Beiträge von Lisa

    Ich fand das Buch wirklich gut. Besonders hat es mir der Schreibstil von Yann Martel angetan. Er hat durchgängig so einen leichten, unterschwellig ironischen Tonfall, und allein das macht das Buch schon lesenswert.
    Die Geschichte wird dadurch zwar nicht unbedingt wirklich packend, aber sie ist interessant, weil sie von Anfang bis Ende eine einzige Gratwanderung ist, und zwar zwischen irrealen Erlebnissen und Erlebnissen, die so hätten geschehen können. Und ganz zum Schluss fragt man sich natürlich, welche Geschichte denn nun stimmt. Und wer war wer auf den Rettungsboot? Symbolisiert Richard Parker den Überlebenswillen von Pi Patel? Sicher bin ich mir bis heute nicht.

    Ich fand das Buch im Großen und Ganzen okay.
    Es war wie immer sehr spannend, es gab allerdings auch einige Längen, besonders, als die drei Helden etwas ziellos herum geirrt sind.
    Besonders positiv fand ich:
    Es hat die zahlreichen Fragen, die in den ersten 6 Büchern aufgeworfen wurden, relativ gut und logisch beantwortet. Es gab dabei einige überraschende Wendungen und sehr interessante Erklärungen (Snape, Dumbledore), die sich aber ebenfalls logisch in das Ganze eingefügt haben.
    Ich bin immer wieder erstaunt, wie stimmig JKR ihre Geschichte über 7 Bände hinweg erzählt, und wie Ereignisse aus den ersten Bänden später wieder aufgegriffen werden und eine Rolle spielen.
    Insgesamt gab es für meinen Geschmack zu viele überflüssige Tote aus dem Kreis um Harry, die dann aber eine absolute Nabensächlichkeit zu sein schienen.


    Der Epilog hat mir besonders gut gefallen. Die Idee, keine langen Erklärungen abzugeben, sondern einfach einen Einblick in eine absolute Schlüsselszene aus dem Hogwartsalltag zu geben, fand ich klasse. Und was mir daran besonders gut gefallen hat, war dieses beschwingte leichte Hogwarts-Feeling, das leider ab Band 4 immer stärker abnimmt, und das für mich die ersten Bände so lesenswert gemacht hat.

    Fortsetzung



    Ich brauchte dringend psychischen Beistand und rief meine persönliche Telefonseelsorge an.
    ‚Was ist denn los?’ Moni war überrascht, wähnte sie mich doch beim Candle-Light-Dinner.
    ‚Er ist immer noch nicht da! Ich kann ihn nirgends erreichen, und außer einer Nachricht, dass es später wird, habe ich seit Stunden kein Lebenszeichen von ihm!’
    ‚Vielleicht hatte er einen Unfall?’
    Über dieses Stadium war ich schon hinaus. ‚Ganz bestimmt! Und bestimmt hat er das auch schon vorher geahnt und mir deshalb die Nachricht hinterlassen, dass es später wird!’
    ‚Könnte ja trotzdem sein.’
    Ich räumte ein, dass mich dieser Gedanke auch schon gestreift hatte. Und dass meine Recherchen nichts ergeben hatten.
    ‚Er braucht eine Viertelstunde vom Büro nach Hause. Wenn er da einen Unfall gebaut hätte, wüsste ich schon längst bescheid.’
    ‚Tja,’ sagte Moni nur. Was sollte sie auch sonst dazu sagen? Es gab dazu einfach nichts zu sagen.
    ‚Ich muss den Tatsachen ins Auge sehen,’ erklärte ich.
    Dann gestand ich, dass ich bereits mit seiner Chefin telefoniert hatte.
    ‚Und weißt du was? Er hat vor mindestens zwei Stunden das Büro verlassen! Da braucht man nicht besonders viel Grips, um die richtigen Schlüsse zu ziehen!’
    ‚Möglicherweise hast du recht,’ stimmte Moni zu. Ich musste feststellen, dass mir energischer Widerspruch lieber gewesen wäre.
    Aber wenigstens verzichtete Moni auf den Hinweis, dass sie mich bereits im Studium ausgiebig vor Johannes’ miesem Charakter gewarnt hatte. Das rechnete ich ihr hoch an.
    Dafür sagte sie: ‚Ich habe mal gelesen, dass der Körper Endorphine ausschüttet, wenn man sich verliebt.’
    ‚Aha.’ Mein Interesse an Endorphinen war im Moment eher gering.
    Moni ließ sich nicht beirren: ‚Endorphine wirken wie eine Droge. Das heißt, du befindest dich im Dauerrausch, wenn du verliebt bist.’
    Grundsätzlich fand ich das nicht weiter erstaunlich und konnte es gut nachvollziehen. Aber dann kam der Hammer:
    ‚Nach drei bis vier Jahren stellt sich im Körper ein Gewöhnungseffekt ein. Er schüttet also keine Endorphine mehr aus. Und deshalb gehen so viele Beziehungen nach genau diesem Zeitraum in die Brüche.’
    ‚Wo hast du denn das gelesen?’ erkundigte ich mich in der Hoffnung, die Glaubwürdigkeit dieser Aussage infrage zu stellen.
    ‚Weiß nicht mehr wo, muss in einer der tausend Frauenzeitschriften gewesen sein, die ich seit meiner Pubertät konsumiert habe.’
    Ja dann – die Sache war klar. Jetzt hatte ich auch meinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Johannes eine andere hatte. Die Fakten waren eindeutig, wir mussten uns nur noch darüber einigen, wer die Waschmaschine, wer das Sofa und wer das Bett bekommen würde. Den Esstisch würde natürlich er übernehmen müssen. Ich hatte wirklich nur in einem Anfall von Gefühlsduselei zugestimmt, weil ich ja so verliebt gewesen war.
    ‚Moment mal! Wenn bei Johannes die Gefühle aus biochemischen Gründen nach gut dreieinhalb Jahren nachlassen, dann müsste mich das gleiche biochemische Schicksal ereilen. In maximal einem halben Jahr bin ich clean!’
    Das beruhigte mich erst mal. Leider rechnete Moni mir vor, dass ich die Clean-Phase schon seit fünf Jahren überschritten hatte.
    Sie hatte recht. Ich war Johannes ja schon das komplette Studium hindurch nachgelaufen – mit Unterbrechungen, versteht sich. Ich hatte also diese kritischen drei bis vier Jahre schon mit Bravour gemeistert, bevor Johannes überhaupt erst einsichtig wurde.
    Das war ja wohl das Letzte! Er hatte sich somit auf eine absolut sichere Beziehung eingelassen, und ich hatte mich ohne jegliche Garantie ins Abenteuer mit ihm gestürzt. Und jetzt hatte ich den Salat!
    Während ich die Größe gehabt hatte, meinen Endorphinrausch in wahre Liebe zu verwandeln, war Johannes nun zum Endorphin-Junky geworden und brauchte einen neuen Kick!


    Die Vorstellung einer Endorphin-Entziehungskur hatte nichts Erfreuliches. Der einzige Trost in dieser misslichen Lage war die Aussicht auf einen neuen Esstisch. Ich würde mir ein wahres Prachtstück von Esstisch zulegen! Ich wusste auch schon was für einen.
    Vor drei oder vier Wochen hatten wir bei einem Trödler genau so einen Tisch gesehen, wie ich ihn mir immer erträumt hatte. Es war ein alter Kirschbaumtisch. Rund, für vier Personen. In der Mitte konnte man ihn auseinander ziehen, dann reichte er für sechs Personen. Leider blätterte der Lack ab. Man hätte ihn abbeizen, schleifen, neu beizen, lackieren und polieren müssen.
    Ich war ja keine passionierte Hobby-Bastlerin. Nicht, dass ich unfähig gewesen wäre, einen Nagel einzuschlagen. Und ich konnte durchaus auch mit einer Bohrmaschine umgehen. Aber ich empfand diese Art von Tätigkeit nicht als lustvollen Zeitvertreib, bestens geeignet zur Gestaltung von Feierabenden und Wochenenden.
    Auch Johannes war kein begeisterter Hobby-Bastler. Wir entschieden uns gegen den Tisch.
    Zwei Tage später fuhr ich einfach so beim Trödler vorbei, um unsere Entscheidung noch mal zu überprüfen. Ich traute meinen Augen kaum. Da trug doch tatsächlich Alexa zusammen mit noch so einem Typ den Tisch zum Laden raus!
    Alexa war eine entfernte Bekannte von uns. Besser gesagt, sie war eine sehr entfernte Bekannte von mir und eine nähere Bekannte von Johannes. Ich hatte diese Bekanntschaft deutlich weniger bereichernd gefunden als Johannes.
    Alexa drehte mir den Rücken zu und ich machte mich schleunigst unsichtbar. Ich hatte keine Lust meine Niederlage gegen eine nähere Bekannte von Johannes einzugestehen, nur weil ich keine passionierte Hobby-Bastlerin war.
    Aber vielleicht würde ich ja in Kürze froh sein, meine einsamen Abende und Wochenenden mit einer handwerklich gestaltenden Tätigkeit zu erfüllen. Im Geiste richtete ich ein wahres Prachtstück von Esstisch her. Und damit würde ich selbst Alexas Tisch noch ausstechen!
    Dann deckte ich diesen Tisch – für eine Person! Was für eine entsetzliche Vorstellung!
    Und plötzlich sah ich Alexas Tisch – natürlich lange nicht so brillant und gekonnt hergerichtet wie meiner – aber er war für zwei Personen gedeckt! Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es war Alexa! Natürlich, der Kirschbaumtisch!!!
    Jetzt gab es kein Pardon mehr! Ich rief Alexa an.
    ‚Hallo Alexa, hier ist Tanja. Kann ich Johannes kurz sprechen?’
    ‚Tut mir leid, aber der ist schon weg.’
    Schon weg? Sie hatte ‚schon weg’ gesagt! Der Gebrauch dieses Ausdrucks ließ eindeutig darauf schließen, dass er da gewesen war.
    ‚Wie lange ist er denn schon weg,’ hörte ich mich fragen. Rein gefühlsmäßig stand ich neben mir und beobachtete mich bei meinem Telefonat mit Alexa. Das flaue Gefühl in meinem Magen kam nicht vom Moscato!
    ‚Seit gut einer Viertelstunde, er müsste eigentlich schon da sein. Übrigens, herzlichen Glückwunsch!’
    Ich fühlte mich zu matt, um Alexa zur Rede zu stellen und legte grußlos auf. So fühlte es sich also an, wenn man schlussendlich die Wahrheit erfuhr. Man ahnte es schon die ganze Zeit, aber nun hatte man die Bestätigung. Keine Hoffnung mehr. Keine Selbsttäuschung mehr. Jetzt zählten nur noch die Fakten.
    Und dann noch dieser Glückwunsch! Das war Zynismus pur. Diese Schlange! Ich hasste Geburtstagsglückwünsche!


    Es klingelte. Ich ignorierte es. Das letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war das Mitleid einer hilflosen Nachbarin, die eigentlich nur fragen wollte, ob ich vielleicht noch etwas Balsam-Essig oder eine frische Zitrone hätte, und die sich dann verpflichtet fühlte, mir in dieser Schicksalsstunde Trost zuzusprechen.
    Ich würde diesen Schmerz alleine ertragen.
    Es klingelte Sturm, ich konnte es nicht mehr ignorieren. Wie in Trance erhob ich mich und ging zur Tür.
    Ich glaubte es nicht! Johannes stand vor der Tür und strahlte.
    ‚Überraschung!’ rief er. Neben ihm stand etwas großes, rundes, mit einem weißen Tuch bedeckt.
    ‚Zieh mal,’ forderte er mich auf. Ich starrte ihn an, als wäre er der Leibhaftige persönlich. Aber Johannes merkte das gar nicht.
    Wir leben in einem Rechtsstaat. Jeder ist unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils. Ich gab Johannes seine Chance und zog.
    ‚O mein Gott!’
    Da stand mein Tisch! Abgebeizt, geschliffen, lackiert und poliert!
    ‚Tut mir leid, dass es so spät geworden ist, aber wir mussten ihn unbedingt heute Abend noch polieren.’
    Wir?! Jetzt erst merkte ich, dass Johannes nicht alleine war.
    ‚Ach, das ist übrigens Jochen. Ich hab dir doch von ihm erzählt.’
    ‚Hallo, Jochen.’ Ich erinnerte mich zuerst nur vage. Dann kam die Erleuchtung. Klar! Das war der Typ, der zusammen mit Alexa den Tisch beim Trödler rausgeschleppt hatte!
    ‚Jochen ist seit ein paar Monaten mit Alexa zusammen. Er hat eine kleine Werkstatt im Keller, da haben wir zusammen den Tisch hergerichtet. Und jetzt hat er mir noch geschwind geholfen ihn her zu transportieren.’
    Ich brachte meine Gesichtszüge schnellstmöglich wieder in Ordnung. Dann umarmte ich alle beide und brach in ausgelassenes Jubelgeschrei aus: ‚Der ist ja wirklich toll! Super!! Sa-gen-haft!!!
    ‚Er scheint dir zu gefallen,’ kommentierte Johannes mein Geschrei.
    Ich nickte nur und rang um Fassung.
    Ich war ja so erleichtert. Johannes hätte mir auch ein kleines, selbst getöpfertes Blumenväschen präsentieren können, mit dem Kommentar, dass Jochen eine Töpferwerkstatt habe, und er dort noch schnell dieses Väschen glasiert und gebrannt habe.
    Als ich meine Fassung wieder gewonnen hatte, sagte ich so souverän wie möglich: ‚Das müssen wir feiern! Ihr hättet Alexa auch mitbringen sollen!’

    Diese Geschichte soll einfach nur unterhalten, mehr nicht. Über Kritik freue ich mich natürlich trotzdem.
    Und da die Geschichte zu lang ist (es sind nur 15000 Zeichen erlaubt), poste ich sie auf 2 Mal. Ich krieg sie einfach nicht um 1 Drittel gekürzt.



    Eifersucht: Auch Traummänner haben Macken


    Sie haben vier neue Nachrichten.
    – Nachricht eins: ‚Happy birthday to you – happy birthday to you – happy birthday, dear Tanja – happy birthday to yooouuuu!’ O wie nett! Das war Roland, ein Langzeitkumpel von mir.


    Grundsätzlich war ich ja jetzt in einem Alter, wo Geburtstage und Geburtstagsgrüße nicht mehr so wichtig sind.


    – Nachricht zwei: ‚Herzlichen Glückwunsch! Ich melde mich die nächsten Tage noch mal.’ Sogar Antje hatte dran gedacht!


    Mit achtundzwanzig, fand ich, steht man da drüber.


    – Nachricht drei: ‚Na, schon beim Feiern? Alles Gute! Ciao, Lisa.’


    Und trotzdem – jede Nachricht war ein Kick für meine gute Laune! Sie prickelte geradezu!


    – Nachricht vier: ‚Hallo Tanja, ich bin’s. Es wird heute später.’


    Temperatursturz! Klimakatastrophe! Das Prickeln mutierte zum Eisregen und meine Laune war augenblicklich Schock gefrostet. Das passte mir jetzt überhaupt nicht ins Programm! Offenbar deckte sich meine Vorstellung des Abends nicht mit der von Johannes.
    Dabei war der Tag bisher sehr zu meiner Zufriedenheit verlaufen.
    Nach dem Sektfrühstück mit meinen Kollegen hätte jede konzentrierte Tätigkeit ein Risiko dargestellt. Daher verbrachte ich den Nachmittag damit, Ordnung auf meinem Schreibtisch zu schaffen. Auch in berauschtem Zustand war das völlig ungefährlich.
    Pünktlich zum Feierabend war mein Büro tiptop – ich hatte meinen Job eben im Griff. Mit dieser beruhigenden Gewissheit, verließ ich gegen sechs die Firma, um bei Feinkost-Käfer die passenden Zutaten für ein romantisches Abendessen zu erstehen. Dies war mir als perfekte Abrundung eines perfekten Tages vorgeschwebt.
    Und nun musste ich feststellen, dass mir nach einem so viel versprechenden Anfang mit der vierten Nachricht die Kontrolle der Situation entglitten war. Ich hatte Geburtstag und der Herr kam später, einfach so. Was dachte er sich eigentlich dabei? Nicht einmal eine überzeugende Entschuldigung hatte er sich einfallen lassen!
    Erzürnt marschierte ich in die Küche und packte die Käfer-Tüte aus. Der Anblick von Lachs-Blätterteig-Pastetchen zur Vorspeise, handgemachten, original italienischen Trüffel-Cappallacci als Hauptgericht und einer Mini-Schokokremtorte zum Nachtisch besänftigte mein wogendes Gemüt. Das würde ich mir zur Not auch alleine schmecken lassen!


    Ich goss mir ein Glas Moscato ein und machte es mir im Wohnzimmer gemütlich. So – jetzt ging’s mir besser. Nun fühlte ich mich in der Lage, die Situation in aller Ruhe zu überdenken und erkannte, dass noch nicht alles verloren war. Johannes hatte nicht präzisiert, um wie viel es später würde. Es bestand daher immer noch Hoffnung, dass er zu einer akzeptablen Uhrzeit kam. Schließlich war es erst sieben, und er würde sich bestimmt in Kürze melden, um mir genaueres mitzuteilen.
    Das Telefon klingelte. Na also, ging doch.
    ‚Hallo!’ meldete ich mich.
    ‚Alles Gute!’ rief Moni am anderen Ende der Leitung.
    ‚O!’ rutschte es mir raus.
    ‚Stimmt was nicht?’ erkundigte sich Moni.
    ‚Doch, doch, alles bestens,’ versicherte ich ihr. ‚Ich hatte nur mit Johannes gerechnet.’
    ‚Ach so. Habt ihr denn heute Abend noch was vor?’
    Eine harmlose Frage, die im derzeitigen Stadium durchaus noch eine harmlose Antwort vertrug: ‚Nein, nein, nichts Großes mehr. Nur noch ein schönes Abendessen.’
    ‚Aha, also Candle-Light-Dinner mit allem drum und dran!’ Moni kannte mich eben sehr gut.
    Kein Wunder, wir hatten uns vor neun Jahren kennen gelernt, zu Beginn unseres Studiums. Seither nahm Moni bei mir so wichtige Funktionen wie die der Psychotherapeutin oder der Telefonseelsorge wahr.
    Vor allem zu Studienzeiten hatte ich ständig auf diesen Service zurückgegriffen. Dank Johannes – er machte schon damals nichts als Ärger!
    Während ich über die geistige Klarheit und den Weitblick verfügt hatte, um nach wenigen Tagen zu erkennen, dass wir beide füreinander geschaffen waren, hatte Johannes Jahre dazu gebraucht – und es war ein hartes Stück Überzeugungsarbeit gewesen!
    Moni kannte alle Details. Wir hatten sie mehrfach gemeinsam analysiert …


    Als ich auflegte, war der Moscato-Effekt verflogen.
    Wut kroch in mir hoch.
    Ich würde jetzt den Tisch decken. Das war ein hervorragendes Training für meine Selbstbeherrschung, denn die Kristallgläser verlangten nach sorgsamer Behandlung.
    Ich breitete eine nachtblaue Tischdecke über den Esstisch. Es war die edelste und – was noch wichtiger war – größte Tischdecke in unserem Bestand. Sie war bodenlang und hatte den immensen Vorteil unser Monstrum von einem Esstisch komplett zu verdecken. Das war mir an diesem sowieso schon gefährdeten Abend wichtig, um meine Stimmung nicht noch zusätzlich zu reizen. Auch wenn es jedes Mal eine Tortur war, die Tischdecke hinterher zu bügeln.
    Der Esstisch war ein Erbstück von Johannes’ Großmutter. Besser gesagt, er war ein zukünftiges Erbstück, denn Johannes’ Großmutter hatte ihm den Tisch schon mal vorab vermacht. Und jetzt waren wir mit diesem Teil in Eiche rustikal geschlagen, das weder dem Stil unserer Wohnung – drei Zimmer in renovierter Gründerzeitvilla – noch meinem Geschmack entsprach. Johannes’ matte Hinweise, dass es sich um massive Eiche und echte Handarbeit handelte, konnten meinen Verdacht nie ganz ausräumen, dass auch er sich unsere Esszimmereinrichtung ursprünglich anders vorgestellt hatte.


    Der Tisch war binnen fünf Minuten gedeckt.
    Ich liebte es nicht, in meinem Tun von den Entscheidungen anderer abhängig zu sein, vor allem wenn ich diese Entscheidungen nicht kannte. Die Planungsunsicherheit wuchs dabei ins Unermessliche.
    Wie sollte ich denn jetzt wissen, ob ich schon mal die Lachspastetchen in den Ofen schieben konnte, oder ob noch genügend Zeit für eine Anti-Stress-Gesichtsmaske war, die meine Zornesfalten wieder glätten würde? Wer weiß, vielleicht hätte ich sogar problemlos einen Frisörtermin einplanen können?
    Ich hing völlig in der Luft.
    Jegliche weitere Vorbereitung war zwecklos, wenn ich nicht wusste, wann der Herr sich die Ehre geben würde.
    Eigentlich hatte ich von Johannes genügend Feingefühl erwartet, um ihn nicht extra darauf hinweisen zu müssen, dass heute mein Geburtstag war, und dass man an solchen Tagen lieber Rücksicht auf die Gefühle seiner Lebensgefährtin nimmt.
    Tja, so konnte man sich in dem Mann täuschen, mit dem man seit fast vier Jahren Tisch und Bett teilte.
    Es half alles nichts – ich wählte seine Handynummer.
    Das Handy klingelte. Nicht nur in der Leitung, sondern auch in unserem Arbeitszimmer. Na großartig! Er hatte es liegen lassen. Gott sei Dank war sein Kopf wenigstens angewachsen! Aber was nützte das, wenn er keinen Gebrauch davon machte?


    Ich polierte die Kristallgläser noch mal nach – kurze Auffrischung für meine Selbstbeherrschung.
    Das Telefon klingelte, es war meine Großmutter. Sie gratulierte mir und fragte, ob wir zufällig einen Esstisch brauchen könnten.
    ‚Du weißt ja, ich ziehe ins Seniorenheim und da passt mein Tisch nicht mehr.’
    ‚Ja, natürlich!’ rief ich spontan. Nur um Johannes zu ärgern, hätte ich den Tisch am liebsten sofort abgeholt.
    ‚Wie schön,’ hörte ich meine Großmutter sagen. ‚Da habt ihr dann genug Platz für eine ganze Familie.’
    Wie bitte?! Ein letzter Funken gesunden Menschenverstands glühte in mir auf. War ich eigentlich noch ganz bei Trost? Zwei solche Teile? Johannes’ Tisch hatte schon Gewohnheitsrecht. Er würde ihn bestimmt nicht abschaffen!
    Mit Engelszungen versuchte ich diese Trotzreaktion wieder auszubügeln: ‚Weißt du Oma, das ist lieb von dir, aber wir sind ja schon ganz gut eingerichtet. Und unser Tisch sieht fast genauso aus, wie deiner.’
    ‚Ach ihr habt schon einen Esstisch! Na, das ist aber schade. Dann werde ich ihn wo anders unterbringen müssen. Ich dachte nur, ich frag mal nach.’
    Die Gefahr eines zweiten Esstisches in der Ausführung Eiche rustikal war gebannt. Meine Nerven!


    Ich polierte die Kristallgläser ein drittes Mal und rief mich energisch zur Ordnung. Schließlich verfügte ich über genügend Selbstbeherrschung, um die Situation nicht eskalieren zu lassen.
    Ich würde Johannes jetzt unter seiner Geschäftsnummer anrufen und seine Vorstellung des restlichen Abends in aller Ruhe mit meiner eigenen Vorstellung abstimmen.
    Gewöhnlich rief ich Johannes nicht unter seiner Geschäftsnummer an. Man konnte da die ungünstigsten Momente erwischen. Einmal war ich mitten in eine Gehaltsverhandlung geplatzt. Johannes hatte mit dem Anruf eines wichtigen Kunden gerechnet und abgenommen. Er konnte ja nicht ahnen, dass ich es war.
    Seither rief ich ihn nicht mehr unter seiner Geschäftsnummer an. Höchstens in Notfällen. Für Privates hatte er schließlich sein Handy.
    Aber was blieb mir in dieser Situation anderes übrig? War ich schuld, dass er sein Handy vergessen hatte?
    Außerdem konnte man die Lage inzwischen durchaus als einen Notfall einstufen. Es bestand die Gefahr, dass ich die Kristallgläser ein viertes Mal polierte. Und dann würde ich nicht mehr für meine Selbstbeherrschung und die Gläser garantieren können!


    Ich ließ es ungefähr zehnmal läuten – ohne Erfolg. Bestimmt war er auf der Toilette.
    Zehn Minuten später ging er immer noch nicht ran und noch mal zehn Minuten später auch nicht. Er hatte wohl Durchfall oder um acht Uhr abends noch eine Gehaltsverhandlung! Für wie blöd hielt er mich eigentlich?
    Er war nicht im Büro, er rief nicht an, um sich zu entschuldigen, er hatte nur diese schnöde Nachricht hinterlassen, und das alles an meinem Geburtstag. Da konnte man zu Recht misstrauisch werden! Hatte er vielleicht eine andere?!
    Das war doch nicht das erste Mal in letzter Zeit, dass er spät heim kam. Um genau zu sein, hatte sich seine Abwesenheit seit drei Wochen auffällig gehäuft.
    ‚Diese Kampagne, verstehst du? Die muss unbedingt fertig werden.’
    Und ich hatte die Verständnisvolle gemimt. Wahrscheinlich hieß seine Kampagne Laura oder Carmen oder so ähnlich!


    Draußen fuhr mit jaulendem Martinshorn ein Krankenwagen vorbei.
    Und wenn er einen Unfall hatte? Möglicherweise lag er bewusstlos im Krankenhaus und war gar nicht in der Lage mich über seinen Verbleib zu informieren.
    Ich hörte den Verkehrsfunk – nichts. Schaute im Internet nach irgendwelchen Meldungen – ebenfalls nichts. Und dann rief ich die Münchner Verkehrspolizei an. Nein, es war nichts von einem Unfall bekannt.
    Ha! Jetzt wäre ich fast auf diese dusselige Sirene reingefallen!
    Das war ja wohl klar und eindeutig! Er hatte eine andere!
    Vielleicht war es eine Kollegin? Oder die Sekretärin der Chefin? Oder vielleicht die Chefin selbst, um schneller Karriere zu machen?
    Damit könnte ich noch am ehesten leben – schließlich musste jeder hin und wieder ein Opfer für seine Karriere bringen. Aber alles andere war nicht akzeptabel. Und wenn Johannes mir nicht umgehend eine glaubwürdige Erklärung lieferte, würde ich mir grundlegende Gedanken über unsere Beziehung machen müssen!
    Bestimmt war es die Chefin selbst. Ich hatte sie beim letzten Sommerfest von Johannes’ Firma kennen gelernt, und eins war mir sofort klar geworden. Sie hatte Johannes nur wegen seines Aussehens eingestellt – er war groß, blond und blauäugig, und sah meines Erachtens unverschämt gut aus – denn sie liebte es, von einem Schwarm attraktiver Männer umringt zu sein. Johannes’ innere Werte und seine Kompetenz zählten bei ihr überhaupt nicht.
    Zugegeben, sie war selbst recht attraktiv. Zumindest, wenn man diesen Typ Frau gut fand. Ich meine, die einen würden sie als schlank bezeichnen, das konnte aber auch eine höfliche Umschreibung für mager sein. Busen hatte sie natürlich gar keinen, und Hintern auch nicht. Dafür hatte sie aber auch keine Cellulite an den Oberschenkeln. Aufgrund des Superminis, den sie beim Sommerfest trug, drängte sich eine solche Diagnose geradezu auf.
    Natürlich war sie mit Johannes per Du.
    Ob Johannes wohl klar war, dass seine Begabung unter dieser Person völlig verschwendet war? Ich meinte natürlich seine fachliche Begabung.
    Nein, auch damit könnte ich nicht leben! Nach reiflicher Überlegung kam ich zu der Erkenntnis, dass auch die Variante mit seiner Chefin nicht akzeptabel war. Selbst wenn er es als reine Pflichtübung zur Förderung seiner Karriere betrachtete.
    Um meinen Verdacht vollends zu bestätigen, könnte ich jetzt einen Kontrollanruf bei ihr machen. Ihre Nummer war in Johannes’ Handy gespeichert und das Handy lag im Arbeitszimmer. Natürlich verwarf ich diesen Gedanken gleich wieder. So was tut man nicht.


    Zum ersten Mal in meinem Leben entdeckte ich eine Kehrseite der Emanzipation der Frau. Vor fünfzig Jahren hatte es keine Chefinnen gegeben!
    Es war schon eine Schande, in was für einer Welt wir heute lebten. Früher hatte man sich in den Firmen noch gesiezt und Superminis waren tabu gewesen.
    Das alles hatte sich mit der Erfindung von Marketingabteilungen geändert. Seither war man ständig dem Druck der Lässigkeit ausgesetzt. Und Benimmregeln waren da genauso unangesagt wie zum Beispiel Ärmelschoner.
    Oder konnte man sich die Worte ‚Diese Rothaarige da drüben mit dem knallengen Mini, die finde ich rattenscharf!’ aus dem Munde eines Buchhalters vorstellen?
    Aber ich hätte es ja in der Hand gehabt. Schließlich hatte ich im Studium die Schwerpunkte Marketing und Finanzen gehabt. Da hätte ich mir reihenweise Buchhalter anlachen können, wenn mir der Sinn danach gestanden hätte.


    Ich ging rein zufällig ins Arbeitszimmer und mein Blick streifte sein Handy. Nein – so was tut man einfach nicht. Unter gar keinen Umständen.
    Ja und?! Was interessierten heutzutage noch Anstand und Benimm? Schließlich arbeitete ich auch im Marketing! Ich würde jetzt seine Chefin anrufen, ganz egal ob man so was tut oder nicht!
    Außerdem würde sie sich sowieso nicht melden. Entweder sie war gerade mit Johannes zu Gange, oder sie war schon längst daheim. Wozu hatte sie denn so ehrgeizige Jungmanager, wie Johannes, die sie für sich schuften ließ?
    ‚Schambach,’ meldete sie sich nach zweimal läuten und überrumpelte mich völlig. Nun wusste ich nicht was ich sagen sollte. Waren wir eigentlich auch per Du oder siezten wir uns. Ich war mir nicht mehr sicher.
    Vorsichtshalber entschied ich mich fürs Sie und sagte: ‚Guten Tag Frau Schambach, hier ist Tanja Hoffmann. Entschuldigen Sie die Störung, aber ich versuche Johannes Singer zu erreichen.’
    ‚Johannes ist schon vor zwei oder drei Stunden gegangen,’ klärte sie mich auf. Ich beendete das Gespräch sofort.
    Vor zwei oder drei Stunden! Das war die Höhe!!
    Dieser Anruf stellte zwei Dinge klar. Erstens, es war nicht seine Chefin. Zweitens, es war eindeutig eine andere. Warum sonst würde er sich stundenlang ohne offizielle Entschuldigung an meinem Geburtstag rumtreiben?


    Die Geschichte geht im gleich weiter (falls es jemanden interessiert).

    Ich lese am liebsten witzige, ironische Geschichten. Natürlich keine billigen Sparwitze, sondern so eine gewisse, unterschwellige Ironie, die durch einen entsprechenden Schreibstil erzeugt wird.
    Und wenn ich schreibe, dann schreibe ich auch am liebsten witzige, komische Geschichten. Wahrscheinlich schreibt man eben das am liebsten, was man auch gerne lesen würde. Ist vielleicht ein bisschen so, wie mit dem Kochen. Man würde sich warscheinlich auch nicht unbedingt etwas kochen, da man gar nicht mag.

    Zitat

    Original von Schreiberling
    Das Buch ist schrecklich... Sorry, das musste ich jetzt mal loswerden... :daumenrunter
    Ich fand die ersten drei Bücher richtig klasse! Das vierte war okay, das fünfte und sechste war furchtbar langweilig... Irgendwann hatte ich nur noch das Gefühl, die Autorin würde nur noch für's Geld schreiben... :keks


    Ich glaube nicht, dass die Autorin nur noch fürs Geld schreibt. Das hat sie doch schon längst nicht mehr nötig. Ich glaube eher, dass der Verlag auf ein Lektorat weitgehend verzichtet. Zum einen, wer kann sich denn schon anmaßen, einer JKR zu sagen, streich dieses und streich jenes. Und zum anderen ist ein intensives Lektorat ja auch gar nicht mehr nötig, die Bücher verkaufen sich ja von selbst.
    In einem Interview hat JKR mal gesagt, dass der Lektor im ersten Band sehr, sehr viel Text gestrichen hat. Und dass sie um ganz wenige Szenen, wie zum BEispiel die mit dem Troll, wirklich gekämpft hat. Und ich finde, das mekrt man dem Buch auch an. Es ist einfach perfekt,, was Buchstruktur, Spannungsaufbau, Tempo etc anbelangt. ( ich gerate ins Schwärmen :kiss)


    Ich bin überzeugt, wenn der Orden des Phönix stark gekürzt würde, wäre er besser. Verschlungen habe ich ihn aber trotzdem. Allerdings habe ich beim ersten Lesen einige Passage diagonal gelesen.

    :bonk Snape ist auf jeden Fall böse!!
    JKR hat irgendwo in Band 5 oder 6 Dumbledore sinngemäß sagen lassen, dass er zwar selten irrt, aber wenn er mal irrt, dann sind seine Irrtümer umso verhängnisvoller. Und dass er Snap vertraut hat, war wohl einer dieser verhängnivollen Irrtümer


    Für mich ist die Frage also nicht mehr: ist Snape böse, ja oder nein?
    Sondern: Warum hat Dumbledore ihm so blind vertraut, trotz der ganzen Warnzeichen? :gruebel