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Original von Doc Hollywood
Gibt es diese Magie des Schreibens wirklich?
Das ist nicht die Frage, die ich mir stellen würde. Die Sache mit der "Magie" wäre mir zu flüchtig. Und wie du schon selber geschrieben hast, hielt ich mich nach so manchem Kapitel für die Königin der Buchstaben. Tatsächlich war dieses Gefühl EXTREM wichtig, wie ich heute weiss, denn hätte ich diese Magie nicht gefühlt, wäre ich keinesfalls weitergegangen. Mit dem nüchternen Blick eines Sekptikers, hätte ich nicht mehr als eine Postkarte zustande gebracht. Und das wäre schade, denn ich wäre stehen geblieben und hätte nicht weiter gemacht, mich nicht weiter entwickelt. Beim ersten Mal bin ich vielleicht noch darauf reingefallen. Heute weiss ich diese "Magie" besser einzuschätzen, was mich zu deinem nächsten Punkt bringt.
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Original von Doc Hollywood
Wenn ich einen Text lese, der mich auf irgendeine Weise gepackt hat, dann kann ich mich fragen: Wie hat der Autor das geschafft? Ich kann mir den Text vornehmen, um sozusagen hinter die Kulissen zu schauen. Und es macht unter einem analytischen Gesichtspunkt dann auch nichts aus, wenn man gegen die Lattenkonstruktion klopft und nach und nach versteht, warum der Text so gut funktioniert.
Und auch wenn es ein noch so schönes Bild ist, einem weißen Hasen braucht man dazu nicht auf die andere Seite des Spiegels zu folgen. Genausowenig, wie man David Copperfield wirklich abnimmt tatsächlich einen Hasen aus dem Nichts heraus aus einem Hut zu ziehen. Er versteht einfach sein Handwerk, und das so gut, dass man gerne an Magie dabei glauben mag.
Ich glaube, dass das Eine ohne das Andere nicht wirklich funktioniert. Mag ja sein, dass man einen Verlag findet, wenn man ein begnadeter "Techniker" ist. Aber ich denke, wenn du Menschen wirklich berühren möchtest, solltest du neben dem Handwerk auch ein bisschen "Feenstaub" verstreuen. Zumindest ist es das, was ich mir als Leserin wünsche. Eine gut geschriebene Geschichte ist eines. Aber eine Geschichte die mich fesselt, so sehr, dass ich sie nicht mehr aus der Hand legen kann, ist ein anderes Spiel. Und ohne ein bisschen "Magie" stelle ich mir das sehr schwierig vor.
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Original von Doc Hollywood
Doch viel öfter sind es doch die Momente, in denen man über einem Text sitzt, sich Gedanken um den Handlungsablauf, die Figuren macht und zweifelt, ob die Perspektive etc. noch stimmt, ob das nicht alles viel zu banal, zu durchsichtig für den Leser sein wird? Gleich einem Filmemacher, der darauf hofft, dass die gemalten Kulissen hoffentlich nicht zu sehr auffallen und das Publikum nicht lachend auf die Lattenkonstruktion deutet, die da mit einem Mal irgendwo zum Vorschein kommt.
Meiner Erfahrung nach gehört das dazu. Das lerne ich selber gerade. Ich habe just festgestellt, dass meine Geschichte keinen festen Rahmen hat, der sie hält. Ich war so mit dem Inhalt und dem Erzählen beschäftigt, dass die Story aus dem Ruder lief. Jetzt stehe ich vor einem riesen Berg Arbeit und weiss noch gar nicht, wo ich anfangen soll. Mit sog. "Magie" kam ich ein Stück weit. Jetzt muss ich mich schleunigst mit dem Handwerk beschäftigen, sonst sehe ich alt aus.
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Original von Doc Hollywood
Es hat nichts magisch Unerklärliches an sich, wenn es ein Autor schafft mit seinem Text die Leser auf eine Reise zu schicken, ihnen eine Geschichte zu erzählen, die sie aufregt, die sie lachen oder weinen lässt, sie verträumt schwelgen lässt. Es hat natürlich etwas mit Talent zu tun, nicht jeder der vor einer Tastatur sitzt und Texte zusammentippt kann schreiben. Es hat aber vorallem mit Handwerk zu tun, mit einem Gespür für seine Figuren, für die zu erzählende Geschichte.
Na ja - magisch-unerklärlich wohl nicht. Aber es hat vielleicht eher etwas mit Empathie zu tun und wie nah ich die Geschichte an mich heranlasse. Wie viel von "mir" gebe ich hinein. Schreibe ich distanziert - kommt es auch so rüber, und die Geschichte wird es schwer haben zu berühren, meine ich.
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Original von Doc Hollywood
Ob man sich nun als Autor einem kommerziellen Erfolg dabei unterordnet oder nicht, spielt mMn aus dieser handwerklichen Sicht keine so große Rolle. Wenn man die eine Geschichte unbedingt erzählen muss, dann wird man sie erzählen, ob sich dafür ein Verlag findet oder nicht.
Wenn der Verlag von Dir verlangt hätte aus Mitsu eine japanische Sumo-Trainerin zu machen, die nach einer Affäre mit dem Inhaber einer Werbeagentur Trost bei Deinem Protagonisten sucht, dann hättest Du Dich dafür oder dagegen aussprechen können. Vielleicht wäre es ein ebenso tolles Buch geworden, wie es letztlich eines geworden ist? Das hat aber eben nichts mit Magie, sondern meinem subjektiven Empfinden nach mit außergewöhnlich gut beherrschtem Handwerk zu tun.
Aber ist denn im Grunde nicht alles subjektives Empfinden? Ob mir ein Buch gefällt oder nicht, auch wenn ich es gestochen scharf begründen kann? Das Handwerk zu beherrschen ist eine Voraussetzung, ohne die geht es meiner Erfahrung nach nicht. Aber ohne "Magie" fehlt etwas. Obwohl ich das Wort "Magie" in diesem Zusammenhang ein bisschen unglücklich finde. Denn wie viel hätte die Geschichte noch mit ihm zu tun, wenn er sie nach "Verlagsbelieben" verbiegt? Und wie gut kann sie dann noch sein, wenn ein Autor nach diesem Kriterium schreibt? Nach marketingtechnischen Gesichtspunkten. Das kommt sicherlich vor, aber wie erfolgreich kann so etwas dauerhaft sein? Ich kann es mir nicht so wirklich vorstellen.