Original von Tom
Na gut. Hier ein Entwurf:
Autorenknigge
Du hast also ein Buch geschrieben (eigentlich: ein Manuskript). Und veröffentlicht (jetzt ist es ein Buch). Du bist nun Schriftsteller. Wenn Du möchtest, kannst Du das auf T-Shirts drucken lassen und mit denen dann rumlaufen. Es gibt allerdings Gründe dafür, warum das nur wenige tun.
Und - Achtung! Schriftsteller stehen keineswegs über den Dingen, ganz im Gegenteil. Fallstricke und Fettnäpfchen lauern überall. Wer die Regeln nur nicht kennt, kann sich damit nicht einfach herausreden.
Und das hier sind sie.
Die Regeln.
1. Bescheidenheit adelt. Du hattest sowieso nur Glück. Dein Buch ist nicht besser als die anderen, und damit auch nicht als die bislang unveröffentlichten. Wenn Dich also jemand fragt, was Du beruflich machst, antworte irgendwas, zum Beispiel "Bestatter". Die Auskunft "Schriftsteller" irritiert nur und zeugt von Arroganz. Das ist man nämlich ohnehin erst mit dem Deutschen Buchpreis, mindestens. Unter uns gesagt.
2. Jeder kennt jeden. Du kennst zwar noch keinen, aber alle kennen Dich, garantiert. Damit landet ab sofort jede Deiner Äußerungen direkt auf der Goldwaage. Und zwar völlig unabhängig davon, wo, wann und zu wem Du etwas sagst. Es wird in jedem Fall direkten Einfluss auf die Wahrnehmung Deines Werks und damit Deiner Person haben.
3. Buch und Autor sind untrennbar. Deine Leser haben damit Rechte an Dir erworben. Du bist keine Person mehr. Was auch immer Du tust oder sagst, es wird Folgen haben. Und umgekehrt: Was Du in fiktionalen Texten schreibst, lässt Rückschlüsse auf Deine Person zu. Du bist entleibt. Du bist Schriftsteller.
4. Du hast nichts bewiesen. Schreiben kann nämlich jeder. Also halt gefälligst die Fresse, wenn es thematisch um die Schriftstellerei geht. Antworte nicht auf Fragen. Sei zurückhaltend, wenn Du nach Deiner Meinung gefragt wirst. Du weißt nichts. Du hattest nur Glück.
5. Die Branche ist brutal. Nestbeschmutzer bekommen das umgehend in aller Härte zu spüren. Nur ein schlechtes Wort über einen Kollegen, und Du wirst zum Gesetzlosen. Sie werden Dich fallenlassen. Tief. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie tief.
6. Die Branche ist aber auch eine Burg. Das ist kein Widerspruch. Wenn Du drin bist, wird sie Dich hegen, umsorgen und Dir Goldstaub in den Arsch pusten. Du wirst keine Sorgen mehr haben müssen und glücklich sein. So lange Du auf alle Regeln achtest. Auch und vor allem auf die ungeschriebenen. Von denen es etwa 27.393 gibt. Niedrig geschätzt.
7. Du bist jetzt wer. Auch das ist kein Widerspruch. Du bist ein Künstler, damit ein Promi (die Betonung liegt auf dem zweiten "M", das erstaunlicherweise in der Schreibung fehlt), also eine öffentliche Person. Man wird Dich fragen und Deinen Antworten lauschen, zu jedem noch so absurden Thema. Man wird Dich hofieren, einladen, herumreichen, vorzeigen, verwöhnen und jede noch so dusslige Äußerung in barer Münze entlohnen. Man wird Dich auf der Straße erkennen und dann ehrfürchtig die Seite wechseln. Deine Miete wird steigen, weil Deine Wohnung jetzt eine Prommiwohnung ist. Man wird Deinen Müll durchwühlen und im Restaurant von Nachbartisch aus auf Deinen Teller linsen. Du wirst nie wieder unerkannt bleiben. Damit hat allerdings auch die Mopserei im Supermarkt ein Ende. Jeder Fehler, den Du ab sofort machst, wird tödlich sein.
8. Schriftsteller ist ein anderes Wort für "Familie". Das ist mehr als nur eine Branche oder Berufsgruppe. Wir sind vom Schicksal begünstigt und stehen einander deshalb automatisch nahe. Wir sind die Auserwählten. Die Guten. Die richtig Geilen. So vollsuperhammerobermegamäßig. Erst kommen wir, dann eine Weile nichts, dann erst einmal ganz lange überhaupt nichts, und dann kommen die anderen. Was wir furzen, dürfen die anderen einatmen. Nein, sie müssen. Und sie wollen. Aber: Innerhalb der Familie scheißt man sich nicht an. Um keinen Preis. Wer das tut, landet sofort wieder bei den Fürzeatmern.
9. Ab sofort ist alles gut. Du kannst keine Fehler mehr machen, was Dein Werk anbetrifft. Schreib, worauf immer Du Lust hast, zu jedem beliebigen Thema, aus jeder beliebigen Perspektive. Schreib intuitiv, verzichte auf Recherche. Du bist das Maß. Du bist Schriftsteller.
To be continued.