Beiträge von Lille

    Zitat

    Original von FrauWilli
    Die HC-Ausgabe liegt schon ewig hier und ich sollte das Buch wohl doch lesen und nicht im SuB verstauben lassen.


    Oh ja, bei mir steht die HC-Ausgabe auch im Regal - nach dem Urlaub ist sie fällig :lesend


    Vielen Dank für die schöne Rezi, Frau Willi!


    Liebe Grüsse
    Lille

    Und - neben einer Kiste mit Recherchelektüre (vor allem Tagebücher und Briefwechsel aus den Jahren 1946 bis 1950) - als Schmökerlektüre noch das:
    "Hefte aus Kriegszeiten" von Marguerite Duras:
    Hefte aus Kriegszeiten hat Marguerite Duras die vier dichtbeschriebenen Schulhefte genannt, die sie lange Zeit in ihrem legendären »blauen Schrank« aufbewahrte. Die Aufzeichnungen aus den Jahren 1943 bis 1949, vom Beginn ihrer schriftstellerischen Laufbahn, sind von ganz eigenem Reiz. Hier finden sich bereits die zentralen Themen ihres Lebens und späteren Werks: Kindheit und Jugend in Indochina, die ambivalente Beziehung zur Mutter und zu den beiden Brüdern, die Beziehung zu einem Vietnamesen, die sie später in ihrem berühmtesten Roman "Der Liebhaber" gestaltet. Marguerite Duras protokolliert das qualvolle Warten auf ihren in Buchenwald internierten Mann, Robert Antelme, dessen Rückkehr, die Trennung von ihm, erzählt von ihrem Engagement in der Résistance, vom Tod ihres ersten Kindes, der Geburt des Sohnes Jean.


    Mal sehen, welches Buch bis Montag noch in den Koffer wandert...


    Liebe Grüße
    Lille

    Und nach Gil Adamson noch ein Debüt:
    "Schneetage" von Jan Christophersen:
    Jahreswechsel 1978/79. Über Norddeutschland tobt ein Schneesturm, von dem die Menschen bis heute erzählen. In einem kleinen Dorf an der deutsch-dänischen Grenze bricht Paul Tamm, der Wirt des "Grenzkrugs", plötzlich zusammen. Es beginnen ungewisse Tage, in denen Pauls Ziehsohn Jannis sich an die vergangenen gemeinsamen Jahrzehnte erinnert: wie er selbst nach dem Zweiten Weltkrieg als kleiner Junge in die Familie kam, wie Paul aus dem Lager zurückkehrte, zunächst beim Wiederaufbau der Gastwirtschaft half und sich später immer mehr von der Familie entfernte. Bei Pauls Jagd nach den Spuren einer versunkenen Stadt im Watt begleitet ihn Jannis, der dabei auf die Geschichte eines englischen Soldaten stößt. Auf geheimnisvolle Weise scheint diese mit Jannis' Herkunft verknüpft zu sein. In den dramatischen Tagen der Schneekatastrophe führt Pauls Suche schließlich zu einem Ergebnis, das Jannis nach all den Jahren vor eine Entscheidung stellt.


    Auch dieses mare Buch besticht durch sein sehr schönes Cover und seine schöne Aufmachung, wenn der Inhalt jetzt noch...


    Liebe Grüße
    Lille

    "In weiter Ferne die Hunde" von Gil Adamson:
    Der Aufbruch einer jungen Frau in unbekannte innere und äußere Welten
    1903, in der Wildnis Montanas: Die 19-jährige Mary rennt nachts durch die Wälder. Sie befindet sich in einer ausweglosen Situation - sie hat kurz nach der Geburt ihr Kind verloren, ihren untreuen Ehemann erschossen und wird von seinen beiden gewalttätigen Brüdern gejagt. Getrieben von der Abscheu über ihre Tat und der Angst vor ihren Verfolgern, beginnt Mary eine abenteuerliche Flucht durch die Wildnis. Erst als sie am Rande der Erschöpfung von einem Einsiedler aufgelesen wird, weicht die Panik langsam einer neuer Zuversicht und einem Gefühl von Freiheit.


    Auf dieses Buch bin ich sehr gespannt, da die Autorin von der Kritik als weiblicher Cormac McCarthy bezeichnet wurde...


    Liebe Grüße
    Lille

    Am Montag geht es für vier Wochen in die Schweiz und im Moment sind im Koffer:


    "Der Marsch" von E. L. Doctorow:
    1865, der Amerikanische Bürgerkrieg liegt in den letzten Zügen. General William T. Sherman marschiert mit einer Armee von sechzigtausend Mann durch Georgia, South und North Carolina. Die notdürftig ausgestatteten Rebellen der Südstaaten haben keine Chance gegen die hochgerüstete Union. Und folglich führt Shermans Marsch zum Sieg der Nord- über die Südstaaten und zur Abschaffung der Sklaverei. Doch am Ende ist jeder Opfer des Krieges: einfache Soldaten ebenso wie hochstehende Generäle, befreite Sklaven ebenso wie ihre Unterdrücker, die Bewohner des Nordens wie des Südens.


    Liebe Grüße
    Lille

    Ihr Lieben,
    ich surfe schon die ganze Zeit im Internet herum, aber irgendwie komme ich nicht weiter. Was ich suche, sind aktuelle Romane - aus Europa oder den USA - in russischer Übersetzung. Ich möchte sie gerne unserem russischen Patenkind schenken. Er (22) ist gerade für 4 Wochen bei uns, so dass ich seine Reisetasche gerne mit Büchern fülle würde. "Der Vorleser" habe ich bei bol gefunden und bestellt. Aber ich suche nach aktuelleren Romanen.


    Kennt ihr da eine Webseite oder einen Laden in Berlin, wo man sich eindecken kann? Das Problem: Ich kann kein Russisch (habe es mal drei Jahre lang gelernt, aber da ist nicht mehr viel da) und brauche also Webseiten, die zweisprachig sind...


    Hm.


    Vielen Dank!


    Liebe Grüße
    Lille

    Liebe Twin,
    vielen Dank für den Hinweis aufs Taschenbuch - ich hätte mir das Hardcover heute beinahe bei Dussmann gekauft. Jetzt warte ich die paar Wochen ab...


    Liebe Grüße
    Lille

    Lieber Luftballon,
    ich kann dir folgende Bücher empfehlen, die alle auch recht "dünn" sind (ich splittere die Posts wegen dem Anhängsel auf):


    - "Die Freibadclique" von Oliver Storz


    Liebe Grüße
    Lille

    Vielen Dank für die schöne Rezi, Sigrid!
    Bis jetzt waren die Bücher vom Fahrenheit Verlag für mich immer ein Volltreffer ("Das amerikanische Mädchen" und "Lichterloh"), ich werde mir dieses auch besorgen.


    Liebe Grüße
    Lille

    Letztes Jahr hatte ich ein dreimonatiges Aufenthaltsstipendium im Friedhofswärterhäuschen auf einem alten, sehr schönen Stadtfriedhof. Gleich am dritten Tag bin ich ihn mit meinem Notizbuch abgelaufen und hab mir die schönsten Vornamen und die schönsten Nachnamen abgeschrieben. Da waren Namen dabei, die ich noch nie gehört hatte, deren Klang aber sofort eine Figuren-Assoziation bei mir geweckt hat.


    Auch im Urlaub schaue ich mir immer die Friedhöfe an. Auch Gedenktafeln. Und Telefonbücher. :lesend


    Liebe Grüße
    Lille

    Ich kann Seesterns schöner Rezension nur zustimmen!
    Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich meine nicht kürze, denn ein paar Sachen wiederholen sich bei mir, die schon Seestern erwähnt hat...


    Klappentext: Hester ist ein kleines Mädchen, das von ihren religionsfanatischen Eltern in einem abgelegenen Haus im Wald großgezogen wird. Sie hat noch nie einen Schritt ins Freie machen dürfen, sie hat noch nie mit einem anderen Kind geredet. Ihre einzige Habseligkeit ist eine illustrierte Kinderbibel, die reichen muss, um ihre kleine Welt mit Sinn zu füllen.
    Ihre Freunde sind Katze, Löffel, Axt und Baum, und sie alle geben Hester manchmal Ratschläge, was sie tun soll.
    Der Tag, an dem der Baum im Hof sie zu sich ruft und sie schließlich trotz des Verbots ihrer Eltern die Haustür öffnet, verändert Hesters Leben. Denn die Ahnung, dass es im Leben mehr geben muss, das instinktive Wissen um Glück und Freundschaft, die sie noch nie Erfahren hat, deren Existenz sie aber spürt, geben ihr die Kraft, das Leid zu ertragen. Bis der Tag gekommen ist, an dem sie zum ersten Mal ihr Leben in die Hand nimmt ...



    Über den Autor:
    Hab ich gestrichen, siehe oben bei Seestern :-)


    Das Äußere:
    Die Bücher des noch jungen Fahrenheit Verlages sind sehr liebevoll gestaltet, was Cover, Papier und Satz angeht. Schön! :-)


    Meine Meinung:
    Sofie Laguna erzählt in ihrem Debütroman "Lichterloh" auf berührende und sehr eindrückliche Art und Weise eine moderne Version der Kaspar Hauser Geschichte. Vom ersten Satz an taucht man in die Welt der Ich-Erzählerin Hester ein, die in absoluter Isolation aufwächst. Eine Welt, die eine eigene Sprache besitzt. Eine Sprache, die sich aus den Worten und Beschreibungen zusammen setzt, die dem Kind von seinen religionsfanatischen Eltern/ihrer Kinderbibel "gegeben" werden und von Neuschöpfungen, die es sich selbst ausdenkt. Hester hat z.B. kein Wort für Mama oder Mutter oder Oma. Sie nennt ihre Mutter Sack und ihren "Vater" Stiefel. Sie selbst wird als Missgeburt bezeichnet, ein "Name", der durch Hesters Begegnung mit ihrer Großmutter Mog eine tiefere, tragische Wahrheit erhält. In dieser Begegnung und dem Wenigen, was Sack dazu sagt, wird der schreckliche Kreislauf deutlich, in dem die Menschen der Cotton Road Eins, aber vor allem Hester und ihre Mutter gefangen sind...


    Hester fehlen nicht nur alltägliche Worte wie Frosch oder Bach oder Zigarette oder Buchstaben oder ..., das Fehlen dieser Worte geht tiefer: All das kommt in ihrer Welt nicht vor, ist nicht existent, weder als Wort noch als "Wahrnehmung" bzw. als Erfahrung. Denn Hester fehlen vor allem die Erfahrungen mit bestimmten Beziehungsformen, Tätigkeiten, Gegenständen, der Natur, usw. Ein Beispiel: Kain hatte Abel erschlagen, so waren Brüder. Wieder das Stichwort Kaspar Hauser.


    Der Autorin gelingt es wie gesagt sprachlich auf sehr eindrückliche Weise, die Welt/Wahrnehmung dieses Kindes auszudrücken - z.B. Ein Paar Blauschuhe kam ins Zimmer und stach mir eine Nadel ins Gebein. - aber ebenso eindrücklich gelingt ihr das auch über die Bilder, die Hester "malt" und mit denen sie die Welt um sich herum wahrnimmt, interpretiert und erklärt. Sehr gut gefallen hat mir auch, wie die Autorin die Abspaltung dieses Kindes von sich selbst, das "Sich selbst beobachten", immer wieder durch das "Abrutschen" in die 3. Person für den Leser "erlebbar" macht. Diese Abspaltung vom "Ich" wird durch manche Beobachtungen, mit denen Hester sich selbst beschreibt, noch verstärkt.


    Psychologisch sehr nachvollziehbar und ungeheuer konsequent fand ich, dass sich Hesters Wahrnemungsschema, ihre "Sprache" auch nach dem erzwungenen Eintritt in die Schule - in die Draußen-Welt - kaum verändert. Für mich war es sehr glaubwürdig, dass das "Draußen", das nun auf Hester einprasselt, sie erst recht in ihre eigene (Sprach) Welt zurücktreibt, und sie nicht sofort damit beginnt, ihre Umgebung zu kopieren.


    Die Einsamkeit dieses Kindes wird durch die Personifizierung von Gegenständen noch verstärkt. Auch hier sprachlich wieder stark umgesetzt - Es war Axt. Sie rief mich von der Hauswand draußen, an der sie lehnte. Durch den häufigen Verzicht auf den Artikel, werden die Gegenstandsbezeichnungen zu Namen. Gegenstände, die mit Hester sprechen, die ihre Freunde sind.


    Begeistert hat mich auch das psychologische Feingespür, mit dem diese Autorin arbeitet. Auch wenn Hester von ihren Eltern grausam misshandelt wird, gibt es Szenen, in denen sowohl Sack als auch Stiefel "aufgeweicht" werden, in denen man etwas über sie und die Motivation ihres Handelns erfährt. Eine klare Einteilung in "Gut" und "Böse" wird dadurch erschwert bzw. unmöglich gemacht. Umso mehr hat mich dann das Ende erschüttert - das ich aber in all seinen erschütternden Details als sehr stimmige (Figuren-)Entwicklung empfunden habe (Stichwort: die Suppe und das Kotzen von Hester "danach").


    Sehr schön gezeichnet fand ich auch Hesters Freundschaften zu Mary und Norma K. Durch die Entwicklung dieser Beziehungen "lernt" man als Leser zunehmend, wie emotionale Beziehungen für Hester funktionieren, wie sie andere wahrnimmt. Gleichzeitig wird aber auch aufgezeigt, wie Hester permanent die Draußen-Welt in ihre Welt überträgt: Ich zog mir meine Schuhe an und schaute hoch zu Mary. Die Sonne war hinter ihrem Kopf, und sie blendete meine Augen. In der Bilderbibel kommt der Engel Gabriel auf Besuch, und die Sonne steht ihm genauso hinterm Kopf wie Mary. "Du bist Gabriel", sagte ich ihr.
    "Du bist bekloppt." Sie fasste mich bei der Hand, und wir liefen zurück zu dem Drahtzaun und zum Schulhaus.


    Mein Fazit:
    Ein radikales, ein sehr eindringliches Buch, das einen erschüttert und berührt. Ein Buch, das ich sicher noch mehrmals lesen werde, denn vor allem die sprachliche Virtuosität der Autorin macht Hesters Welt für den Leser "erlebbar". Durch die Kürze - 173 Seiten - verdichtet sich die, an sich schon sehr dichte, Geschichte noch mehr. Gleichzeitig verhindert diese Kürze meiner Meinung nach aber auch, dass sich die sprachlichen Stilmittel "totlaufen" bzw. irgendwann auf der Stelle treten.
    Ein Buch, in dem Inhalt und Form meiner Meinung nach eine perfekte Einheit bilden - ein literarischer Volltreffer.


    Diese Autorin ist für mich eine wichtige Neuentdeckung und das Buch nach "Das amerikanische Mädchen" von Monika Fagerholm, das zweite Buch, das ich bisher vom Fahrenheit Verlag besitze, auch der zweite literarische Volltreffer. Ich hoffe sehr, dass dieser tolle, neue Verlag uns noch lange erhalten bleibt.


    Liebe Grüße
    Lille


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