Beiträge von marilu

    Kurzbeschriebung:
    Kim Lange ist erfolgreich, steht kurz vor dem Gewinn des Deutschen Fernsehpreises und hat einen liebenden Ehemann und eine süße Tochter. Das Leben könnte wunderschön sein, wenn nicht die Vereinbarung von Familie und Job so schwierig wäre. Kim tut alles dafür, sich im schnelllebigen Mediengeschäft durchzusetzen und macht sich damit nicht nur Freunde. Auch ihr Privatleben leidet unter ihrem Ehrgeiz: die Beziehung zu ihrem Freund ist in der Schieflage, ihre Tochter leidet unter der fehlenden Aufmerksamkeit der Mutter und der Kontakt zur eigenen Mutter ist mehr als gespannt.


    Doch dann findet ihr Leben ein jähes Ende: am Tag der Preisverleihung fällt das ausgemusterte Waschbecken einer Raumstation auf sie und bringt ihr bisheriges Leben zu Ende. Bezeichnend ist sicher, dass dieses "Erlebnis" von ihr bereits auf der ersten Seite nur als der sechstschlimmste Moment ihres Tages eingestuft wird.


    Nach dem Tod erfährt sie, dass sie wiedergeboren wird, um sich genügend gutes Karma sammeln zu können, um letztendlich ins Nirwana überwechseln zu dürfen. Doch welche Möglichkeiten bieten sich einem, als Ameise genügend Karma zu sammeln? Eine Frage, die auch Giacomo Casanova nach Jahrhunderten als Ameise nicht lösen konnte...


    Gemeinsam entwickeln die beiden einen groben Plan, der sich aber nicht als einfach umzusetzen darstellt. Vorrangiges Ziel ist es ursprünglich, dafür zu sorgen, dass es der kleinen Familie gut geht. Aber wie es mit Plänen so ist: Anpassungen sind notwendig.


    Meine Meinung:
    Für mich war es das perfekte Buch für Ablenkung innerhalb einer stressigen Phase. Es ist so fanatsiereich, flott und humorvoll geschrieben, dass man es gemütlich nebenbei weg schmökert, ohne allzu viel darüber nachzudenken. David Safier ist als Drehbuchautor der Serie "Berlin, Berlin" bekannt, die mir sehr gut gefiel!
    Der Stil findet sich auch im Roman wieder, immer wieder muss man schmunzeln, ungläubig oder entrüstet den Kopf schütteln und ein wenig Mitleid mit Kims Familie fühlen. Insbesondere die Fußnoten, in denen sich Casanova zu Wort meldet, lockern den Roman auf. Herrlich, welchen Humor er verbreitet.


    Wer sich ein paar Stunden lang berieseln lassen möchte, ist mit diesem Roman gut bedient. Aber auf eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Tod und Wiedergeburt sollte man nicht hoffen. Außerdem muss man schon mit dem flapsigen Ton und den unkonventionellen Ideen des Autors zu diesem Thema umgehen können. Im Zweifelfall: anlesen und dann entscheiden, ob "Mieses Karma" das passende für den eigenen Lesegeschmack ist.


    Im Mai erscheint übrigens die Taschenbuchausgabe bei Rowohlt.

    Edit: Anpassung nach Nikanas Anregung.

    Originaltitel: A Patchwork Planet (Erscheinungstermin: 1998 )


    Barnaby Gaitlin, Spross des angesehenen und sozial rührigen Gaitlin-Clans aus Baltimore, wird 30 Jahre alt. Bisher hat er in seinem Leben nicht viel erreicht, lebt zur Untermiete in einem Kellerloch, arbeitet als Möbelpacker und „Mädchen für alles“ für die "Bizeps-Vermietung AG" und ist insgesamt eigenbrötlerisch. Zudem hat er bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich und eine Tochter, die sich ihm zunehmend entfremdet und für die er kaum Gefühle hegt (gesteht sich sogar ein, dass er sie sogar abstoßend und langweilig findet).


    Dieser Lebensstil allein genügt eigentlich schon, um seine statusbewusste und ehrgeizige Mutter auf die Palme zu bringen, doch da ist ja zusätzlich noch seine unrühmliche Vergangenheit als jugendlicher Gelegenheitsdieb. Während die anderen Mitglieder seiner kleinen Gang nach Autoschlüsseln, Alkohol und Geld suchen, faszinieren ihn in den fremden Häusern Fotoalben, Liebesbriefe und andere persönliche Gegenstände. Eines Tages hat er Pech und wird bei einem Einbruch erwischt. Folge: Besuch einer Besserungsanstalt für Jungen und ständige familiäre Vorwürfe.


    Fühlte er sich vorher schon von seiner Familie entfremdet und isoliert, wird hierdurch alles noch verquerer. Der Kontakt reißt zwar nie vollständig ab, aber ihm wird insbesondere von seiner Mutter bei jedem Besuch eine gehörige Portion Schuldgefühl eingeimpft. Bissige Bemerkungen zu seinem Lebensstil tun ein Übriges, um die Entfremdung der Familie voranzutreiben.


    Zu allem Überfluss hat jeder der Gaitlin-Familienmitglieder zu einem Punkt im Leben seinen Engel gefunden, der ihrem Leben einen neuen Sinn gab. Nur Barnaby selbst wartet noch auf seine Begegnung.


    Vor diesem Hintergrund lernt er Sophia kennen, als er an einem Wochenende zu seiner Tochter nach Philadelphia fährt. Sie wird auf dem Bahnhof in Baltimore von einem Mann angesprochen, der ihr einen Briefumschlag reicht und sie bittet, diesen in Philadelphia an seine Tochter zu übergeben. Der Reiz des verschlossenen Umschlags beschäftigt Barnaby während der ganzen Fahrt. Noch mehr fasziniert ihn jedoch Sophias erkennbare Contenance – ganz im Gegensatz zu seiner Faszination mit fremden Geheimnissen, ist sie in der Lage, den Umschlag komplett zu vergessen und scheint nicht mal Neugier auf den Inhalt zu verspüren. Obwohl er durch das Belauschen des Gesprächs zwischen Sophia und dem Mann weiß, was sich darin verbirgt, spinnt er diverse Fantasien über die möglichen Inhalte und Motive für die Übergabe.


    So beeindruckt über ihre Zurückhaltung, überlegt er, ob sie vielleicht sein Engel sein könnte und mit dem Versuch sie kennen zu lernen, kommt tatsächlich ein Wandel in seinem Leben zu Stande. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, weil mir persönlich schon der Klappentext der Fischer-Taschenbuchausgabe zu viel verraten hat.



    Leider ist der Roman nicht vergleichbar mit den wunderbaren „Dinner im Heimweh-Restaurant“, „Fast ein Heiliger“ und „Im Krieg und in der Liebe“, andererseits aber stimmiger als „Damals als wir erwachsen waren“. Ich hatte mir das Buch geschnappt, weil ich etwas Wohlfühllektüre benötigte und die wurde mir auch geboten.
    Anne Tyler schreibt wieder liebenswert, großherzig und episodenhaft. Ihre Perspektive bleibt fortwährend bei Barnaby und man erfährt nur durch ihn, wie er seine Familie, Freunde, Arbeitgeber und sich selbst einschätzt. Einen Sprung in die Köpfe anderer Figuren dürft ihr hier nicht erwarten.


    Man entwickelt automatisch Mitleid mit Barnaby und seinem unglücklichen Familienleben und wundert sich nicht, dass er allem gegenüber eine Abwehrhaltung zeigt. In einer Familie, die eine wohltätige Stiftung gegründet hat und seit Generationen leitet, fehlt im privaten Kreis die nötige Liebe, das elterliche Verständnis und ein Gefühl von Heimat. Mich wundert es nicht, dass er in seiner Jugend (und auch später) bewusst schockierend und provozierend aufbegehrt.
    Auch in diesem Roman - wie bisher in allen Romanen, die ich von Anne Tyler gelesen habe – dominiert die Mutter die Familie und lässt die männlichen Familienmitglieder schwächer erscheinen.


    Die Bankangestellte Sophia ist wie ein ruhiger, stetiger Baum, die Barnabys Leben allmählich etwas beruhigt. Doch hält sie alles, was sie verspricht? Und ist sie tatsächlich sein Engel?


    Letztendlich kann ich sagen, dass ich den Roman gern weg geschmökert habe, aber zu den Höhepunkten meines Lesejahres kann ich ihn leider nicht zählen, dazu fehlen bestimmte Elemente. Einiges ist vorhersehbar, manche Ereignisse wurden für meinen Geschmack zu kurz angerissen und obwohl ich die Entwicklung von Barnaby gerne miterlebt habe, hat sie mich nicht so richtig berührt.
    Schön ist es jedoch, wieder Anne Tylers leisem Humor zwischen den Zeilen zu begegnen.


    PS: Zur Zeit scheint der Roman in deutscher Übersetzung vergriffen zu sein.

    Margaret Hale, aufgewachsen im Londoner Haushalt ihrer Tante Shaw, zieht nach der Heirat ihrer Cousine Edith zurück in den grünen, üppigen Süden Englands, wo ihr Vater als Vikar arbeitet und lebt. Doch die Zeit in der Idylle ist nur von kurzer Dauer. Als ihr Vater gezwungen wird, sein Glaubensbekenntnis erneut zu bekräftigen, sind seine Zweifel übermächtig und er entschließt sich, den vertrauten Ort Helstone zu verlassen. Er nimmt seine Frau und Tochter mit in den Norden, wo er in der Industriestadt Milton Privattutor wird. Dort erleben sie einen Lebensstil, der in nichts dem gleicht, dass sie kennen. Ihre Mutter liegt im Sterben, ihr Vater verschließt die Augen vor allen negativen Einflüssen, die die neue Umgebung auf seine Lieben hat. Nach immensen Anfangsschwierigkeiten wächst Margaret über ihre Vorurteile hinaus und lernt die Gegebenheiten neu einzuordnen. Sie ist gezwungen, ihre weiblichen Befindlichkeiten einem oberflächlich glücklichen Familienleben unterzuordnen. Dabei wächst sie innerlich und wird der Mittelpunkt des Haleschen Haushalts.
    Als innerhalb kürzester Zeit Mutter und Vater sterben, verändert sich ihr Leben erneut. Sie zieht zurück in den Haushalt der Tante Shaw, doch diese neuerliche Umstellung fällt ihr nach allem Erlebten sehr schwer...


    Elizabeth Cleghorn Gaskell verfasste "North and South" 1854/55 als Fortsetzungsroman für die von Charles Dickens herausgegebene Wochenzeitschrift "Household Words". Der Schwerpunkt dieses Romans liegt auf einer Gegenüberstellung dreier Interessen - die der englische Gentry (adlige Landbevölkerung aus dem Süden), die der Arbeiterschaft in einer Industriestadt sowie die der Fabrikbesitzer. Anhand der Liebesgeschichte zwischen Margaret Hale und dem Mühlenbesitzer John Thornton werden die sozialen und regionalen Gegensätze thematisiert. Margarets Freundschaft mit der Arbeiterfamilie Higgins schildert dementgegegen die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen, unter denen die "hands" (Arbeiter) litten.


    Wer englische Klassiker liebt, wird von dem Roman nicht enttäuscht. Man darf ihn jedoch nicht als Liebesroman in der Tradition von Jane Austen mißverstehen, sondern muss ihn als Gesellschaftsroman einordnen. Margaret ist die Triebfeder, die das Werk zusammenhält und man muss Hochachtung für diese junge Frau haben. Ihre Kraft, Warmherzigkeit und Empfindsamkeit zeichnen sie in allen Situationen aus. Dabei ist sie zum Glück nicht so tugendhaft, dass man von ihrer Person genervt ist. Gerade zur Zeit eines organisierten Arbeiterstreiks versucht sie die Not der Arbeiterschaft so gut wie möglich zu lindern, lässt sich von der Sache aber nicht vereinnahmen. Bis zum Schluss des Romans bleibt sie vor allem Außenseiter und Beobachter der Vorgänge. Dies ist wohl auch notwendig, damit die Autorin Elizabeth Gaskell ihre Schilderungen möglichst gleichrangig nebeneinander entstehen lassen konnte.


    "North and south" hat mich begeistert, mitgerissen und beeindruckt! Einziger Minuspunkt an diesem Roman ist, dass es zur Zeit nicht auf Deutsch erhältlich ist...
    Mein persönliches Urteil: mehr davon!

    In "The polysyllabic spree" findet der Leser Nick Hornbys Kolumnen für das Magazin "Believer" aus dem Zeitraum September 2003 - Juni 2006.
    In seinem Vorwort beschreibt Hornby das grundlegende Prinzip, das hinter seiner Kolumne steckt: er versucht, den roten Faden in seinem Leseverhalten zu veranschaulichen und nutzt dafür verschiedene Methoden.
    Jedem Kapitel sind eine "Liste gekaufter Bücher" und eine "Liste gelesener Bücher" vorangestellt (welchen Leser wundert es, dass diese nicht wesentlich deckungsgleich sind). :wink:


    In seinen Texten erläutert er, welche Impulse ihn einerseits zum Kauf bestimmter Bücher führten und welche ihn schließlich zu der tatsächlichen Lektüre bewegten. Außerdem ist er sich auch nicht zu schade, von dem "entrückten Zustand des Rezensenten" zurückzutreten und seine monatlichen Lebensumstände ebenfalls berücksichtigend zu erwähnen. So stellt er es als naturgegeben hin, dass die Zeit für ein Lesevergnügen um die Weihnachtszeit oder während der Fußballsaison geringer ist. Überrascht schildert er jedoch, mit welcher Euphorie er gerade zur Zeit der Geburt seines Sohnes Bücher kauft und liest - jede Seite könnte für lange Zeit, die letzte sein, die er liest.


    Zu jedem gelesenen Buch liefert er eine kurze Zusammenfassung und subjektive Meinungsäußerung. Das Spektrum seiner Lektüre umfasst Romane, Biographien, Sachbücher, Klassiker, Comics aber auch Jugendbücher. Viele der vorgestellten Bücher kannte ich nicht, aber einige wenige hatte ich sogar schon gelesen und gemocht. Wie zu erwarten war, ist meine Wunschliste überproportional angewachsen!


    Mir gefällt die Art von Nick Hornby, seine Texte zu gestalten: sprachlich einfach, aber auf den Punkt mit Witz! Den nächsten Band werde ich mir definitiv ebenfalls besorgen.


    Wer ebenfalls stöbern möchte, kann auf der englischen Wikipediaseite die Listen bis August 2004 nachlesen: Polysyllabic spree
    Auszüge aus den Kapiteln (und die Listen) finden sich auf der Seite des Believers: [url=http://www.believermag.com/contributors/?read=hornby,+nick]Stuff I've been reading[/url]


    Edit: Linkadresse repariert

    Jon Ewermann lebt als beliebter Lehrer am Wilhelm-Busch-Gymnasium in Hamburg und mit seiner reichen Ehefrau Charlotte seit Jahrzehnten ein scheinbar gesättigtes Leben. Doch die Tatsache, dass er seine Frau nicht mehr liebt, treibt ihn häufig in die Arme anderer Frauen und sie in die Alkoholsucht. Seine Affären sind immer oberflächlich bis eine neue Kollegin den Lehrkörper erweitert: Julie.
    Seit er sie kennt, fühlt er sich wieder jung und mutig. Bis über beide Ohren verliebt, setzt er alles aufs Spiel und beschließt, sich endgültig aus seiner unglücklichen Ehe zu lösen. Doch seine tobende Frau erleidet nach einem Wutausbruch einen tödlichen Unfall und erspart ihm lästige Scheidungsverhandlungen und er erbt sogar das ganze Vermögen.
    Nur zwei Personen äußern leise Zweifel an dem Unfall…


    Dies ist der Auftakt zu einer leidenschaftlichen wahnsinnigen Kriminalgeschichte, die sich stark verdichtet und unvorhersehbare Konsequenzen für Jons ruhiges Leben haben.


    Ich war sehr schnell von dem Roman gefesselt und gespannt, was sich entwickelt. Innerhalb zweier Tage hatte ich die 377 Seiten verschlungen. Nach „Kleine Schwester“ und „Katzenzungen“ hatte ich hohe Erwartungen, die nicht enttäuscht wurden. Der gradlinige Erzählstil wirkte auf mich nach einem Monat mit schwerer Kost erfrischend. Der Kriminalteil, wird aus Sicht des Betroffenen berichtet und spielt sich hauptsächlich auf psychologischer Ebene ab. Wer Ermittlungen erwartet, wird enttäuscht.


    Das Beziehungsgeflecht ist aufgrund der beschränkten Personenzahl übersichtlich und eindringlich. Als neutraler Beobachter (als Leser) erkennt man mehr als Jon und ist ihm ein Stück voraus. Andererseits kann man sich gut in seine Gefühlswelt versetzen und erlebt seine Handlungen ängstlich und fasziniert mit.


    Für mich war es feine Unterhaltungsliteratur! Mehr davon! Ich könnte mir vorstellen, dass Fans von Ingrid Noll hier voll auf ihre Kosten kommen!

    Ich fand den Roman eher irritierend als gelungen und gehöre damit wohl zu den Lesergruppe, die sich mehr von ihm erwartet haben.


    Der Stil ist toll: Marisha Pessl schlägt eine sehr bildhafte Sprache an, garniert ihre Ausführungen mit Zeichnungen, Literaturzitaten sowie Fußnoten und erzählt die umfangreiche fiktive Biographie von Blue van Meer. Nicht alles davon war für mich interessant und über manche Länge habe ich mich mit dem Gedanken hinwegretten müssen, dass es wahrscheinlich wichtig für die Auflösung ist. Viele Hinweise und anfangs unverständliche Ausschweifungen erlangen zum Schluss eine Bedeutung, aber insgesamt hatte ich den Eindruck, dass es sich hier um eine Autorin handelt, die den Stil wichtiger als die von ihr erzählte Geschichte erachtet.


    Gerade das Ende war mir zu voll gepackt mit (für mich) unglaubwürdigen Zufällen und Vermutungen.


    Deshalb muss ich hier zwei verschiedene Bewertungskriterien anlegen:
    Sprache und Stil: brillant
    Inhalt: aufgebläht, stellenweise nicht nachvollziehbar, trotz guter Stellen insgesamt enttäuschend


    Da ich Freizeitleser bin, konnte mich diese Schere nicht besonders begeistern - als Anglistikstudentin wäre ich wahrscheinlich besonders angetan von so viel Stoff für eine Diskussionsgrundlage gewesen.


    Schade, ich hatte mir so viel davon versprochen...

    Der Anfang von "Everything is illuminated" fiel mir etwas schwer, weil er mit Alexander Perchovs seltsamem Englisch beginnt. Seine Teile des Romans sind aufgrund der seltsamen Grammatik und falschen Wortwahl sehr humorvoll und voller Situationskomik, aber auch sehr verquer.


    Das "Problem" ist, dass ich seine Sätze lese, dann versuche, sie in korrektes Englisch zu übersetzen, um danach noch die Übersetzung ins Deutsche vorzunehmen. Nach diversen Kapiteln in seiner abstrusen Sprache lachte ich mich nur noch weg! Mein neuer Lieblingssatz (nachdem er Jonathan kennenlernt) ist: "I was underwhelmed to the maximum." (In einer deutschsprachigen Rezension habe ich gelesen, dass es folgendermaßen übersetzt wurde: "Ich war total unterwältigt.")


    Interessanterweise verbessert sich sein Englisch im Verlauf der Berichte zunehmend (sicher bedingt durch seinen regen Austausch mit Jonathan nach der Reise) und ab einem bestimmten Punkt entspricht die Stimmung seiner Berichte der allgemeinen Atmosphäre.


    Zudem hat es auch etwas gedauert, bis ich verstanden habe, dass es drei verschiedene Erzählebenen gibt:


    Alexanders Briefe
    die Geschichte von Trachimbrod
    die Reise von Alexander und Jonathan



    Die Geschichten sind allesamt harter Tobak! Zum Lesen nebenbei eindeutig nicht geeignet, aber wenn man sich die Zeit und Muße nimmt, die Bewohner von Trachimbrod und Kolki kennenzulernen, leidet man mit ihnen, lacht mit ihnen über die skurrilen Persönlichkeiten, die in jeder Epoche auftreten und versucht mit ihnen, die Liebe zu ergründen.


    Bei der Lebensgeschichte von Yankl, der in Trachimbrod lebt, bin ich von Ton und Grundstimmung an Leo Gursky aus "Geschichte der Liebe" (Nicole Krauss)erinnert. Eine wunderschön-melancholische Atmosphäre, zwischen Traurigkeit und Hoffnung.


    Kurze Zeit nach der Lektüre habe ich auch den Film gesehen und finde ihn sehr gut! Er fängt die Stimmung gut ein - wunderschöne Bilder, melancholische und kraftvolle Musikuntermalung sowie vordergründig einfache Unterhaltungen mit viel Aussagekraft transportieren die Geschiche in einfacher klarer Weise! Die Geschichte des "Shtetls" Trachimbrod wird auf ein Minimum reduziert, aber das schadet dem Film in keinster Weise. Die Kombination von Leiden und Galgenhumor werden jeweils wundervoll transportiert und rühren ans Herz!


    PS: Wer den Roman im Original lesen möchte, sollte schon sehr gute Sprachkenntnisse haben, um nicht völlig zu verzweifeln!

    Antonia und Lukas stehen kurz vor ihrem 2-jährigen Jahrestag. Sie sind wenige Monate zuvor zusammengezogen und erleben das, was viele Pärchen in der ersten gemeinsamen Wohnung erfahren: die Romantik flaut ab nach einer kurzen Zeit der Euphorie. Der Alltag übernimmt die Handlung: statt Liebesbriefen Einkaufslisten, statt romantischer Abende „Zockerabende“ an der Playstation und Ausgehen wird zugunsten gemütlicher Fernsehabende auf „nächste Woche“ verschoben.
    Antonia wird dadurch unsicher über ihre Beziehung zu Lukas. Und genau zu diesem Zeitpunkt zieht Lukas Ex-Freundin Sabine in die Stadt. Außerdem erfährt Antonia durch ihre Freundin Katta, dass sich nach 2 Jahren entscheidet, ob eine Beziehung eine Zukunft hat oder nicht. Angeblicher Grund: bei Männern über 30 Jahren stellt sich deren Hormonhaushalt komplett um und sie treffen die Entscheidung entweder eine Familie zu gründen oder sich anderweitig zu orientieren. Ergo: die meisten Beziehungen gehen nach genau zwei Jahren kaputt.
    Antonia hat laut dieser Theorie noch einen Monat Zeit, ihre gemeinsame Zukunft zu retten…


    Hm, der Roman ist echt seicht – was ich erwartete und wollte. Einfach abschalten, lesen und nicht denken. Soweit so gut, aber leider setzte dann doch der „Grübelmodus“ ein, weil mir Antonias Handlungsweise so fremd und unverständlich war. Sie ist eine dieser „Heldinnen“, die lieber vor Angst jeglicher Konfrontation aus dem Weg gehen und dadurch von einer Katastrophe in die nächste stolpern und alles verschlimmern (der englische Begriff „Drama Queen“ drückt es perfekt aus).
    Wenn sie wenigstens zwischendurch mal ein wenig gesunden Menschenverstand eingesetzt hätte, wäre ich wahrscheinlich zufrieden gewesen und hätte gesagt: nette Unterhaltung mit Herz und Verstand.


    Nun weiß ich aber zumindest, dass ich der Begeisterung für ängstliche, neurotische Frauchenromane entwachsen bin.


    PS: Es gab eine Zeit, in der mir „Bis einer heult“ gut gefallen hätte und deshalb will ich nicht allen abraten. Wer die Romane von Steffi Wolff oder Ildiko von Kürthy mag, wird hier sicher auf seine Kosten kommen.

    Hallo Boppers,
    schau mal bei Ebay: da gibt es z. Zt. 3 Angebote.


    Ansonsten war die Geschichte auch Bestandteil der Super Mystery Reihe vom Coraverlag. Das ist allerdings ewig her. Im Jahr 1993 erschienen die vier Bände unter dem Titel "Das Tagebuch des Vampirs". Hier die Einzeltitel (ich glaube, das ist die gleiche Bennenung wie bei den Taschenbüchern):


    1. Das Erwachen
    2. Der Kampf
    3. Der Zorn
    4. Die Rache


    Vielleicht kannst du alternativ ja auch die Hefte finden? Wobei die wahrscheinlich ebenso begehrt sind, wie die Romane als "Mira-Taschenbuch".


    Viel Erfolg bei deiner Suche! Ich habe sie damals total gern gelesen!

    Originaltitel: The tenant of Wildfell Hall


    In das beschauliche Landleben von ***shire zieht die mysteriöse Mrs. Graham. Sie versucht die Gesellschaft zu meiden und zieht sich in ihre Unterkunft Wildfell Hall zurück. Natürlich bleibt sie nicht lange allein, sind die Dorfbewohner doch sehr neugierig auf die neue Bewohnerin. Sie statten ihr Besuche ab und versuchen, ihre Geschichte zu erfahren. Auch der junge Bauer Gilbert Markham interessiert sich für die Zugezogene und gewinnt zunehmend ihr Vertrauen. Doch Spekulationen und Gerüchte formieren sich bald und die scheinbare Ruhe, die Mrs. Graham zu finden hoffte, zerbricht.
    Gilbert Markham informiert seinen Schwager J. Halford über die Art ihrer Bekanntschaft durch einen langen Brief. Er legt dem Brief zudem Mitschriften von Mrs. Grahams Tagebuchaufzeichnungen bei, in denen sie ihre Geschichte erzählt.


    Mehr möchte ich zum Inhalt nicht verraten, aber wer eine ausführliche Inhaltsangabe sucht, wird mit Hilfe von Google und Wikipedia auf vielen Seiten fündig.


    Mir hat dieser Klassiker sehr gut gefallen. Nachdem ich bisher nur zwei Romane der Brontëschwestern kannte (Charlottes „Jane Eyre“ und Emilys „Sturmhöhe“), war ich auf Annes Ansatz sehr gespannt.


    Die Ehegeschichte, die Anne Brontë erzählt, war für ihre Zeit wahrscheinlich sehr radikal, aber nicht außergewöhnlich. Sie hatte viel Kritik dafür einzustecken. Während der gesamten Lektüre fragte ich mich, ob sich vielleicht zu viele Kritiker auf den Schlips getreten fühlten, um subjektiv zu urteilen. (Reine Spekulation meinerseits.)


    Anne beschreibt sehr detailliert und präzise, welche Auswirkungen ein egoistischer Ehepartner auf sich selbst, seine Ehe und seine „Lieben“ hat. Dieser Teil der Schilderung macht für mich die Essenz des Romans aus. Die Nebenhandlung um Mrs. Graham und Gilbert Markham wirkte auf mich wie ein Zugeständnis an den Geschmack der Zeit. Insbesondere das Ende erschien mir nicht mehr so glatt.


    Fazit:
    Der Roman hat mich gefesselt und gebannt. Solch schonungslose Offenheit hatte ich nicht erwartet und war positiv überrascht. Der Teil, in dem man die Tagebucheintragungen liest, war sehr aufwühlend und mitunter sehr modern gestaltet. Natürlich darf man nicht vergessen, dass es sich hier um ein Zeitdokument des 19. Jahrhunderts handelt und die Konventionen zwischen damals und heute mitunter sehr unterschiedlich sind. Allerdings existiert das grundlegende Problem auch in der heutigen Zeit noch. Die Umstände mögen sich unterscheiden, die Auswirkungen nicht unbedingt.
    Für mich empfehlenswert für Leser dieses Genres!

    Vorab:
    ist es richtig, hier zu schreiben? Es gibt einen zweiten Thread (klick) , in dem zur Taschenbuchausgabe geschrieben worden ist, die unter dem Titel "Der Club der singenden Metzger" erschienen ist. Ich hänge mich hier an, weil es mehr Antworten gab und weil ich die Hardcoverausgabe gelesen habe. Sollte man evtl. trotzdem überlegen, die Threads zusammenzulegen?


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    1918: Der junge Scharfschütze Fidelis Waldvogel kehrt seelisch versehrt aus dem 1. Weltkrieg in sein Jugendzimmer nach Ludwiglust zurück. Es fällt ihm schwer, sich der Normalität in seiner Heimatstadt wieder anzunähern, doch ein Versprechen, dass er seinem gefallenen Kameraden Johannes gegeben hat, führt ihn zu dessen Verlobter Eva und zurück ins Leben. Als er die hochschwangere junge Frau trifft, verliebt er sich in sie und heiratet sie nicht nur um seiner Verpflichtung willen.


    Einem Leben in Deutschland will er langfristig aber entgehen und beschließt, in das Land zu gehen, dass "das perfekteste weiße Brot" (Toast) hervorbrachte, das er je gesehen hat. Mit einem Koffer voller bester deutscher Würste und seinen Messern macht sich der Metzgersohn auf den Weg in die Vereinigten Staaten, wo er sich durch den Verkauf seiner Waren den Weg bis in die Stadt Argus in North Dakota ermöglicht. Hier findet er Arbeit in einer Metzgerei und bereitet alles für die Ankunft seiner Frau Eva, ihres Sohnes Franz und seiner Schwester vor. Mit der Zeit gelingt es ihm, sich selbständig zu machen, einen Gesangverein zu gründen und Armut und Kriegsschrecknisse zu verdrängen.


    Parallel zu diesem Erzählstrang lernt der Leser die Artisten Delphine Watzka und Cyprian Lazarre kennen, die mit einer beeindruckenden Jongliervorführung durch die USA ziehen. Nach langen Jahren kehrt Delphine mit ihrem Freund, den sie als ihren Ehemann ausgibt, in das Haus ihres Vaters Roy in Argus zurück. Hier wird sie mit drei Leichen konfontriert, die ihr und ihrem Vater noch viel Ärger machen sollen.


    Natürlich treffen die Waldvogels und Watzkas aufeinander und ihre Schicksale verquicken sich durch die Freundschaft zwischen Eva und Delphine zunehmend.


    Dieser erste Roman für das Jahr 2008 war ein echter Glücksgriff! Sollte meine weitere Auswahl für dieses Jahr ähnlich glücklich sein, stehen mir keine Enttäuschungen für dieses Jahr mehr bevor. Ich möchte schonmal behaupten, dass "Der Gesang des Fidelis Waldvogel" auch in den nächsten 12 Monaten zu meinen Favoriten gehören wird.


    Der Roman ist ein wirklich guter Schmöker, der aber nicht in Klischees abdriftet. Ich konnte das Hand zwei Tage lang nicht aus der Hand legen und musste einfach wissen, wie sich das Leben von Fidelis, Eva, Delphine, Cyprian und Roy entwickelt. Es gibt zusätzlich zu den bereits genannten Personen weitere Figuren, die für die Geschichte wichtig sind:
    Fidelis und Eva bringen drei gemeinsame Kinder zur Welt: Markus und die Zwillinge Erich und Emil, die mir auch sehr ans Herz wuchsen. Natürlich gibt es auch einen "Bösewicht": Fidelis Schwester Maria Theresia, die von allen nur "Tante" genannt wird, um sie nicht mit diesem kaiserlichen Namen ansprechen zu müssen. Was für ein Charakter!


    Die Geschichte spannt sich über einen Zeitraum von 36 Jahren (1918 - 1954) - bewegten Zeiten, in denen sich viel Zeitgeschichte ereignet. Die Bewohner von Argus sind diesen Einflüssen natürlich auch ausgesetzt und treffen wichtige Entscheidungen, lieben und leiden. Sehr gut gefiel mir, dass man sich in der zeitlichen Abfolge gut zurecht findet. Auch wenn es Zeitsprünge gibt, sind sie doch geschmeidigt in das Geschehen eingebunden und nie zu abrupt.


    Fazit:
    Ein wunderschöne, zu Herzen gehende Familiengeschichte, garniert mit einem Schuß Kriminalgeschichte. Perfekte Lektüre für ein gemütliches Lesewochenende.


    Soweit ich herausfinden konnte, spielen die meisten (wenn nicht alle?) ihrer Romane in der Stadt Argus, was ich sehr spannend finde! Es ist sicher interessant weitere Bewohner der Stadt in verschiedenen Jahrzehnten kennenzulernen. Der nächste Titel auf meinem SUB ist "Geschichten von brennender Liebe" - aber ich werde sicher auch noch ihre anderen Romane lesen (dann möglichst in der richtigen Reihenfolge):


    * Liebeszauber - Love Medicine (1984)
    * Die Rübenkönigin - The Beet Queen (1986)
    * Spuren - Tracks (1988 )
    * Der Bingopalast - The Bingo Palace (1994)
    * Geschichten von brennender Liebe - Tales of Burning Love (1997)
    * Die Antilopenfrau - The Antelope Wife (1998 )
    * Der Klang der Trommel - The Painted Drum (2005)


    Zur Autorin:
    Louise Erdrich wurde 1954 in Minnesota geboren und stammt väterlicherseits von einem deutschen Metzgermeister ab und mütterlicherseits von den Chippewa-Indianern in North Dakota.
    Mehr Informationen findet ihr auf der Wikipediaseite: Louise Erdrich

    Inhalt:


    Der Leser begegnet der Hauptfigur Felix am Strand. Man wird in die Geschichte gesogen, während Felix darüber philosphiert, dass auch das Meer kein guter Entscheider ist. Nach und nach erfährt man durch Rückblenden, weshalb er sich am Strand der französischen Atlantikküste befindet und dort versucht, eine Entscheidung zu treffen.


    Einen Teil der Hintergrundsgeschichte möchte ich hier schon vorweg nehmen, ohne zu spoilern.


    Katharina Falter ist die Triebfeder dieses Romans. Sie war lange mit Felix und Konrad befreundet. Nach einer zweijährigen Beziehung mit Konrad und einer halbjährigen Affäre mit Felix zieht sie einen Schlusstrich. Erst drei Jahre später hören die beiden ehemaligen Freunde erneut von ihr, als sie je eine Hochzeitseinladung erhalten. Sie treten wieder miteinander in Kontakt, reisen zu Katharina in der Hoffnung auf... - ja, auf was eigentlich?


    Die Begegnung mit Katharina verläuft ereignisreich und öde zugleich. Und bald stolpern Konrad und Felix von einer Situation in die nächste.


    Meine Meinung:


    Was soll ich sagen? Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich letztendlich zum Roman stehe. Eher positiv, aber einiges fehlte mir leider.


    Anfangs hatte ich leichte Probleme damit, mich in die Grammatik des Autors einzulesen, aber schon bald steckte ich mitten in der Handlung. Die regelmäßigen Sprünge zwischen Gegenwart und Erinnerung haben mir sehr zugesagt, denn sie verlängern die Spannung und intensivieren die Atmosphäre.


    Leider hört der Roman da auf, wo ich mir gewünscht hätte, noch mehr zu erfahren. Vieles wird nur angesprochen, aber nicht aufgelöst. Insbesondere Katharina bleibt blass und


    Schade, das hätte der Geschichte noch eine tiefere Dimension gegeben.


    Trotzdem bin ich froh, einen neuen jungen deutschen Autoren entdeckt zu haben. "Wir bleiben in der Nähe" wird sicher nicht sein letzter Roman sein. Keine Ahnung, ob man das Buch gelesen haben MUSS, aber es hat mir irgendwie gut getan.

    "Die Geschichte der Liebe" war eins meiner Lieblingsromane im Jahr 2006!


    Die Inhaltsangabe, die Jersey von Amazon übernommen hat, fasst den Handlungsbogen passend zusammen. Allerdings kann sie bei weitem nicht vermitteln, wie wunderbar die einzelnen Geschichten verwoben sind. Jede Person des Buches hat mit einem Verlust zu kämpfen und muss lernen, mit diesem zu leben. Einigen gelingt es besser als anderen - aber immer, immer bleibt Hoffnung für die Lebenden! Mir ging die Geschichte direkt ins Herz. Ein rundherum stimmiger Roman.


    Handlungsort ist meistens New York - Zufluchtsort der polnischen Juden Leo Gursky, Alma Meriminski und Isaac Moritz. Aber auch Heimat für Alma Singer und ihren Bruder Birdy.


    Was mich an dem Buch berührte, war die Darstellung ihrer Sehnsüchte, Wünsche und Ängste. Jeder hat seine eigene Strategie entwickelt, mit seinem Schicksal umzugehen:



    Natürlich sind diese Strategien mitunter ungewöhnlich, aber ich fand die Einfälle der Autorin so anders, dass ich mich dem Erzählfluss einfach hingegeben habe. Und immer gibt es einen Hoffnungsschimmer. Ich habe es als ein sehr tröstendes Buch empfunden!


    Eine Stelle möchte ich hier gerne beispielhaft anführen:


    Zitat

    "Ich bin kein Houdini. Und doch. In meiner Einsamkeit tröstet es mich zu denken, dass mir die Türen der Welt, wenn sie auch geschlossen sind, nie ganz verschlossen bleiben." (S. 188 )


    "Bittersüß" ist das Adjektiv, dass mir beim Lesen am meisten in den Sinn kam.


    Huch - hat noch niemand hierauf geantwortet? Das hat "Blaupause" nicht verdient!


    Der Inhalt hat mich sehr bewegt. Die Aussicht auf unkontrolliertes Klonen ist erschreckend. Ich lehne Klonen nicht generell ab. Allerdings ist es wichtig, verantwortungsbewusst und respektvoll mit der "Schöpfung" umzugehen. Im Roman wird ein düsteres und mahnendes Bild gezeichnet. Die Probleme des Mädchens sind immens. Einerseits muss sie sich damit auseinandersetzen, einer der ersten Klone zu sein ud zum anderen lebt sie in einem starken Spannungsverhältnis zur Mutter und Gesellschaft.


    Obwohl ich Verständnis für das Fortpflanzungsbedürfnis der Mutter hatte, konnte ich sonst KEINE ihrer Handlungen gutheißen!


    Als die Tochter heranwächst, steht ihr kein eigenes Leben zu. Sie wird von den Sehnsüchten, Hoffnungen und Eitelkeiten ihrer Mutter manipuliert. Was für ein Leben biete ich damit meinem Nachwuchs?! Eine Tochter ist doch keine Puppe!!!


    Mir ist bewusst, dass es auch heute schon Eltern gibt, die ihre Wünsche und Ängste im großen Maßstab auf ihre Kinder projezieren. Dies finde ich verabscheuenswürdig! Kinder müssen ihre Erfahrungen selbst machen und nicht durch den Machtmißbrauch ihrer Eltern erfahren.


    Ansonsten gibt der Roman Antworten, wirft aber auch viele Fragen auf!

    Ich gehöre auch eher zu den Lesern, die "Das Papierhaus" kritisch aufgenommen haben.


    Der Anfang hat mich sehr begeistert, auch wenn er dazu führte, dass ich kurzzeitig dachte, es handele sich bei dem Buch um eine Aneinanderreihung von verschiedenen glücklichen oder unglücklichen Schicksalen.


    Bis zum Schluss hatte ich das Gefühl, dass die Rahmenhandlung nur dazu gebastelt worden war, um verschiedene Momentaufnahmen aus der fantastischen Welt der Bücher miteinander zu verknüpfen. Eine Methode, die ich für durchaus statthaft halte, aber wenn sie angewendet wird, dann doch bitte auch so, dass die Geschichte selbst ein Gewicht hat. Das hat mir gefehlt...


    96 Seiten sind einfach zu kurz, um eine Erzählung rund zu machen und dazu noch philosophische Betrachtungen einzubringen. Die Stellen über unterschiedliches Leseverhalten und die Auseinandersetzung darüber gefielen mir gut, hatte das meiste aber bereits in anderem Zusammenhang gelesen.


    Vor allem fehlte mir ein Hinweis auf den Inhalt "Der Schattenlinie" von Joseph Conrad. Gerade zum Schluss wird auf den Inhalt dieses Klassikers Bezug genommen. Es wäre schön gewesen, wenn der Verlag irgendeinen Vermerk eingebaut hätte, zumal es schwer ist, eine Zusammenfassung im Internet zu finden...


    Mein Fazit: Eine schnelle Lektüre für einen gemütlichen Lesetag, um sich abzulenken. Aber es ist auch ein Buch, desen Inhalt ich schnell wieder vergessen habe.

    Originaltitel: Notes from a small island


    1992 veröffentlichte Bill Bryson seine "Notes from a small island" (dt. "Reif für die Insel"). Nach einem ersten Besuch in Großbritannien 1973 ist er von der Insel und seinen Einwohnern beeindruckt. Hier lernt er auch seine Frau kennen und heiratet sie ein Jahr später. Nach 2 Jahren in Amerika ziehen beide zurück in die "alte Heimat" und bleiben knapp 20 Jahre dort, bevor sie erneut in die USA umziehen.
    Um sich gebührend von der Insel zu verabschieden, beschließt er sie acht Wochen lang zu Fuß oder per Bahn zu bereisen. "Notes from a small island" ist der Bericht über seine Erfahrungen mit der vielfältigen Landschaft und Gesellschaft.


    Nachdem ich bereits mehrere seiner Reiseberichte gelesen habe, hatte ich mich auf einen weiteren gefreut. Allerdings hat sich die Lektüre dann doch anfangs als ziemlich zäh dargestellt. Über einen Monat habe ich mal mehr und mal weniger darin gestöbert. Nach 150 Seiten (von 350) hatte er mich dann endlich und so konnte ich die letzten beiden Drittel schnell durchlesen.


    Auch wenn er über britische Gepflogenheiten lächelt,spürt man doch, dass er Land und Leute liebt (zeigt sich wohl auch daran, dass er inzwischen wieder in Großbritannien lebt). Seine Reise beginnt im Süden des Landes und umfasst dort Stationen wie Dover, Bornemouth, London, Windsor und Virginia Waters, Stonehenge und Exeter. In Virginia Waters lernte er seine Frau kennen und dementsprechend liebenswürdig schreibt er über den kleinen Ort zu Füßen von Windsor Castle. Grund genug für mich im letzten Urlaub bei meinem Schatz dorthin zu fahren. Und wir waren so froh darüber! Seine Begeisterung war nicht übertrieben! Also mein Tipp: hinfahren, selber schauen!


    Von der südlichen Westküste reist er in die Landesmitte nach Oxford zurück, um dann den Osten und Mittelengland zu besuchen. Von dort fährt er zurück Richtung Westen und Norden, um weitere Stationen wie Liverpool, Wales, Edinburgh, Glasgow und die äußersten Punkte Schottlands zu besuchen.


    Neben Beschreibungen zu den Orten hält Bill Bryson auch mit seinen Beobachtungen zur Geschichte, der Tourismusindustrie, Kultur, Infrastruktur der Bahn, politschen Kuriositäten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nicht zurück. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf lebende Personen, sondern gibt sich auch dem Lästern über einige adlige Kuriositäten der Vergangenheit hin. Besonders angetan hat es ihm W. J. C. Scott-Bentinck (1800-1879), der 5. Duke of Portland: ein Einsiedler, dessen krankhafte Neigung dazu führt,dass er sich unter seinem Anwesen ein zweites Apartment bauen lässt - inklusive Ballsaal. Wer mehr über ihn erfahren möchte, kann in der englischen Wikipedia weiterlesen: [URL=http://en.wikipedia.org/wiki/William_Cavendish-Scott-Bentinck,_5th_Duke_of_Portland]http://en.wikipedia.org/wiki/W…nck,_5th_Duke_of_Portland[/URL] . (Hier ist noch ein bedeutend neutralerer Bericht zu lesen: http://www.nottingham.ac.uk/ms…d/5th_duke_portland.phtml)


    Fazit:
    Für Englandfans ist der Reisebericht sicher informativ und amüsant, aber die Begeisterung, die ich nach "Streiflichter aus Amerika" und "Frühstück mit Känguruhs" empfunden habe, konnte hier zumindest für mich nicht aufkommen. Ich hatte mir wesentlich mehr erwartet.

    Originaltitel: Some great thing


    Anfang bis Ende des 20. Jahrhunderts: eine Stadt (Ottawa) und zwei Männer, die mit dem Aufbau der Hauptstadt Kanadas über Jahrzehnte indirekt verbunden sind.


    Jerry McGuinty ist Bauarbeiter mit Leib und Seele. Schon durch seinen Vater, Großvater und Urgroßvater ist er von diesem Gewerbe geprägt. Als Junge beginnt er als Spund auf einer Baustelle und legt damit den Grundstein für eine Karriere als Baulöwe. Eines Tages hält die junge Kathleen Herlihy mit ihrem Sandwichwagen in der nähe seines Arbeitsplatzes an und lädt ihn ein, bei ihr zu essen. Ab dem Zeitpunkt ist es um ihn geschehen: er hat die Liebe seines Lebens gefunden. Wenige Zeit später werden die beiden mit der Geburt ihres Sohnes Jerrys eine Familie. Das Leben könnte so perfekt sein, doch schon auf den ersten Seiten ahnt der Leser, dass Jerrys Leben nicht so sein wird, wie er sich das denkt und wünscht.


    Simon Struthers dagegen ist das Paradebeispiel eines Beamten. Er versammelt alle Klischees und Vorurteile, die einem zum Begriff „öffentlicher Dienst“ einfallen (sage ich als Teil des Systems): passiv, zögerlich, unscheinbar und wirklichkeitsfremd. Innerhalb kürzester Zeit steigt er zum Direktor für Planung und Landnutzung in der Abteilung Landeshauptstadt.
    Trotz seiner Defizite gelingt es ihm, diverse Frauen zu bezaubern und für sich zu gewinnen. Bis er die rätselhafte Kwyet und ihre Mutter Matty kennen lernt, die sein so wohl geordnetes Leben durcheinander wirbeln und verändern.


    Mehr möchte ich hier nicht zum Inhalt ezählen, weil ich Angst habe, jemandem zuviel zu verraten. Deshalb wird meine Beurteilung etwas länger werden.


    Der Anfang des Romans hat es mir sehr schwer gemacht: sehr viel wörtliche Rede ohne eine Vorstellung der Figur, um die es geht. Und dazu die Verwirrung, dass der Roman mit einer Frau beginnt statt mit den Männern, von denen im Klappentext die Rede ist.


    Ich muss gestehen, dass mich dieser Anfang so abgeschreckt habe, dass ich „Ein großes Ding“ nach gerade mal 20 Seiten zur Seite legte und auf einen besseren Moment wartete.


    Der Sprach- und Schreibstil waren für mich sehr ungewöhnlich: mal liest man Kapitel, die nur eine Seite lang sind, dann wieder über 30 Seiten gehen. Im Wechsel kommen Jerry und Simon zu Wort. Jerrys Kapitel bestehen zum größten Teil aus wörtlicher Rede und überzeugen durch eine direkte Anrede des Lesers. Er spricht, wie er denkt (sehr derb, mitunter auch vulgär, aber sehr ehrlich).
    Simon dagegen wird beschrieben. Dieses Mittel finde ich überaus passend für seinen Charakter. Nur zum Schluss hin darf er sich selbst äußern - bis dahin passiert ihm aber auch so einiges.


    Jerry ist mir sehr ans Herz gewachsen. Meine Assoziation bei ihm: „ein roher Diamant“. Simon dagegen hat mich im Verlauf des Romans immer ärgerlicher gemacht. Es war nach seinen Kapiteln immer eine Wohltat, wieder etwas von Jerry zu hören.


    Ich kann nicht genau bestimmen, was mir so ans Herz gegangen ist, aber dieser Erstlingsroman hat es mir ziemlich angetan! Insbesondere die letzten 140 Seiten waren fesselnd und emotional. Das Ende, über das ich nichts erzählen werde, ging mir echt ans Herz.

    Originaltitel: The Agony and the ecstasy (1977)


    Auf 722 Seiten beschreibt Irving Stone das 9 Jahrzehnte umspannende Leben Michelangelo Buonarottis. Beginnend mit seinem 13. Lebensjahr und dem Eintritt in die Werkstatt des Malers Ghirlandajo, verfolgt der Leser daraufhin seinen Wechsel in den Künstlergarten von Lorenzo de Medici. "Il Magnifico" nimmt ihn bei sich auf und fördert seine Talente bedächtig und fordert so Michelangelo viel Geduld ab - was nicht als seine Stärke gezählt werden kann.
    Neben der eigenen Unruhe macht ihm auch die Haltung seines Vaters Sorgen: dieser kann seinen Wunsch, Künstler zu werden nicht nachvollziehen. Er würde am liebsten sehen, dass sein Sohn Kaufmann wird und damit die Familie unterstützt. Für ihn sind künstlerische Ambitionen nur Zeitverschwendung und wehrt sich ständig gegen die "Exzentritrität" seines Sohnes. Er ändert seine Meinung erst, als Michelangelo beginnt, mit seinen Werken Geld zu verdienen... Eine wahre Krämerseele...


    Nach drei Jahren Lehre und freundlichem Umgang mit der mächtigsten Familie in Florenz stirbt Lorenzo und somit auch Michelangelos Förderung. Lorenzos arroganter Sohn Pietro versteht es nicht, die Bevölkerung der Stadt hinter sich zu sammeln und treibt seinem mächtigen Widersacher Fra Savonarola immer mehr Anhänger zu. Dessen Politik wendet sich explizit gegen die Verkommenheit der herrschenden Klassen und die Verderbtheit in der Kirche. Er beschränkt sich jedoch nicht auf Hasspredigten sondern stellt auch Regeln gegen den Luxus auf. Dies endet in einem "Scheiterhaufen der Eitelkeiten", für das junge Männer und Kinder verwerfliche Gegenstände aus Häusern stehlen und anschließend in einem riesigen Spektakel verbrennen.
    Dieser Teil des Romans war sehr explizit beschrieben und die Horden der "fanciulli" ließen Erinnerungen an "Braunhemden" und die Zeit des Nazi-Regimes vor meinem Auge erstehen. Insgesamt gefiel mir die Beschreibung dieser Zeit des Umbruchs in diesem Roman besonders gut, weil Irving Stone hier sehr viele Informationen bietet, die die Zeitumstände beschreiben. Hierin liegen auch die Wurzeln für das spätere Schicksal Michelangelos. Deshalb: sehr gelungen!


    Nach einem Jahr in Bologna kehrt er nach Florenz zurück, wo eine geschickte Fälschung einer angeblich antiken Statue von Cupido ihm Verbindungen zu dem Kardinal Raffaele Riario in Rom verschafft und in direkter Folge zu seinem ersten Aufenthalt in Rom führt. Insgesamt ist die Zeit für ihn enttäuschend, doch kann er seine erste Pietà schaffen.


    Nach fünf Jahren reist er heim nach Florenz und schafft dort seinen David. Ein Werk außergewöhnlicher Genialität und neuen Denkens! Die Entstehung der Skulptur ist wunderbar beschrieben! Und die Reaktion der Florentiner auf ihr neues Standbild hat mir fast die Tränen in die Augen getrieben. Man fühlt Michelangelos Triumph mit ganzem Herzen mit.


    Zu dieser Zeit wird er in den Florentiner Künstlerkreis aufgenommen, wo er Leonardo da Vinci kennen und hassen lernt. Ihre Egos sind wohl zu groß für eine Stadt, bzw. eine Welt, um sich zu tolerieren. Doch aus dieser Spannung entsteht Michelangelos Wunsch, ein Fresko zu malen – eine Tätigkeit, die er bisher immer ablehnte. Aber der Ehrgeiz beflügelt ihn innerhalb kürzester Zeit, einen Karton für die „Schlacht von Cascina“ fertig zu stellen. Beenden konnte er es jedoch nie, weil er erneut nach Rom aufbrach, wo ihn ein großer Auftrag von Papst Julius II erwartete.


    Nun beginnt für ihn eine Zeit, in der er sich in Verträgen und der Politik verstrickt, die ihm immer wieder Großes verheißen, aber häufig in Enttäuschungen enden. Dies liegt zum einen daran, dass er selbst seine Verträge nicht allzu klug aushandelt, aber auch an den häufig wechselnden Päpsten. In seinem Leben gab es 13 (!) verschiedene Päpste unterschiedlicher Abstammung und Gesinnung. Wenn man von deren Gunst abhängt, muss man schon sehr geschickt sein, sich nicht zu tief in den Intrigen und politischen Untiefen zu verstricken, was Michelangelo nicht immer gelingt, aber letztendlich doch immer glimpflich für ihn verläuft.


    Ich sollte jetzt vielleicht noch einiges zur Entstehung des Freskos in der Sixtinischen Kapelle und seine Arbeit am St. Petersdom erzählen, habe aber das Gefühl, jetzt schon den Rahmen zu sprengen. Außerdem solltet ihr ja selbst noch etwas Neues in dieser Romanbiografie entdecken können! Wer vorher schon mehr wissen möchte, kann sich gut auf der Wikipediaseite informieren.
    Ein weiterer Link, der mir sehr geholfen hat, ist folgender: http://www.scultura-italiana.c…a/Michelangelo/index.html.


    Fazit:
    Von der ersten Hälfte der Romanbiografie war ich sehr begeistert und habe mich trotz der extremen kleinen Schrift meiner Taschenbuchausgabe von 1984 ziemlich schnell fest gelesen. Leider habe ich danach einen Einbruch gehabt – vielleicht liegt es daran, dass sich irgendwann die Mechanismen seiner Arbeit unweigerlich wiederholten: Marmor beschaffen, lange oder stürmische Denkensphase, furioses Losschlagen der Figur im Stein, Polieren. Mir ist durchaus bewusst, dass dieses alles Ausdruck seiner Methode und Genialität ist, aber wenn man zum dritten Mal die gleiche Formulierung liest, wird es leider ermüdend.
    Sehr fasziniert haben mich die Ausmaße seiner Marmorblöcke, seine Arbeit im Bergwerk und die Transportprobleme, denen er sich zu stellen hat. Außerdem: seine anatomischen Studien, seine Persönlichkeit und sein Familiensinn (der unglaublich großzügig ist).


    Schade fand ich hingegen, dass das Ende etwas gehetzt wirkte: den letzten 30 Jahren seines Lebens werden nur noch 77 Seiten gewidmet.


    Insgesamt würde ich diese Romanbiografie aber Kunstinteressierten unbedingt empfehlen! Mir selbst hat es neue Aspekte der Geschichte aufgezeigt, von denen ich ein vertieftes Wissen haben möchte: Lorenzo de Medici, die Borgias, Geschichte der Päpste allgemein, etwas mehr zu Rom und St. Peter im Besonderen, Leonardo da Vinci, Savonarola...

    Originaltitel: Beloved (Pulitzerpreis: 1989)


    In "Menschenkind" wird das Schicksal der ehemaligen Sklavin Sethe (gesprochen Ssiethie) geschildert, die 1863 von der Farm „Sweet Home“ in Kentucky flieht, um sich, ihre Kinder und ihr ungeborenes Baby in eine bessere Zukunft zu führen. Ihre Schwiegermutter Baby Suggs wurde einige Jahre zuvor von ihrem Sohn Halle freigekauft und hat sich ein neues Leben in Cincinnati aufgebaut. Hier hofft Sethe auf eine Wiedervereinigung ihrer Familie.


    Sethe überlebt die Flucht durch die Hilfe des „Weißenmädchens“ Amy Denver und bringt gemeinsam mit ihr das Baby Denver in einem Boot zur Welt. Alles scheint sich zum Guten zu wenden, aber es steckt noch mehr hinter der Geschichte, denn in den folgenden 18 Jahren spukt es in ihrem neuen Domizil. Die Frauen glauben, dass es der Geist von Sethes ältester Tochter Menschenkind ist, die wütend über ihren Tod ist. Der Spuk hört erst auf, als ein ehemaliger Bekannter von Sethe in das Haus kommt und sie verzaubert und gleichzeitig ängstigt. Während Denver darauf eifersüchtig reagiert, versucht Sethe sich an die neuen Gefühle zu gewöhnen. Überraschend bekommt die kleine Gemeinschaft weiteren Zuwachs durch eine junge Frau namens Menschenkind…


    Ich fand es schwierig, die ersten 150 Seiten zusammenhängend zu verstehen, weil der Schreibstil und die Struktur der Geschichte ungewöhnlich sind. Anfangs werden viele verschiedene Personen eingeführt. Dabei geht es nicht so sehr um explizite Beschreibungen sondern eher um Erinnerungen. Konzentration beim Lesen ist also dringend notwendig!


    Hat man sich erst einmal an den Stil von Toni Morrison gewöhnt, entwickelt sich der Roman quasi zu einer Sucht. Gerade am Anfang wird der Leser durch extreme Beschreibungen des kummervollen Lebens schockiert (z. B. als Sethe sich selbst von dem Totengräber quasi vergewaltigen lässt, um einen Grabstein inklusive Inschrift für ihre tote Tochter erstehen zu können). Der Roman erinnert den Leser sehr explizit daran, dass das Leiden ehemaliger Sklaven auch nach dem Ende des Bürgerkrieges nicht endete. Außerdem stellt es wichtige Thesen darüber auf, dass eine Befreiung noch lange nicht bedeutet, dass man seine Freiheit auch begreift und nutzt.


    Hier bietet sich dem Leser ein sehr kontroverses Thema, das zum Nachdenken anregt und keine einfache Lösung vorgibt. Ohne zuviel verraten zu wollen, kann ich sagen, dass im Mittelpunkt des Romans eine unter einer Extremsituation begangene Straftat steht. Die Handlung der Täterin muss auf den ersten Blick verabscheuenswürdig und grausam erscheinen, erklärt sich aber zumindest rationell durch die Bedingungen unter denen sie agiert. Auch wenn man versucht, sie zu verstehen, bleibt beim Leser ein Grauen zurück.


    Diese zwiespältige Haltung ist wohl auch von der Autorin beabsichtigt. Ich hatte den Eindruck, dass Toni Morrison mit diesem Roman versucht, die Barbarei der Sklaverei, aber auch die anschließende Unsicherheit für alle Beteiligten zu illustrieren. Diese Anklage wird in überaus poetischer und plastischer Weise verdeutlicht! Eine der Stärken dieses Romans ist es, dass Toni Morrison überhaupt Worte dafür gefunden hat, diesen Schrecken beschreiben zu können.


    Wie bereits erwähnt, ist die Sprache und der Stil gewöhnungsbedürftig, aber wenn man sich von den ersten 10 Seiten nicht abschrecken lässt, hat man mit "Menschenkind" einen literarischen Volltreffer gelandet!


    PS: Auf der Wikipedia-Seite kann man nachlesen, dass es sich bei dem hier geschilderten Fall um eine wahre Geschichte handelt:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Margaret_Garner. Dort findet man auch weiterführende Links.
    Interessant auch, dass der Nachname im Roman in Form der Besitzer von "Sweet Home" auftritt.