Beiträge von chip

    Hallo zusammen,


    da ich die Reihe chronologisch lese, kann ich hier nur die Wertung der Bände 1-25 eintragen:


    Band 1 - Milan Kundera: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, 1984 2
    Band 2 - Umberto Eco: Der Name der Rose, 1981 2
    Band 3 - Günter Grass: Katz und Maus, 1961 5
    Band 4 - F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby, 1925 1
    Band 5 - Thomas Bernhard: Der Untergeher, 1983 5
    Band 6 - Paul Auster: Stadt aus Glas, 1987 2
    Band 7 - Elias Canetti: Die Stimmen von Marrakesch, 1968 3
    Band 8 - Edward M. Forster: Wiedersehen in Howards End, 1910 2
    Band 9 - Martin Walser: Ehen in Philippsburg, 1957 3
    Band 10 - John Irving: Das Hotel New Hampshire, 1981 2


    Band 11 - Juan Carlos Onetti: Das kurze Leben, 1950 5
    Band 12 - Arthur Schnitzler: Traumnovelle, 1926 2
    Band 13 - Peter Handke: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter, 1970 6
    Band 14 - James Joyce: Ein Porträt des Künstlers als junger Mann, 1916 5
    Band 15 - Marguerite Yourcenar: Der Fangschuss, 1939 6
    Band 16 - Patricia Highsmith: Der talentierte Mr. Ripley, 1955 1
    Band 17 - Jorge Semprún: Was für ein schöner Sonntag!, 1980 6
    Band 18 - Uwe Johnson: Mutmaßungen über Jakob, 1959 2
    Band 19 - Harry Mulisch: Das Attentat, 1982 1
    Band 20 - Joseph Conrad: Herz der Finsternis, 1902 2


    Band 21 - Julio Cortázar: Der Verfolger, 1959 3
    Band 22 - Claude Simon: Die Akazie, 1989 1
    Band 23 - Michael Ondaatje: Der englische Patient, 1992 6
    Band 24 - Georges Simenon: Der Mann, der den Zügen nachsah, 1938 1


    Band 29 - Graham Greene: Der dritte Mann, 1950 3


    Gruß,
    chip

    Hallo zusammen,


    das schlimmste Buch der letzten Zeit war wohl Michael Kohlhaas von Kleist. Beim Lesen bekommt man richtig Atembeschwerden durch diese seine asthmatische Satzführung. Nebenbei hat mich der sture Kohlhaas aufgeregt, der Frau, Haus, Hof und Existenz auf's Spiel setzt, um sein Recht einzufordern.


    Gruß,
    chip

    Dieses Buch beginnt mit einer einleitenden Vorgeschichte über Sophies Eltern, wie sie sich kennen lernten, heirateten, Sophie empfingen, sie tugendhaft erzogen und starben. Es wird berichtet wie Sophie zu ihrem Oheim zieht, seine Tochter kennen und lieben lernt und wie Sophie nach seinem Tod in die Obhut ihrer Tante und dem Grafen Löbau gelangt. Diese Einleitung ist trotz Dichte relativ schnell erzählt, bevor das Buch zum Briefroman wechselt. Ein gelungener Schachzug, somit kommt jeder der Protagonisten zu Wort und kann sich an den äußerst gelungenen und intensiven Schilderungen der Seelenzustände jedes Einzelnen ergötzen.


    Die inzwischen 19jährige Sophie berichtet in ihrem ersten Brief an Emilia, der Tochter ihres Oheims, vom Adelsstand in dem sie gelandet ist und erzürnt sich über deren Verschwendungssucht, den teuren Stoffen, den überfüllten Tellern, … Sie kann ihre Tugendhaftigkeit und gute Erziehung nicht oft genug wiederholen, diese Anständigkeit zieht sich durch das gesamte Werk hindurch. Dadurch leidet bedauerlicherweise die Glaubwürdigkeit dieses Wesens.


    Die Zieheltern verfolgen einen Plan, Sophies Anwesenheit gewinnbringend zu nutzen. Um einen Prozess zu schlichten, in dem Graf Löbau steckt, bietet er dem Fürsten Sophie als Mätresse an. Sophies Verehrer Lord Seymour glaubt an eine Liebschaft zwischen den Beiden und meidet seither aus Rage und Stolz jedes Gespräch mit ihr. Der Nebenbuhler und Betrüger Lord Derby hingegen sieht seine Chance gekommen und steckt ihr die Absichten ihres Onkels zu, verschwinden in einer überstürzten Nacht-un-Nebel Aktion und heiraten.


    Warum haben doch gute Leute soviel Schafmäßiges an sich, und warum werden die Weibsbilder nicht klug, ungeachtet der unzähligen Beispiele unserer Schelmereien, welche sie vor sich haben? Aber die Eitelkeit beherrscht sie unumschränkt, daß eine jede glaubt, sie hätte das Recht, eine Ausnahme zu fodern, und sie sei so liebenswürdig, daß man unmöglich nur seinen Spaß mit ihr treiben können.

    Doch schon nach einigen unglücklichen Monaten verliert Derby das Interesse und schenkt ihr keine Beachtung mehr. Um ihren Verwandten nicht begegnen zu müssen, ändert sie ihren Namen und findet Unterschlupf als Lehrerin in einem wohlhabenden Haus, kann dort ihre Tugend wieder einmal ausleben, ein Gesindhaus gründen und die Kinder nach ihren Vorstellungen erziehen. Tja, bis Derby sie findet, von Lord Richs Heiratsplänen mit Sophie erfährt und sie nach Schottland entführt.


    Von Goethe und Wieland hoch gelobt, wurde dieses Buch vom Letzterem herausgebracht, wo er es sich nicht nehmen ließ, einige Kommentare als Fußnote zu hinterlassen. Meiner Ansicht nach völlig unnötig. Obwohl das Buch den Leser mit seiner Moral erschlägt, mit dem Ziel einer eigenständigeren Frau, die sich gerne etwas Bildung verschaffen dürfe, eigene Meinungen aussprechen und die Kinder nach bestem Wissen und Gewissen großziehen solle, gefiel mir das Buch recht gut. Nicht zuletzt wegen der poetisch berührenden Schreibkunst, die sie hier vorlegt. Besonderes Gewicht liegt in der großartigen Beschreibung von Sentiments, wo so ziemlich jede Regung seinen Platz findet. Von Freude und Trauer, Wut und Enttäuschung, Liebe und Dankbarkeit.


    Gruß,
    chip

    Wie sie sich gefunden hatten? Durch Zufall, wie man sich so findet.. Wie sie hießen? Was geht Sie das an? Wo sie herkamen? Vom nächstliegenden Ort. Wo ihr Weg hinführte? Weiß man je, wohin ein Weg einen führt? Was sie sagten? Der Herr hatte nichts zu sagen; Jacques aber sagte, sein Hauptmann hätte gesagt, alles Gute, alles Böse, was uns hier unten begegnet, stehe da oben geschrieben.


    Der Titel zeigt bereits die geltende Hierarchie zwischen den beiden Figuren. Jacques, Diener seines Herrn traut sich, verfügt über seinen Herrn durch seine Überlegenheit, Schlagfertigkeit und der Entschuldigung, dass er sich richten müsse nach dem, was „dort oben“ geschrieben stehe. Sein Herr steht dem ziemlich machtlos gegenüber, und ehrlich gesagt – es stört ihn auch nicht sonderlich. Er erfreut sich an der unterhaltsamen Erzählkunst seines Dieners. „Jacques, und deine Liebesgeschichte?“ fragt er, schaut auf seine Uhr, nimmt eine Prise Schnupftabak und lauscht. Kaum begonnen, unterbricht er diesen durch einen Kommentar oder eine Frage, woraufhin sich philosophische Gespräche entwickeln. Andere Geschichten werden eingeschoben, andere abgebrochen oder sie werden unterwegs durch Gegebenheiten aufgehalten. Nicht selten nutzt der Autor die Gelegenheit, das Gespräch zu unterbrechen um einige Worte an den Leser zu richten um diesem verständlich zu machen, dass er als Autor die Macht besitze, seine beiden Figuren in eine Katastrophe zu verwickeln, er habe die Fähigkeit, seinen Figuren dem Erdboden gleich zu machen. Allerdings fühlt er sich geradezu verpflichtet, bei der Wahrheit zu bleiben, da er nicht die Absicht habe einen Roman zu schreiben, jene von ihm verhassten fiktiven Ergüsse.


    Der „freie Wille“ spielt die Hauptrolle in diesem Schauspiel. Jacques ist seinem Meister durch diese Eigenschaft überlegen, treibt wozu ihn die Lust packt, findet Gesprächspartner und Sympathien wo er geht und steht. Sein Herr ist ohne Jacques verloren, sitzt da mit seiner Tabakdose in der Hand und starrt Löcher in die Luft – trotz materiellen Reichtum und den daraus resultierenden Möglichkeiten eines aufregenden Lebensstils verschenkt er großzügig seinen „freien Willen“. Ja, sogar der Autor nutzt diese Option nicht, weil er sich ja an der Wahrheit gebunden fühlt.
    Die Aussage, alles geschehe, weil es dort geschrieben steht, ist mir zu einfach. Jacques, der diese Floskel gerne übernimmt, wenn ihm Gefahr droht oder er seinem Herrn nicht gehorcht, ist beinah als „Leichtsinn“ zu betrachten. „Wenn ich vom Dach stürze, so, weil es dort geschrieben steht. Ich hätte dem gar nicht widersetzen können.“ Solche oder ähnliche Sätze findet man desöfteren.


    Nun, worum handeln diese Geschichten, die den Mund des Dieners verlassen? Es wären zu viele, um alle Gedanken zu wiederholen. Manche erzählen von Rache, manche von Lust und Sex, von Religion, … Der Autor lässt uns auf humorvolle Weise daran teilhaben, jedoch nicht ohne einen eigenen Kommentar abzuliefern. Er belehrt den Leser, erzieht ihn regelrecht um einige Vorurteile abzubauen, Hoffnungslosigkeit zu überwinden, der Religion zu misstrauen, … Er benutzt das Wort „f***en“ und nennt den Leser daraufhin „Schafskopf“, weil er bereits verschämt zur Seite schaut und sich schon in Gedanken auf dem Weg zum Beichtstuhl macht. „Die erste Sünde ist die am Taufstein“ und „ich weiß nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, weil ich mir darüber keine Gedanken mache“ sind recht fortschrittliche Aussagen. Die besten und unterhaltsamsten Anekdoten (immerhin sind sie die reine Wahrheit) sind die schlüpfrigen und anzüglichen. Köstliche Unterhaltung und instruktive Kritik perfekt vereint.


    Und was ist aus Jacques Liebesgeschichte geworden? Tja, er wird sie bestimmt zur Vollendung bringen, wenn es denn „dort oben“ geschrieben steht.


    Gruß,
    chip

    In seitenlangen Sätzen, scheinbar ohne Luft zu holen, erzählt Simon auf beklemmende Weise von zwei namenlosen Figuren, Vater und Sohn, die am Krieg teilnehmen. Namenlos, weil der Krieg Namen durch Nummern ersetzt, gestanzt auf eine Messingplakette, die nach dem Ableben an die Familie geschickt wird, zusammen mit der wenigen Habe des Soldaten und vielleicht einem Orden, die von Angehörigen eingerahmt an die Wand gehängt werden dürfen. Die Chronologie der Ereignisse setzt der Autor außer Kraft, abwechselnd begleitet er den Vater im ersten, mal den Sohn im zweiten Weltkrieg. Der Vater, er ist süchtig nach den bestickten, bunten Bildchen auf seiner Uniform, den Epauletten und Sternen, die die Rangordnung kennzeichnen. Wir lernen seine Frau kennen, die von Faulheit und Krankheit gezeichnet ist und den Sohn austragen wird, bevor sie stirbt. Wir sehen zu, wie der Vater enthusiastisch in den Krieg zieht, begierig nach weiteren Medaillen, und stattdessen apathisch vom Pferd fällt mit einer Kugel im Kopf.


    Viel umfangreicher erfahren wir die Geschichte des 26jährigen Sohnes, die autobiographische Züge tragen soll. Die ersten Kapitel beschreiben sehr ausführlich die Gedanken, die Betrachtungen auf dem Schlachtfeld, bevor Simon die Zeit zurückdreht und die bedrückende, unheimliche Zugfahrt zur Front beschreibt, belastet mit dem Gedanken jetzt würde er sterben. Sie fahren dorthin, wo die entgegenfahrenden Züge herkommen - Züge gefüllt mit fliehenden Dorfbewohnern. Irgendwann findet er wieder den Anschluss an seine anfängliche Kampfplatzszene, der Sohn, der sich inmitten seiner Truppe befand, bevor sie von einem Hinterhalt überrascht und niedergestreckt wurden. Nun liegt er versteckt im Gebüsch umringt von reiterlosen Pferden …


    Die gesamte Szenerie ist umhüllt von Hoffnungslosigkeit, Beklemmung und getrocknetem Blut. Er kann im Kampf für das Vaterland nichts Würdevolles entdecken, wenn er zurückblickt über das leichengepflasterte Feld. Kurz angeschnitten werden Gefangenschaft und Flucht aus dem Arbeitslager. Die 14-monatige Hölle des Krieges erzählt er heute den gelangweilt lauschenden Nutten, bei denen er Trost zu finden scheint - und uns, die umso gefesselter zuhören werden.


    Gruß,
    chip

    Menschen auf der Flucht, teils unverlässliche Polizisten, ein Geheimnis und Mörder, die vor nichts zurückschrecken. Die bekannte Rezeptur, aus denen bekannte Thriller geschrieben werden. Die Story über den "hl. Krieg", der gegen die Wissenschaft geführt wird, ist ja auch nicht schlecht durchdacht und spannende Momente gibt es ebenfalls. Doch der Spannungsbogen wird gnadenlos in den Keller gedrückt, wenn er über Standardmaße zu erheben droht, durch die nicht enden wollenden Detailbeschreibungen oder eben durch die Furcht der Autoren, es könne ihnen durch ein wenig Action zuviel werden - oder dem Leser. Somit können herzkranke Patienten getrost zu diesem Buch greifen.


    Gruß,
    chip

    Die Grundidee ist brilliant, doch schafft es Neville diese Idee nicht vollständig auszuschöpfen und umzusetzen. Eine Verschwörung, die Anlaufschwierigkeiten birgt, entführt den Leser zur Zeit der französischen Revolution und trifft so ziemlich alle Persönlichkeiten, die heute in jedem Geschichtsbuch stehen: Napoleon, Robespierre, Danton, Diderot, Voltaire, Katharina die Große,... und alle sind sie hinter dem Schachspiel her. Verschlüsselte Botschaften und die Templer dürfen da auch nicht fehlen.
    Auf Pyrotechnik und Gewalt wird weitestgehend verzichtet und werden ersetzt durch Landschaftsbeschreibungen.
    Das Ende ist wiederum sehr spannend, wenn auch die Logik auf der Strecke bleibt. Seit Jahrhunderten gibt es Kämpfe und Machtspiele um diese Formel und im Buch findet es auf recht plumpe Weise ein Ende.


    Fazit:


    Diese Lektüre ist für jeden geeignet, der mal ne Frau als Heldin begleiten will, der an einen spannenden Romanstoff gefallen findet und über einige Logikfehler und Längen hinwegsehen kann.