Ich weiss nicht, durch welche rosarote Brille du die Schweiz siehst.
Demokratie ist relativ. Das mit dem Frauenstimmrecht ist leider ein trauriges Beispiel.
Dazu kommt, dass wir hier nicht nur eine Demokratie haben, sondern auch Föderalismus. Mit 26 Kantonen wird die Regierung schwerfällig, die Kommunikation lässt zu wünschen übrig und alles braucht x mal länger.
Dazu gehören Dinge wie Mutterschaftsurlaub (16 Wochen im Gegensatz zu euren drei Jahren), Abtreibung war auch so ein Thema, EWR-Beitritt etc. etc.
Die Personenfreizügigkeit, über die wir am 8. Februar abzustimmen haben, ist auch so ein Thema.
Dazu haben wir seit 1. Januar einen Bundesrat, dessen Sprüche daneben sind und der eben doch ein SVP mit Leib und Seele ist. Dagegen ist an sich nichts zu sagen, nur, die Partei hat nun mal Tendenzen zu einer Farbe, die man im Bereich Schlamm bis Kotze (sorry für den Ausdruck) ansiedeln kann. Ob er sich vom Saulus zum Paulus wandelt, das wird sich noch weisen müssen.
Klar, wir haben eine direkte Demokratie, ist ja nett und wird nicht wirklich stark genutzt. Klassisches Beispiel sind die Gemeindeversammlungen. Im Schnitt vertreten da 2 bis 5 Prozent der jeweiligen Gemeinde den Rest der Bevölkerung. Je nach Traktandenliste kommen diese oder jene.
Letztes Jahr war ich an der niveaulosesten Gemeindeversammlung aller Zeiten. Zwei Personen wurden eingebürgert, eine dritte Familie gerade knapp und die vierte gar nicht. Die Diskussion hat polarisiert, war unfair und hatte mit direkter Demokratie absolut nichts mehr zu tun. Mit braunem Gedankengut jedoch um so mehr. Da waren Leute an der Versammlung, die man sonst nie sieht.
Und dann dürfen wir vier mal im Jahr an die Urne. Sei es, weil irgend eine Initiative zustande kam oder ein Gesetz durchzubringen ist etc. Teils ist völlig unnötiger Mist dabei, der einfach viel Geld für die Abstimmung kostet. Aber wenn genug Unterschriften zusammen sind, dann kommt das Begehren halt mal vors Volk. Genügend Unterschriften heisst natürlich nicht zwingend, dass die Initiative auch durchkommt.
So kann es vorkommen, dass Herr X, der sich für die Natur einsetzt, was ja auch gut ist, dermassen einen Wirbel macht, dass die Gesamtschweiz an die Urne muss und darüber zu entscheiden hat, ob ein 500-Seelen-Dorf ein Stück Land in Bauland umwandeln darf, damit gebaut werden kann und das Dorf überleben kann. Wen interessiert in Genf, was in Hintertupfingen passiert? Niemand, und deshalb wird man halt nach Gutdünken ja oder nein ins entsprechende Feld schreiben. Meist mit dem Gedanken "wir bekamen das nicht, dann bekommen die das auch nicht".
Um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Nein, Deutschland hat kein Demokratieproblem. Deutschland gehört wahrscheinlich durch die Vergangenheit zu den Ländern, die die Demokratie bewusster zu leben versuchen und es genau so gut schaffen wie andere Länder auch.
Ein Nachtrag zu den Medien: In der heutigen Medienlandschaft gehen Zeitungen ein oder Verlage schliessen sich zusammen. Aktuelles Beispiel in der Schweiz: Berner Zeitung, Der Bund, Basler Zeitung sind nun in der Tamedia (Tages Anzeiger) drin. Dazu gehören auch Radio- und Fernsehsender (Private).
Solche Zusammenschlüsse gibt es allüberall, dass sich die Medien da etwas angleichen - allein schon durch den Mantel - ist eine logische Folge davon. Das heisst aber nicht, dass sie gleichgeschaltet sind.
2. edit: Tippfehler