Bereits beim ersten Mal lesen vor einigen Wochen war ich überrascht und auch erschrocken, wie die Alliierten den Widerstand ignorierten. Sie hätten so viel Leid ersparen helfen können...
Die meisten Adligen (im Osten) waren sich bewusst, was passiert, wenn Hitler immer mehr an Macht gewinnt. Aber sie waren offenbar eine stimmliche Minderheit, egal wie politisch engagiert sie waren.
Selber war Marion Dönhoff mehr involviert in den Attentatsversuch, als die Geschichtsbücher bisher mitteilten. Dadurch, dass sie (eher) zu den sachlichen Schreiberinnen gehört und nicht zu den Erzählerinnen im Romanstil, wird ihr Tun im Zusammenhang mit dem geplanten Attentat nicht so gefährlich dargestellt. Sie schmälert ihren Beitrag irgendwie. Vielleicht - so kommt mir vor - weil es für sie eine Selbstverständlichkeit war, Widerstand zu leisten, für das Gute zu kämpfen und an eine friedliche Zukunft zu glauben.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Gräfin von der Judenvernichtung nichts gewusst hat. Sie hat ja, als sie Quittainen verliess, geglaubt, die Menschen, die blieben, hätten ein neues - aber nicht schlechteres - Leben unter anderer Herrschaft vor sich. Dem war, wie sie später erfuhr, leider auch nicht so.
"Und wo auf Marion Dönhoff keine grosse Aufgabe wartet, da schafft sie sich eine." Ich glaube, diese Aussage prägte ihr Leben, oder zumindest einen Teil davon.
Bezeichnend auch, dass sie nach der Flucht, die sie auf Alarich unternommen hat, nie wieder auf ein Pferd gestiegen ist; auch nicht auf ihren geliebten Alarich. Es wird damit begründet, dass sie Reiten mit dem Boden der alten Heimat etc. in Verbindung bringt. Ich glaube, es ist nicht "nur" Heimat und Boden, es ist das frühere Leben, eine andere Zeit. Die Flucht war wie ein Wendepunkt und ein Neuanfang.
Marion Dönhoff hat sich immer was getraut - allein schon die ganzen Ostdialoge - sie blieb immer sich selber und sich selber treu.
Ich hätte die Gräfin gerne kennen gelernt...