen liegen kann. Ich empfinde das aber nicht als störend, denn eine Beziehung darf sich ruhig auch langsam entwickeln, sowohl zwischen den Protas als auch zwischen diesen und dem Leser.
Das phantastische Grundgerüst der Geschichte gefällt mir. Grazia mit dieser göttlichen (?) Gabe, ein Übergang in eine Parallelwelt, die Schilderungen der Gottheiten und Machtverhältnisse der anderen Welt, die Vorstellung, dass die Entstehung der Wüsten dieser Welt auf einen Fluch zurückzuführen ist, der die Meere verschwinden ließ, der Aufstieg aus der Wüste durch die Schlucht der 1000 Gasthäuser, das alles ist eine ordentliche Basis für hoffentlich viel Fantasy in den folgenden Leseabschnitten.
Ach ja, dann das leidige Thema "unterschiedliche Sprachen". Das hatte ich zuletzt selbst noch in "Die Trolle" bemängelt, dass die unterschiedlichen Rassen zufällig alle eine Art "Gemeinsprache" beherrschen. Das hatte mich allerdings nur kurz gestört und dann habe ich es einfach akzeptiert, weil es innerhalb der Geschichte sehr vieles vereinfacht hat. Sabine wählt hier die Variante "Sprache erlernen". Das ist grundsätlich OK, allerdings möchte ich dann eigentlich auch an den Problemen und Fortschritten beim Erlernen der Sprache teilhaben und nicht durch einen Zeitsprung von ein paar Wochen plötzlich eine schon voll ausgebildete Protagonistin vorfinden.
Ich weiß, das macht das Buch wieder um einige Seiten länger, weil ein solcher Lernprozess schon wieder eine kleine Geschichte in der Geschichte darstellt, aber so ein paar Seiten extra stören mich eigentlich nicht, weil ich auf diesem Wege meist schon eine engere Bindung zu den Protagonisten aufbaue. Irgendwie kann es mir in dieser Hinsicht niemand Recht machen, weshalb ich das Ganze auch gar nicht weiter bewerte, weil jede Vorgehensweise Vor- und Nachteile hat. Inzwischen denke ich auch schon gar nicht mehr drüber nach. War nur anfangs so, dass es mich ein bisschen störte.
Was mir sonst noch auffiel: Grazia setzt ihre göttliche (?) Gabe nur versteckt ein. In Berlin hatte sie Angst in der Irrenanstalt zu landen (ihre Gedankengänge dazu wurden auch erwähnt). Aber was genau sind ihre Ängste in der Wüste? Warum gibt uns kein Gedankengang Aufschluss darüber, warum sie nicht wenigstens Anschar gegenüber ihre Fähigkeit offenbart? Oder hab ich da etwas überlesen?
Übrigens bin ich froh, dass ich Klappentexte nie vorher lese. Ein Pageturner ist das Buch für mich leider noch nicht, aber was nicht ist... Jetzt bin ich erstmal neugierig, wie's weiter geht (Edit: und darauf, ob es auch zwischendurch noch mal Kapitel gibt, in denen nach Berlin zurückgeschwenkt wird).
Viele Grüße Xyrion