So, habe das Buch nun gestern fertiggelesen.
Ich hätte gern berichtet dass ich begeistert bin, aber leider ist dies nicht ganz so der Fall, obwohl ich wirklich mit den besten Erwartungen an das Buch herangegangen bin.
Zum Positiven: Es ist ein sprachlich schönes Buch, sehr atmosphärisch geschrieben, man kann sich manchmal richtig vorstellen am Fusse das Kanchenjungas zu stehen und die Aussicht zu geniessen.
Man gewinnt sehr interessante Eindrücke über das Leben in Indien, und besonders über die Schwierigkeiten die mit diesem Leben als Ex-Kolonie der Engländer verbunden sind.
Es ist ein Buch über Verlust, Verlust der Unschuld, der Liebe, des Glaubens, der Identität, der Heimat, aber auch des Heimatsgefühls, der englische Titel beinhaltet ja schon das Wort "loss".
Es wird auch der Aufstand der Gurkhas gen Ende der 80er thematisiert, ein Thema über das ich noch gar nix wusste, und über das ich bestimmt auch noch mehr lesen werde.
Auch gewinnt man Einblick in das ärmliche Leben der untersten "Klassen" in Indien, sowie die Illusion dass eine englische Erziehung aus einem Inder einen Engländer/Amerikaner machen, und um die riesige Kluft die sich zwischen den Armen und ebendiesen "kolonisierten" Indiern auftut, und die gegenseitiges Verständnis unmöglich macht.
Zum Negativen: Es ist ein sehr langsamer Roman, der keine lange Geschichte erzählt, sondern eher Eindrücke wiedergibt, und die Geschichten der Hauptprotagonisten erzählt. Die Handlung die also in deren Vergangenheit spielt nimmt mehr als die Hälfte des Buches ein, und ermöglicht zwar auf jeden Fall das bessere Verständnis des Handlungstranges "Gegenwart", ist aber, meiner Meinung nach proportionell viel zu gross.
Wer also gerne Bücher liest von deren Handlung er mitgerissen werden kann ist hier falsch, hier hat man eine vor sich hin plätschernde Handlung, ein Mosaik das sich langsam zu einem Gesamtbild zusammensetzt.
Wer schöne Landschaften, Ironie, Bitterkeit und Schmerz und Einblicke in eine fremde Welt mag ist hier richtig.
Ab der Mitte des Buches hatte ich eigentlich keine Lust mehr weiterzulesen, da ich den Eindruck hatte dass die Autorin nicht zu Potte kam mit der Handlung: bis zur Mitte passiert fast nix ausser Rückblicken, danach auch nicht viel. Dennoch habe ich das Buch zu Ende gelesen. Es ist gnadenlos realistisch, und demnach deprimierend, und das Ende ist nun auch nicht grad happy, wäre aber nicht passend wenns anders wär.
Fazit: wer eine Sozialkritik Indiens (aber auch der westlichen Welt) lesen will, in einer schönen Sprache, mit traurigen Charakteren (deren Unglück meist selbstverschuldet ist), ohne hektische Handlung, der ist hier genau richtig. Ich bereue nicht das Buch gelesen zu haben, und habe definitiv Interesse an Indien gewonnen, bin aber auch froh was anderes (hoffnungsvolleres) jetzt lesen zu können.